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Kai G. Kahl

Lotta Winter (Hrsg.)

Arbeitsplatzbezogene Psychotherapie

Intervention, Prävention und Rehabilitation. Mit einem Therapiemanual

Mit einem Geleitwort von Johannes Siegrist

Verlag W. Kohlhammer

 

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1. Auflage 2017

 

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

 

Print:

ISBN 978-3-17-028501-9

 

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-028502-6

epub:    ISBN 978-3-17-028503-3

mobi:    ISBN 978-3-17-028504-0

 

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Geleitwort

 

 

 

Rufen bestimmte Entwicklungen der modernen Arbeitswelt in größerem Umfang kollektive Erschöpfung hervor oder sind es die Beschäftigtenselbst, die durch ihre gesteigerte Verletzlichkeit hierzu entscheidend beitragen? Der um das Thema »Burnout« entstandene Medienhype hat sicherlich dazu beigetragen, ein komplexes Thema auf diese einfache – zu einfache – Frage zu reduzieren. Denn stets durchdringen sich die mit den zentralen sozialen Rollen des Erwachsenenlebens – wie derjenigen des Berufs – gegebenen Anforderungen und Zwänge mit den persönlichen Dispositionen der Menschen, die im Kontext dieser Rollen ihr Leben zu meistern haben. Es stimmt zwar, dass die Forschung den Einfluss einzelner Komponenten isoliert betrachten und gewichten muss, aber letztlich ist es das Zusammenspiel sozialer und personaler Merkmale, welches den Weg zu gesundheitlicher Gefährdung bahnt.

Dass dieses Zusammenspiel sozialer und personaler Merkmale auch die Gestaltung therapeutischer und präventiver Arbeit auf innovative Weise bestimmen kann, verdeutlicht der vorliegende Band am Beispiel psychischer Störungen auf eindrucksvolle Weise. Drei Ansätze werden dabei verfolgt.

Erstens wird gezeigt, dass sich der Arbeitsplatz als Ort eignet, an dem direkt oder indirekt therapeutisches und gesundheitsförderndes Handeln erfolgt. Beispiele direkten Handelns sind betriebliche Sport- und Präventionsprogramme sowie Coaching-Maßnahmen am Arbeitsplatz. Als indirektes Handeln können jene psychotherapeutischen Verfahren betrachtet werden, die leidende Menschen dazu befähigen, mit den spezifischen Beanspruchungen ihres Arbeitsplatzes erfolgreich umzugehen. Zielgruppen sind hierbei vor allem an depressiven oder Angststörungen erkrankte Beschäftigte sowie Personen mit Abhängigkeitserkrankungen.

Ein zweiter Ansatz befasst sich mit der optimalen Gestaltung des Rückkehrprozesses Erkrankter an ihren Arbeitsplatz, speziell mit Programmen vernetzter Versorgung. Dabei besteht ein besonderer Handlungsbedarf bei Beschäftigten mit einer behandlungsbedürftigen Depression. Hierbei steht nicht nur das Problem langer Arbeitsunfähigkeitsdauer im Vordergrund, sondern auch dasjenige erhöhter Rückfallraten und der damit gegebenen Gefahr krankheitsbedingter Frühberentung. Wissenschaftliche Studien haben wiederholt gezeigt, dass eine frühe, schrittweise Wiedereingliederung vor dem Hintergrund kontinuierlicher therapeutischer Begleitung die beste Gewähr für eine erfolgreiche berufliche Wiedereingliederung bietet. In einem solchen therapeutisch-rehabilitativen Prozess werden die Ressourcen und Vulnerabilitäten der Person ebenso berücksichtigt wie die belastenden Aspekte des Arbeitsplatzes, auf den sich die Rückkehr bezieht.

Radikaler – und längerfristig möglicherweise wirksamer – ist ein dritter Ansatz, der allerdings in dem vorliegenden Buch nur begrenzt zum Ausdruck kommt. Er befasst sich mit der Frage, welche Aspekte der Arbeits- und Beschäftigungssituation einen direkten Einfluss auf gesteigerte Erkrankungsrisiken der Beschäftigten haben und wie diese Aspekte verändert werden können, um die Gesundheit der Betroffenen besser zu schützen und zu stärken. Zur Beantwortung dieser Frage liegen heute aus soziologischen und epidemiologischen Forschungen gesicherte Erkenntnisse vor. Demnach sind insbesondere Beschäftigte an Arbeitsplätzen gefährdet, welche einen permanent hohen Leistungsdruck erzeugen, ohne die Möglichkeit zu eigener Steuerung und Kontrolle zu bieten. Ebenso beschädigen jene Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisse die Gesundheit, die von den Betroffenen wiederkehrend einen hohen Einsatz verlangen, ohne eine faire Gegenleistung in Form materieller und immaterieller Anerkennung sowie in Form von Aufstieg und Arbeitsplatzsicherheit zu bieten. Die Tatsache, dass von diesen Formen belastender Arbeit in den entwickelten westlichen Leistungsgesellschaften gegenwärtig etwa jede vierte vollbeschäftigte Person betroffen ist, verweist auf einen hohen Handlungsbedarf im Bereich von Arbeitsschutz und betrieblicher Gesundheitsförderung. Es ist zwar hilfreich zu wissen, dass aus den vorliegenden Erkenntnissen konkrete Maßnahmen der Organisations- und Personalentwicklung hergeleitet werden können, deren Wirksamkeit in ersten betrieblichen Interventionsstudien bereits belegt worden ist. Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass dieses Wissen bisher nicht in gebührendem Maß in die präventive und therapeutische Praxis umgesetzt wird.

Daher verdienen alle drei hier skizzierten therapeutischen und präventiven Ansätze vermehrt Beachtung, deren gemeinsames Kennzeichen darin besteht, dass sie sowohl die arbeitende Person berücksichtigen als auch den Kontext, in welchem ihre Arbeitsleistung erbracht wird. Verstärkte Bemühungen um gesunde Arbeit sind gegenwärtig auf allen Ebenen angezeigt, nicht nur, weil alternde Belegschaften sowie hohe indirekte und direkte Kosten einer arbeitsbedingten Krankheitslast den Problemdruck erhöhen. Erforderlich sind sie ebenso, weil sich in Zeiten neoliberaler Wirtschaftspolitik und verantwortungsloser Praktiken der Finanzwirtschaft der kollektive Leidensdruck in der arbeitenden Bevölkerung spürbar verdichtet. Dieses Leiden überall dort, wo es vermeidbar ist, zu verringern, ist zugleich eine politische wie eine moralische Verpflichtung.

Düsseldorf, Johannes Siegrist

Inhalt

 

 

 

  1. Geleitwort
  2. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
  3. 1 Psychische Gesundheit und Arbeit
  4. 1.1 Burnout: Modelle und Kontroversen
  5. Kai G. Kahl und Lotta Winter
  6. 1.2 Arbeitsbelastung und psychische Erkrankungen
  7. Christian Bock
  8. 1.3 Auswirkungen psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz
  9. Ulrich Schweiger und Valerija Sipos
  10. 1.4 Arbeitsplatzängste und Arbeitsplatzphobie. Diagnostik, Therapie und sozialmedizinische Relevanz
  11. Beate Muschalla und Michael Linden
  12. 1.5 Die Rolle von Alkohol in der Arbeitswelt
  13. Michael Soyka
  14. 1.6 Diagnostik psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz
  15. Guido Engelhardt und Klaus Kimpel
  16. 2 Arbeitsplatzbezogene Psychotherapie: Konzepte
  17. 2.1 Rückkehr ins Erwerbsleben: Ein Therapiemodul zur Integration in die Kognitiv-Behaviorale Therapie
  18. Lotta Winter, Julia Geldmacher und Katharina Boss
  19. 2.2 Interpersonelle Psychotherapie für arbeitsbezogene psychische Störungen am Beispiel der Depression
  20. Elisabeth Schramm und Nicola Thiel
  21. 2.3 Verbitterung und Arbeitsplatz
  22. Beate Muschalla und Michael Linden
  23. 2.4 Interaktionsfokussierte Behandlung arbeitsplatzbezogener Störungen
  24. Jan Philipp Klein und Lotta Winter
  25. 2.5 Arbeitsplatzbezogene Akzeptanz- und Commitment-Therapie
  26. Maria Kensche und Thorsten Kienast
  27. 2.6 Psychotherapie von Abhängigkeitserkrankungen am Arbeitsplatz: Alkoholabhängigkeit und pathologisches Spielen
  28. Gregor R. Szycik und Felix Wedegärtner
  29. 2.7 Internetbasierte Interventionen bei arbeitsbezogenen psychischen Störungen
  30. Björn Meyer
  31. 2.8 Möglichkeiten der psychosomatischen Rehabilitation
  32. Markus Bassler
  33. 3 Vernetzte Versorgung und betriebliche Prävention: Beispiele
  34. 3.1 Vernetzte Versorgung – Erfahrungen aus der Praxis
  35. Birgit Leineweber
  36. 3.2 Das MHH-BKK Projekt als Beispiel für institutionenübergreifende Integierte Versorgung
  37. Janina Nielsen, Lotta Winter, Jana Lehmann, Kai G. Kahl und Birgit Leineweber
  38. 3.3 Fit for Work and Life: Das betriebliche Präventionsprogramm an der Medizinischen Hochschule Hannover
  39. Heike Fuhr, Juliane Briest, Christoph Egen, Julia Gottschalk, Julia Geldmacher und Michael Born
  40. 3.4 JobFit – Eine arbeitsplatzorientierte ärztlich-therapeutische Intensivmaßnahme an der Schnittstelle zwischen Prävention und Rehabilitation
  41. Christoph Egen, Katrin Höpner, Juliane Briest, Christoph Korallus, Peter Klug und Christoph Gutenbrunner
  42. 3.5 ELAN: Gesund durch mentale Fitness – Ein Präventionsprogramm
  43. Julia Gottschalk und Lotta Winter
  44. 3.6 Sport- und Trainingstherapie
  45. Uwe Tegtbur
  46. 3.7 Betriebliche Prävention am Beispiel der SZAG
  47. Bernd Marquardt
  48. 4 Ausblick
  49. Michael Born
  50. 4.1 Fachkräftemangel/Arbeitgeberattraktivität
  51. 4.2 Optimale Personalperformance
  52. 4.3 Die gute Führung
  53. 4.4 Die demografische Entwicklung
  54. 4.5 Das Generation-Resources-Management
  55. 5 Therapiemodul – Return-to-work bei psychischen Erkrankungen (KBT-A) Ein ergänzendes Therapiemanual
  56. Suzanne Lagerveld und Roland Blonk Deutsche Version übersetzt von: Julia Geldmacher, Lotta Winter und Katharina Boss
  57. Vorwort
  58. 5.1 Einleitung
  59. 5.2 Rückkehr an den Arbeitsplatz im Falle psychischer Probleme: ein schrittweiser Behandlungsplan
  60. 5.3 Erläuterung des stufenweisen Behandlungsplans
  61. 5.4 Anhang

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

 

 

Herausgeberin und Herausgeber

Prof. Dr. med. Kai G. Kahl

Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

Ärztlicher Leiter des Ausbildungsinstituts für Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Dr. Dipl. Psych. Lotta Winter

Fachbereichsleitung Psychotherapie an der Ambulanzzentrum der MHH GmbH

Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Autorinnen und Autoren

Prof. Dr. med. Markus Bassler

Ärztlicher Direktor

Rehazentrum Oberharz, Schwarzenbacher Str. 19-21, 38678 Clausthal-Zellerfeld

Reha-Zentrum Bad Pyrmont, Therapiezentrum Friedrichshöhe, Forstweg 2, 31812 Bad Pyrmont

Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover

 

Dipl. Psych. Christian Bock

Kompetenzzentrum Arbeit und Arbeitsumgebung

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Michael Born

Geschäftsführer Personal

Klinikum Region Hannover GmbH

Constantinstr. 40, 30177 Hannover

 

Dipl. Psych. Katharina Boss

Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Dipl. Psych. Juliane Briest

Klinik für Rehabilitationsmedizin

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Christoph Egen

Klinik für Rehabilitationsmedizin

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Dr. med. Guido Engelhardt

Leiter Gesundheitsmanagement

BMW Group Leipzig/Eisenach

BMW Allee 1, 04349 Leipzig

Heike Fuhr

Personalentwicklung

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Dipl. Psych. Julia Geldmacher

Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Dipl. Psych. Julia Gottschalk

Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Prof. Dr. med. Christoph Gutenbrunner

Chefarzt und Abteilungsleiter

Klinik für Rehabilitationsmedizin

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Katrin Höpner

Klinik für Rehabilitationsmedizin

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Dr. med. Maria Kensche

EOS Klinik für Psychotherapie, Alexianer GmbH Münster

Hammer Straße 18, 48153 Münster

 

PD Dr. med. Thorsten Kienast, MBA

Praxis Leopoldshof, Poststrasse 3, 20354 Hamburg

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Charité Campus Mitte, Universitätsmedizin Berlin

Charitéplatz 1, 10117 Berlin

 

Klaus Kimpel

Komm. Leitender Betriebsarzt

Salzgitter Flachstahl GmbH

Eisenhüttenstraße 99, 38239 Salzgitter

 

Dr. med. Philip Klein

Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinik zu Lübeck

Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck

 

Dipl. Sportwissenschaftler Peter Klug

Klinik für Rehabilitationsmedizin

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Dr. med. Christoph Korallus

Klinik für Rehabilitationsmedizin

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Jana Lehmann

BKK MedPlus Center

BKK Salzgitter, BKK Public, TUI BKK

Thiestr. 15, 38226 Salzgitter

 

Dr. med. Birgit Leineweber

Leiterin des BKK MedPlus Centers

BKK Salzgitter, BKK Public, TUI BKK

Thiestr. 15, 38226 Salzgitter

 

Prof. Dr. med. Michael Linden

Leitender Arzt der Abteilung für psychische und psychosomatische Erkrankungen am

Rehabilitationszentrum Seehof, Deutschen Rentenversicherung, Teltow/Berlin

Leiter der Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité Universitätsmedizin Berlin

Lichterfelder Allee 55, 14513 Teltow

 

Berndt Marquardt

Betriebsarzt

Salzgitter Flachstahl GmbH

Eisenhüttenstraße 99, 38239 Salzgitter

 

Dr. Dipl. Psych. Björn Meyer

GAIA AG

Gertigstraße 12-14, 22303 Hamburg

 

Dr. phil. Beate Muschalla

Abteilung für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Potsdam

Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité Universitätsmedizin Berlin

Lichterfelder Allee 55, 14513 Teltow

 

Dipl. Psych. Janina Nielsen

Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Prof. Dr. phil. Elisbeth Schramm

Leiterin der Sektion »Psychotherapie in der Psychiatrie«

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinikum Freiburg

Hauptstraße 5, 79104 Freiburg

 

Prof. Dr. med. Ulrich Schweiger

Stellvertretender Klinikdirektor

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinik zu Lübeck

Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck

 

Prof. Dr. Johannes Siegrist

Seniorprofessur für »Work Stress Research«

Institut für Medizinische Soziologie

Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf

 

Dr. Dipl. Psych. Valerija Sipos

Leitende Psychologin

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinik zu Lübeck

Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck

 

Prof. Dr. med. Michael Soyka

Ärztlicher Direktor

Zentrum für Seelische Gesundheit

Privatklinik Meiringen, 3860 Meiringen, Schweiz

 

PD Dr. Dipl. Psych. Gregor Szycik

Ausbildungskoordinator

Ausbildungsinstitut für Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin

Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Prof. Dr. med. Uwe Tegtbur

Direktor

Institut für Sportmedizin

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

 

Dr. Dipl. Psych. Nicola Thiel

Psychologische Psychotherapeutin

Eschholzstraße 7a, 79106 Freiburg

 

PD. Dr. Dr. Felix Wedegärtner

Oberarzt

Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover

1          Psychische Gesundheit und Arbeit

 

 

1.1       Burnout: Modelle und Kontroversen

Kai G. Kahl und Lotta Winter

1.1.1     Burnout in der öffentlichen Wahrnehmung

Die Zunahme von prekären Entlohnungen und Arbeitsplatzunsicherheit ist ein Zeichen der modernen Arbeitsweise. Waren in den 1960er und 1970er Jahren die »Doppelverdiener« noch eine teils belächelte, teils durch starre Rollenbilder stigmatisierte Gruppe von Arbeitnehmern, gehört das doppelte Einkommen speziell bei Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen heute zu den notwendigen Überlebensstrategien (Kahl et al. 2014). Die Integration älterer und leistungseingeschränkter Personen ist problematisch, zumal für diese ein sehr begrenztes und wenig differenziertes Angebot an Arbeitsplätzen zur Verfügung steht. Rationalisierungsprozesse, Personalabbau, Entlassungen, Auslagerung von Arbeitsbereichen und Umstrukturierungen werden voraussichtlich zur Intensivierung der Arbeitsleistung, zu Einbußen in Lohn und Gehalt, und einer weiteren Zunahme von Arbeitsplatzunsicherheit führen. Vor diesem Hintergrund scheint das »Ausgebranntsein durch Arbeit« (Burnout) eine geradezu folgerichtige Konsequenz, denn der Burnout-Begriff suggeriert das Ergebnis einer Problemanalyse: Arbeit macht krank.

1.1.2     Entwicklung des Burnout-Begriffs

Burnout wurde 1974 erstmals von dem Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger bei ehrenamtlichen Mitarbeitern von Hilfsorganisationen beschrieben, frühe empirisch fundierte Symptombeschreibungen sind eng mit den Namen Christina Maslach und Ayala Pines verbunden (Freudenberger 1982; Maslach 1982; Pines 1981). Ursprünglich wurde das Burnout-Syndrom auf den drei Ebenen »Emotionale Erschöpfung«, »Depersonalisation« und »Leistungsmangel« konzeptualisiert. Eine dynamische Beschreibung dieses frühen Modells folgt dem Buch von Mathias Burisch: Professionelle Helfer erleben häufig mit ihren Klienten emotional aufgeladene Situationen und müssen diese aushalten. Die asymmetrische Beziehung (»immer nur geben müssen«), bürokratische Hürden und teilweise Undank auf Seiten der Klienten führt zu emotionaler Erschöpfung, die darauf folgende »Schutzreaktion« durch Distanzierung von emotional belastenden Themen führt zu »Depersonalisierung und Zynismus«. Sobald die veränderte persönliche Haltung des Helfers (Therapeuten) für sein Gegenüber spürbar wird, bleiben Erfolgserlebnisse aus, mit der Folge von Unzufriedenheit über das eigene Leistungsvermögen (Burisch 2006).

1.1.3     Klinischer Stellenwert und Prävalenz

Der klinische Stellenwert von Burnout ist umstritten. Burnout ist keine von den Krankenkassen anerkannte Hauptdiagnose, und wurde in der 5. Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-V) nicht berücksichtigt. In der 10. Ausgabe der International Classification of Disease (ICD 10) wird Burnout als Zustand vitaler Erschöpfung definiert und unter den Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen, als Z73 codiert (ICD 10). Im Gegensatz dazu wird über Burnout in der Forschung vermehrt publiziert. Im Zeitraum zwischen 2005 und 2014 stieg die Anzahl der Einträge in PubMed von 83 im Jahr 2005 auf 291 in 2014, was als Beleg für das rege Interesse an arbeitsassoziierten Stress-Syndromen interpretiert werden kann. Die Verbindung zwischen Burnout und körperlichen Erkrankungen, vor allem des Herz-Kreislauf-Systems ist ein weiterer Grund für das wachsende Interesse am »Ausgebranntsein« (image Abb. 1.1). Interessanterweise nahm im selben Zeitraum das Interesse an Projekten zu, die sich mit der gezielten Wiedereingliederung in das Berufsleben beschäftigten (»Return to work«). Die Anzahl der Studien, in der Hauptsache zur Wiedereingliederung nach körperlicher Erkrankung, verdoppelte sich zwischen 2005 und 2014. Dem gegenüber ist die Thematik »Wiedereingliederung nach psychischer Erkrankung« bislang ein Stiefkind der Forschung. Dies verwundert umso mehr, da Burnout als »mentale Erschöpfung« konzipiert wurde, und eine hohe Überlappung mit psychischen Erkrankungen wie Depression vorliegt (image Abb. 1.1).

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Abb. 1.1: Anzahl der Einträge in PubMed nach den Suchbegriffen »Burnout«, »Return to work« und »Return to work mental«

Aufgrund der mangelnden Anerkennung als Krankheit und definitorischer Schwächen des Begriffs – Burnout umfasst in den unterschiedlichen Definitionen mehr als 100 Symptome – existieren keine allgemein gültigen Zahlen zur Prävalenz. In der vom Robert Koch-Institut durchgeführten repräsentativen Studie zur »Gesundheit Erwachsener in Deutschland« (DEGS) gaben 4,2% der Befragten an, dass bei ihnen zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben einmal von einem Arzt oder Psychotherapeuten ein Burnout-Syndrom festgestellt worden war. Bei den älteren Befragten stieg diese Schätzung auf 6,6% (Kurth 2006).

1.1.4     Ist Burnout eine abgrenzbare Erkrankung? Argumente zu einer aktuellen Diskussion

Burnout Betroffene schildern häufig Symptome, die auch bei psychischen Erkrankungen wie beispielsweise der Depression gefunden werden – und Patienten mit einer Depression fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz häufig überfordert und erschöpft. Die Überlappung von Symptomen, aber auch die Überlappung der Auswirkungen einer Depression mit den Folgen von Burnout können die Ergebnisse von Burnout-Studien verzerren.

Demonstriert wird die unscharfe Trennung zwischen Burnout und Depression durch Studien, in denen mit standardisierten Instrumenten eine Erfassung depressiver Symptome erfolgt. Hierzu zwei Beispiele: In einer repräsentativen populationsbasierten Untersuchung, der finnländischen »Health 2000 Studie«, wurde 3276 Arbeitnehmern zwischen 30 und 64 Jahren das Maslach-Burnout Inventory (MBI) vorgelegt. Parallel wurde die Diagnose einer Major Depression auf der Grundlage eines diagnostischen Interviews gestellt. Es zeigte sich, dass die Hälfte der Burnout-Betroffenen an einer Depression litt, und diejenigen mit einer Depression häufiger über schwere Burnout-Beschwerden berichteten (Ahola et al. 2005). In einer weiteren Untersuchung an 1386 Lehrern in den USA wurde eine starke Korrelation von 0.77 zwischen Burnout und Depression gefunden. Zum Vergleich: Ein Korrelationskoeffizient von 1.0 würde auf eine vollständige Deckungsgleichheit zwischen zwei Merkmalen hinweisen. Bei 86% der untersuchten Lehrer mit Burnout bestand ebenfalls eine depressive Symptomatik. Darüber hinaus wurde eine hohe Korrelation zwischen Burnout oder Depression mit unterschiedlichen Stressoren gefunden, nämlich mit aktuellen kritischen Lebensereignissen (»stressful life events«), Unterstützung am Arbeitsplatz und mit Widrigkeiten am Arbeitsplatz (»job adversities«) (Schonfeldt et al. 2015).

Aus diesen Studien lässt sich ableiten, dass die Überlappung zwischen Burnout und Symptomen einer Depression groß ist, dass beide sich schwer voneinander abgrenzen lassen, und dass die Empfehlung ausgesprochen werden sollte, bei Vorliegen eines Burnouts immer auch die Möglichkeit des Vorliegens einer Depression in Betracht zu ziehen und diese gezielt zu verifizieren oder auszuschließen.

Kritikpunkte beziehen sich ebenfalls auf die Konstruktvalidität des Burnout-Begriffs. In den zugrunde liegenden Originalarbeiten, die den Begriff des Burnout prägten, wurde das Vorliegen von bekannten stressassoziierten kognitiven, emotionalen oder verhaltensbezogenen Faktoren nicht systematisch erfasst (nach Bianchi et al. 2015). Entsprechend ist das in vielen Studien eingesetzte Maslach-Burnout Inventory (MBI) nicht klinik-geleitet oder theorie-geleitet entstanden, sondern induktiv durch Faktorenanalyse. Folgerichtig wird Burnout häufig definiert als das, was das Maslach-Burnout-Inventory misst. Diese zirkuläre Argumentation schwächt die Aussagefähigkeit des Konstrukts. Kritik wurde auch an der dreidimensionalen Struktur von Burnout geäußert, zumal das Kernsymptom von Burnout, die emotionale Erschöpfung, besonders stark mit depressiven Symptomen korreliert (Bianchi 2015).

Ein weiteres Argument in der Debatte, ob Burnout eine Erkrankung ist, bezieht sich auf die zugrunde liegende Nosologie. Burnout wird als Arbeitsstress-assoziiertes Syndrom gesehen, obwohl die Zuordnung eines Syndroms zu einer Subgruppe von psychischen Stressoren keine nosologisch unterscheidbare Erkrankung rechtfertigt. So ist auch die Depression, die im Kontext von Schichtarbeit auftritt, weiterhin eine Depression, und keine ätiologisch neue Erkrankung.

Die Beschränkung von Burnout auf arbeitsplatzbezogene Stressoren verschließt darüber hinaus den Blick darauf, dass die Ursachen für emotionale Erschöpfung, mangelnde Leistungsfähigkeit und Depersonalisation – sei es allein oder in Kombination – vielfältig sind, und keineswegs eine exklusive Folge arbeitsplatzbezogener Stressoren ist. Andere Formen von psychischen und körperlichen Stressoren, beispielsweise konfliktreiche Beziehungen, können dementsprechend zu denselben Symptomen führen, wie arbeitsplatzassoziierter Stress.

Zusammengefasst bestehen Zweifeln daran, Burnout in den Status einer eigenständigen, unterscheidbaren Erkrankung zu heben. Neben den klassifikatorischen Problemen und der Abgrenzbarkeit von psychischen Erkrankungen ist zu bedenken, dass Burnout-Zeichen die Folge körperlicher Erkrankungen sein können. Daher ist beim Feststellen von Burnout eine körperliche Untersuchung mit gegebenenfalls somatischen Zusatzuntersuchungen zu empfehlen. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hat sich entsprechend in einem Positionspapier zu Burnout festgelegt: » Die DGPPN warnt vor einem unwissenschaftlichen und unkritischen Gebrauch des Begriffs Burnout für quasi sämtliche psychischen Störungen, die im Zusammenhang mit einer Arbeitsbelastung stehen« (DGPPN 2012) .

1.1.5     Wissenschaftliche Modelle zum Zusammenhang zwischen arbeitsplatzbezogenen Stressoren und psychischer Erkrankung

Alternativ (oder je nach Standpunkt ergänzend) zum Burnout-Konzept stehen Verhaltens- und Verhältnisfaktoren im Zentrum aktueller Modelle zum Zusammenhang zwischen Arbeit, Stressfaktoren und psychischer Gesundheit/Krankheit. Das zentrale Element in der Diskussion, ob und wann die Anforderungen der Arbeitswelt gesundheitsgefährdend sind, ist die Frage, ob die individuellen Bewältigungskompetenzen eines Arbeitnehmers auf der Grundlage seiner biologischen Disposition und seiner psychischen und physischen Konstitution überschritten werden. Hierzu wurden verschiedene Modelle entwickelt, von denen die wichtigsten im Folgenden vorgestellt werden.

Beim Modell der beruflichen Gratifikationskrisen wird der Fokus auf das Beschäftigungsverhältnis gelegt. Stressbelastung ergibt sich aus einem Missverhältnis aus Arbeitsaufwand und Belohnung in Form von Gehalt, Anerkennung, Arbeitsplatzsicherheit oder Karrierechancen. Kommt dieses Gleichgewicht außer Balance, kann dies mit nachteiligen psychischen, und langfristig auch körperlichen, Gesundheitsfolgen verbunden sein (Siegrist 2013).

Im Anforderungs-Kontroll-Model nach Karasek und Theorell stehen demgegenüber die Arbeitsaufgaben im Fokus: Eine hohe Stressbelastung resultiert nach diesem Modell auf einem Missverhältnis von Arbeitsbelastung und Entscheidungsspielraum. Liegen hohe Anforderungen und gleichzeitig ein geringer Entscheidungsspielraum vor, beispielsweise bei neuen Aufgaben im Rahmen eines Change-Management-Prozesses, kann dies als pathogener Stressor wirken. Fehlende soziale Unterstützung erhöht in diesem Modell die Stressbelastung (Karasek 1979).

Beim Modell der Organisationsgerechtigkeit von Greenberg und Eloviano stehen Verfahrensweisen von Organisationen im Fokus. Zentrale Begriffe sind die Gerechtigkeit in Organisationen, Werte (bspw. Nachhaltigkeit) und eine transparente Unternehmenskultur. Gerechtigkeit in Organisationen zeigt sich an Verteilungsgerechtigkeit, beispielsweise der Frage nach dem gleichen Einkommen für beide Geschlechter für die gleiche Arbeit. Einen weiteren Aspekt stellt die Verfahrensgerechtigkeit oder prozedurale Gerechtigkeit dar, also die Frage von fairen Regeln und deren Umsetzung. Fragen des kommunikativen Stils zwischen Vorgesetzten und Untergebenen werden als Interaktionsgerechtigkeit bezeichnet (Greenberg & Liebman 1990).

Andere Modelle für arbeitsplatzbezogenen Stress stellen die emotionale Belastung durch den Beruf, beispielsweise bei Mitarbeitern in Hospizen oder in onkologischen Abteilungen, in den Mittelpunkt. Entsprechend sind diese Modelle besonders im Gesundheitswesen von Bedeutung. Als zusätzliche Risikofaktoren am Arbeitsplatz sind Rollenkonflikte, zu hohe Erfolgserwartungen der Beschäftigten, mangelnde Anerkennung und mangelnde soziale Unterstützung zu nennen (Zapf et al. 2001).

In letzter Zeit werden die Faktoren »wertschätzender Führungsstil« und der Aspekt der Integration älterer Arbeitnehmer hervorgehoben. Wertschätzender Führungsstil kann gelernt werden, auch wenn – wie die Erfahrung zeigt – es für Führungskräfte ungewöhnlich erscheinen mag, sich in die Rolle des Lernenden bei einer »Selbstverständlichkeit« wie Kommunikation zu begeben.

Aus den dargestellten Modellen zum Zusammenhang zwischen Arbeit, Stress und psychischer Belastung lassen sich strategische Handlungsfelder ableiten, wie ein »idealer« Arbeitsplatz aussehen könnte. Hierzu zählen: eine individuell angepasste Arbeitsbelastung, die Überprüfung von individuellen Handlungsspielräumen, Raum für Anerkennung, Herstellen von Gruppenkohärenz und Gemeinschaftsgefühl, ein verlässlicher Wertekanon und die Sicherstellung der Gleichbehandlung von Mitarbeitern (Gerechtigkeit). Diese Faktoren gilt es selbstverständlich auch für die (Re-)Integration psychisch Kranker in die betrieblichen Prozesse zu nutzen. Allerdings sind gezielte Programme zur Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses nach überstandener psychischer Erkrankung derzeit noch Mangelware. Die in diesem Buch zusammengestellten psychotherapeutischen Ansätze stellen eine Auswahl dar, die sicherlich an der einen oder anderen Stelle ergänzt werden könnte. Allen Ansätzen ist gemeinsam, dass bislang wenig empirische Evidenz für deren Wirksamkeit vorliegt. Dabei können, wie dieses Buch zeigt, psychotherapeutische Verfahren durch spezifische »Return-to-work«-Module ergänzt werden, oder aber die Verfahren und Methoden selbst in den Dienst der Arbeitseingliederung gestellt werden.

Zusammenfassung

In seiner ursprünglichen Konzeption war Burnout definiert als ein Erschöpfungszustand, der Mitarbeiter vor allem in »sozialen« Berufen erfassen kann, infolge hohen persönlichen Arbeitseinsatzes in Verbindung mit Frustration durch bspw. administrative Fallstricke. Aufgrund der inflationären Anwendung des Begriffs, des wissenschaftlich unklaren Stellenwerts, der problematischen Messung des Konstrukts »Burnout«, der Vermischung zwischen einem wissenschaftlichen Konstrukt und einem Modebegriff und nicht zuletzt der Überlappung von »Burnout-Zeichen« mit den Symptomen affektiver Störungen ist Burnout aus wissenschaftlicher Sicht ein problematischer Begriff. Dazu kommt, dass aus der »Diagnose Burnout« keine Handlungsanleitung für die Therapie folgt, da Burnout keine anerkannte Diagnose ist.

Als Risikokonstellation mit den Kernmerkmalen »Erschöpfung«, veränderte oder negative »Einstellung zur Arbeit« und »Leistungseinbußen« ist das Burnout-Konstrukt möglicherweise hilfreich. Bei Vorliegen dieser Erschöpfungszeichen ist eine psychologische, psychiatrische und somatische Diagnostik anzuraten, da eine Vielzahl unterschiedlicher pathogenetischer Faktoren zu dieser Merkmalskombination führen kann.

In Hinsicht auf die (Re-)Integration psychisch Kranker in ein Beschäftigungsverhältnis haben sich die Konzepte von arbeitsplatzassoziierten Stressoren (Gratifikationskrisenmodell, Anforderungs-Kontroll-Modell, Modell der Organisationsgerechtigkeit) als hilfreich erwiesen, um eine grobe Richtschnur für individuell angepasste Arbeitsplätze zu schaffen.

Ein weiterer Baustein für die geglückte Rückführung ins Erwerbsleben, die mit dem Begriff » Recovery« (Wiederherstellung der Rollenfunktion) eng verbunden ist, sind psychotherapeutische Ansätze mit dem Ziel, den Faktor Arbeit so zu gestalten, dass eine erfolgreiche Arbeitsbiografie wahrscheinlicher wird. Auch wenn in diesem Buch vor allem von bezahlten Arbeitsverhältnissen die Rede ist, soll nicht unerwähnt bleiben, dass Arbeit selbstverständlich auch im Kontext der Familie und im Kontext mit der Versorgung kranker Angehöriger (um nur zwei Beispiele zu nennen) geleistet wird. Wir denken, dass die hier dargestellten psychotherapeutischen Methoden auch auf diese Bereiche der bislang noch viel zu wenig wertgeschätzten Rollenfunktionen anwendbar sein sollten.

Literatur

Ahola K, Honkonen T, Isometsa E et al. (2005). The relationship between job-related burnout and depressive disorders-results from the Finnish Health 2000 Study. J Affect Disord 88:55-62.

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1.2       Arbeitsbelastung und psychische Erkrankungen

Christian Bock

Obwohl Arbeit seit Jahrzehnten als stabilisierender, sinnstiftender und bereichernder Faktor im menschlichen Leben beschrieben wird (vgl. Jahoda 1983; Leithäuser 1983; Lohmann-Haislah 2012; Schimank 1981, 2002), steigt die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen kontinuierlich an. Zahlreiche Autoren weisen auf Zusammenhänge zwischen psychischer (Arbeits-)Belastung und psychischen Erkrankungen hin (Madsen et al. 2010, 2015; Rau & Henkel 2013; Rugulies et al. 2006, 2012; Theorell et al. 2015; Virtanen et al. 2012). Dennoch kann nicht von einem stets proportionalen Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und psychischen Erkrankungen ausgegangen werden, da für die Entstehung psychischer Erkrankungen stets auch personale Faktoren zur berücksichtigen sind und sich psychische Belastungen auch somatisch äußern können (Lohmann-Haislah 2012, S. 12f).

In diesem Kapitel soll der Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung und psychischen Erkrankungen aufgezeigt werden. Nach einer kurzen Annäherung an die Begriffe »Belastung« und »Beanspruchung« werden die wichtigsten Faktoren für Arbeitsbelastung theoretisch und anhand von Fallbeispielen aus der arbeitspsychologischen Praxis des Autors erläutert. Anschließend erfolgt die Verdeutlichung gesundheitlicher Konsequenzen bei dauerhafter Einwirkung psychischer Fehlbelastung mit Empfehlungen für die Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung.

1.2.1     Psychische Belastung und Beanspruchung

In der internationalen Norm DIN EN ISO 10075-1 wird der Begriff »psychische Belastung« als »die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken« definiert, »Psychische Beanspruchung« als »die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategie«. Beide Begriffe sind ausdrücklich wertneutral zu betrachten, trotz ihrer zumeist negativen Konnotation in der öffentlichen Wahrnehmung. »Arbeitsbelastung« ist folglich die Bezeichnung für alle kognitiv zu verarbeitenden und emotionalen Einflüsse auf den Menschen an seinem Arbeitsplatz. Während auf eine Person ein bestimmtes Anspruchsniveau bei der Arbeit positiv fordernd und motivierend wirkt, kann dasselbe Anspruchsniveau für einen anderen Menschen zu einer Beanspruchung führen, welche sich schädlich auf seine psychische Konstitution und allgemein auf seine Gesundheit auswirkt (vgl. Lazarus 1999). Bezüglich der psychischen Beanspruchung treten im positiven Zusammenhang aktivierende Anregungseffekte, im negativen Zusammenhang beeinträchtigende Effekte wie Aufmerksamkeitsverlust oder Müdigkeit auf.

1.2.2     Psychische Belastung am Arbeitsplatz

Welche Arbeitsbelastungen sind im Kontext von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen relevant? Für die Betrachtung von Arbeitsbelastung schlagen Morschhäuser, Beck und Lohmann-Haislah (2014, S. 32) die Faktoren »Arbeitsintensität«, »Handlungsspielraum«, »soziale Unterstützung« und »Arbeitszeit« als besonders relevant vor. Auch Rau und Henkel (2013, S. 798) identifizieren Arbeitsintensität, Handlungsspielraum und (mangelnde) soziale Unterstützung als für die psychische Gesundheit bedeutsame Faktoren und ergänzen um die Faktoren »wahrgenommener Rollenstress« und »Effort-Reward-Imbalance« (gering erlebte berufliche Anerkennung bei gleichzeitig hohen Anforderungen, auch: Gratifikationskrise). Im »Stressreport Deutschland 2012« (Lohmann-Haislah 2012) findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher gesundheitsrelevanter Belastungen, welche insbesondere in dem Betrachtungsfeld »Arbeitsinhalt und -organisation« sowie »Arbeitszeit« verortet sind. Im Folgenden werden die einzelnen gesundheitsrelevanten Belastungsfaktoren näher erläutert:

Stress gilt allgemein als das Ergebnis eines Ungleichgewichts zwischen äußeren Anforderungen und den zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglichkeiten (vgl. Lohmann-Haislah 2012). Der Begriff »Stress« soll hier weniger als eigenständiger Belastungsfaktor genannt sein, sondern eher Symptom für eine Vielzahl von auftretenden Belastungsfaktoren. Während kurzzeitige Stressreaktionen gesundheitlich als unproblematisch gelten und eher eine aktivierende Wirkung auf Psyche und Physis haben, führen anhaltende Stresssituationen irgendwann zu psychischen Erschöpfungserscheinungen und körperlichen Erkrankungen wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Lohmann-Haislah 2012, S. 18). Überforderung kann ebenso zu Stress führen wie Unterforderung. Als besonders relevant für die Entstehung von Stress werden laut Lohmann-Haislah (2012, S. 35) folgende Belastungen erachtet:

•  verschiedene Arbeiten gleichzeitig betreuen,

•  starker Termin- und Leistungsdruck

•  ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge

•  bei der Arbeit gestört bzw. unterbrochen werden,

•  sehr schnell arbeiten müssen

•  immer wieder neue Aufgaben erledigen müssen

Die Erhöhung des Arbeitsvolumens bei gleichzeitig weitgehender Konstanz der Ressourcen steht für den Begriff »Arbeitsverdichtung« bzw. einen starken Termin- und Leistungsdruck. Dieser wird durch den Umstand verstärkt, die Arbeit nicht komplett autonom planen und durchführen zu können, sondern immer wieder aus der Arbeitsroutine »herausgerissen« zu werden. Durch diese Einschränkung des Handlungsspielraums wird der arbeitende Mensch nach eigenem Empfinden zu einem Objekt im Produktionsprozess, dessen Anwesenheit als Person mit individuellen Fertigkeiten und Bedürfnissen scheinbar nichts zählt. Verstärkt wird diese Wahrnehmung, wenn seitens der Führungskräfte die Chance vertan wird, die Beschäftigten mit ihrer Expertise in die Veränderungen ihres Arbeitsbereiches aktiv einzubeziehen. Dieser Mangel an Partizipation bei gleichzeitig ausbleibender Transparenz (warum haben wir so entschieden?) gilt ebenfalls als stressauslösend. Ist eine Mitbestimmung nicht möglich, sollte zumindest transparent über anstehende Veränderungen berichtet werden. Transparenz hilft Beschäftigten, die Beweggründe ihrer Vorgesetzten besser zu verstehen und letztlich auch mittragen zu können (vgl. Prexl 2010, S. 348). Wo eine Mitbestimmung aber ermöglicht werden kann, sollte sie erfolgen. »Kreisende Gedanken« und das »Nicht-abschalten-Können« überschreiten darüber hinaus die Grenze der Arbeit zum Privatleben und verhindern eine nachhaltige Erholung in der Freizeit. Die Teamintegrität wird auf eine Probe gestellt, wenn Menschen stressbedingt nur noch auf das eigene Wohlergehen fokussieren können und den Blick für die Bedürfnisse ihrer Kolleginnen und Kollegen verlieren. Psychosomatische Beschwerden und eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionskrankheiten sind Frühfolgen einer Einwirkung von dauerhaftem Stress. In einer solchen Phase sind grundlegende Änderungen in der Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung, vor allem aber eine Unterstützung der Mitarbeiter/innen und deren enge Einbindung in Veränderungsprozesse notwendig, um dem Bedürfnis nach Autonomie am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen.

Arbeitsintensität

Arbeitsintensität beschreibt allgemein die Arbeitsmenge und Aufgabenkomplexität im Zusammenhang mit der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit (ebd.). Von Arbeitsverdichtung wird gesprochen, sobald die verfügbare Arbeitszeit nicht mehr zur Bewältigung der geforderten Arbeitsmenge ausreicht. Müssen Menschen vermehrt unter Zeit- und hohem Leistungsdruck arbeiten, ist bereits ein bedeutsamer Faktor für das Erleben von Stress gegeben, insbesondere im Zusammenspiel mit geringen Handlungsspielräumen und fehlender sozialer Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte (vgl. Richter 2000).

Handlungsspielraum

Der Handlungsspielraum beschreibt laut Morschhäuser et al. (2014) den Grad der Freiheit in der Ausgestaltung von Tätigkeiten, also sowohl deren zeitliche Abfolge als auch das Ausmaß der selbstständigen Planung und Einteilung der Arbeit (Arbeitsinhalte, Arbeitsschritte, Arbeitspensum, Arbeitsweise etc.). Büssing und Glaser (2002) schlagen hingegen den Begriff Tätigkeitsspielraum zur näheren Differenzierung von Freiheitsgraden bei der Arbeit vor. Demnach setzt sich der Tätigkeitsspielraum aus dem Entscheidungsspielraum (Auswahl von Aufgaben, Aufgabenverteilung), dem Gestaltungsspielraum (Entwurf und Ausgestaltung von Verfahrensweisen und Arbeitsschritten) und dem Handlungsspielraum (Auswahl aus Verfahrensweisen und Arbeitsmitteln, zeitliche Abfolge der Arbeitsschritte) zusammen. Beide Vorschläge zielen auf ein zentrales Konzept: die Bedeutung der Autonomie für Leistungsfähigkeit und Motivation von Menschen an ihren Arbeitsplätzen. Gewissermaßen als Gegenentwurf zu der als »Taylorismus« bezeichneten Trennung von Kopf- und Handarbeit stellt bereits Lipmann (1932) fest:

»Arbeitsfreude im eigentlichen Sinne des Wortes gibt es nur da, wo der Arbeiter eine zielgerichtete Tätigkeit zu verrichten hat, deren Ziel oder deren Ablauf er autonom bestimmen oder regulieren kann und deren […] Merkmale seiner Arbeitsneigung entsprechen […]« (Lipmann 1932, zitiert nach Ulich 2011, S. 37).

Die Möglichkeit, autonom zu handeln, stärkt das Selbstwertgefühl eines Menschen und dessen Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung (vgl. Ulich 2011, S. 206). Autonomie ist folglich als ein bedeutsamer Motivationsfaktor zu betrachten, dessen Ausbleiben zu psychischer Belastung mit negativen Folgen führt und somit eine gesundheitliche Gefährdung der Betroffenen Beschäftigten darstellt. Auch Lohmann-Haislah (2012, S. 68 ff.) verweist auf den Handlungsspielraum als Ressource und nennt dabei insbesondere die Faktoren »Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die eigene Arbeitsplanung und -einteilung«, »Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Pausenzeitpunkt und »Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Arbeitsmenge« als besonders bedeutsam für das Erleben von Handlungsspielraum bei der Arbeit. In Form von teilautonomen Produktionsstrukturen (z. B. Fertigungsinseln), Verbesserungsgruppen oder eines betrieblichen Vorschlagswesens erhalten Beschäftigte die Möglichkeit, aktiv ihre Arbeit mitzugestalten. Beschäftigten kann so das Gefühl vermittelt werden, eine Bedeutung für ihren Arbeitsplatz und ihren Arbeitgeber zu haben, welcher über die reine Erbringung der Arbeitsleistung hinausgeht.

Soziale Unterstützung

Der sozialen Unterstützung kommt auch laut Morschhäuser et al. (2014) eine zentrale Bedeutung im Erleben psychischer Belastungen zu. Renneberg und Hammelstein (2006, S. 114) fassen zusammen: »Da die soziale Unterstützung als Ressource fungieren kann, ist anzunehmen, dass Menschen, die über ein hohes Maß an Unterstützung verfügen, zum einen generell seltener in den Stressprozess eintreten und zum anderen ein insgesamt höheres Wohlbefinden aufweisen«. Auch Lohmann-Haislah (2012, S. 76 ff.) verweist auf die soziale Unterstützung als Bewältigungsmittel bei beruflichem Stress und differenziert die Aspekte »gute Zusammenarbeit mit Kollegen«, »sich am Arbeitsplatz als Teil einer Gemeinschaft fühlen«, »Hilfe/Unterstützung durch Kollegen« und »Hilfe/Unterstützung durch den/die direkte/n Vorgesetzte/n«. Die Möglichkeiten, konkrete soziale Unterstützung am Arbeitsplatz zu leisten, sind vielfältig. Es geht hierbei sowohl um die empathische und konstruktive Lösung von Problemen am Arbeitsplatz als auch um das Verständnis persönlicher Anliegen, welche nicht unmittelbar die Arbeit betreffen, aber einen direkten Einfluss auf sie haben (z. B. Krankheit von Familienangehörigen oder weitere bedeutsame Lebensereignisse). Bleibt die soziale Unterstützung am Arbeitsplatz in schwierigen Lebenssituationen aus, droht nicht nur der temporäre Verlust von Arbeitsleistung, sondern auch der dauerhafte Verlust einer Arbeitskraft, welche sich in Enttäuschung und unter Stressempfinden von ihrem Arbeitgeber distanziert. Darüber hinaus bestehen sichere empirische Erkenntnisse bezüglich des Zusammenhangs von Arbeitsstress bei gleichzeitig ausbleibender sozialer Unterstützung (hier: im Privatleben) und Depressionen (vgl. Madsen et al. 2014). Es muss folglich ein Anliegen des Arbeitgebers sein, die schützende und verbindende Funktion der Gruppen und Teams zu erhalten und zu fördern. Erreicht werden kann dies beispielsweise durch multiprofessionelle Arbeitsgruppen sowie Möglichkeiten des informellen Austauschs (gemeinsame Pausen, Betriebsfeiern, Betriebsausflüge etc.). Aber auch soziale Unterstütung im Privatleben kann negativen gesundlichen Folgen beruflichen Stresses vorbeugen.

Arbeitszeit

Die Arbeitszeit ist ein Belastungsfaktor in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur die Dauer von Arbeit und deren Verteilung auf unterschiedliche Tageszeiten wird durch sie geregelt, letztlich hat sie auch einen bedeutsamen Einfluss auf Art und Umfang der Freizeit. Inwieweit ein Mensch Erholung und Ausgleich von der Arbeit erfährt, hängt im Wesentlichen auch von seinen Arbeitszeiten ab. Insbesondere bei Wechselschichtarbeit und Nachtschichtarbeit sind Erholungswert und Planbarkeit der Freizeit bzw. des gesamten sozialen Lebens eingeschränkt (vgl. Morschhäuser et al. 2014, S. 34; Ulich 2011, S. 530 f.). Insbesondere die Dauer der Arbeitszeit steht laut Lohmann-Haislah (2012, S. 113) in deutlichem Zusammenhang mit der Nennung psychischer Belastungen. Im Rahmen einer BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung (ebd.) waren bei neun der zwölf in der Befragung erfassten Kriterien zu Aspekten der psychischen Belastung der Anteil der betroffenen Beschäftigten mit Arbeitszeiten von 48 Stunden und mehr am höchsten. Herauszuheben sind insbesondere die Zunahmen der wahrgenommenen Belastung für »starken Termin- und Leistungsdruck«, »verschiedenartige Arbeiten gleichzeitig betreuen« und »arbeiten an Grenze der Leistungsfähigkeit« (ebd.). Schichtarbeit, insbesondere unter Einbeziehung der Nachtarbeit, gilt als zusätzlich auf die Beschäftigten einwirkender Belastungsfaktor, der bei langjähriger Durchführung nicht selten mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden ist (Lohmann-Haislah 2012, S. 117).