Dr. Dr. Hornbostl

 

 

 

Gedankensplitter

 

 

 

 

 

Renate Götz Verlag

Vorwort

Als mich mein langjähriger Freund Heinrich (der darauf besteht, dass sein doppelter Doktor nicht in den Nachruf auf die DDR ausartet) bat, sein Manuskript zu lesen und später, ein Vorwort für sein Buch zu schreiben, fühlte ich mich einerseits verunsichert, andererseits natürlich geehrt.

Teilweise finde ich es verblüffend, welch krause Gedanken durch den ansonsten sehr nüchternen Kopf dieses Mannes gehen, teilweise überrascht mich die Art, wie manche Dinge mich ansprechen.

Fast als handelte es sich um tiefe Wahrheiten, die zu entdecken mir noch nicht erlaubt war. Sicherlich liegt das auch daran, dass ich auf graphischem Gebiet ähnlich abstrakt-absurde Gedanken hege.

Dies ist auch der Grund, warum ich das Umschlagsbild für dieses Buch beisteuern durfte.

Dass auch vieles sehr Seltsames in diesem Buch zu finden ist, lag auf der Hand. Heinrich ist eben so.

Ich denke aber, dass jeder zumindest den einen oder anderen interessanten oder amüsanten Denkansatz finden kann.

Ernst Zloklikovits

Vorwort des Verfassers

Dieses Buch habe ich geschrieben, weil andauernd seltsam krause Gedanken durch meinen Kopf gehen. Und weil ich in Gesprächen festgestellt habe, dass andere Leute diese Gedanken noch krauser und seltsamer, aber auch unterhaltsam finden können.

Kritiker werden natürlich anmerken, dass das absolut kein Grund ist, ein Buch zu schreiben, dass dazu Qualifikationen notwendig sind, dass Kunst überhaupt und Schriftstellerei besonders, erwägt man die Fülle am Markt beispielsweise, die ja wirklich von Jahr zu Jahr, und gerade deswegen sei es geradezu unerhört ...

Ich verneige mich hiermit vor Isaac Asimov, der sein Leben lang mit dem Schreiben von Büchern beschäftigt war und in einem seiner Vorworte bemerkt hat, dass er Leute kennt, die meinen (er selbst enthalte sich natürlich dieser Meinung) Kritiker seien wie Eunuchen: Sie können zusehen, Kommentare abgeben, aber niemals selber ... !

Womit er recht hat, denn in dem Moment, wo ein Kritiker auf die Idee käme, selbst ein Buch zu schreiben, geht eine seltsame, fast magische Verwandlung in ihm vor. Und er wird zum Autor. Der Arme!

Obwohl dieser, um ein Buch zu schreiben natürlich Qualifikationen ... (siehe oben!)

Und noch einmal verneige ich mich vor Isaac Asimov, indem ich – wie er in seinen Büchern Opus 200 – die Angewohnheit übernehme, Kommentare den einzelnen Geschichten beizufügen, falls es mir notwendig erscheint.

Sollten Sie bis hierher gelesen haben, noch eine kurze Warnung: Es wird schlimmer.

Legen Sie also bitte dieses Buch weg und kaufen lieber ein brauchbares, benutzbares, aus dem Sie erfahren, wie man rundum Glücklich wird, wie Sie problemlos eine Firma führen, oder ihren Chef austricksen können, ohne dass dieser davon etwas bemerkt. Oder ganz wahnsinnig, irrsinnig total bescheuert Reich mit Aktienhandel, Grundstücksspekulation oder schlichtweg Betrug.

Das alles werden Sie hier nämlich nicht erfahren.

Aha, sie lesen also immer noch. Tja, dann sind Sie wohl einer der von mir so geschätzten Naturen, die dieses Buch vielleicht kaufen und Splitter für Splitter auflesen werden.

Viel Spaß und Vorsicht, an manchen Splittern kann man sich vielleicht verletzen.

Dr. Dr. Hornbostl

Ugh

oder

„Der beträchtliche Unterschied der sprachlichen Gewandtheit zwischen Mann und Frau ist nur entwicklungsgeschichtlich bedingt“

Es war eine Nacht, in der jeder vernünftige Höhlenbewohner dort blieb, wo er seinen Namen her hatte: in der Höhle.

Der Wind blies in regnerischen kalten Böen die Berge herunter, verwandelte den Rest des Schnees in eine unansehnlich braune ekelige Masse und Ugh drehte sich grunzend auf seinem Lager aus Zweigen um.

Ein plötzlicher Donnerschlag ließ seine Frau aufschrecken. Sie stand auf, stieg über ihn hinweg (nicht ohne ihn neuerlich aus dem Schlaf zu reißen und mit der Feststellung „schlaf ruhig weiter, ich sehe nur nach draußen“ hellwach zurückzulassen).

Er hatte gerade so viel Zeit, neuerlich in ein wohliges Dämmern zu versinken, als sie – offensichtlich höchst erregt – wieder erschien und aufgeregt auf ihn einzureden begann.

„Draußen ist ein riesenhaftes zotteliges Untier, das entsetzlich stinkt und wahnwitzige Stoßzähne hat. Außerdem grunzt es ganz tief und kommt immer näher zu unserer Höhle. Du musst unbedingt etwas dagegen tun. Dieser seltsame Teil, der zwischen den Zähnen fast bis zum Boden reicht und darauf herumtastet und hin und her pendelt, dieser – sagen wir einmal - Rüssel, macht mich ganz verrückt vor Angst. Also steh’ endlich auf und jage es weg!“

Und das war es dann auch.

Dahin war die Nachtruhe. Es war ihr wie immer völlig gleichgültig, dass er die ganzen letzten drei Tage vergeblich aber erschöpfend damit verbracht hatte, irgendetwas aufzutreiben, dass sich essen ließ und von dem man nicht vorher aufgespießt, zerfetzt oder sonst wie malträtiert wurde.

Sie dachte niemals in dieser praktischen Art und Weise.

„Mammut!“ brüllte er in die Höhle.

Die Wirkung war beeindruckend: Überall regten sich grunzende Männer widerwillig auf ihren Lagern, die Frauen begannen aufgeregte Diskussionen über das Tier, die Arbeit es zu zerlegen und zuzubereiten, was es für einen Schmutz in der Höhle machen würde, wie alles stinken würde, wenn das Fell vor dem Höhleneingang hinge, wo doch das Wetter so schlecht sei und ob es überhaupt gelingen würde, die Haut vor dem Verfaulen zu retten.

„Los!!!“

Erst Ughs zweiter Ruf brachte den Haufen soweit zur Besinnung, dass gezielte Bewegungen erkennbar waren. Gähnende Männer hasteten in den hintersten und trockensten Teil der Höhle, wo ihre wertvollen Wurfspeere und Bögen lagerten. Umhänge aus Fell wurden übergestreift und langsam versammelten sich alle unmittelbar vor dem Höhleneingang.

Ugh war sich klar darüber, wie müde sie alle waren und deshalb warf er nur zornige Blicke auf die Langsamsten und grunzte unwillig. Sofort senkten alle die Blicke.

Schweigend traten Einer nach dem Anderen aus der Höhle, kaum einer schauderte vor dem eiskalten Regen zurück und ohne die Notwendigkeit eines weiteren Ordnungsrufes verteilten sich alle in die bewährte Aufspürformation.

Wie auf ein geheimes Kommando setzte sich der Trupp lautlos in Bewegung. Err, der, obwohl fast der Jüngste, doch die beste Nase hatte, ging geräuschlos an der Spitze und weit gefächert, die Speere bereits in die Schleuderstöcke eingehakt folgten die erfahrensten Jäger unmittelbar nach. Die Nachhut bildeten die Ältesten und die Jüngsten. Die Ältesten, weil sie die wertvollsten im Stamm waren, die Jüngsten, weil sie noch nicht imstande waren, sich immer völlig Geräuschlos vorwärts zu bewegen.

Eine weitere erfolglose Jagt konnte sich der Haufen einfach nicht mehr leisten. Die Getreidevorräte waren durch den langen Winter fast aufgebraucht und die feuchte Witterung hatte den kümmerlichen Rest an Getreide in einen grünlichen Haufen verwandelt, den nicht einmal der Hungrigste unter ihnen ohne heftigen Widerwillen herunterwürgen konnte.

Ugh riss sich zusammen. Tagträumen bei einer nächtlichen Jagd nachzuhängen, erwies sich in den allermeisten Fällen als tödlicher Fehler.

Gerade noch rechtzeitig sah er das sparsame Handzeichen Errs und einen Sekundenbruchteil später das gigantische Mammut.

Er gab sich keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, ob das Risiko, dieses monumentale Tier anzugreifen nicht viel zu hoch war, ob die Verluste, die sie erleiden würden, nicht höher wären, als die, wenn sie weiter hungern müssten.

Entschlossen streckte er den Kopf nach vorne und auf diese Bewegung hin setzte sich der zum Stillstand gekommene Haufen wieder in Bewegung, fächerte sich weiter auf und kreiste das Mammut beinahe ein. Nur die dem Wind und Regen zugewandte Seite ließen sie noch offen. Einerseits, damit das Tier die Witterung nicht aufnehmen konnte, andererseits weil sie wussten, dass Mammuts nur sehr ungern gegen den Regen flüchteten.

„Ihhhhh“ brüllte Ugh und das Mammut hatte gerade noch Zeit, den mächtigen Kopf hoch zu reißen, als auch schon sechs oder sieben Speere in seinem Körper staken und ein Hagel von Steinen darauf niederprasselte.

Ugh bemerkte mit Genugtuung, dass Uff, sein jüngster Sohn diesmal genau getroffen hatte. Sein Wurfspeer hatte den Weg durch das Auge direkt ins Gehirn des Mammuts gefunden und das Tier wankte geblendet und tödlich getroffen nur noch wenige Meter, brach zusammen und die Jagd war beendet.

Stolz rannte er hinüber und hieb Uff begeistert auf die Schulter. Auch die Anderen schienen über diesen Speerwurf des Jahres fast mehr begeistert zu sein, als über die Tatsache, die nächsten Wochen einen vollen Bauch, neue Sehnen für die Pfeile und neue Schuhe an den Füßen zu haben.

Ugh schnitt mit seinem Steinmesser ein Stück aus dem Ohr des Mammut und ging mit seinem Sohn alleine zurück zur Höhle, die Trophäe sorgsam hinter dem Rücken verbergend.

„Da seid ihr ja endlich um Donners Willen!“

„Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, was wir uns hier für Sorgen gemacht haben?“

„Warum kommt Ihr alleine? Wo sind die Anderen?“

„Nicht schon wieder ohne Beute!“

„Wie stellt ihr euch eigentlich vor, wie wir die Kochtöpfe für euch füllen können, wenn ihr tagelang ohne Fleisch nach Hause kommt!“

Bevor das Getöse allzu laut wurde, zog Ugh triumphierend den Teil des Mammutohres hinter seinem Rücken hervor, schwenkte es wild und begeistert über seinem Kopf und brüllte in die Menge:

„Uffs Mammut!“

Das nachfolgende Fest war eine Mischung aus dem freudigem Schmatzen und Lachen der Männer und den glücklichen Kommentaren der Frauen, die alles besprachen, was zu besprechen war.

 

 

 

Nach diesem sprachwissenschaftlichen Ausflug in die ferne, ferne Vergangenheit nun zu einem Ausflug in die noch viel fernere Zukunft.

Hoffentlich!

Genetische Kriegsführung

So wie Zool sich heute gefühlt hatte, als er erwacht war, hatte er sich noch nie in seinem Leben gefühlt gehabt: Der Mund war trocken, sein Rücken schmerzte, als hätte er schon den letzten Lebensabschnitt erreicht (so hatte man es ihm zumindest erklärt, dass man sich fühlen würde) und als er sich endlich widerwillig schnalzend aufsetzte, war ihm sogar ein wenig schwindelig geworden.

Kein Zweifel, die ständige Auseinandersetzung mit dem anstehenden Problem, und mit Raal dem Xenobiologen zeigte auch Wirkung auf ihn.

Und dann natürlich dieser Planet, diese Rasse und diese eigenartige Situation, in der er sich befand.

Unwillig schüttelte er den Kopf.

Er wusste gar nicht mehr, zum wievielten Male er dieselben Gedanken bereits durchgekaut hatte, überlegt hatte, ob die Tatsache, dass Raal (eindeutig) weiblichen Geschlechtes war, seine Urteilsfähigkeit vielleicht doch in die eine oder andere Richtung manipulierte. Oder dass Raal erst am Anfang ihrer Karriere war, und er hingegen doch unaufhaltsam dem Ende seiner eigenen entgegen schritt, auch wenn er sich daran eindeutig noch nicht gewöhnt hatte.

Nein, beides hatte er eindeutig in dieselbe Region seines Geistes verbannt, wie die Idee, dass Raal vielleicht auch nur deshalb auf ihren eigenartigen Theorien beharrte, weil es ihr erster selbständiger Auftrag als Xenobiologe war, und sie vielleicht ihre Unsicherheit durch Sturheit ersetzte.

Oder dass sie verrückt geworden war.

Oder er selbst.

Nein, all dies war Unsinn!

Nicht Raal war krank im Geist und auch er selbst nicht.

Die Situation war von Anfang an irgendwie ganz anders gewesen, als es er selbst oder auch nur irgendein anderer Angehöriger seiner alten Rasse es kannte.

*

Abenteurer

Dass diese Werbeleute aber auch immer so übertreiben mussten!

Dabei hatte er doch wirklich schon einiges an Erfahrungen gesammelt. Nicht nur die offiziell zugegebenen sechs TempoReisen (mehr wäre in der Personalakte wirklich auffällig gewesen) sondern auch noch die zusätzlichen drei illegalen Reisen hatten ihre Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen.

Die Gesellschaft war sensibel genug um in seinem Gesicht die Züge eines Abenteurers zu entdecken.

Wobei er zugeben musste, dass die letzte illegale Reise nach Argon in die prä Komfortella Epoche zu Recht illegal gewesen war.

Und jetzt dies. Er blickte das Holo aufmerksam an, versuchte zwischen den Zeilen zu lesen und die Abbildung nach irgendwelchen Unregelmäßigkeiten zu untersuchen, aber er konnte nichts wirklich Auffälliges erkennen.

Was konnte also dann die Schlagzeile anderes bedeuten, als pure Effekthascherei und Sensationsgier?

„Machen Sie eine Erfahrung, die Ihr Leben verändern wird! Nach unserer TempoReise werden Sie die Umwelt nie wieder so betrachten wie vorher!“

Das konnte doch gar nicht stimmen!

Sicherlich, die Erfahrungen, die er in anderen Zeitaltern und in anderen Kulturen gesammelt hatte, hatten seinen Blick auf die Dinge des Lebens verändert.

Dazu waren TempoReisen ja schließlich auch erfunden worden!

Andrerseits: Die Gesellschaft war entweder völlig der Paranoia verfallen, oder sie hatten die langwierigen Untersuchungen und physischen sowie psychischen Vorbereitungen (Sogar einige Sitzungen mit posthypnotischen Befehlen waren dabei!) als Marketinggag vorgeschrieben.

Dennoch: Irgendetwas haftete diesem Holo an. Er hatte da einen untrüglichen Instinkt und natürlich auch bereits seine Erfahrungen.

kalt

 

 

 

Folgendes ist natürlich auch völlig frei erfunden und ...