Angela K. A. Link, geb. 1957, ist Reiki-Lehrerin seit 1995, Heilpraktikerin für Körper und Psyche und Seminarleiterin Meditation. Seit Ende der Achtziger beschreitet sie den schamanischen Weg. Nach einem unerwarteten Kontakt mit einem Naturgeist begann sie schamanisch zu reisen. In einem Traum wurde ihr gezeigt, wie Seelen ins Licht geführt werden. Sie begann 1999 eine Reihe von Ausbildungen bei der FSS Europa, u. a. schamanische Extraktion, Seelenrückholung, Shamanic Counselor, sowie Tod und Sterben aus Sicht der Schamanen. Die Leidenschaft für das Schreiben sowie ihr Faible für Märchen und Sagen begleitet sie schon ihr ganzes Leben. Es ist ihr ein Anliegen, Menschen den Weg der Liebe aufzuzeigen und sie zu ermutigen, ihre eigene Kraft zu leben.

Dieses Buch widme ich meiner Familie und allen Menschen, die auf dem Weg zu sich selbst sind.

Danke an alle, die mir helfend zur Seite standen.

In der Entstehungsphase gab es immer wieder Menschen, die mir hilfreich zur Seite standen. Als erstes möchte ich meiner Mutter danken für ihre ständige Hilfe, die sie unserem behinderten Sohn Tobias zukommen lässt. Das hat mir so manchen Freiraum geschenkt. Hans war mir besonders in der Endphase von großer Hilfe. Ich danke ihm zutiefst für die Wertschätzung, die er dem Buch entgegenbringt und nicht zuletzt für seinen unerschütterlichen Glauben an mich und meine Fähigkeiten. Sonja, Tobias, Fabian, Alena und Robin waren mir in den vielen Jahre wundervolle Lehrer. Ohne sie wäre meine Entwicklung nicht so vorangeschritten. Vanessa danke ich für die gemeinsame Zeit des Überarbeitens am PC und ihre tatkräftige Unterstützung bei der Formatierung. Irmgard war ein weiterer Hilfeschritt auf dem Weg des Werdens, vielen Dank. Anna (die im richtigen Leben anders heißt) danke ich für ihre Freundschaft und ihren Glauben an dies Buch. Und den fleißigen Lesern, die zwischendurch die Fortschritte kommentierten und mir mit ihren Lob, der Begeisterung und dem Berührt-sein Mut gemacht haben, weiter zu schreiben. Noch einen Dank an Alena für die Fotoaufnahmen, von denen eines das Cover schmückt und Tobias, der die ersten Seitenzahlen zum Verschwinden brachte und die Bilder einscannte. Vielen Dank auch an Paul Uccusicc, Leiter der FSS Europa und Autor des Buches „Der Schamane in uns“, der leider in diesem Sommer die Nichtalltägliche Wirklichkeit verlassen hat, und seiner Frau Roswitha, die mir wunderbare Lehrer bei meinen Ausbildungen waren. Margaret Lewis, Autorin des Buches „Wisdom walks in circles“, war eine liebe- und wundervolle Administratorin bei den Online-Kursen.

Angela K. A. Link

Der Ruf der Kraft

Süden – Die Kriegerin erwacht
Ein schamanischer Weg auf dem Medizinrad

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Stimme

Die Bretagne

Die Begegnung

Das Rad des Lebens

Die Brunnen der Kraft

Die Kraft des Keilers, der Krieger

Die große Eiche

Die Kraft manifestiert sich

Der Süden

Die Traumdeutung

Der Erdbrunnen

Katharinas Schöpfungsmythos

Eine spezielle Süderfahrung

Wieder zu Hause

Dagaz - Diebstahl der Doppelaxt

Mein erster Kraftstab

Der Stab erwacht

Seelenrückholung

Die Rettung der Kriegerin

Anna und Katharina

Vorwort

Unser Leben ist eine Reise. Bei manchen endet sie schon kurz nach dem Beginn. Andere legen immer wieder Zwischenstopps ein. Einige lassen sich von Hindernissen an der Weiterreise hindern. Viele von uns bewegen sich im Kreis und meinen, sie kommen vorwärts. Die wenigsten trauen sich den Kreis zu überqueren und auf unbekannten Pfaden zu wandeln. Doch gerade die unbekannten Pfade führen uns ans Ziel. Und dieses Ziel sind wir selbst.

Ich befinde mich noch mitten auf der Reise, manchmal verweile ich an altbekannten Plätzen, lasse mich aufhalten durch Hindernisse, suche das, was ich kenne, um mich nicht dem Unbekannten stellen zu müssen, um dann festzustellen, dass es mich nicht glücklich macht. Dann wage ich wieder den Schritt über den Kreis und entdecke einen neuen Teil von mir. Das Medizinrad ist ein wundervolles Bild und Werkzeug, um zu verstehen, wie diese Reise funktioniert.

Das vorliegende Buch ist der erste Teil meiner Reise, die ich gern mit anderen teile, das wahre Erlebnisse und persönliche Entwicklung einbettet in einen fantastischen Rahmen. Schamanische Reisen und Energiearbeit bilden dabei die Grundlage.

Einleitung

Mein Buch befand sich im Veröffentlichungsprozess. Ich stand vor der Frage, ob ich es direkt freigeben oder lieber noch einmal einen Probedruck anfordern sollte. Hin und her gerissen entschied ich mich für Letzteres, hatte ich doch so die Möglichkeit, noch einmal Einfluss zu nehmen, falls mir Fehler unterlaufen waren oder ich noch etwas Wichtiges vergessen hatte. Am Tag der Bestellung befiel mich im Laufe des Nachmittags eine tiefe Traurigkeit. Ich konnte mir nicht erklären, woran es lag. Nichts machte mehr einen Sinn, ich fiel in ein Gefühl des „Was-soll-das-alles“. Und ich konnte nicht erklären, woher es kam. Wir waren unterwegs beim wöchentlichen Einkauf, lust- und freudlos lief ich durch den Supermarkt. Hans war besorgt und versuchte mich aufzumuntern. Im Stillen bat ich Erin um Hilfe. Wieder zu Hause setzte ich mich, einem unwiderstehlichen Drang folgend, an den Computer und ging eine Frageliste über das Buch durch. Es war genau das, was ich jetzt tun sollte, das war mir klar. Stark fühlte ich Erins Anwesenheit. Als ich zu dem Punkt kam, wo ich etwas darüber schreiben sollte, was ich mit diesem Buch erreichen möchte, sprudelte es nur so aus mir heraus. Meine Finger flogen förmlich über die Tastatur. Das war es, was gefehlt hatte, und danach war sämtliche Traurigkeit und Sinnlosigkeit vorbei. Ich hatte zuvor meine Vorgeschichte an den Anfang gestellt, sie jedoch später entfernt. Aber sie gehört zu diesem und den folgenden drei Büchern. Nun schrieb ich sie neu.

Dies ist dabei herausgekommen:

Als mein erstes Kind zur Welt kam, war ich noch viel zu jung und nicht reif dafür. Viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt, mit geringem Selbstwert, geringem Selbstvertrauen, aufgewachsen in einem Umfeld, in dem moralischer Druck verteilt wurde, Angst vor der Dunkelheit und dem Alleinsein, vor Autoritäten, war ich nicht wirklich gerüstet dafür, einem Kind den Weg zu ebnen, es anzuleiten, ihm Sicherheit zu geben, fehlte es mir doch selbst an Sicherheit und Struktur. Auch mein damaliger Mann konnte mir das nicht geben, war er doch selbst nicht stark. Anderthalb Jahre nach der Geburt meiner Tochter lernte ich Hans, meinen jetzigen Mann, kennen und trennte mich wegen ihm. Er vermittelte mir die Stärke, die ich nicht hatte, im Gegenzug bekam er von mir die Zuwendung, die er vermisste.

Wir bekamen nach und nach noch vier Kinder miteinander. Und mit jedem Kind reifte ich etwas mehr, wurden mehr Forderungen an mich gestellt. Aber ich glitt in altbekannte Muster, wie ich sie in meiner Kindheit erlebt hatte. Auch ich versuchte es mit moralischem Druck, gab mein Fehlversagen an meine Kinder weiter, die doch eigentlich meiner Sicherheit gebenden Anleitung bedurften. Immer in Angst, Fehler zu machen, schwamm ich, statt stark und fest zu sein. In einem ständigen Kreis gefangen zwischen Schuldgefühlen, Aggressionen, Ängsten, die Kinder könnten Schaden nehmen, Selbstvorwürfen und Druck, den ich in meiner Rolle als Mutter von außen empfand, da ich nicht in der Lage war, ihnen Halt zu geben, begann ich unbewusst mit der Suche nach meinem Selbst. Mein Mann und ich hatten verschiedene Stile in der Erziehung, dadurch kam es öfter zu Streit. Keiner fühlte sich durch den andern unterstützt, ich fühlte mich genauso alleingelassen wie er. Doch diese ganze Problematik erkannte ich damals nicht. Ich agierte, ohne mir der Zusammenhänge bewusst zu sein. Und wenn ich mich mal wieder mitten in einem Streit befand, fragte ich mich, wie es hatte geschehen können. Ich wollte doch nie jemanden verletzen. Moralischer Druck fand auch jetzt statt.

Eins jedoch begleitete mich permanent, und das war mein Wunsch, den Zauber des Lebens zu finden und zu erleben. Dass dieser Weg mich zu mir selbst führen und mich erstarken lassen würde, mir dadurch helfen würde, anders mit den Kindern umzugehen, war ein Nebeneffekt, für den ich zutiefst dankbar bin.

Meine Kinder sind wundervoll, jedes auf seine Art, und ich bin froh, dass sie in meinem Leben sind. Aber es gab auch Zeiten, die sehr schwer waren. Näher werde ich auch in meinen Büchern nicht darauf eingehen, da ich ihre Privatsphäre nicht stören will. Aber sie waren mir große Lehrer. In ihnen erkannte ich mich stückweise immer mehr in der Alltäglichen Wirklichkeit. In der Nichtalltäglichen Wirklichkeit halfen mir meine Spirits. Ich erkannte, wie wichtig es ist, selbst in die Verantwortung zu kommen.

Ich möchte Menschen ermutigen, sich auf den Weg zu machen, sich ihre Unzulänglichkeiten anzuschauen, sie anzunehmen und sich selbst lieben zu lernen. Und dazu, keine Angst vor etwaigem Schmerz zu haben. Denn auch dieser will gesehen und anerkannt werden, damit er sich auflösen kann. Keiner ist besser oder schlechter als ein anderer. Wir alle tragen das Eine oder Andere mit uns herum. Über einige meiner Unzulänglichkeiten schreibe ich in diesem Buch.

Genau diese Kraft, die mich rief, gepaart mit Liebe ist es, die wir brauchen, um uns und unseren Kindern Sinn und Halt zu geben. Und wir können es erreichen. Wir müssen nicht Opfer sein, nicht Opfer der Gesellschaft, nicht Opfer unseres Umfeldes. Wir können unser Leben selbst in die Hand nehmen. Dann können es unsere Kinder auch. Wir müssen uns nur selbst lieben.

Am Abend lag ich im Bett und Tränen der Ergriffenheit traten mir in die Augen. Ich spürte Erins Anwesenheit erneut und dankte ihr, dass sie mir geholfen hatte zu erkennen, was beinahe in Vergessenheit geraten wäre.

Die Liebe ist immer das Wichtigste.

Die Stimme

Ich lag im Bett und las, neben mir schlief mein Sohn Fabian. Ich stillte ihn noch und hatte ihn gern in der Nähe, wenn er wach wurde und Hunger bekam. Das war bequemer, als mitten in der Nacht aufzustehen und dabei selbst richtig wach zu werden. Stillen im Bett war da eine angenehme und sanfte Alternative. Tobias und Sonja schliefen schon lange in ihrem eigenen Zimmer. Mein Mann Hans war wieder einmal beruflich unterwegs und würde erst am nächsten Tag nach Hause kommen. Irgendwann wurde ich müde, legte das Buch zur Seite und knipste das Licht aus. Ich schloss meine Augen und versuchte einzuschlafen. Es waren gefühlsmäßig keine fünf Minuten vergangen, als eine Stimme laut und deutlich in mein Ohr drang: „Im Sonnenstab!“

Augenblicklich erfasste mich Panik, und ich tastete hektisch nach dem Lichtschalter. Im seichten Licht der Nachttischlampe schaute ich mich ängstlich um, fand mich aber allein mit Fabian im Raum. Woher war diese Stimme gekommen? War es tatsächlich mein Ohr, das sie gehört hatte oder hatte ich sie eher in meinem Kopf vernommen? Wer hatte da zu mir gesprochen? Und vor allem, was passierte, wenn ich das Licht wieder ausknipste? Das würde ich lieber nicht riskieren. Also beschloss ich das Licht brennen zu lassen. Irgendwann schlief ich ein. Am nächsten Tag, als es-hell wurde, war es nun interessant, eine Stimme gehört zu haben. Wer hatte da zu mir gesprochen? Das fragte ich mich nun im Tageslicht. Fakt war, ich war wach und bei Sinnen gewesen. Doch was mochte es bedeuten? Die Stimme hatte so eindringlich geklungen. Endlich war etwas Magisches in meinem Leben geschehen. Eigentlich war es genau das, wonach ich mich immer gesehnt hatte. Aber als es dann geschah, jagte es mir einen heftigen Schrecken ein. Jetzt war es an mir herauszufinden, was für eine Bedeutung es für mich haben könnte. Doch das stellte sich als schwierig heraus.

Wir befanden uns gerade in der Planung unseres neuen Hauses, das rollstuhlgerecht werden sollte, damit unser körperbehinderter Sohn Tobias sich in Zukunft besser im Haus bewegen konnte. Er hatte während der Geburt einen Sauerstoffmangel erlitten und war seitdem spastisch gelähmt. Das Grundstück hatten wir schon ausgesucht. Mitten in dieser Planung geriet ich in eine Krise, die meine Beziehung in Frage stellte und ich wusste nicht mehr, ob und wie es weitergehen sollte. Ich war nicht mehr sicher, ob ich diesen Schritt mit dem neuen Haus wirklich machen wollte. Das machte mir sehr zu schaffen, und ich litt schreckliche Qualen und hatte tiefe innere Zweifel. Aber ich wollte niemanden damit behelligen und versuchte, es allein für mich auszufechten. Niemand bemerkte etwas davon.

An einem bedeckten Frühsommertag lief ich hinaus aufs Feld, getrieben von dem Wunsch nach Hilfe. Jemand sollte mir sagen, was richtig war und was ich tun sollte. Wenn schon eine Stimme zu mir sprach, würde ich ja vielleicht auch noch auf andere Art Antwort erhalten. So rief ich denn in tiefer Verzweiflung:

„Wind, Wolken, Bäume, helft mir!“

Als ich zurück ins Haus kam, fiel mein Blick auf ein Buch, das schon seit vielen Jahren in meinem Regal stand, aber noch nie von mir gewürdigt wurde. Der Titel lautete: „Die Alten Kulturen der Neuen Welt.“ Irgendwie hatte sich dieses Konfirmationsgeschenk bisher nicht den Weg zu mir gebahnt. Denn mit den Kulturen Südamerikas hatte ich bis dato nicht viel zu tun. Einem Impuls folgend aber nahm ich es herunter und blätterte darin. Ich konnte kaum glauben, worauf ich dort stieß.

Die Geschichte der Inkas

Der Sonnengott Intis schickte seine beiden Kinder, das Geschwisterpaar Manco Capac und Mama Ocllo, zur Erde hinab, damit sie die Welt verbessern sollten. Auf der Sonneninsel im Titicacasee erreichten sie die Erde, und von hier aus traten sie die Reise zu den Menschen an. Der Sonnengott gab ihnen einen goldenen Stab, den Sonnenstab Tupayawri mit auf den Weg, und überall, wo sie sich zum Schlafen oder Essen niederließen, sollten sie versuchen, den Stab in die Erde zu stoßen. An der Stelle, wo sich der Stab mit einem einzigen Faustschlag ganz in den Erdboden hineintreiben ließe, da sollten sie nach dem Willen des Vaters, des Sonnengottes bleiben, ihren Wohnsitz aufschlagen und eine neue Gemeinschaft gründen. Sie sollten der Menschheit das Licht bringen und helfen, sie wachsen und sich entwickeln zu lassen. Lange Zeit wanderten sie umher, und jeden Abend versuchten sie, den Stab in die Erde zu versenken. Endlich gelang es ihnen, den goldenen Stab so tief in den Boden zu stoßen, dass er versank. Da sagte Manco Capac zu seiner Schwester und Gemahlin: „Unser Vater, der Sonnengott, will, dass wir in diesem Tal bleiben und unseren Wohnsitz aufschlagen.“ Dort entstand die Stadt Cusco. Mama Ocllo, in der peruanischen Quechua-Schreibung Mama Uqllu, ist in der Mythologie der Inka eine fortpflanzungsfähige Gottheit und Mutter. In einer Legende der Inka ist sie die Tochter des Sonnengottes Inti und dessen Frau Mama Killa, sowie Schwester des ersten Inka-Herrschers Manco Cápac. Mama Ocllo lehrte die Frauen die Kunst, Gewebe herzustellen - dazu ist Spinnen und Weben notwendig. Sie wird daher immer noch als göttliche Weberin verehrt. Mit ihr können Frauen auch Gedanken spinnen und Ideen in ihr Leben zu Taten verweben. Sie setzen sich dazu zu ihr an das göttliche Spinnrad oder den Webstuhl und gehen mit Mama Ocllo in Trance, also ganz in ihr Inneres. Es braucht sie nicht zu kümmern, was derweilen alles in der Außenwelt geschieht.“

Da war er, der Sonnenstab, nachdem ich so lange gesucht hatte. Die Erklärung, die sich mir als erstes darin offenbarte, war das neue Grundstück. Es könnte zu diesem Ort werden, wo wir uns niederlassen und unsere kleine Familien-Gemeinschaft ein neues Zuhause finden würde. Somit gab es für mich keine weitere Überlegung mehr, ob ich blieb wo ich war oder eine Trennung in Erwägung zog. Als zweiten Hinweis nahm ich das Weben. Ich würde beginnen mein Leben neu zu weben und mich zu entwickeln. Mein Ruf war erhört worden, und nicht nur in einer Hinsicht. Zwei Wochen später stellte sich heraus, dass ich erneut schwanger war. Es gab da eine Seele, die kam, um mir zu bestätigen, wo mein Weg lag. Von Anfang an begleitete mich ein tiefes Wissen, dass ich eine Tochter in mir trug. Ein dreiviertel Jahr später zogen wir in unser neues Haus ein.

Die nächsten Jahre waren gefüllt mit Therapiebesuchen, Windeln wechseln, Kinder stillen, lästigen Arbeiten im Haushalt, erneuter Schwangerschaft und Geburt, die Magie, nach der ich mich so sehnte, hielt sich gut versteckt, bis ich eines Tages unseren jüngsten Sohn zum Mittagsschlaf in unser Bett legte. Er war ein knuddeliger kleiner Kerl, der in sich ruhte und deswegen den Namen „Kleiner Buddha“ bei uns bekommen hatte. Da er allein nicht gern einschlief, legte ich mich neben ihn. Nur kurze Zeit war vergangen, als ich bemerkte, dass seine Atmung ruhiger wurde. Er schien einzuschlafen. Auch ich hatte die Augen geschlossen. Innerhalb von ein paar Sekunden änderte sich mit einem Mal die Umgebung.

Ich stand mitten in einer Sumpflandschaft. Weit und breit sah ich nichts anderes als Sumpf und karges Land. Neugierig schaute ich mich um. Nichts konnte ich ausfindig machen, was mir bekannt vorgekommen wäre. Wie von Geisterhand erschien ein schneeweißes Pferd vor mir. Der Schimmel machte mir durch Schnauben und Hochwerfen des Kopfes klar, dass ich aufsteigen sollte. Schweigend ritten wir durch den Sumpf. Es schien als hätte er ein genaues Ziel vor Augen. Ich vertraute mich ihm ganz an. Unser Weg führte vorbei an vereinzelten Bäumen, kleinen Büschen und Grasinseln. Die Bäume trugen kein Laub, es sah aus, als hätte ihnen der Sumpf sämtliche Nährstoffe entzogen. Die Sonne, die ich am Himmel vergeblich suchte, schien paradoxerweise trotzdem und erhellte so die unwirtliche, unwirklich erscheinende Gegend.

Einige Zeit später tauchte vor uns ein riesiger Felsen als Vorläufer einer kleineren Bergkette auf, die ich in der Ferne erblickte. Als der Hengst darauf zu hielt, erkannte ich, dass sich in diesem Felsen der Eingang zu einer Höhle befand. Mein Reittier hielt genau darauf zu. Als es stehen blieb, glitt ich vom Rücken des wundervollen Tieres und näherte mich vorsichtig der Höhle, um einen Blick hinein zu werfen. Kurz darauf passierte ich den Eingang und fand mich einem großen Bären gegenüber, der aufrecht im Innern der Höhle stand. Obwohl dieser Bär eine mächtige Statur besaß, verspürte ich keine Angst. Er bewegte die rechte Tatze im Gelenk. Ich schaute ihm in seine dunklen Augen und erkannte, dass er mir etwas zeigen wollte. Er drehte sich um, und ich folgte ihm ins Innere der Höhle. An einer Felswand, an der ein beeindruckendes Symbol prangte, hielt er an. Ich sah darin die Sonne, die Erde, die Sterne, den Mond sowie die Elemente Feuer und Wasser, wobei sich zusätzlich die Elemente Erde und Luft durch die Erde selbst und die Gestirne im Weltall ableiteten und durch den Raum zwischen ihnen, der als Leere das fünfte Element darstellte. Mein erster Gedanke sagte mir, dass es für mich bestimmt war, und so prägte ich es mir intensiv ein. Als ich das Symbol tief verinnerlicht hatte, ließ sich der Bär herab und verschwand. Daraufhin verließ auch ich die Höhle und schwang mich auf den Rücken des wartenden Hengstes, der sich sofort umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung aufbrach.

Ich wurde wieder ganz klar und fand mich im Bett neben Robin wieder. Er schlief noch, ich dagegen war hellwach. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, erhob ich mich und holte Papier und Stift, um das Symbol aufzuzeichnen. Noch wusste ich nicht, wofür es stehen sollte, aber das würde sich noch zeigen, da war ich ganz zuversichtlich.

Die Sehnsucht nach mehr Zauber in meinem Leben ließ mich hellhörig werden, als Reiki mir von einer Freundin nahegebracht wurde. Damit hoffte ich tiefere Erfahrungen machen zu können. Jedoch sollten zwei Jahre vergehen, bis ich den 1. Reiki-Grad machen konnte. Hans hatte Bedenken geäußert, nachdem ich ihm von meinem Vorhaben berichtet hatte.

„Hinterher gerätst du in irgendeine Sekte, die dich dann auf ihre Seite zieht. Man weiß ja nie, was da alles passieren kann. Vielleicht praktizieren die ja irgendwelche sexuellen Dinge oder so. Da muss man sehr vorsichtig sein.“

„Aber es geht doch nur um Heil-Energie,“ versuchte ich einzuwenden.

„Das kannst du auch so,“ war seine abschließende Bemerkung.

Meine eigene Eifersucht und die Angst, ihn zu verlieren tat ihr Übriges und hielt mich letztlich davon ab, es einfach durchzusetzen. Wenn ich plötzlich ein ganzes Wochenende fort bleiben wollte, zur damaligen Zeit fanden die Seminare nur vereinzelt und in größerer Entfernung statt, und ich dort hätte übernachten müssen, hätte er das Gleiche vielleicht auch für sich in Anspruch genommen. Den Gedanken konnte ich nicht ertragen. Außerdem malte ich mir aus, dass er furchtbar sauer auf mich sein könnte und sich vielleicht sogar von mir trennen würde. Aber ich blieb am Ball, denn wenn ich etwas wirklich wollte, setzte ich alles daran, es auch zu bekommen.

Im November 1993 war es endlich soweit. Nach langem Wälzen von Annoncen in entsprechenden Zeitschriften hatte ich eine freie Reiki-Lehrerin im Raum Düsseldorf gefunden, die mir sehr sympathisch war, eine Österreicherin. Düsseldorf hatte außerdem den großen Vorteil, dass ich nicht woanders übernachten brauchte. Und meine Strategie, unseren behinderten Sohn Tobias mit einweihen zu lassen, war sehr gut. Die einzigen Sorgen, die ich jetzt noch hatte, waren finanzieller Art. Damit meinte ich nicht nur meinen Mann, der dann nach einigem Hin und Her einverstanden war und seine Bedenken fallen gelassen hatte. Auch ich machte mir Sorgen.

Auf dem Weg zum Seminar am Samstagmorgen dachte ich: ‘Was, wenn das jetzt bei dir nicht funktioniert. Du bezahlst so viel Geld.’

Genau das waren meine Gedanken, aus der Angst geboren, dass ich Schwindlern aufsitzen könnte. Es war mein erstes Seminar überhaupt und für uns war es schon eine Menge Geld, auch wenn ich für Tobias nur die Hälfte bezahlen brauchte. Zu meiner Überraschung waren die anderen Teilnehmer ein Vater und seine behinderte Tochter, die in unserer Nähe wohnten. Allerdings kannte ich bislang nur die Mutter und das Kind, da die Eltern geschieden waren. Ich hatte sie ein paar Jahre zuvor kennen gelernt, danach aber nie wieder getroffen.

Manuela war sehr liebevoll und brachte uns Reiki auf eine sehr faszinierende Art näher. Ich war sehr gespannt, was während den Einstimmungen wohl geschehen würde. Am eindrucksvollsten war für mich dann die zweite Reiki-Einstimmung. Ich fühlte mich augenblicklich an einen staubbedeckten Platz vor einem Höhleneingang versetzt, dessen Bodenbeschaffenheit bei mir den Eindruck erweckte, als hätten dort schon viele gestanden. Der Platz war von Bäumen gesäumt, ansonsten stand ich allein dort. Mich umschauend entdeckte ich einen Zweig, dessen Form mich stark an eine Rune erinnerte. Die Bedeutung war mir nicht klar. Zu Hause lag ein Runen-Taschenbuch, das ich mir kurz zuvor zugelegt hatte, ohne mich allerdings damit hinreichend beschäftigt zu haben. Irgendwie hatte mir bislang die Zeit gefehlt. Nun würde es mir gute Dienste erweisen, wie ich hoffte. Tobias gefiel das Seminar auch, er hatte viel Spaß und fand es spannend. Alles was mit Energie und Mystik zu tun hatte, fesselte auch ihn. Die beiden Tage vergingen rasch, der Sonntag Abend war viel zu schnell da.

Als wir nach Hause kamen, war ich ganz erfüllt von dem, was ich erlebt hatte und wollte es natürlich direkt anwenden. Ich fragte Hans, ob ich ihn behandeln dürfte.

„Von mir aus“, gab er mir zur Antwort.

Ich überlegte, wo ich meine Hände hinlegen sollte, und meine Wahl fiel auf zwei Energiezentren, das Solarplexus- und das Herz-Chakra. Meine Aufmerksamkeit richtete ich nun auf den Energiefluss und fühlte mich in meine Hände hinein. Nach einer kurzen Weile begannen sie einzuschlafen und taub zu werden. Sie fühlten sich ganz schwer an. Dann begann das Kribbeln, welches das taube Gefühl ablöste.

Irgendwie wusste ich: ‘Ich muss halten. Da ist eine Blockade.’

Und ich hielt und hielt und hielt, bestimmt 10 Minuten lang, wenn nicht mehr. Auf einmal machte es dem Gefühl nach „Plopp“ in meinen Handflächen und ich „fühlte“ weiß-blaue Energie heraus fließen, mehr Richtung eisblau. Ich erkundigte mich bei Hans, ob er etwas gefühlt hätte, aber es war wohl zu dem Zeitpunkt einfach nur ein angenehmes Handauflegen für ihn.

In dieser Nacht träumte Hans, und ich hörte die weinerliche Stimme eines kleinen Jungen. Bislang hatte ich ihn noch nie im Schlaf erzählen hören, und so war es das ungewohnte Geräusch, das mich weckte. Tief betroffen saß ich im Bett und wollte meinem ersten Impuls folgen ihn zu wecken. Doch beschloss ich nach kurzer Überlegung es ihn im Traum durchleben zu lassen. Ich beobachtete ihn noch, bis er aufhörte zu sprechen. Beruhigt legte auch ich mich wieder zur Ruhe. Am nächsten Morgen recherchierte ich die Bedeutung der Rune. Ich nahm das Buch zur Hand, schaute hinein und wurde fündig:

K-Rune, mir gelingt alles, was ich mir wirklich wünsche. K vermittelt mir das Urwissen, und ich kann alles erreichen was ich wirklich will.

Doch das Nachhaltigste war: Höhere Mysterien offenbaren sich mir und ich schreite auf dem Pfad des wahren Meisters.

Damit fühlte ich bestätigt, was ich schon nach der ersten Einstimmung gefühlt hatte. Ich wollte Reiki-Meisterin werden. Es gab nichts, was je klarer in meinem Leben gewesen war. Ich wollte andere Menschen einweihen, ihre strahlenden Augen sehen, wenn sie die Energie erfuhren, dieses Staunen mit ihnen teilen und nicht zuletzt wollte ich wissen, wie Reiki-Einweihungen funktionierten. Dass es funktionierte, erlebte ich ja nun am eigenen Leib. Dies war meine erste Rune, die in mein Leben trat. In der Folgezeit geschahen die unglaublichsten Dinge mit der Energie und machten mich noch neugieriger auf mehr. Ich wollte so schnell wie möglich den zweiten Grad absolvieren, hatte ich doch gelesen, was mit den Symbolen des zweiten Grades alles möglich ist. Ich wünschte mir mehr Magie. So fieberte ich dem Wochenende entgegen, das ich mit Manuela ausgemacht hatte.

„Hallo Angela,“ begrüßte sie mich, als ich in ihre Tür trat. „Schön, dass dein Weg dich wieder zu mir geführt hat.“

„Ich freue mich auch total und bin so gespannt, was dieses Wochenende passiert,“ strahlte ich sie an.

Sie begann mit der Einführung in die Symbole und deren Mantren, dann kam die Einstimmung. Ich lernte das Anwenden der Symbole und hatte das Gefühl einen großen Schatz in Händen zu halten. Die Informationen übertrafen meine bisherigen Kenntnisse und Erwartungen. Voller Energie und Zuversicht, dass es nun für mich weitergehen würde, fuhr ich am Ende des Wochenendes nach Hause, mit dem Entschluss, Reiki einen offiziellen Rahmen zu geben, denn damit wollte ich arbeiten.

So inspiriert beschloss ich die Heilpraktiker-Schule zu besuchen, um dann legal mit der Energie arbeiten zu dürfen. Im Gespräch mit Hans über mein Vorhaben bekam ich ohne Probleme sein Okay. An zwei Abenden in der Woche besuchte ich nun die Schule. Die Lernzeit zu Hause konnte ich mir selbst nach der mir zur Verfügung stehenden Zeit einteilen. So begann für mich eine neue spannende Zeit des Lernens. Dank meiner Mutter, die sich neben ihrem Vollzeitjob mit um die Kinder kümmerte, wenn ich fort war, konnte ich mich auf das Lernen konzentrieren, ohne ein schlechtes Gewissen zu entwickeln. Aber auch Reiki kam nicht zu kurz. Wie zur Bestätigung, dass dieser Weg der Richtige für mich war, trat ein Ereignis in mein Leben, das mich wieder einmal mit der Anderswelt in Verbindung bringen sollte.

Es geschah im September. Eines Nachmittags setzte ich mich in meinen Raum, um mit dem Verstärkersymbol zu meditieren. Nachdem ich meine Augen geschlossen hatte, zeichnete ich das Symbol. Dann wiederholte ich das dazugehörige Mantra immer und immer wieder. Das half mir, mich von meinen Gedanken nicht ablenken zu lassen. Genau das stellte immer wieder eine große Hürde für mich dar. Die Gedanken wirklich gehen zu lassen, war nicht so einfach. Das Rezitieren des Mantras war mir dabei eine große Hilfe. So saß ich kurze Zeit darauf in dieser Energie und genoss das wunderbare Gefühl des Einsseins. Nichts hatte ich vor zu erreichen, wollte nur fühlen. Ich war vollkommen absichtsfrei. Nach ein paar Minuten geschah es dann.

Ich nahm draußen im Garten eine Gestalt wahr, die sich mir als Elfe präsentierte. Sie stand vor der Korkenzieher-Weide, trug einen zarten pastellfarbenen Rock und ein leichtes Oberteil dazu, das ebenfalls pastellfarben war. Sie erschien mir in Menschengröße, ihr langes, blondes leicht silbrig glänzendes Haar floss ihr über die Schultern hinab zu der Stelle, wo der Steiß beginnt. Sie schaute mich an und kam auf mich zu. Ich mochte es kaum glauben. Waren Elfen normalerweise nicht klein? Aber für mich hatte sie definitiv das ansonsten typische Aussehen.

Sie trat einfach durch das Fenster ins Zimmer ein und umarmte mich mit den Worten: „Meine Schwester, endlich sehen wir uns wieder.“

Wir hielten uns einen Moment in den Armen. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Eine tiefe Wehmut erfasste mich. Gern wollte ich sie mit meinen realen Augen sehen.

Mein Verstand, vielleicht eher mein innerer Saboteur, sah sofort seine Chance und meldete sich: ‘Öffne deine Augen. Du wirst sehen, da istnichts! Es gibt keine Elfen im Garten. Und sie kommen schon gar nicht einfach so durch geschlossene Fenster und Wände zum Zimmer herein!’

Ganz stark wurde der Drang in mir die Augen zu öffnen. Wie durch eine Art Sog wurde dieses wunderschöne Naturwesen nach draußen gezogen und stand wieder im Garten.

„Glaube an dich und deine Wahrnehmung. Vertraue dir! Es ist wirklich! Sonst habe ich keine Chance zu bleiben. Vertraue deiner Wahrnehmung!“

Die letzten Worte rief sie mit einer unglaublichen Eindringlichkeit. Doch der Teil in mir, der skeptisch war, konnte es einfach nicht glauben. Ich schaffte es nicht mich der kritischen Stimme in meinem Innern zu widersetzen! Die Stimme des Verstandes gewann und der Sog setzte wieder ein, diesmal endgültig. Das Wesen, das ich als Elfe wahrgenommen hatte, verschwand.

Eine tiefe Traurigkeit in mir spürend öffnete ich die Augen und weinte um den erlittenen Verlust, um mich und mein Gefühl der Einsamkeit. Was konnte ich nur tun, um sie wiederzusehen? Mir blieb nichts anderes übrig, als es erst einmal dabei zu belassen und zu lernen mit dem schmerzlichen Gefühl umzugehen.

Manchmal fühlen wir uns allein und abgeschnitten von allen anderen.

Wir wähnen uns in einem tiefen Loch, aus dem es keinen Ausweg mehr zu geben scheint. Erst wenn wir uns selbst lieben können, werden diese Löcher immer kleiner und seltener.

Auch wenn es uns Angst macht, es lohnt sich, andere Wege zu beschreiten.