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Wolfram Gießler
Karin Scharfenorth
Thomas Winschuh

Aktive Personalentwicklung im Krankenhaus

Grundlagen und Praxis
der aufgabenbezogenen
Qualifizierungsbedarfsanalyse

Verlag W. Kohlhammer

Wichtiger Hinweis

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1. Auflage 2013

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart

Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher

Gesamtherstellung:

W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-021939-7

E-Book-Formate:

pdf:     ISBN 978-3-17-024386-6

epub:  ISBN 978-3-17-024387-3

mobi:  ISBN 978-3-17-024388-0

Inhalt

  1. Abkürzungsverzeichnis
  2. Spürbare Effekte durch Qualifizierungsbedarfsanalysen – Vier Skizzen zum Einstieg
  3. Einleitung: Bedarfsorientiertes Lernen mit Sinn
  4. 1   Personalentwicklung im Krankenhaus auf dem Weg ins Rampenlicht
  5. 1.1   Von der Personalverwaltung zur Personalentwicklung
  6. 1.2   Von der Qualifikation zur Kompetenz
  7. 1.3   Neue Rollen für Führungskräfte
  8. 2   Aktive Personalentwicklung als Rahmen für Qualifizierungsbedarfsanalysen
  9. 3   Mitarbeiter entdecken, was sie brauchen – Die QBA in der Praxis
  10. 3.1   QBA planen – Innovation im Team vorbereiten
  11. 3.2   QBA durchführen – Den Dialog in Gang bringen
  12. 4   Lernen fördern und begleiten – Kernaufgabe aktiver Personalentwicklung
  13. 4.1   Lernkompetenz entwickeln
  14. 4.2   Lernberatung
  15. 4.3   Fortbildungen teilnehmer- und erfahrungsorientiert gestalten
  16. 4.4   Coaching und Patenschaften
  17. 4.5   Teamentwicklung
  18. 4.6   Lernen und Entwicklung strategisch ausrichten
  19. 5   Veränderung der Personalentwicklung durch die QBA
  20. 5.1   Betriebliche Interessenvertretungen: Chancen für ein neues Co-Management
  21. 5.2   Betriebsleitungen: Steuern durch strategische Orientierung
  22. 5.3   Beschäftigte: Die Komfortzone verlassen
  23. 5.4   Personalabteilung und innerbetriebliche Fortbildung: Koordination und Beratung
  24. 5.5   Qualitätsmanagement: QBA als Instrument der Unterstützung des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP)
  25. 6   Wege der QBA-Einführung – Vielfalt mit System
  26. 7   Praxisbeispiele
  27. 7.1   Dynamischer Start – Ermüdende Routine – Notwendige Weiterentwicklung: QBA im Stadtkrankenhaus der Grund- und Regelversorgung
  28. 7.2   Nützliche Umleitung: Systematische Stärkung der Führungskräfte als indirekter Entwicklungsbedarf
  29. 7.3   Organisationsentwicklung flankieren und reflektieren – Selektive Nutzung der QBA durch einen Krankenhausverbund
  30. 7.4   QBA als strukturierter Dialog über Professionalität
  31. 7.5   Notwendigkeit der Institutionalisierung der QBA – Nicht nur an Schlüsselpersonen aufhängen
  32. 7.6   Verantwortung für Personalentwicklung der direkten Vorgesetzten durch die QBA stärken
  33. 8   Ausblick: Mitarbeiter als Experten ihrer persönlichen Entwicklung am Arbeitsplatz
  34. Literaturverzeichnis
  35. Stichwortverzeichnis
  36. Anhang
  37. Anhang 1: Analyseschema der QBA
  38. Anhang 2: Kopiervorlage für Bewertungspunkte
  39. Anhang 3: Checkliste QBA
  40. Anhang 4: Schulungsplan QBA-Moderation
  41. Anhang 5: Vorlage für die Einladung zur QBA
  42. Anhang 6: Präsentation für die Information des Teams
  43. Anhang 7: Ablaufplan QBA
  44. Anhang 8: Vorlage für eine Tabelle zur Dokumentation der QBA-Ergebnisse
  45. Anhang 9: Formular für die Weitergabe der QBA-Ergebnisse
  46. Anhang 10: Checkliste Lernberatung
  47. Anhang 11: Checkliste Fortbildungsplanung
  48. Anhang 12: Struktur eines hauseigenen QBA-Konzepts
  49. Anhang 13: Vorlage Verfahrensbeschreibung QBA (QM)

Abkürzungsverzeichnis

BetrVG       Betriebsverfassungsgesetz

BpersVG    Bundespersonalvertretungsgesetz

LPersVG    Landespersonalvertretungsgesetz

MAVO        Mitarbeitervertretungsordnung (kirchlicher Arbeitgeber)

MVG           Mitarbeitervertretungsgesetz (kirchlicher Arbeitgeber)

MVG EKD  Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche Deutschlands

QBA            Qualifizierungsbedarfsanalyse

Spürbare Effekte durch Qualifizierungsbedarfsanalysen – Vier Skizzen zum Einstieg

Von der Konkurrenz zur Zusammenarbeit. Gerade dort, wo im Krankenhaus verschiedene Berufsgruppen eng bei der Patientenversorgung zusammenarbeiten, haben sich nicht selten extrem abgegrenzte Tätigkeitsfelder der Berufsgruppen entwickelt, so auch im Bereich der Geburtshilfe und der anschließenden Wochenbettversorgung. Dass sie mit der Einführung einer integrativen Wochenbettpflege im Stadtkrankenhaus auch Widerstände und Besitzstandswahrung hervorrufen würde, war der erfahrenen Stationsleitung Maria Ast von Anfang an klar. Also war sie auf der Suche nach einer Möglichkeit, die strikte Arbeitsteilung zwischen Krankenpflegerinnen und Kinderkrankenpflegerinnen möglichst schnell nach Einführung des Konzeptes auflösen zu können. Für beide Berufsgruppen führte sie eine übergreifende Qualifizierungsbedarfsanalyse (QBA) zu allen gegenwärtigen Aufgaben durch und ergänzte diese noch durch einen zweiten Durchgang, in dem die Lern- und Entwicklungsbedarfe zu den Aufgaben herausgearbeitet wurden, die für beide Berufsgruppen neu sein würden. Dazu gehörte z. B. die Dokumentation der Versorgung in einer integrierten Mutter-Kind-Kurve oder die Durchführung eines regulären Hörscreenings für alle Neugeborenen. Der Verlauf war turbulent und alle Beteiligten diskutierten engagiert über die Aufgaben und ihre Ausführung mit. Viele Teammitglieder meldeten Frau Ast im Anschluss zurück, dass es richtig toll gewesen sei, sich so differenziert und fachlich über die Arbeit ausgetauscht zu haben. Die anfänglichen Sorgen Frau Asts, aber auch gerade der Kinderkrankenpflegerinnen, die eine schrittweise »Enteignung« ihrer Aufgaben befürchteten, sollten sich nicht bewahrheiten. Im Gegenteil, in der Diskussion darüber, welchen Zuschnitt die zu leistenden Aufgaben in Zukunft haben würden, wurde schnell deutlich, dass gerade die fachlichen Kompetenzen der Kinderkrankenpflegerinnen für eine umfangreiche Beratung der Mütter und jungen Familien unverzichtbar sein würden. Die integrative Wochenbettpflege konnte problemlos eingeführt werden. Die Teammitglieder haben aber nicht nur die Erfahrung gemacht, dass ihnen die Arbeit unter der Bedingung des neuen Konzepts mehr Spaß macht, sondern dass sie über die QBA und die mit ihr verbundenen Diskussionen auch das Gefühl entwickelten, diese Veränderung selbst gestaltet und ihre Zusammenarbeit verbessert zu haben. Von nun an fiel es den Kolleginnen viel leichter, um Hilfe zu fragen, wenn sie bei einer konkreten Aufgabe unsicher waren, aber gleichwohl auch kritisch darauf hinzuweisen, wenn bei einer Aufgabe etwas besser gemacht werden konnte.

Urlaubszeit im Kreisklinikum Berg und Tal. Die Bereichsleitung Elisabeth Walter ist mit der Erstellung der Dienstpläne beschäftigt. In den vorangegangenen Jahren war die Dienstplanung gerade für die Zeit der Sommerferien zum Haareraufen. Als besondere Herausforderung hat sie immer die Einsatzplanung der Teilzeitkräfte empfunden. Und diese stellen immerhin über 60 % des gesamten Teams. Klar, einige der Teilzeitbeschäftigten sind erfahrene Kräfte, deren Kompetenzen Frau Walter gut einschätzen kann. Andere sind gerade mit ihrer Fachweiterbildung fertig geworden und daher auf dem neuesten Stand. Aber andererseits sind die Veränderungen im Intensivbereich auch so rasant, dass es nur natürlich ist, wenn Kolleginnen und Kollegen mit deutlich reduzierter Stundenzahl nicht immer alle Entwicklungen und neuen Anforderungen mitbekommen und beherrschen. Aber wer weiß was? Wer kann was besonders gut oder ist an anderer Stelle unsicher? Sie schaut auf die Ergebnismatrix der QBA des Pflegeteams in der Intensivmedizin und wendet sich dann wieder dem Dienstplan zu. Es lässt sich schnell erkennen, wer relevante Kompetenzlücken hat und daher, bis diese geschlossen sind, mit wem in der Schicht zusammen eingeteilt werden sollte, um ggf. genug Unterstützung zu erhalten. Es zeigt sich, dass viele der Teilzeitkräfte, deren fachliches Niveau sie vor Einführung der QBA in ihrem Bereich deutlich schlechter eingeschätzt hat, doch bei vielen Aufgaben eine ausreichende Kompetenz für die Ausführung besitzen. Seitdem traut sich Elisabeth Walter, neue Schichtteams zusammenzustellen und hat dadurch viel mehr Möglichkeiten in der Dienstplangestaltung. Ursprünglich sollten ihr die Ergebnisse der QBA nur in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden, aber da aufgrund der gegenwärtig knappen Personaldecke das Team selbst ein Interesse an flexibler Einsatzplanung formuliert hatte, war auch das Einverständnis schnell erreicht, der Bereichsleitung die Ergebnisse komplett zur Verfügung zu stellen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Daten auch nur für den definierten Zweck verwendet würden.

Die Teamsitzung im Lungenzentrum des Krankenhauses von Lerndorf ist gerade beendet. Die Stationsleitung Markus Bachmann schließt die Teamsitzung, nachdem der letzte Punkt auf der Agenda besprochen worden ist und keine weiteren Fragen oder Anmerkungen mehr vorliegen. Die letzten Monate waren chaotisch und als man ihm das Instrument der QBA zur Unterstützung des Umstrukturierungsprozesses vermittelt hatte, war er sich nicht sicher, ob er diese zusätzliche Neuerung parallel auch noch einführen wolle. Aber wenn, dann jetzt, dacht er sich damals, und nicht erst dann, wenn die Einrichtung des Lungenzentrums abgeschlossen ist. Heute ist er froh, dass er damals den Mut für die Einführung der QBA aufgebracht hat. Nicht nur, dass im Rahmen des Projekts, eine konservative und eine operative Station zusammenzuführen waren und gemeinsame Versorgungsprozesse zu entwickeln, abzustimmen und vor allem einzuführen waren. Die Stationen und ihre Teams hatten natürlich aufgrund der bisher unterschiedlichen Patientenstrukturen und Versorgungsaufgaben auch sehr unterschiedliche Kompetenzen entwickelt. Mit Blick auf das neue gemeinsame Aufgabenspektrum war es also notwendig, schnell sehen zu können, wo jeder steht. Dabei stellte sich heraus, dass durch die QBA nicht nur die Lern- und Entwicklungsbedarfe des Teams sichtbar wurden. Schon die Diskussion um die zukünftig auszuführenden Aufgaben hat immer wieder auch Rückwirkungen für die Arbeitsabläufe hervorgebracht, weil schnell deutlich wurde, dass etwas so oder so nicht geht. Auch andere Organisationsnotwendigkeiten zur Verbesserung der Versorgungsabläufe wurden automatisch mit erhoben und konnten so dazu beitragen, dass kleinere Defizite des Projekts nachgesteuert wurden. Gerade die Transparenz zu den Lernbedarfen beider Teams in Verbindung mit der Tatsache, dass solche auch in beiden Teams vorhanden waren, z. B. der Umgang mit Tracheostomapatienten, umfassendere Kenntnisse zu den Krankheitsbildern der Lunge inklusive möglicher Komplikationen, hat zu einer Beschleunigung der Teamintegration geführt und verhindert, dass sich mit der Fusion zwei Lager bei den Pflegekräften verfestigten.

Gute Stimmung beim Meeting der Betriebsleitung im Krankenhaus Metropole Nord. Gerade stand die Personalentwicklung auf der Sitzungsagenda und alle sind froh, sich damals für die Einführung der QBA entschieden zu haben. Ausgangspunkt war die doch recht kritische Rückmeldung der Visitoren im Rahmen des ersten KTQ-Zertifizierungsverfahrens dazu, dass man von einer auch nur annähernd systematischen und plausiblen Personalentwicklung im Hause wirklich nicht reden könne. Bis dato herrschte die Praxis vor, die Fortbildungsinteressen der Mitarbeiterinnen über Wunschzettel zu erheben, und dort, wo die Mitarbeitergespräche bereits eingeführt waren, wurde das Thema natürlich auch in diesem Rahmen angesprochen. Auffällig war damals aber, dass sich die Ausgaben für Fort- und Weiterbildung auf wenige Bereiche bzw. Köpfe konzentrierten und unterm Strich nicht immer klar war, welches Interesse das Haus bezüglich mancher besuchter Fortbildung hatte. Es war kein angenehmer Augenblick, als die Visitoren hier auf Managementdefizite hinwiesen. Aber alle waren sich schnell einig, dass, wenn man sich dem Thema jetzt widmet, dann umfassend und mit Sinn und Verstand. Wichtig war der Verwaltungsdirektorin, der ärztlichen Direktorin und dem Pflegedirektor, dass man nicht nur eine systematische Bedarfserhebung entwickeln sollte, sondern auch noch eine Möglichkeit schafft, die Entwicklung der Kompetenzen beobachten zu können. Mit der QBA scheint aus ihrer Sicht beides erreicht worden zu sein. Der Pflegedirektor Werner Neu hatte zunächst nicht damit gerechnet, dass es so gut gelingen würde, durch die QBA eine viel breitere Beteiligung am Fortbildungsgeschehen hervorzurufen. Die ärztliche Direktorin Katharina Seeberg ist ganz begeistert von der Möglichkeit, mittels wiederholt durchgeführter QBA die Lernfortschritte der Weiterbildungsassistenten recht gut abbilden und damit als Grundlage für die jährlich durchzuführenden Mitarbeitergespräche im ärztlichen Dienst fruchtbar machen zu können. Es macht zwar auch ein wenig mehr Aufwand, wenn die Assistentinnen ihre Lernbedarfe heute selbst transparent belegen und Lerngelegenheiten einfordern, aber alles in allem muss sie zugeben, hat sich die Qualität der ärztlichen Weiterbildung in ihrem Krankenhaus quer durch alle Disziplinen hindurch doch merklich verbessert. Am skeptischsten war die Verwaltungsdirektorin Ute Bäcker, die sich doch Sorgen um möglicherweise steigende Fortbildungskosten gemacht hat. Es war zwar von Anfang an klar, dass das Fortbildungsbudget nicht erhöht werden würde, aber wenn die QBA-Teams dann viel mehr Bedarfe benannt hätten, als in der Vergangenheit identifiziert wurden, hätte man mit der Situation ja irgendwie umgehen müssen, vielleicht doch noch ein Zusatzbudget zur Verfügung stellen müssen. Glücklicherweise lässt sich heute feststellen, dass das Fortbildungsbudget nicht ausgeschöpft wird und so immer noch Ressourcen übrig bleiben, um sich z. B. an Wunschweiterbildungen von Mitarbeiterinnen beteiligen zu können, die die Betriebsleitung gern an das Unternehmen binden möchte. Auch die Finanzierung von motivationsförderlichen Teamentwicklungsprozessen und die Einführung der systematischen Coaching-Begleitung von Nachwuchsführungskräften wurden so überhaupt erst möglich. Die Betriebsleitung geht zum nächsten Thema über. Wäre doch nur eine wirksame Lösung für das folgende Problem ebenso leicht zu finden: nosokomiale Infektionen …

Einleitung: Bedarfsorientiertes Lernen mit Sinn

Personalentwicklung hat für Angehörige der Gesundheitsberufe aufgrund einer sehr ausgeprägten Fachlichkeit bereits eine gut entwickelte Tradition. So durchläuft z. B. die Berufsgruppe der Ärztinnen und Ärzte1 bekanntermaßen nicht nur eine lange Ausbildung bzw. ein langes Studium mit einer sich anschließenden ebenfalls längeren Fachweiterbildung2, sondern es gehört auch zum Selbstanspruch, sich ein Leben lang in der eigenen Fachdisziplin informiert zu halten. Ebenso verhält es sich für die Berufsgruppe der Pflegekräfte. Hier folgt auf eine anspruchsvolle Ausbildung vielfach eine fachliche Weiterbildung, zumindest aber der regelmäßige Besuch von Fortbildungsveranstaltungen, in der Regel zu einem pflegefachlichen Thema. Mag die individuelle Bereitschaft zur Teilnahme an und die betriebliche Bereitschaft zur Finanzierung und Gestaltung von Angeboten der arbeitsbezogenen Fort- und Weiterbildung auch variieren, so kann festgehalten werden, dass die fachliche Weiterentwicklung der »Health Care Professionals« im Krankenhaus eine weit verbreitete Selbstverständlichkeit darstellt. Warum also ein Buch über Personalentwicklung im Krankenhaus? Es sind gleich mehrere Gründe, die uns dazu bewogen haben, dieses Buch zu schreiben:

Erstens wird bereits beim Hinweis auf das etablierte Lernen der beiden zahlenmäßig großen Berufsgruppen im Krankenhaus deutlich, dass in dieser Variante des Lernens das berufsgruppenspezifische, fachbezogene Lernen im Vordergrund steht. Nun steht es außer Frage, dass die fachlichen Innovationen ein wichtiger Impuls für die Weiterentwicklung der jeweiligen beruflichen Fachkompetenz sein sollten. Es ist aber ebenso unstrittig, dass diese heute nicht mehr die einzigen relevanten Impulse für Lernen und Entwicklung am und des Arbeitsplatzes Krankenhaus sein sollten. Zunehmend informierte Angehörige und Patientinnen fordern von allen in der unmittelbaren Patientenversorgung tätigen Berufsgruppen elaborierte kommunikative Kompetenzen. Die immer engere Vernetzung von stationärer und ambulanter Versorgung erfordert die Etablierung von Strukturen und die Entwicklung von Kompetenzen, die mit der Abstimmung schnittstellenübergreifender Prozesse zu tun haben, wie z. B. im Rahmen des Entlassungsmanagements. Das Ausbalancieren einer gewachsenen Verantwortung für wirtschaftliches Handeln in der Patientenversorgung bei gleichzeitig transparenter und aktiv zu sichernder Versorgungsqualität macht neben Kenntnissen von ausgewählten Prozess-, Qualitäts- und Kostenparametern sowohl ein Verständnis von Ausund Wechselwirkungen zwischen diesen Parametern als auch eine gelingende Positionierung gegenüber der Gleichzeitigkeit sich manchmal ausschließender Ziele notwendig. Eine wachsende Zahl älterer Patienten mit vielfältigen Erkrankungen erfordert die Herausbildung eines Disziplinen überschreitenden Denkens und Handelns in der Versorgung. Dazu ist es notwendig, einer fortschreitenden Spezialisierungstendenz in den medizinischen Disziplinen ausreichend medizinisches, aber auch pflegerisches Generalistinnen-Wissen an die Seite zu stellen und an der Verbreitung einer Fähigkeit zu arbeiten, die man »professionelle Demut« nennen könnte: die Fähigkeit zu der Erkenntnis, dass der eigene Blick auf einen »Fall« immer nur einen Teil dessen abbildet und von Kolleginnen und Kollegen gerade aufgrund ihrer anderen Perspektive sinnvolle Ideen und Lösungen für eine gute Patientenversorgung beigesteuert werden können. Eine der von den Beschäftigten selbst sehr stark empfundene Veränderung soll hier nicht verschwiegen werden: die gestiegene Fallzahl und die damit einhergehende Arbeitsverdichtung erfordern eine ausgeprägte Fähigkeit und Bereitschaft zu Flexibilität, Improvisation und gegenseitiger Unterstützung. Es könnten an dieser Stelle noch mehr Veränderungstendenzen der Patientenversorgung im Krankenhaus angeführt werden. Aber schon dieser Ausschnitt an Beispielen verdeutlicht, dass das betriebliche Lernen und die Veränderung der Organisation über die ausschließliche Berücksichtigung fachlicher Innovation hinausgehen müssen.

Ein zweiter Grund, dieses Buch zu schreiben, ist die bislang zu beobachtende Dominanz einer Gegenwarts- und Defizitorientierung der Personalentwicklung in Krankenhäusern. Das heißt, Lern- und Entwicklungsbedarfe werden vor allem immer dann thematisiert, wenn ein gefordertes Kompetenzniveau, das für die Qualitätssicherung unabdingbar ist, eindeutig und beobachtbar unterschritten wird. In vielen Fällen handelt es sich aber auch um Anpassungsqualifikationen, die schlichtweg gesetzlich vorgeschrieben sind. Es geht also darum, Kompetenz-und Qualifikationslücken zu schließen, um entweder juristisch unangreifbar zu sein oder den definierten Qualitätsstandard einhalten zu können. Für Personalentwicklung stellen beide Ziele heute nur noch eine Minimalanforderung dar. Was in dieser Ausprägung von Personalentwicklung gänzlich fehlt, ist der Blick nach vorn, also in die Zukunft und die systematische Verzahnung mit der Organisationsentwicklung, denn viele Veränderungen und Projekte lassen sich gegenwärtig in Krankenhäusern beobachten. Und in der Regel wird auf eine vorausschauende Personalentwicklung verzichtet, die aus Veränderungen hervorgehende Anforderungen an die Fachkräfte schon vorwegnimmt, thematisiert und in Lern-, Entwicklungs-, aber auch strukturellen Gestaltungsbedarfen abbildet. Die Ausrichtung einer systematischen Personalentwicklung an der Strategie des Unternehmens ist für Krankenhäuser jedoch heute unverzichtbar.

Schließlich lässt sich in der traditionellen Personalentwicklung eine sehr starke Selbstbeschränkung auf Formate traditioneller Personalbildung, hier vor allem die auf Wissensvermittlung fokussierte Schulung, konstatieren. Auch dies ist für die hier bereits angedeuteten Entwicklungsnotwendigkeiten zu wenig. Traditionellerweise umfasst die Personalentwicklung neben den Instrumenten der Personalbildung (Trainings, Seminare, Vorträge, Workshops etc.) auch noch die der Personalförderung und der Arbeitsstrukturierung (vgl. Müller-Vorbrüggen 2008). Gerade vor dem Hintergrund auch der neu und verstärkt zu entwickelnden außerfachlichen Kompetenzen können Instrumente der Personalförderung und weitere Varianten der Arbeitsstrukturierung eine sinnvolle Ergänzung für die Gesamtheit der Maßnahmen zur Personalentwicklung in Krankenhäusern darstellen. Hierzu gehören z. B.: Coaching, Mentoring, 360° Feedbacks, Verhaltenstrainings, Teamentwicklung, Projektarbeit oder auch Qualitätszirkel.

Viele Krankenhäuser, aber auch andere Gesundheitseinrichtungen haben sich bereits auf den Weg gemacht, ihre Aktivitäten zur Personalentwicklung stärker an den genannten Kriterien der Zukunftsbezogenheit, der umfassenden Ganzheitlichkeit und Überfachlichkeit sowie der Ausweitung von Lernsituationen und -gelegenheiten auszurichten. Auch wenn diese umfassendere oder aktive Personalentwicklung – übrigens nicht nur im Gesundheitswesen – als noch relativ junge Variante der Gestaltung der Personalarbeit angesehen werden kann, so lässt sich doch bereits gegenwärtig eine rasante Professionalisierung der Personalarbeit im Allgemeinen und der Personalentwicklung im Besonderen beobachten.

Wer die Personalentwicklung seiner Einrichtung bzw. seines Unternehmens auf die Zukunft ausrichten will, wird sich unter anderem mit der Beantwortung der folgenden Frage beschäftigen: Wer von uns muss, soll, will und kann seine Kompetenzen mit welchem Ziel und auf welche Weise weiterentwickeln? In dieser Frage bündeln sich die wichtigen Gestaltungsaspekte von Personalentwicklung, die allgemein unter dem Begriff »Bedarfsermittlung« zusammengefasst sind. Mit dem vorliegenden Buch möchten wir den Leserinnen und Lesern eine handlungsorientierende Einführung in ein Instrument der Ermittlung von Bedarfen der Personalentwicklung anbieten: die Qualifizierungsbedarfsanalyse, von hier an auch kurz QBA genannt3. Dabei sind die verschiedenen hier versammelten Inhalte geeignet, das Buch für ebenso verschiedene Typen von Lesern nützlich und anschlussfähig zu machen. Wir haben uns bemüht, zwei grundsätzliche Nutzungsabsichten gleichermaßen in Aufbau und Inhalten zu berücksichtigen. Zum einen wird das verwertungsorientierte Interesse der betrieblichen Praktikerinnen aufgegriffen, die nach einer Prüfung der Tauglichkeit von QBA für ihre Einrichtung eine möglichst detaillierte und umfassende Anleitung zur Einführung dieses Instrumentes im Unternehmen wünschen und brauchen. Zum anderen sind diejenigen angesprochen, die eher an einer grundsätzlichen Systematisierung und Weiterentwicklung des Wissens zu den Herausforderungen der Personalentwicklung inklusive einer theoretischen Verortung konkreter Instrumente interessiert sind. Analog zum Spektrum möglicher Verwendungsinteressen umfasst das Buch zwei Themenblöcke.

Der Kern des Buches besteht in der ausführlichen praxisbezogenen Darstellung des Instrumentes Qualifizierungsbedarfsanalyse. Die eigentliche Vorbereitung, Planung, Durchführung und die unmittelbare Auswertung der Ergebnisse mit Blick auf anschließend zu organisierende Aktivitäten der Personalentwicklung werden in image Kap. 3 dargestellt. Unsere Erfahrungen bei der Erprobung des Instrumentes QBA im Rahmen eines Modellprojekts4 des Landes Nordrhein-Westfalen verweisen darauf, dass die QBA einen Rahmen im Unternehmen braucht, also institutionalisiert werden muss, und dass es sehr unterschiedliche Formen der QBA geben kann. Beide Aspekte werden in image Kap. 6 behandelt. Da die betriebliche Realität sich doch immer als sperriger erweist, als Modelle, Instrumente und Theorie suggerieren, informieren fokussierte anonymisierte Praxisbeispiele in image Kap. 7 über erfolgreiche Pilotierungen und Einführungen der QBA genauso wie über Fallstricke und Herausforderungen, denen Einrichtungen in diesem Prozess begegnet sind. Für denjenigen, der im Grunde fest zur Einführung von QBA im eigenen Unternehmen entschlossen ist, der aber noch detaillierte Hinweise zur Operationalisierung braucht, um anfangen zu können, ist es empfehlenswert, die Lektüre mit diesen Kapiteln zu beginnen, da so schnell in die Gestaltung eines eigenen QBA-Konzeptes eingestiegen werden kann. Für diejenigen, die herausfinden wollen, ob die QBA für die eigene Einrichtung geeignet ist, oder die noch Argumente zur Durchsetzung der QBA als Instrument der Bedarfsermittlung im eigenen Hause entwickeln und zusammentragen wollen, ist es sicherlich sinnvoll, nach dieser Einleitung die folgenden Kapitel in chronologischer Folge zu lesen, da dort die Besonderheit der QBA kontextualisiert dargestellt wird.

Unsere eigene Begeisterung für die QBA resultiert nicht nur aus der Einfachheit und der Effektivität des Instruments, sondern ist auch dadurch hervorgerufen, dass die QBA besonders anschlussfähig ist an ein Gesamtkonzept aktiver Personalentwicklung, dessen Verbreitung wir ebenfalls mit missionarischem Eifer betreiben, weil wir es sowohl für die Verbesserung der Wettbewerbspositionen von Gesundheitseinrichtungen als auch gleichzeitig für eine Bewahrung und erneute Stärkung wirklicher Mitarbeiterorientierung für unabdingbar halten. Dieses Konzept aktiver Personalentwicklung mit seiner Ausrichtung u. a. auf die weiter oben bereits angedeuteten Bedarfe der Entwicklung umfassenderer Kompetenzen wird in image Kap. 1 exemplarisch für Krankenhäuser beschrieben. image Kap. 2 greift das Spektrum von Zielen, Handlungsfeldern, Entwicklungsformaten etc. aus dem ersten Kapitel auf und erläutert, inwiefern die QBA als Instrument zur Unterstützung der Neuausrichtung einer zukunftsorientierten Personalentwicklung geeignet ist. Auch wenn wir auf diese Weise verdeutlichen wollen, dass die »Philosophie« und das Konzept aktiver Personalentwicklung einen förderlichen Rahmen für die Einführung von QBA in Gesundheitseinrichtungen darstellen, so ist ebenso deutlich festzuhalten, dass das Ideal der aktiven Personalentwicklung keine notwendige Voraussetzung dafür ist, mit der Einführung der QBA im eigenen Unternehmen zu starten.

Umgekehrt wird eher ein Schuh daraus: Die Einführung von QBA setzt Dynamiken in Gang, deren man sich klar geworden sein sollte, bevor eine Entscheidung für diesen Schritt fällt. Da die Ergebnisse der QBA weit mehr hervorbringen als rein fachliche mitarbeiterindividuelle »Schulungsbedarfe«, sondern dazu in der Lage sind, Bedarfe viel differenzierter beschreibbar zu machen, erhöht das auch die Anforderung für das Unternehmen, entsprechende Lerngelegenheiten und z. B. Entwicklungsprojekte auch anzubieten bzw. zuzulassen, da ansonsten das Engagement der Beschäftigten in Resignation und Widerstand umschlagen kann. image Kap. 4 dient deswegen als differenzierende Orientierung dazu, welche weiter gehenden Gestaltungsaufgaben des betrieblichen Lernens sich aus der Durchführung der QBA und in Übereinstimmung mit den Tendenzen einer innovativen Personalentwicklung ableiten lassen. Das und wie sich im Zuge der Durchführung von QBA im Unternehmen auch die Rollen der verschiedenen Funktionen bezüglich der Personalentwicklung verändern, beschreibt image Kap. 5. Dort wird der Blick darauf gerichtet, dass für die Gestaltung einer aktiven Personalentwicklung die Einführung von QBA auch insofern unterstützend wirkt, als dass die ausgelöste Dynamik die Akteure zur Modifikation ihrer Rollen einlädt: Betriebsleitungen müssen strategischere Kompetenzerwartungen entwickeln, Personalabteilung, Fortbildungsverantwortliche und Führungskräfte systematischer zusammenarbeiten und auch für die Interessenvertretungen bietet die Einführung von QBA die Chance, auch im Themenfeld Personalentwicklung das Management konstruktiv-kritisch zu begleiten. Das Buch endet in image Kap. 8 mit der Vision, dass zukünftig die Beschäftigten in ihrem Unternehmen selbst die Verantwortung dafür übernehmen, ihre persönliche Weiterentwicklung, aber auch die Entwicklung des Unternehmens eigenständig zu gestalten – und das unter der Rahmenbedingung, dass sie in ihrer Vielfalt und Verschiedenheit als Ressource erkannt werden. Wir wissen, dass solch ein Gedanke dem Einen oder Anderen nicht nur angenehm ist, da dies die systematische Organisation von Personalentwicklung komplizierter macht. Für viele beschreibt dies aber genau die Art von Personalentwicklung, für deren Umsetzung sie noch auf der Suche nach geeigneten Instrumenten sind. Wir wünschen für Ihre Begegnung mit der QBA und der aktiven Personalentwicklung gute Gedanken und gutes Gelingen.

1  Um die Lesbarkeit des Textes zu erhalten, aber gleichzeitig auch das generische Maskulinum zu vermeiden, haben wir uns entschlossen, weibliche und männliche Bezeichnungen im freien Wechsel zu variieren. Gelegentlich werden beide Geschlechter explizit angesprochen.

2  Die Formen der betrieblichen und berufsbezogenen Bildung sind vielfältig. Und so sind es auch die hier gebräuchlichen Begriffe. Als Fortbildungen bezeichnen wir in diesem Buch kleinere oder auch manchmal längere Seminare, Schulungen etc. zur Vermittlung eines klar definierten Inhalts. Wann immer mit der Bildungsaktivität auch die Erlangung einer curricular definierten Berufsqualifikation einhergeht, sprechen wir von Weiterbildung.

3  Wir haben die Qualifizierungsbedarfsanalyse nicht erfunden, sondern schließen unter anderem an Vorarbeiten der Sozialforschungsstelle Dortmund zu diesem Thema an (vgl. Kopp 2003).

4  Im Zeitraum vom 01.02.2005 bis 30.04.2007 wurde das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Nordrhein-Westfalen finanzierte Modellprojekt ›Kompetenznetz Krankenhäuser‹ zur Erprobung der QBA in Krankenhäusern durchgeführt. Die Kooperationspartner Bildungsinstitut im Gesundheitswesen (Essen) und die BPC – Gesellschaft für Forschung und Beratung (Gelsenkirchen) haben zusammen mit 10 Krankenhäusern im nördlichen Ruhrgebiet über 63 Moderatoren ausgebildet, die zusammen 44 QBA mit insgesamt 355 Beschäftigten durchgeführt haben.

1          Personalentwicklung im Krankenhaus auf dem Weg ins Rampenlicht

Das Gesundheitswesen ist ein volkswirtschaftlicher Sektor, der in Deutschland mit 12 % einen bedeutenden Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat und in dem über 4 Millionen Menschen beschäftigt sind. Seit den 1990er Jahren wird deshalb auch zunehmend von der Gesundheitswirtschaft gesprochen. Fast 1,8 Millionen Menschen arbeiten in stationären und teilstationären Einrichtungen in der Gesundheitsversorgung (vgl. RKI 2009, S. 19). Allein im Krankenhaus haben 2009 1 Million Beschäftigte über 17 Millionen Fälle versorgt. Zum Vergleich: Die Automobilindustrie hat 750 000 Beschäftigte. Vor diesem Hintergrund sind Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen auch ein bedeutender Faktor für den Arbeitsmarkt und die Beschäftigungsentwicklung. Dabei ist die Bandbreite der benötigten beruflichen Qualifikationen gerade im Krankenhaus besonders vielfältig. Die ärztlichen Berufsfelder, das Spektrum der nicht ärztlichen Gesundheitsberufe und medizin-technischen Spezialisten bis hin zu administrativen und Serviceberufen sind unter dem Dach eines Krankenhauses zu finden.

Wie gelingt es nun Krankenhäusern, diese Vielfalt des Personals so zu managen, dass die Qualität der Patientenversorgung und die wirtschaftlichen Ziele, aber auch die Erwartungen der Nutzer an die Dienstleistung im Krankenhaus gleichermaßen berücksichtigt werden? Welche Strategien verfolgen sie, um die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter für ihre Wettbewerbsfähigkeit aktiv zu fördern?

1.1       Von der Personalverwaltung zur Personalentwicklung

In einer Studie des Centrums für Krankenhausmanagement (CKM) gaben 71,6 % der befragten Krankenhäuser an, über eine Personalstrategie zu verfügen (vgl. von Eiff und Stachel 2006, S.118). Zugleich sind fast die Hälfte aller befragten Personalmanager aus Krankenhäusern der Meinung, »dass die Themen Personalentwicklung und Qualifizierung die Zukunft des Personalmanagements prägen werden« (ebd., S.43). Zwar brauchen Führungskräfte noch mehr Unterstützung, um ihre Rolle als Personalentwickler kompetent auszufüllen, aber über 60% der Krankenhäuser verfügen nach ihrer Einschätzung über Fort- und Weiterbildungskonzepte und 80 % führen Mitarbeitergespräche durch (vgl. Blum et al. 2010, S. 34). Immerhin ein Viertel aller Krankenhäuser nutzt die Kennzahlen zur Mitarbeiterzufriedenheit für die Personalplanung. Allerdings wenden nur 11,4 % der Krankenhäuser Kennzahlen für die Qualifizierungsplanung an (ebd., S. 32). Dies bedeutet: Personalentwicklung in Krankenhäusern basiert auf Mitarbeitergesprächen und Fort- und Weiterbildungsangeboten, die auf den Erhalt von Qualifikationen und zur Anpassung an geänderte Anforderungen ausgerichtet sind. Personalentwicklung in Krankenhäusern wird aber jetzt und zukünftig noch stärker gefordert sein, die Fähigkeiten und Potenziale der Mitarbeiter systematisch zu erfassen und passgenau zu fördern. Den Hintergrund für diese Veränderungen beschreibt der Geschäftsführer eines kommunalen Krankenhausträgers so:

»Es ist entscheidend, dass die Krankenhäuser umdenken. Drei Schwerpunkte sind dabei wichtig: die Demografie, die Feminisierung der Medizin und das Thema Generationen. In puncto Demografie stehen der alternde Mitarbeiter und die Gestaltung seiner Arbeitsprozesse im Mittelpunkt. Zur Feminisierung gehört der große Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: z. B. mittels Kita, Tagesmutter-Hotline und Teilzeitmodellen. Bei dem Thema Generationen beziehe ich mich vor allem auf Konzepte für Mitarbeiter, die nach 1988 geboren sind. Diese haben völlig andere Anforderungen an Führung und Organisation, z. B.: Der Arbeitsplatz muss für diese Zielgruppe 100 % effizient sein, akzeptiert wird nur die fachliche Führung« (Schmidt 2011).

Fakt ist: Ab dem Jahr 2014 wird im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege die Gruppe der über 50-jährigen Mitarbeiter größer sein als die Gruppe der unter 35-Jährigen (vgl. Isfort 2010, S. 29). Ursachen hierfür sind der Stellenabbau, die Reduzierung der Ausbildungsplätze und Zunahme der befristeten Einstellungen ohne Weiterbeschäftigung (ebd.). Im ärztlichen Bereich werden bis 2017 rund 17 800 Krankenhausärzte und 59 100 niedergelassene Ärzte aus Altersgründen aus dem Beruf ausscheiden bei gleichzeitig rückläufiger Anzahl von Medizinstudenten (vgl. BMFSFJ 2009, S. 1). Frauen stellen mit 80 % die Mehrheit der Beschäftigten im Krankenhaus. Dabei ist der Anteil der Medizinerinnen seit 1991 von 30 auf 40 % gestiegen, jedoch sind nur 8 % in leitender Position tätig (vgl. ebd.). Die Vereinbarkeit von Familie und beruflicher Entwicklung bekommt einen immer höheren Stellenwert. Wesentlicher Grund für die Auswanderung junger Ärztinnen und Ärzte ist u. a. die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie in anderen Ländern (vgl. ebd.). Befragungen von akademischen Nachwuchskräften zeigen: Nicht das Einkommen, sondern die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz und ein ausgewogenes Verhältnis von Beruf und Freizeit sind die zentralen Kriterien für die Attraktivität eines Arbeitgebers (vgl. Kienbaum 2010).

Somit steht das Personalmanagement im Krankenhaus vor der Herausforderung, zum einen die Kompetenzen einer älter werdenden Belegschaft zu erhalten und zum anderen die individuellen Entwicklungsperspektiven von Berufseinsteigern zu fördern, um die Attraktivität als Arbeitergeber und damit die Personalbindung zu erhöhen (vgl. Evans und Scharfenorth 2008). Krankenhäuser brauchen stärker als bisher Konzepte und Instrumente, die die Förderung und Entwicklungsplanung von Kompetenzen in den Mittelpunkt stellen. Denn nicht nur die dargestellten Veränderungen der Personalsituation, sondern auch der Wettbewerb, die technologischen Entwicklungen und die Veränderungen der Nachfrageseite sind für Krankenhäuser mit Turbulenzen und Unwägbarkeiten verbunden, die sich massiv auf die Belegschaft, deren Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsbedingungen auswirken (vgl. Hilbert et al. 2011). Dieser permanente Veränderungsdruck erfordert es, Lernprozesse auf der strategischen und operativen Ebene der Unternehmensführung zu initiieren und zu verankern. Zwar umfasst Personalentwicklung vom Verständnis her alle Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung, die von einer Person oder Organisation zur Erreichung spezieller Zwecke zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden (vgl. Becker 2005, S. 3), für Krankenhäuser ist es jedoch auch wichtig festzustellen, in welcher Phase der Unternehmensentwicklung sie sich befinden, da dies auch für die Gestaltung der Personalentwicklung Konsequenzen hat. Was bedeuten die verschiedenen Entwicklungsphasen für die Personalentwicklung in Krankenhäusern?

Zunächst können traditionale, transitionale und transformierte Unternehmensphasen unterschieden werden (vgl. ebd., S. 121 f.). Traditionale Unternehmen sind durch klare hierarchische Strukturen mit horizontaler Arbeitsteilung gekennzeichnet, in denen Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen eindeutig zugeordnet sind und die Zusammenarbeit regeln. Es gibt keinen Druck, sich mit Veränderungen weiter zu beschäftigen. Personalentwicklung ist auf den Erhalt des Status Quo ausgerichtet. Krankenhäuser sind häufig noch von dieser traditionalen Form geprägt. Die Aufbauorganisation ist an den drei Säulen Medizin, Pflege und Verwaltung orientiert. Diese Führungsorganisation gerät durch die massiven Veränderungen, mit denen Krankenhäuser in den letzten 20 Jahren konfrontiert sind, zunehmend an Grenzen. Leitungsfunktionen sind überlastet, da jede Säule ihr eigenes Führungssystem hat, ohne dass es geregelte Interaktionen und Verantwortlichkeiten zwischen den Berufsgruppen gibt. Die Verwaltung hat zwar die ökonomische Verantwortung, das operative Kerngeschäft liegt aber in der Verantwortung der Chefärzte, auf die Verwaltungsmitarbeiter keinen direkten Einfluss haben. Die Versäulung der Krankenhausorganisation erzeugt für Patienten vielfältige Schnittstellenprobleme, die oft mit einer fehlenden Service- und Kundenorientierung verbunden sind.