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AUTOR

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DANIEL
KILLY

geboren 1962, ist Journalist, Autor und Medienberater mit langjähriger Erfahrung in unterschiedlichsten Führungspositionen in deutschen Verlagshäusern. Aber vor allem ist er mit Leib und Seele Football-Reporter. Und mit (bisher) 18 Super Bowls als Reporter vor Ort auf dem Buckel einer von Europas profiliertesten Kennern der Footballszene. Er berichtete u. a. für BILD, Frankfurter Rundschau, Handelsblatt und SPIEGEL ONLINE über das größte Einzel-Sportereignis der Welt.

DANIEL KILLY

AMERICAN
FOOTBALL

NFL 2017

STARS • STADIEN • SUPER BOWL

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen: info@rivaverlag.de

2. Auflage 2017

Copyright @ 2016 by riva Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86, D-80636 München

Tel.: 089 651285-0 / Fax.: 089 652096

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Projektkoordination/Realisation:

Spobucom, München

Autor:

Daniel Killy, Hamburg

Redaktion/Statistik:

Axel Wronowski, Zarpen

Fotos:

Getty Images

Grafik/Layout:

Véronique de Céa, Berlin

Druck und Bindung:

Firmengruppe APPL, aprinta Druck, Wemding

eBook by:

ePubMATIC.com

Dank an:

Axel Wronowski, Super-Bowl-Kompagnon und unbestechlicher Kritiker.

Danke, Babak Milani. Und natürlich ein Dank an Ira, die all meine Sport-Eskapaden erträgt.

Ohne sie alle wäre dieses Buch nie zustande gekommen.

ISBN:

978–3–74230–027–0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi):

978–3–95971–393–1

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.riva-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter

www.muenchner-verlagsgruppe.de

INHALT

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DIE NFL: SPEKTAKEL, SHOW UND BIG BUSINESS

SPEKTAKEL

SUPER BOWL

OWNER

STADIEN

TEAMS

BUFFALO BILLS

MIAMI DOLPHINS

NEW ENGLAND PATRIOTS

NEW YORK JETS

BALTIMORE RAVENS

CINCINNATI BENGALS

CLEVELAND BROWNS

PITTSBURGH STEELERS

HOUSTON TEXANS

INDIANAPOLIS COLTS

JACKSONVILLE JAGUARS

TENNESSEE TITANS

DENVER BRONCOS

KANSAS CITY CHIEFS

OAKLAND RAIDERS

SAN DIEGO CHARGERS

DALLAS COWBOYS

NEW YORK GIANTS

PHILADELPHIA EAGLES

WASHINGTON REDSKINS

CHICAGO BEARS

DETROIT LIONS

GREEN BAY PACKERS

MINNESOTA VIKINGS

ATLANTA FALCONS

CAROLINA PANTHERS

NEW ORLEANS SAINTS

TAMPA BAY BUCCANEERS

ARIZONA CARDINALS

LOS ANGELES RAMS

SAN FRANCISCO 49ERS

SEATTLE SEAHAWKS

STARS

VON MILLER, CAM NEWTON, LUKE KUECHLY

TOM BRADY, ROB GRONKOWSKI

LARRY FITZGERALD, RUSSELL WILSON, AARON RODGERS, ADRIAN PETERSON

J.J. WATT, ADAM VINATIERI

ELI MANNING, ODELL BECKHAM JR.

ANHANG

REKORDE

FOOTBALL-ABC

SUPER BOWL

HALL OF FAME/HALL OF SHAME

IMPRESSUM

 

Liebe Leser,

»We didn’t lose the game; we just ran out of time.« Wir haben das Spiel nicht verloren, wir hatten nur zu wenig Zeit.

Das ist einer der vielen berühmten Sätze des noch berühmteren Vince Lombardi (1913–1970), dem legendären Trainer der Green Bay Packers und Namensgeber jener Trophäe, um die sich jedes Jahr die besten Football-Spieler der Welt streiten. Lombardi hat in vielen Aussagen definiert und hinterlegt, woraus Football besteht: Teamgeist, eiserner Wille, Aufstehen, wenn man hingefallen ist, weitermachen, auch wenn’s aussichtslos scheint. Alles Attribute, die man auch auf die Vereinigten Staaten anwenden kann. Und wer jemals ein NFL-Spiel in den USA im Stadion gesehen hat, der hat es erlebt und gespürt – Football ist das amerikanische Spiel schlechthin.

Ich hatte seit 1998 bisher 18 Mal das Glück, nicht nur bei einem Spiel, sondern bei dem Spiel der Spiele vor Ort dabei zu sein, beim Super Bowl. Und von dieser Faszination und Spannung, aber auch von der Komplexität des American Football möchte ich Ihnen mit diesem Buch so viel wie möglich mitgeben, damit Sie – ob Anfänger oder Football-Fan – noch begeisterter sind von diesem faszinierenden Sport.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

DANIEL KILLY

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DAS EI DES KOLUMBUS. Alles dreht sich um diesen 400 Gramm schweren Ball aus körnigem, braunen Leder. Die amerikanische Profiliga NFL funktioniert nach strengen Regeln ohne Auf- und Abstieg. Und mit anderen Richtlinien, als sie in Europa üblich sind.

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FASZINATION FOOTBALL. Das Spiel mit dem Ei fasziniert die Massen, wie hier in Seattle. 13 Millionen Zuschauer kamen in der vergangenen Saison, 67.422 Besucher pro Spiel.

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ACTION. Rob Gronkowski von den New England Patriots hebt ab. Chad Greenway (Nr. 52) und Robert Blanton (Nr. 36) von den Minnesota Vikings versuchen zu tackeln. Solche spektakulären Szenen sind es, die die Fans faszinieren.

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DER EISMANN. Gespielt wird sommers wie winters. Und da kommt es schon mal vor, dass die Temperaturen auf empfindliche Minusgrade stürzen. Besonders im Lambeau Field, der Heimat der Green Bay Packers, ist Eiszeit angesagt – Eiszapfen inbegriffen.

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LUSTVOLLE ANIMATION. Fünf Beine fliegen Richtung Himmel. Die Cheerleader von den Carolina Panthers stimmen ihr Publikum ein auf die Partie gegen die Chicago Bears. Die weibliche Show ist fester Bestandteil des harten Männersports.

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ZIEL SUPER BOWL. Jonathan Stewart (Nr. 28) von den Carolina Panthers gelang im Super Bowl 2016 dieser Touchdown gegen die Denver Broncos. Wer schafft es diesmal in das große Finale?

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SPEKTAKEL, SHOW UND BIG BUSINESS

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THE SHOW IS GOING ON. Das Spektakel kann beginnen – wie hier bei den Tampa Bay Buccaneers gegen die Jacksonville Jaguars im Raymond James Stadium.

Das jährliche Endspiel der NFL ist das größte Einzel-Sportereignis der Welt, mit TV- und sonstigen Rekorden. Aber auch der NFL-Ligaalltag ist schon spektakulär genug. 17,26 Millionen Besucher gingen zu den 256 Spielen der regulären Saison 2015 ins Stadion, das ist ein Schnitt von 67.422 Zuschauern – pro Spiel! Was macht sie aus, diese Liebe zum Football? Was ist die Faszination, die 2015 einen Umsatz von 13 Milliarden Dollar machte? Wie funktioniert das System NFL? Ein Erklärungsversuch.

Faszination Überraschung. Mit dem Spiel des Champions Denver Broncos gegen Super-Bowl-Gegner Carolina Panthers startet die NFL in die neue Saison, ihre 97. Die Vorfreude ist groß, wie jedes Jahr. Aber dieses Jahr ist sie noch ein wenig größer in Deutschland. Denn mindestens zwei Duelle pro Spieltag gibt es live im Free-TV zu sehen (SAT.1, ProSiebenMAXX) – und in Crailsheim sowie Schwäbisch Hall drücken alle einem 22-jährigen Maschinenbaustudenten aus Aalen die Daumen. Wobei das mit dem Maschinenbau-Studium momentan nachrangig ist …

Denn Moritz Böhringer oder MoBo, wie die Amerikaner ihn schnell getauft haben, ist der erste Europäer, der direkt von seinem Heimat-Team, in diesem Fall den Schwäbisch Hall Unicorns aus der deutschen Meisterliga GFL, gedraftet wurde. Zudem ist der 1,95 Meter große und 100 Kilo schwere Receiver der erste, der es auf einer »Skill«-Position, also auf einer besonders wertvollen Spielposition, in die Drafts geschafft hat.

Anfang Juli hat Böhringer zu Hause noch einmal Kraft getankt für das entscheidende Trainingslager in Mankato, Minnesota, wo er seit Ende Juli versuchte, einen Platz im 53-Mann-Kader der Minnesota Vikings zu ergattern.

Böhringer macht kein Aufhebens um seine Person, und den Trubel, den Journalisten in Deutschland und den USA um ihn machen, der erst vor fünf Jahren mit dem Football begonnen hat – den Spitznamen »German Wunderkind«, den mag er erst recht nicht. Er ist Realist und akribischer Arbeiter. Auf die Frage, wie er denn seine Chancen einschätze, sich dann auch in der NFL durchzusetzen, antwortete Böhringer: »Ich werde alles versuchen. Aber wenn es nicht reicht, reicht es nicht.« Diese Einstellung wiederholte er zwar penetrant, aber das Selbstbewusstsein stieg von Monat zu Monat: »Von dem, was ich bis jetzt gezeigt habe, würde ich sagen, dass ich hierhergehöre«, so Böhringer gegenüber der Presseagentur dpa nach den ersten Trainingseinheiten. Und per offiziellem NFL-Tweet antwortete Böhringer auf die Frage nach seinem besten Spielzug: »Mein bester Spielzug? In Deutschland war das, Leute in Grund und Boden zu rennen.«

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EINLAUF DER STARS. Alles ist geplant, alles ist inszeniert. Hier laufen die 49ers durch den Spielertunnel im Londoner Wembley Stadion. Da spielten sie 2010 gegen die Denver Broncos.

Faszination Vorfreude. Der Draft, dieses US-eigene System, in dem (fast ausschließlich) College-Spieler von den NFL-Teams ausgewählt werden, war schon ein Riesenerfolg für MoBo. Und sollte er es nur in die Practice Squad schaffen, das Trainingsteam, das zwar nicht mitspielt, aber gecoacht wird, wäre das auch ein Erfolg – und wir könnten uns vielleicht auf Böhringer 2017 freuen. Denn Tausende versuchen jedes Jahr überhaupt erst in die Drafts zu kommen, dieses Nachwuchsvermittlungs-System, das in erster Linie dazu dienen soll, die Liga ausgeglichen und fair zu gestalten. Der Draft findet immer im Frühjahr statt, NFL ist also eigentlich das ganze Jahr über. Es gibt etliche Zusatzregeln und Vorgaben, doch das Prinzip ist relativ einfach: Das schlechteste Team der Vorsaison hat die erste Wahl, und damit meist auch die Chance, den besten Spieler zu verpflichten. Der Super-Bowl-Champion hat die Nummer 32, ist also als Letzter dran. Wenn die 32 Draftplätze vergeben sind, beginnt die nächste Runde. Insgesamt gibt es sieben Durchgänge. In der ersten Runde haben die Teams zehn Minuten Zeit, sich für einen Spieler zu entscheiden. Überziehen sie diese Zeit, erlischt ihr Anspruch und das nächste Team hätte dann den Zugriff auf das Supertalent. Hat sich auch der Super-Bowl-Champion als 32. der ersten Runde entschieden, dann geht es von vorn los. Ab Runde zwei sind es nur noch sieben Minuten, in den Runden drei bis sieben verbleiben noch fünf Minuten zur Spielerwahl. Der Draft dauert insgesamt drei Tage, und der Veranstaltungsort wird Jahr für Jahr vergeben – denn die Spielerauswahl ist auch ein riesiges Publikumsspektakel, vor Ort wie im Fernsehen.

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DAS DRAFT-SPEKTAKEL. Im April wurde Chicago zur NFL-Hauptstadt. Im Roosevelt Auditorium fand der Draft 2016 statt.

2016 gab es 253 Picks, wie die einzelne Auswahl eines Spielers heißt. 224 waren durch die Reihenfolge der Platzierung aus der Vorsaison definiert. Der Rest, 29, waren sogenannte Compensatory Picks, praktisch Überhangmandate für den Kader eines Teams. Mit den Compensatory Picks sollen Leistungsverluste im Team kompensiert werden, die durch den Weggang von Spielern entstanden, deren Verträge ausgelaufen waren. Diese »Free Agents«, Spieler die innerhalb des Transferfensters auf dem Markt sind, sind die zweite Option, seine Mannschaft zu verstärken. Die dritte sind die sogenannten Trades. Da wird getauscht, was das Zeug hält. Spieler gegen Spieler, Spieler gegen eine Draft-Pick-Position, Spieler gegen mehrere Positionen, gern auch für mehrere Jahre – das System der Trades ist dynamisch wie die Frankfurter Börse und fast so spannend wie ein Spiel selbst. Ein ganz gutes Bild von der Komplexität und Spannung des Draft-Systems, das es seit 1936 gibt, vermittelt der Film »Draft Day« (2014) mit Jennifer Garner und Kevin Costner in den Hauptrollen. Der Trade der Draft-Picks ist Profi-Pokern um Top-Talente zu günstigen Preisen. Denn je nach Runde verlieren auch die Verträge an Wert. Wer also zockt und vordere Plätze gegen hintere eintauscht, kann manchmal der wahre Gewinner des Drafts sein. Moritz Böhringer war übrigens Pick Nummer 180 in der sechsten Runde. Dass MoBo von seinem Lieblingsteam gedraftet wurde, in dem Adrian Peterson spielt – der Mann, dessentwegen Böhringer mit Football begann, weil er auf YouTube ein Video von Peterson gesehen hatte – das ist nur eines der vielen Märchen, die der Draft Day, genauer die Draft Days von Donnerstag bis Sonnabend, Jahr für Jahr schreiben.

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DER CHEF DER LIGA. Commissioner Roger Goodell wird in seinem Job mit 34 Millionen Dollar entlohnt – pro Jahr.

Faszination Lernen. Eigentlich ist es ganz einfach. Das Ovale muss ins Eckige, zumindest bei Fieldgoals und Extrapoints. Ansonsten ist das Football-Ei ja eher ein Handball. Und wenn er gefangen oder getragen wird, dann muss er in die sogenannte Endzone. Also dahin, wo auch die Goalposts, die Stangen stehen, durch die gekickt wird. So einfach, so schwierig. Denn der Weg dorthin ist komplex und für Zuschauer, die nicht so vertraut sind mit dem Spiel, auf den ersten Blick auch langweilig. Gut drei Stunden dauert so ein NFL-Spiel, und alle paar Sekunden stehen die da nur in großen Haufen rum und reden. Ja, die Calls, jene kodierten strategischen Absprachen, die der Quarterback seinen Mitspielern vor dem Spielzug zuruft, damit die sie dann umsetzen, sind hoch komplexe Systeme. Nur bekommt man die Bedeutung jener Szenen vor dem Spielzug als noch nicht so erfahrener Zuschauer gar nicht mit. Und die ungeheure physische Dynamik des Spiels führt dazu, dass die Momente der Bewegungslosigkeit dann schnell mal als langweilig empfunden werden können. Doch Football, und diese Erkenntnis ist in Jahrzehnten gereift – Football ist wie ein Schachspiel mit Rüstung. Keine andere Ballsportart ist dermaßen komplex. Das 2016er Regelwerk nennt allein 36 unterschiedliche Schiedsrichtersignale, die diese mit Gesten anzeigen. Zum Glück werden die Schiedsrichterentscheidungen aber von den Referees live kommentiert, sodass im Stadion oder vor dem TV immer ein pädagogischer Effekt erzielt wird. Jahr für Jahr werden die Regeln angepasst, auch an technische Realitäten. Hier zwei Änderungsbeispiele aus dem Regelwerk für die kommende Saison, ein Beispiel für die Komplexität, eines für den Pragmatismus, mit dem Regeln dem aktuellen Umgang mit Hilfstechnik angepasst werden. Regeln 4-5-1 und 4-6-5: »Wird ein Team-Timeout irrtümlich gewährt, so gilt dies als Foul wegen Spielverzögerung.« Und die neue Regel 5-3-3: »Gestattet den Spielzug-Ansagern in Offensive und Defensive, Trainer-Spieler-Kommunikationssysteme zu nutzen, unabhängig davon, ob sie (die Trainer) auf dem Platz oder in der Trainerkabine sind.« Jährlich werden die Regeln entsprechend angepasst, nicht nur die Spieler, Coaches und »Zebras«, die Schiedsrichter, lernen also fortwährend Neues, sondern auch die Fans. Lebenslanges Lernen ist die Devise beim Football, wie beim Schach.

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TAILGATING IN NEW YORK. Hier bereiten sich die Giants-Fans auf ein Spiel gegen die Carolina Panthers vor, mit einer Grillparty auf dem Stadionparkplatz.

Faszination Spektakel. Die NFL ist die reichste Liga der Welt, und das Spektakel NFL-Spiel ist nur noch durch den Super Bowl zu toppen. Gern wird den Amerikanern ja vorgehalten, sie seien im Vergleich zu Europa geschichtslos. Was die Tradition der Liga angeht, so kann sie sich aber durchaus mit Fußball-Urnationen wie England oder Deutschland messen. 96 Jahre, davon 94 Jahre unter demselben Liga-Namen: das ist Tradition. Und vor allem ist es Spektakel. Cheerleader, jedes Mal volle Hütte, Fanfreude ohne Aggressivität – schon Stunden vor Spielbeginn auf dem Parkplatz, beim sogenannten Tailgating, einer Art Minicamping auf oder vor der geöffneten Hecklappe (Tailgate) des Autos, mit Grill, Musik und ganz viel Bier und das auch bei 15 Grad minus im Winter – all das macht das Spektakel NFL aus. Und dann natürlich das spektakuläre Spiel, das Aufeinandertreffen der Stars wie Tom Brady, Richard Sherman, Von Miller et cetera pp. Die Liga liefert jedes Jahr wieder etwas ganz Neues, Unvorhersehbares, was vor allem am Draft-System liegt. Was letztes Jahr noch Eintracht Frankfurt war, kann diese Saison schon Bayern München sein. Freuen wir uns also auf ein erneutes Spektakel!

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ACTION PUR. Donald Washington und Jovan Belcher von den Kansas City Chiefs tackeln Owen Daniels von den Houston Texans. Szenen wie sie jeden Spieltag passieren und faszinieren.

Faszination Zwielicht. »Die NFL ist eine Sekte. Dein ganzes Leben lang hast du auf dieses Logo gestarrt, an die Liga geglaubt und gedacht, ›die würden dir nie was tun.‹ Um dann rauszufinden: ›Oh, vielleicht tun sie mir doch was‹.« Das sagte der ehemalige Defensive End und Linebacker Terry Crews im Mai 2014 im Zuge einer Klage von 600 Spielern, die der Liga vorwarfen, ihnen ohne weitere Informationen Schmerzmittel und andere Medikamente zur Schmerzunterdrückung und Leistungssteigerung verabreicht zu haben. Jeremy Newberry, ehemaliger Center der San Francisco 49ers ergänzte gegenüber der Agentur AP: »Es wirkt wie verrückt. Das tut es wirklich.« Die Aussage von der Sekte; sie ist gewiss bösartig – doch, wenn man manche der stets in schwarze Anzüge gekleideten Mitarbeiter und deren geradezu militärisch anmutenden, hierarchischen Strukturen sowie den Umgang mit Kritik beobachtet und erlebt, so könnte man manchmal doch die eine oder andere Assoziation in Richtung Sekte hegen. Was aber gewiss eine zulässige und unpolemische Umschreibung der Verhältnisse ist, das ist der Begriff vom Staat im Staate. 13 Milliarden Umsatz – das sind zwei Milliarden mehr als das Bruttoinlandsprodukt der Mongolei – ein Commissioner, der im vergangenen Jahr 34 Millionen Dollar verdiente, 86 Mal soviel wie US-Präsident Obama im gleichen Zeitraum, und auch ungefähr 86 mal unnahbarer ist als Obama, eine Medien- und Fernsehmacht (mit eigenem Kanal), bei der so mancher Potentat eines kleineren Staates vor Neid platzen würde: All das hat etwas von einem Staat im Staate.

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EIN ZEICHEN DER TRADITION. Das Logo der 49ers aus dem Jahr 1957 …

Eigentümer und Mitarbeiter der NFL haben übrigens allein in dieser Legislaturperiode mehr als 4,3 Millionen Dollar an Parteienspenden gegeben, davon Dreiviertel an die Republikaner. Die NFL ist konservativ, vielleicht auch, weil sie im Wortsinn so viele Werte zu bewahren hat. Auch das gefällt nicht jedem in den USA. So schrieb Al Saracevic, Kolumnist des San Francisco Chronicle zum Gastspiel der NFL in seiner Stadt mit Super Bowl 50: »Dass der Super Bowl uns mag, ist deutlich geworden. Aber mögen wir ihn? Die Antwort ist Nein. Weder braucht San Francisco die NFL, noch passen die progressiven und innovativen Werte der Stadt zur konservativen Führung der Liga. Unsere Restaurants sind jeden Abend ausgebucht, ob mit oder ohne Super Bowl. Die einfallsreichen Denker der Bay würden die Probleme rund um die Hirnverletzungen im Football lösen und nicht ignorieren. Zusammengefasst: Diese Stadt ist demokratisch, die Liga ist republikanisch.«

Diese harsche Kritik ist vor allem ein Resultat der Intransparenz der NFL und ihrer Führung, die zum Beispiel Jahrzehnte lang die Spätfolgen der Gehirnerschütterungen und anderer neurologischer Verletzungen durch den häufigen Aufprall des Kopfes auf Gegner und durch Stürze während des Spiels ignorierte. Mittlerweile hat sich die Attitüde gewandelt; Dank mutiger Spieler, der Spielergewerkschaft »National Football League Players Association« (NFLPA) und wohl nicht ganz zufällig dadurch, dass Hollywood mit dem Film »Concussion« (»Erschütternde Wahrheit«) das Thema auch jenseits des Sports populär machte. Prinzipiell wird aber immer nur das an Verfehlungen eingestanden, was Anwälte der Gegenseite, der Spielergewerkschaft oder Beweisaufnahmen in Prozessen bewiesen haben. Commissioner Roger Goodell, dessen Auftreten und das seiner Entourage meist gänzlich entrückt und selbstherrlich daherkommt, und der im Unterschied zu seinem charismatischen Vorgänger Paul Tagliabue auch recht unbeliebt ist, lernt am besten durch Gerichtsurteile. Das wird wohl auch in der Sache mit den Medikamenten so sein. Denn der Fall, der durch eine Einigung zwischen der NFL und der NFLPA im Dezember 2014 eingestellt worden war, wird neu aufgerollt. Das entschied Richter William Asup, derselbe, der das Verfahren seinerzeit eingestellt hatte, am 1. Juli 2016. Arbeitsrechtliche Einigungen würden einer Gruppenklage vor einem Bundesbezirksgericht nicht widersprechen. Auch diese Seiten der NFL faszinieren, genauso wie die Tatsache, dass in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich jede Woche ein NFL-Profi festgenommen wurde … das sind zwischen August 2010 und August 2015 insgesamt 260 Festnahmen, wie der US-Journalist Mike Rosenberg analysierte. Spitzenreiter in der Handschellenstatistik sind übrigens die Minnesota Vikings mit 18 Festnahmen vor den Denver Broncos (16) und Indianapolis Colts sowie Tampa Bay Buccaneers (je 13). Dass derlei erschütternde Zahlen natürlich auch mit der Tatsache zu tun haben, dass häufig junge Spieler aus schlechten Verhältnissen plötzlich zu unfassbar viel Geld kommen, ist klar. Zum Glück gibt es da mittlerweile Sozialprogramme der Vereine und auch der NFL, die genau das verhindern sollen. Es wäre wirklich zu schön, wenn die Liga künftig nur noch für sportliche Schlagzeilen sorgte.

Faszination Business. 13 Milliarden Dollar Umsatz im vergangenen Jahr, davon allein fast fünf Milliarden durch Fernsehgelder. Hier spielt Roger Goodell (geboren am 19. Januar 1957) sein kaufmännisches Geschick aus. Der Mann, der seine NFL-Karriere nach einem VWL-Studium 1982 mit einem Praktikum am NFL-Sitz an der Park Avenue in New York begann, hat damit schon die Hälfte seiner Roadmap geschafft. 2010 hatte er angekündigt, bis 2027 den Umsatz der Liga auf 27 Milliarden Dollar zu steigern. Als er diese gewagte Ankündigung machte, betrug der Umsatz übrigens »nur« 8,5 Milliarden pro Jahr. Er ist also mit einer durchschnittlichen Steigerung der Umsätze um 750 Millionen per annum ziemlich genau im Plan. Ein Hauptelement der Umsatzsteigerung sind dabei die TV-Gelder. Der aktuelle Vertrag läuft 2022 aus – eine weitere massive Steigerung ist zu erwarten. Und der Markt für Streaming-Rechte im Internet explodiert gerade. Hinzu kommt Goodells internationale Expansion, die er, im Unterschied zu seinem Vorgänger Tagliabue, nicht durch eine eigene europäische Liga, sondern durch reguläre Ligaspiele in London (und dieses Jahr erstmals in Mexiko-Stadt) sowie perspektivisch auch in Deutschland vorantreibt. Der Erfolg gibt ihm Recht. Jedes London-Spiel ist innerhalb kürzester Zeit ausverkauft, die NFL International hat durch die vielen Fans in Großbritannien, Deutschland, Skandinavien, Mexiko, Japan und China einen großen Anteil am Merchandisingkuchen. Das wird die Eigentümer der Teams freuen; sind sie doch die wahren Bosse der NFL. Sie dulden das Gebaren der Ligafürsten, solange die den Gewinn der 32 Vereine (vielmehr 31, Green Bay darf ja keinen machen) mehren. Insofern ist’s dann doch nicht allzu weit her mit der Allmacht des Commissioners.

Faszination Spiel. Trotz all der Milliarden und der Skandale – Football ist ein grandioses Spiel, und am grandiosesten wird der in der NFL gespielt. Das Jahr eins nach Peyton Manning, Marshawn Lynch, Calvin Johnson und anderen wird wieder neue Stars hervorbringen, wie es die Liga jedes Jahr getan hat. Da ist wieder diese Vorfreude, dieses Kribbeln, das Runterzählen der Wochen bis zum ersten Kickoff. Und dann ist da noch die einleuchtendste Erklärung der Faszination Football: Es muss Liebe sein!

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FASZINATION SPIEL. Defensive Back Brandon Boykin (Nr. 22) von den Philadelphia Eagles packt gegen Austin Pettis (Nr. 18) von den St. Louis Rams zu.

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DAS FEUERWERK. Wie hier in Glendale, Arizona beim Super Bowl XLIX gehört die Show dazu. Es zählt nur das Beste vom Besten.

 

DIE DOPPELTE SHOW

Super Bowl – das Abschlussspiel der Saison, Finale, Krönungsmesse, Riesenspektakel, zweiter Nationalfeiertag. Welches Wort man auch benutzt, um den Superlativ Super Bowl darzustellen: es ist entweder abgegriffen oder nicht treffend. Also passt vielleicht doch die etwas sperrige Formulierung »größtes Einzel-Sportereignis der Welt« am besten, denn das ist der Super Bowl ja. Ganz abgesehen von der Halftime-Show, die das jeweils größte Musikereignis des Jahres ist und all dem anderen Brimborium. Eine Bestandsaufnahme.

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ATTACKE. Cam Newton (Nr. 1), der Quarterback der Carolina Panthers, muss sich hier DeMarcus Ware (Nr. 94) und Malik Jackson (Nr. 97) von den Denver Broncos erwehren. Eine der packenden Szenen vom Super Bowl 2016.

Super Bowl, das ist ein Begriff, der tief in der amerikanischen Kultur verankert ist. Bob Schieffer, legendärer Journalist des Fernsehsenders CBS, formulierte es 2010 so: »In Wahrheit ist der Super Bowl schon seit langem mehr als ein Footballspiel. Er ist Teil unserer Kultur, wie der Truthahn zu Thanksgiving oder die Festbeleuchtung zu Weihnachten. Und er ist, wie auch diese Feiertage, jenseits ihrer eigentlichen Bedeutung, ein Faktor für unsere Wirtschaft. Selbst Menschen, die keinen Football mögen, schalten ein, um die Werbespots zu sehen. Derlei lässt sich nicht über viele Dinge sagen.« Dem ist wenig über die Bedeutung hinzuzufügen.

Außer einigen Zahlen: Mehr als 1,3 Milliarden Chicken Wings und 14 Milliarden Hamburger wurden am Super-Bowl-Weekend 2016 verzehrt, 1,2 Milliarden Liter Bier wurden getrunken, weswegen sich wohl auch sieben Millionen Amerikaner am Montag nach dem Super Bowl krankmeldeten. 11,1 Prozent aller Zuschauer kauften sich neue Teamshirts, was 20,9 Millionen Trikots bedeutet. 8,6 Millionen neue Fernseher wurden angeschafft. Für 85 Millionen Amerikaner war das Spiel das wichtigste Ereignis des Tages, 43,4 Millionen fanden die Super-Bowl-Werbespots wichtiger. Für 12,9 Prozent aller 18–24-Jährigen war es die Halbzeitshow. 111,9 Millionen Amerikaner sahen das Spiel live im Fernsehen, in der Spitze waren es mit Livestreaming 167 Millionen. Und in Deutschland machten bei SAT.1 rund 2,05 Millionen Zuschauer in der Spitze für Broncos gegen Panthers die Nacht zum Tage. Eine TV-Werbeeinheit von 30 Sekunden kostete bei Super Bowl 50 glatte fünf Millionen Dollar. Die wie kleine Kinofilme anmutenden Super-Bowl-Werbe-Clips sind schon lange ein absoluter Publikumsrenner – und somit wohl auch ihren Preis wert.

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HIPPIE-SHOW. In Santa Clara traten 2016 Coldplay, Beyoncé und Bruno Mars auf. Die Zuschauer halfen bei der Choreographie, die an den »Sommer der Liebe« 1967 erinnerte, kräftig mit.

Soweit das Zahlenspiel. Aber dann ist da ja noch das Ereignis. Bisher 50mal seit Einführung des Super Bowl hat die NFL ihren Titelträger, der in den USA auch gern gleich als World Champion deklariert wird, was er eingedenk mangelnder Konkurrenz ja auch durchaus ist, durch ein Endspiel gekürt. CBS, die User von nfl.com und Sports Illustrated (SI) kürten Nummer XLII von 2008 zur Nummer eins. Wahrscheinlich wegen des Underdog-Favoriten-Faktors. Ein Jahr, nachdem sein Bruder Peyton den Titel geholt hatte, gewann Eli Manning am 3. Februar in Glendale, Arizona mit 17:14. Glendale. Der haushohe Favorit New England Patriots ließ sich in letzter Minute den schon sicher geglaubten Sieg über die New York Giants aus der Hand nehmen. Die Patriots hatten wie San Francisco (im Jahr 1984) und Chicago (1985) mit 18 die meisten Saisonspiele in der Geschichte der National Football League (NFL) gewonnen, aber eben nicht das entscheidende.

»Offense Wins Games, Defense Wins Championships.« Die alte Football-Stanze hat sich kaum jemals so bestätigt wie im »University of Phoenix Stadium«. New Englands Quarterback Tom Brady und seine ungeschlagene Abteilung Attacke waren mit ganz breiter Brust ins Spiel der Spiele gegangen. Die Siegesparade zu Hause in Boston war bereits geplant.

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DAS OBJEKT DER BEGIERDE. Peyton Manning von den Denver Broncos erhält 2016 die Vince Lombardi Trophy nach dem 24:10 gegen die Carolina Panthers.

Drei quälende Viertel lang fragten sich die Zuschauer allerdings, wo der Zauber der letzten Begegnung geblieben war. Am 29. Dezember 2007 hatten die Patriots die Giants in New York mit 38:35 niedergerungen – ein Offensiv-Feuerwerk sorgte für die makellose Bilanz von 16 Siegen an 16 Spieltagen. Am Sonntag war davon vor 71.101 Besuchern nichts zu sehen. Den meisten Dampf machte Alicia Keys mit ihrem Auftritt vor Spielbeginn. Drei Sekunden nach Beginn des zweiten Viertels konnte New England den ersten Touchdown (plus Extrapunkt) der Partie zum 7:3 landen, aber weder Tom Petty noch seine Heartbreakers konnten in der Halbzeit mit ihrem Geradeaus-Rock die Offensivgeister der Teams wecken. Die Monotonie steckte offensichtlich auch den Hauptschiedsrichter an, der versehentlich das Ende des ersten statt des dritten Quarters vermeldete. Den Überblick behielt hingegen New Yorks Abwehr, die Tom Brady und seine Offensivspieler nie zur Entfaltung kommen ließ. Gleich fünfmal wurde der Star-Quarterback gesackt. Zudem wurde Eli Manning, Spielmacher der New Yorker, immer stärker. Zunächst brachte er sein Team mit einem 45-Yard-Pass an die Endzone der Patriots, knapp vier Minuten später warf er einen Pass auf Wide Receiver David Tyree. Der machte mit dem 7:10 seinen ersten Touchdown der Saison. Erst gut zwei Minuten vor Schluss gelang Tom Brady ein Pass auf Randy Moss. Der machte seinen Touchdown, der Extrapunkt zum 14:10 war auch gut, die Patriots schienen wieder einmal mit Routine ihre zeitweiligen Unzulänglichkeiten überspielt zu haben – schienen. Denn in der Wüste von Arizona war Sand im Getriebe der Patriots. Ohne Moss nix los. Der Motor der Giants lief hingegen jetzt rund, Eli Manning spielte sich endgültig aus dem Schatten seines Bruders Peyton. Mit spektakulären Aktionen brachte er sein Team zurück ins Spiel und 35 Sekunden vor Schluss per Pass auf Plaxico Burress auf die Siegerstraße – Touchdown!

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DER SIEGERRING. Nahaufnahme der Auszeichnung, die sich jeder Football-Spieler wünscht. Hier der Ring der Broncos.

Ausgerechnet Burress war es, der Brady und Co. den K.o. verpasste. Die halbe Woche hatte er mit seiner kecken Prognose für Aufregung gesorgt, man werde die Patriots mit 23:17 schlagen. Darauf hatte Brady leicht pikiert gefragt, warum Burress denn die beste Offense der Liga so klein rede. Am Ende reichte es nicht einmal für 17 Punkte …

Die Halftime-Show übrigens wurde von Tom Petty bestritten. Wobei Show nicht ganz das richtige Wort war. Er tat das, wofür ihn seine Fans lieben. Er spielte seine Hits wie »American Girl« oder »I Won’t Back Down«.

Ein anderer Super Bowl, der von SI auf Platz fünf der Bestenliste gesetzt wurde, war Ausgabe XXXVIII in Houston, Texas am 1. Februar 2004. Das 29:32 der Carolina Panthers gegen die Patriots ging nicht nur aus sportlichen Gründen in die Geschichte ein.

Das Spiel jedenfalls war im ersten Quarter wesentlich von Nervosität und misslungenen Angriffsversuchen geprägt. Keiner der Protagonisten erreichte Normalform. Weder Carolinas Quarterback Jake Delhomme noch sein Gegenüber auf Seiten New Englands, Tom Brady, bekamen Game Plan und Nerven in den Griff.

Doch als gut drei Minuten vor Ende des zweiten Viertels Tom Brady kurz auf Wide Receiver Deion Branch passte, nahm das Spiel unerwartet an Fahrt auf. Denn auch Jake Delhomme ließ mit einer Antwort nicht lange auf sich warten und sorgte mit einem 39-Yard-Touchdown-Pass auf Steve Smith für den Ausgleich. Nur 51 Sekunden später lag wieder New England vorne. Erneut hatte Brady kurz gepasst, diesmal auf Wide Receiver David Givens und die Patriots hatten mit einem 14:7-Vorsprung schon die Pause vor Augen. Doch 23 Sekunden reichten den Panthers, um mit einem 50-Yards-Fieldgoal auf 10:14 zu verkürzen.

Kaum hatte das Publikum sich in der Halbzeit-Show von dem Wechselbad der Gefühle etwas erholt, geriet erneut etwas ins Rutschen. Diesmal jedoch das Top von Janet Jackson, an dem Weltstar Justin Timberlake beim gemeinsamen Auftritt etwas heftig gezupft hatte. Und, oh Schreck, mitten zur besten Sendezeit, beim heiligsten aller Events, blitzte ein wohlgeformter Busen hervor. Eine unglaubliche Bloßstellung nicht nur des ansehnlichen Körperteils, sondern der NFL. Was war genau passiert? Am Ende des Duetts von Janet Jackson und Justin Timberlake zu dessen Song »Rock Your Body«, während die Textzeile »I’m Gonna Have You Naked By The End Of This Song« (Du wirst am Ende dieses Liedes nackt sein) gesungen wurde, zog Timberlake an Jacksons Kostüm und enthüllte deren rechte Brust, die mit einem Nippel-Schild verziert war, um auf das Piercing in der Mitte hinzuweisen. CBS schaltete blitzartig auf eine Luftaufnahme des Stadions – aber zu spät. Die NFL gab noch während des Spiels folgendes Statement heraus: »Wir sind extrem verärgert über Teile der MTV-Halbzeit-Show.« Da fruchteten denn auch die eiligst herbeizitierten Reue-Bekundungen des Musiksenders und Justin Timberlakes nichts mehr (»Es tut mir außerordentlich leid, falls jemand von der Fehlfunktion der Garderobe in seinen Gefühlen verletzt wurde. Das war nicht beabsichtigt«). MTV stand ziemlich nackt da – und sollte nie wieder eine Halbzeitshow produzieren. Im Stadion übrigens bekam kaum jemand etwas von der Szene mit, sie war nur Sekundenbruchteile auf den Jumboscreens zu sehen.

Erst später, im Pressezentrum, Pressemitteilungen wurden noch ausgedruckt und man machte beim Warten darauf die Nacht zum Tage, fiel die Formulierung »Wardrobe Malfunction«, also Kostümpanne. Die Geschichte machte größere Schlagzeilen als das Spiel, das noch dramatisch werden sollte. Und seitdem senden die amerikanischen Fernsehsender immer leicht zeitversetzt vom Super Bowl – für den Fall, dass mal wieder ein blinkender Busen die westliche Werteordnung ins Wanken bringen sollte.

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HALFTIME-SHOW 2016. Beyoncé war der Stargast in Santa Clara.

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SHOW-TIME 2016. Lady Gaga durfte die Nationalhymne bei Super Bowl 50 in Santa Clara singen.

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HALFTIME-SHOW I. Michael Jackson 1993 in Pasadena.

Doch damit nicht genug. Kaum hatte sich der Jubel des Publikums über Janet Jacksons ausladenden Auftritt gelegt, raste ein Flitzer über das Spielfeld. Wie der Mann in den hermetisch abgeriegelten Innenraum kam, ist unklar. Mit seinem Auftritt machte der Flasher klar, wie verwundbar auch das höchstgerüstete Sicherheitssystem ist. David Tossell von der NFL sagte damals: »Wie schön, dass der Mann nur seine Kleider ablegen wollte. Er hätte ja auch ganz andere Dinge anrichten können.« Gut zwei Jahre nach 9/11 eine in der Tat unerklärliche Sicherheitspanne.