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Dr. Kelly Starrett

mit Juliet Starrett und Glen Cordoza

Sitzen

ist das neue

Rauchen

Das Trainingsprogramm, um Haltungsschäden vorzubeugen und unsere natürliche Mobilität zurückzugewinnen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

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Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften füe keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mti den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind. 

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen. 

4. Auflage 2021

© 2016 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2016 bei Victory Belt Publishing Inc. unter dem Titel Deskbound. Standing Up to a Sitting World.
© 2016 by Kelly Starrett, Juliet Starrett und Glen Cordoza. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Martina Walter

Satz: Carsten Klein für bookwise medienproduktion GmbH

Redaktion: Gerdi Killer, bookwise medienproduktion GmbH

Umschlaggestaltung: Tom Wiscombe


eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print: 978-3-86883-800-8

ISBN E-Book (PDF): 978-3-95971-076-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi): 978-3-95971-077-0

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Dieses Buch ist Direktorin Tracy Smith und ihren Kolleginnen und Kollegen sowie ihren Schülerinnen und Schülern gewidmet. Ihre Schule, die Vallecito Elementary School in San Rafael, Kalifornien, ist weltweit die erste, in der nur im Stehen gearbeitet wird.

Inhalt

Einleitung

Die Richtlinien von Sitzen ist das neue Rauchen

So ist dieses Buch aufgebaut

Kapitel 1 Die Folgen schlechter Körperhaltung

Runder Rücken: der Beugungsfehler

Hohlkreuzrücken: der Überstreckungsfehler

Schiefrücken: hochgezogene Hüfte oder Schulter

Kapitel 2 Die Prinzipien richtiger Körperhaltung: Wirbelsäule, Hüften und Schultern ausrichten und stabilisieren

Warum eine ausgerichtete, stabile Wirbelsäule wichtig ist

Die Wirbelsäule aktivieren

Durch Drehkraft Hüften und Schultern stabilisieren

Die Verankerungssequenz: die Wirbelsäule in Neutralstellung stabilisieren

Kapitel 3 Sich richtig bewegen: gehen, sich vorbeugen, in die Knie gehen, die Schultern stabilisieren

Gehen

Vorbeugen und in die Knie gehen

Schultern für 100 Jahre Lebenszeit

Kapitel 4 Der dynamische Arbeitsplatz

Richtlinien für Steharbeitsplätze

Der aktive Arbeitsplatz: eine bewegungsfördernde Arbeitsumgebung schaffen

Vom Sitzen zum Stehen: der sichere Übergang an den Steharbeitsplatz

Kapitel 5 Biomechanisch optimiertes Sitzen

Sitzen auf dem Boden (zwei Säulen)

Passives Sitzen (ohne Säulen)

Überlebensstrategien im Sitzen

Kapitel 6 Grundwartung für einen gesunden Körper

Ein systematischer Ansatz: Biomechanik, Lebensweise und Beweglichkeit

Schmerzen des Muskel- und Bewegungsapparats behandeln

Den Bewegungsumfang verbessern

Mobilisationsmethoden

Mobilisationszubehör

Grundregeln der Mobilisation

Kapitel 7 Die Mobilisationsrezepte

Individuelle Mobilisationspläne erstellen

Mobilisationsrezepte für alle Körperzonen

Rezept 1: Kopf, Kiefer, Hals

Rezept 2: oberer Rücken, Trapezmuskel, Schulterblatt

Rezept 3: vorderer Schulterbereich, Brust

Rezept 4: hinterer Schulterbereich, Latissimus

Rezept 5: unterer Rücken, Rumpf

Rezept 6: Ellbogen

Rezept 7: Unterarm, Handgelenk, Hand

Rezept 8: Gesäßmuskeln

Rezept 9: Hüfte

Rezept 10: Oberschenkel

Rezept 11: Knie

Rezept 12: Unterschenkel (Wade, Schienbein)

Rezept 13: Fuß, Sprunggelenk, Zehen

Rezept 14: Von-Kopf-bis-Fuß-Rezept für Sitzkrieger

Nachwort

Weiterführende Informationen

Verzeichnis der Quellen

Danksagung

Über die Autoren

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Die beiden Autoren und Gründer des San Francisco CrossFit Centers, Juliet und Dr. Kelly Starrett

Einleitung

»Sitzen ist das neue Rauchen«, diese Behauptung haben Sie sicherlich schon einmal gehört oder gelesen. Dies mag zwar nach einer maßlos übertriebenen Boulevardblatt-Schlagzeile klingen, doch steht der Autor dieser Behauptung, Dr. James Levine, nach wie vor zu seiner Aussage. Als Leiter des Obesity-Solutions-Projekts an der Mayo Clinic der Arizona State University, das Lösungen gegen Übergewicht erforscht, geht er sogar noch weiter. »Sitzen ist gefährlicher als Rauchen, tötet mehr Menschen als HIV und ist tückischer als Fallschirmspringen«, sagt er. Seine simple Schlussfolgerung: »Wir sitzen uns tot.«1

Levine ist nicht der einzige Schwarzmaler. Gestützt auf zahlreiche Forschungsarbeiten, behaupten er und eine rasant wachsende Zahl weiterer Experten, dass nur zwei Stunden Sitzen am Stück die Risiken für Herzerkrankungen, Diabetes, Metabolisches Syndrom, Krebs, Rücken- und Nackenschmerzen und andere orthopädische Probleme erhöht.2 Sitzen verkürzt das Leben genauso wie Rauchen.

Dazu zeigen heute viele Untersuchungen, dass sich die Folgen langfristigen Sitzens auch nicht durch Sport oder andere gesundheitsfördernde Gewohnheiten beseitigen lassen. Selbst wenn Sie gesund essen und regelmäßig eine Stunde am Tag trainieren, aber Ihre restlichen Wachstunden ganz oder größtenteils sitzend verbringen, schmälert oder annulliert dies die positiven Effekte Ihrer Fitnessbemühungen.3 Sie gelten nach wie vor als Vielsitzer.

Manche Experten behaupten sogar, dass Sitzen noch schädlicher als Rauchen sei. Laut einer 2008 in Australien durchgeführten Studie verringert bei über 25-Jährigen jede Fernsehstunde die Lebenserwartung um 21,8 Minuten.4 Das Rauchen einer Zigarette kostet im Vergleich elf Minuten.5 Dr. Levine bekräftigt, dass uns jede Sitzstunde zwei Lebensstunden kostet.6

Der sitzende Büromensch erleidet mehr muskuloskeletale Verletzungen als die Arbeiter aller anderen Industriebereiche, inklusive Baubranche, Metallverarbeitung und Transportwesen. Daraus schließt ein Forscher: Sitzen stellt das gleiche Gesundheitsrisiko am Arbeitsplatz dar wie das Heben schwerer Lasten.7

Seit 20 Jahren untersuchen Ärzte und Wissenschaftler die tödliche Wirkung von übermäßigem Sitzen. In jüngster Zeit ziehen auch die Medien gleich, indem sie das Problem als Krise der öffentlichen Gesundheit beschreiben, aufgrund der vielen Indizien, die den sitzenden Lebensstil mit einer Vielzahl negativer Gesundheitsauswirkungen verbinden. Die WHO stuft körperliche Inaktivität – zu viel Sitzen – heute weltweit als viertgrößte der vermeidbaren Todesursachen ein, mit geschätzten 3,2 Millionen Todesfällen jährlich.8 In nur 20 Jahren katapultierte sich Sitzen in der Liste der gesundheitsgefährdenden Faktoren weltweit ganz nach oben.

Sitzen und seine Folgen

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Was heißt das für uns – und wie lösen wir das Problem? Die Antwort ist einfach: Der Mensch ist dafür gebaut, sich zu bewegen, außer wenn er schläft. Von dieser wichtigen Tatsache hängen unsere Körperfunktionen ab. Unser Zentralnervensystem entwickelte sich dahingehend, Veränderungen um uns herum wahrzunehmen und uns durch die Umwelt zu bewegen. Seit fast 200 000 Jahren verbringt der Homo sapiens die meiste Zeit in Bewegung. Für sein Essen musste er jagen oder im Boden graben. Um sich fortzubewegen, musste er laufen. All diese lebenswichtigen körperlichen Aktivitäten mögen uns heute anstrengend erscheinen, doch formte dies sowohl das äußere wie das innere Design unseres Körpers. Der Mensch ist für Bewegung konstruiert, und umgekehrt erhält Bewegung ihn gesund – ein natürlicher Mechanismus, der uns überleben ließ.

Das Problem der Evolution ist, dass sie nicht vorausplant. Sie konnte die Erfindung des Stuhls nicht vorhersehen. Anfangs hatte dieses einfache, vierfüßige Möbel keine nennenswerte Gesundheitsauswirkung, sondern diente nur als Rastplatz nach einem harten Tag auf dem Feld oder in der Fabrik. Zeitraffer ins 21. Jahrhundert: In erstaunlich kurzer Zeit entwickelten die Bewohner der Industrienationen weltweit eine fast durchweg sitzende Lebensweise. Der Amerikaner von heute verbringt durchschnittlich 13 Stunden am Tag im Sitzen.9

Sobald die Schreibtisch-Stuhl-Kombination zum kulturellen Arbeitsplatzstandard geworden war, folgten andere sitzbasierte Innovationen. Telefone ermöglichten es Büroarbeitern, am Platz zu kommunizieren. Das Fernsehen verführte Menschen jeden Alters zu passiver Freizeitgestaltung. In den 1950er-Jahren, als Autos erschwinglich geworden waren und das Fernstraßennetz ausgebaut wurde, wuchsen die Vorstädte, die Pendlerkultur wurde eingeläutet. Dann kam der Computer, und unser Schicksal als sitzende Kreaturen war besiegelt.

Der erste Bericht des Leiters der obersten US-Gesundheitsbehörde, der den Zusammenhang zwischen körperlicher Inaktivität und Gesundheit darstellt, wurde 1996 veröffentlicht. Ähnlich dem 1964 veröffentlichten Bericht zum Thema »Tabak« beleuchtete er die breite Beweislage, die den sitzenden Lebensstil mit einer Vielzahl negativer Gesundheitsauswirkungen in Verbindung bringt.10

Das Problem am Sitzen ist, dass es so unschuldig und natürlich erscheint. Unsere Körper biegen sich mit Leichtigkeit in die sitzende Form, wie könnte es also schlecht sein? Wenn man in perfekter Körperhaltung 15 Minuten säße und sich die restlichen Wachstunden bewegen würde, wäre dieses kurze Sitzpensum natürlich nicht schädlich. Sitzen ist jedoch eher wie Kartoffelchipsessen – man tut es nur selten in Maßen.

Wenn wir über längere Zeit sitzen, schalten die Muskeln der unteren Körperzonen buchstäblich ab. Gleichzeitig nehmen wir automatisch Körperhaltungen ein, bei denen die Muskeln nicht aktiviert werden, die zum Stützen und Stabilisieren von Rumpf und Wirbelsäule wichtig sind. Das Ergebnis sind geschwächte Körperfunktionen, die viele orthopädische Probleme mit sich bringen, wie Funktionsstörungen im Rücken- und Halsbereich, Karpaltunnelsyndrom und Beckenbodendysfunktionen. Auf unseren weltweiten Lehr- und Beratungsveranstaltungen beginnen wir immer mit der Bitte, dass alle Teilnehmer im Raum, die keine Schmerzen haben, die Hand heben. Regelmäßig sind das nur fünf bis zehn Prozent – aus den verschiedensten Gruppen, wie Büroangestellte, Militärs, Profiathleten und sogar Kinder. 90 bis 95 Prozent dieser Personen haben also Schmerzen. Unserer Überzeugung nach ist zu viel Sitzen eine der Hauptursachen dafür.

Zu viel Sitzen kostet auch viel Geld. Laut einer amerikanischen Studie bezahlen US-Bürger durchschnittlich drei Viertel jedes Dollars in der Gesundheitspflege für chronische Erkrankungen wie Fettleibigkeit, Diabetes und Herzleiden, die mit Sitzen in Verbindung stehen.11 Acht von zehn Menschen haben im Lauf ihres Lebens Rückenschmerzen, die weltweit Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit sind.12 Allein in den USA werden jährlich fast eine Milliarde US-Dollar zur Behandlung von Rückenschmerzen13 und auf Arbeitgeberseite 20 Milliarden US-Dollar bei Karpaltunnelsyndromen14 aufgewendet, zuzüglich der indirekten Kosten für Arbeitszeitverluste und verringerte Produktivität. Diese Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs – angesichts der Ausgaben für unsere angeschlagenen sitzenden Körper.

Für viele Menschen klingt das wenig glaubwürdig, um nicht zu sagen übertrieben. Doch die Beweise dafür, dass zu viel Sitzen gefährlich ist, häufen sich. Wenn wir uns unsere Kindheitsgefühle besser ins Gedächtnis rufen könnten – Laufen, Springen und Krabbeln ohne Schmerz oder Einschränkung –, dann würden wir das, was wir heute als Erwachsene für »normal« erachten, mit mehr Skepsis sehen. Wir würden den Ursachen für unser Leiden vielleicht intensiver auf den Grund gehen.

Da in unserer sitzorientierten Welt der wahre Grund für Schmerz und Unwohlsein sehr schwer fassbar und die Schuldzuweisung nicht leicht ist, tun wir das aber nicht. Bei vielen unserer modernen Leiden ist unser hartnäckig sitzender Lebensstil die Ursache. Er schwächt den Körper und bereitet Schmerz und Erkrankungen den Boden. Es wird Zeit, dass wir uns endlich erheben und Maßnahmen gegen das weltweite Sitzen ergreifen.

Das Problem unter der Oberfläche

Schon früh in seiner physiotherapeutischen Karriere sowie als Kraft- und Konditionstrainer wusste Kelly, dass er als Beobachter auftreten musste, um in seiner Arbeit erfolgreich zu sein. Das Erste, was ihm auffiel, war, dass ungewöhnlich viele Menschen Schmerzen hatten. Überzeugt davon, dass unsere Gelenke mindestens 110 Jahre funktionieren und dass der Mensch im Ruhezustand schmerzfrei ist, verblüffte ihn die Tatsache, dass so viele Menschen bereits im Alter von 30 oder 40 Jahren schlimme Qualen litten.

Um diesem Problem auf den Grund zu gehen, mussten wir unseren modernen Lebensstil ganzheitlich analysieren, herausfinden, was dem Körper am meisten schadet, und eine einfache Methode entwickeln, um dies zu entschärfen. Die Eröffnung unseres Trainingszentrums 2005 gab uns die Chance, sehr viele Menschen zu beobachten. Wir arbeiten seither mit Teams der US-Football-, Basketball-, Baseball- und Hockeyverbände, mit Universitätsmannschaften, Martial-Arts-Kämpfern, Extremsportlern, Balletttänzern, Profiradsportlern, Olympioniken, Mitgliedern der US-Streitkräfte und Hollywood-Schauspielern, aber auch mit Breitensportlern, Büroarbeitern und Kindern. Dabei stehen die individuelle Person und deren spezifische Schmerzen immer im Vordergrund, doch entdeckten wir bald einen roten Faden: Selbst nachdem wir biomechanische Probleme und/oder Limitierungen im Bewegungsumfang korrigierten, hatten viele Klienten bei der Ausübung ihrer Sportart oder ihrer Arbeit weiter Probleme.

2007 coachten wir eine Universitäts-Footballmannschaft der Division 1. Wir sollten herausfinden, warum die Mannschaft immer noch alarmierend oft verletzt war und an Stärke verlor, obwohl der Fokus auf richtigem Training und Verletzungsvorbeugung lag. Die Athleten hatten vielfach Schmerzen im unteren Rücken und in den unteren Extremitäten, was die Trainer alarmierte. Wir werteten das Trainingskonzept aus und stellten fest, dass alles richtig gemacht wurde: Das Kraft- und Konditionstraining war ausgezeichnet, mit Fokus auf korrekter Körpermechanik und hundertprozentiger Beweglichkeit. Die Athleten waren motiviert und trainierten hart, sie wurden von hervorragenden, umsichtigen Trainern betreut. Intensivere Nachforschungen zeigten jedoch, dass die Athleten in ihrer Freizeit zwölf bis 14 Stunden am Tag saßen. Footballspieler einer College-Mannschaft auf dem Level Division 1 verbrachten also fast ihre gesamten Wachstunden im Sitzen, außer wenn sie gerade spielten oder trainierten! Sie saßen im Unterricht, bei Team-Meetings, in der Cafeteria, auf der Couch etc. Dieses führte zu zwei Problemen: Es ließ nur wenig Zeit für körperliche Aktivität, und die Sportler steckten den Großteil des Tages in schlechten Körperhaltungen fest.

Wir hatten das Problem unter der Oberfläche gefunden.

Wir nannten das Phänomen »harmlose Umweltbelastung«. Mit diesem Begriff beschreiben wir vordergründig harmlose Umweltaspekte, die als Stressfaktoren auf den Körper wirken und dessen Physiologie und Alltagsfunktionalität behindern können. Ein Beispiel dazu: Mit einem Neugeborenen im Haus schläft man meist nicht sehr gut – eine Umweltbelastung, die die Lebensqualität beeinträchtigt. Dieser Schlafmangel lässt sich leicht als Stressor identifizieren, da die Betroffenen Ringe unter den Augen haben und sich oft beschweren, dass »das Baby mich die ganze Nacht wachgehalten hat!«. Die Lösung ist einfach – mehr schlafen, und die Leistung steigt. So leicht lassen sich allerdings nicht alle Umweltbelastungen lokalisieren.

Je mehr wir uns mit dem Leben unserer Klienten außerhalb des Trainings beschäftigten, desto klarer zeigte sich bei denjenigen mit den größten Schwierigkeiten eine Gemeinsamkeit: Sie saßen enorm viel. Selbst nachdem ihre Körpermechanik korrigiert war, mussten wir immer wieder die gleichen, durch das Sitzen verursachten körperlichen Probleme behandeln – Hüftverhärtungen, Schmerzen im unteren Rücken und im Nackenbereich, Schulterprobleme usw. Wären sie Prototypen ungesund lebender Menschen gewesen, hätte das mehr Sinn ergeben, aber viele von ihnen waren gut trainierte Spitzensportler, die Tagesstress gut verarbeiteten, sich gesund ernährten und ausreichend schliefen. Ihre Körper hätten gut geschmierte Maschinen sein sollen, doch kamen sie mit der Sitzbelastung nicht zurecht.

Die Folgen des Sitzens wurden für uns noch deutlicher, als wir anfingen, mit US-Air-Force-Piloten zu arbeiten. Sie waren zwar alle hervorragend trainiert, körperlich aber in katastrophalem Zustand. Man stelle sich vor, was sie an einem typischen Tag aushalten müssen: hochstressige Situationen im Sitzen bei irrsinniger Druckbelastung managen. Dazu auf Überschall beschleunigen und schwere Helme tragen, in ergonomisch schlechter, gekrümmter Haltung sitzen, da der Sitz ihre Schultern nach vorn zwingt. Auch hier gab es all die mit längerem Sitzen verbundenen Probleme, die wir schon von unseren Studiomitgliedern kannten. Sie waren aber noch intensiver und stärker ausgeprägt: Bandscheibenvorfälle, Taubheitsgefühle und Kribbeln, chronische Rückenschmerzen. Wenn die Piloten aus ihren Flugzeugen krochen und versuchten, im Alltag zu funktionieren, hatten sie Schmerzen und waren zudem weniger beweglich und leistungsfähig.

Unser Körper kann selbst schweren Missbrauch aushalten, aber wie alles andere, hat auch er seine Grenzen. Unsere sitzzentrische Gesellschaft reizt diese Grenzen auf Schritt und Tritt aus. Und das zwingt uns, eine sehr wichtige Frage zu stellen …

Was ist hier falsch gelaufen?

Zunächst eine wunderbare Tatsache: Unser Körper passt sich an die Haltung an, in der er den Großteil des Tages verbringt. Wenn Sie nach vorn gekrümmt (Beugung) oder im Hohlkreuz (Überstreckung) sitzen, formen Bindegewebe und Gelenke eine Art Korsett um diese Stellung herum, das es später erschwert, in bessere Körperhaltungen zu wechseln.

Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass diese alltäglichen Körperhaltungen auch ihre alltäglichen Bewegungen beeinflussen und dass dies sich wiederum auf die Lebensqualität insgesamt auswirkt. Aber ab welchem Punkt im Leben schleichen sich Umweltbelastungen ein und beginnen, die Körpermechanik zu stören? Unserer Erfahrung nach zeigen sich erste Auswirkungen dieser Anpassung in den USA etwa ab dem ersten Schuljahr.

Im Rahmen der Recherche für sein Buch Ready to Run begann Kelly die Kinder an der Schule unserer Tochter beim Laufen zu beobachten. Zwischen dem sechsten und siebten Lebensjahr rannten alle Kinder wunderbar, wie kleine olympische Sprinter, egal, ob sie Schuhe trugen oder barfuß liefen. Körpermechanik und Technik waren gut und natürlich. Nach einem halben Jahr in der ersten Klasse stellte Kelly fest, dass ungefähr die Hälfte der Kinder nicht länger mit dem Fußballen, sondern mit der Ferse zuerst aufsetzte. Ganze 50 Prozent hatten sich also ein komplett neues Bewegungsmuster angewöhnt, das sich fundamental von dem unterschied, mit dem sie laufen gelernt hatten. (Achten Sie bei der nächsten Olympiade versuchsweise darauf, wie viele Läufer ihre Fersen wie Bremsen in den Boden hauen – Sie werden keinen sehen). Als Kelly das sah, fragte er sich sofort: »Was zum Teufel ist da letztes Jahr passiert?« Die Kinder hatten instinktiv gewusst, wie man läuft. Niemand hatte ihnen je erklärt, wie sie die Füße nach einem Sprung beim Landen aufsetzen mussten; das hatten sie natürlicherweise richtig gemacht. Irgendwann während der ersten Klasse begannen sie jedoch mit einer Technik zu laufen, die ihnen später Probleme machen würde, wie wir zweifelsfrei wissen. Was war also passiert?

Laut einer 2010 veröffentlichten Studie der American Cancer Society (Krebsforschungsgesellschaft), für die 123 216 Erwachsene 13 Jahre lang begleitet worden waren, starben Frauen, die täglich mehr als sechs Stunden saßen, mit 94 % höherer Wahrscheinlichkeit im Untersuchungszeitraum als Frauen, die weniger als drei Stunden pro Tag saßen. Bei den männlichen Vergleichsgruppen lag diese Wahrscheinlichkeit bei 48 %. Bemerkenswerterweise hatte Sport keinen Einfluss auf die Ergebnisse; Die negativen Folgen des Sitzens traten auch bei den Probanden auf, die regelmäßig trainierten.15

Wir stellten fest, dass die harmlose Umweltbelastung, die auf diese Schulkinder wirkte, das ganztägige Sitzen war. Die Vorschulstufe ist meist aktiver als die folgenden Schuljahre, d. h., die Kinder starten ihre Sitzkarriere erst mit der ersten Klasse. Die Folgen zeigen sich fast unmittelbar – ihre angeborene Bewegungs-Biomechanik hatte sich innerhalb kürzester Zeit in einen funktional fehlerhaften Fersenlauf gewandelt. Das neue Bewegungsmuster war die Anpassung an das, was sich weiter oben im Bindegewebe abspielte. Fersenlaufen ist in der Humanevolution nicht vorgesehen. Es erlaubt uns beispielsweise nicht, unsere elastischen Achillessehnen zu benutzen, und ist nur in Schuhen mit starker Fersendämpfung möglich. Wenn ein Soldat ein Bein verlöre und eine Prothese bekäme, müsste ihm natürliches Laufen erst wieder beigebracht werden, wenn er vorher Fersenläufer war. Warum? Weil trotz des unglaublichen Materialfortschritts noch keine Prothese die beim Fersenlauf wirkenden Lasten aufnehmen kann.

Mit der Ferse aufzusetzen ist problematisch, und wir Menschen sollten so nicht laufen. Oder fällt Ihnen eine Tierart ein, die beim Laufen zwischen unterschiedlichen Bewegungsmustern wählt? (Fortsetzung auf Seite 16)

Kinder und Sitzen

Nur 31 % aller kalifornischen Schüler bestanden 2011 in allen sechs Bereichen eines landesweiten Fitnesstests. Dies lag vermutlich auch an den Budgetkürzungen im Schulsport. In einer 2011 durchgeführten, von der kalifornischen Eltern-Lehrer-Vereinigung PTA veröffentlichten Umfrage berichteten 75 % der Befragten, dass der Sportunterricht ihrer Kinder gestrichen oder drastisch reduziert worden war.16

Die Richtlinien zur körperlichen Aktivität amerikanischer Staatsbürger des US-Bundesministeriums für Gesundheitspflege und soziale Dienste (2008) empfehlen für Kinder mindestens 60 Minuten moderater bis dynamischer körperlicher Aktivität.17 Die meisten Kinder bekommen heute sehr viel weniger Bewegung. Schätzungsweise nur 4 % aller US-amerikanischen Grundschulen, 8 % der Mittelschulen und 2 % der Highshools bieten täglichen Sportunterricht an.18

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Eine bahnbrechende Untersuchung der Kaiser-Familienstiftung zeigte, dass Kinder zwischen 8 und 18 Jahren, egal, welchen sozioökonomischen Hintergrunds, im Schnitt 7,5 Stunden pro Tag vor einem Bildschirm sitzen.19 Hinzu kommen vier bis sechs Stunden täglich auf der Schulbank, beim Autofahren, beim Essen und bei den Hausaufgaben. Unsere Kinder sitzen also täglich 10 bis 14 Stunden – 85 % ihrer Wachstunden.20 Nur eines von vier Kindern zwischen 6 und 15 Jahren erfüllt mit mindestens 60 Minuten moderater bis dynamischer körperlicher Aktivität die links unten genannten Richtlinien.21

Die Seuchenschutzbehörde CDC der USA berichtet, dass nur 13 % der amerikanischen Kinder zur Schule laufen, im Vergleich zu 66 % im Jahr 1970.22 Von 1969 bis 2001 fiel der Anteil der Kinder, die ihren Schulweg bis 1,6 Kilometer zu Fuß bewältigten, von 90 auf 31 %.23

1980 gab es 81 Millionen TV-Geräte in US-Haushalten. Heute hat sich deren Zahl auf fast 324 Millionen mehr als verdreifacht.24 Verdreifacht hat sich im gleichen Zeitraum auch die Zahl fettleibiger Kinder und Erwachsener.25 Laut den Wissenschaftlern, die an der University of California in Berkeley Adipositas im Kindesalter erforschen, steigt die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht bei 12- bis 17-Jährigen mit jeder Stunde vor dem Fernseher um 2 %.26

Im März 2004 warnte Richard Carmona als Leiter der obersten US-Gesundheitsbehörde, dass »wir vielleicht die erste Generation heranwachsen sehen, die weniger gesund sein wird und eine kürzere Lebenserwartung als ihre Eltern hat, aufgrund rasant ansteigender Fettleibigkeit, schlechter Essensgewohnheiten und körperlicher Inaktivität«.27

Wenn Sie denken, dass diese Statistiken auf Ihr Kind nicht zutreffen, weil es nach der Schule Sport macht, haben wir schlechte Nachrichten für Sie: Leider wiegen alle Tore und Läufe die Negativeffekte von zu viel Sitzen nicht auf, wenn das Training auf einen ansonsten sitzenden Lebensstil angehängt wird – bei Kindern wie Erwachsenen.28 Zu viel Sitzen außerhalb von Fußball oder Basketball bleibt zu viel Sitzen. Punkt.

Neueste Forschungen zeigen, dass der kontinuierliche Einsatz von Stehpulten mit erheblichen Verbesserungen in der Aufgabenausführung und Merkfähigkeit von Schulkindern einherging.29

Sicher nicht, denn alle Tiere laufen entsprechend ihrer Physiologie. Wenn nicht, verletzen sie sich und verschwinden aus dem Arten-Genpool. 80 Prozent aller Läufer in den USA verletzen sich jährlich30, was Laufen zu einer unserer gefährlichsten Aktivitäten macht. Und hier liegt der Hase im Pfeffer: Genauso, wie wir das sich ändernde Laufverhalten von Kindern vielleicht als normal erachten, akzeptieren wir, dass der Mensch, der sich evolutionär für jahrzehntelanges Laufen entwickelt hat und auch dafür gebaut ist, sich dabei verletzt. Dieses Problem bleibt, denn die menschliche Biomechanik ist so robust, dass sich die Folgen fehlerhafter Bewegungen oft erst dann bemerkbar machen, wenn ein gewisses Zeitlimit erreicht ist.

Etwa zur selben Zeit wurden wir Zeuge davon, dass viele der Erstklässler immer häufiger in eine Körperhaltung mit gebeugtem Rücken verfielen. Jedes Mal, wenn wir in ein Klassenzimmer kamen, saßen fast alle mit schrecklichem Krummbuckel am Platz. Und es war eindeutig, dass Sitzen auch die Biomechanik der Wirbelsäule in der Bewegung negativ beeinflusst.

Mit jeder Jahrgangsstufe wurden die Probleme größer. Die Kinder verloren ihren Instinkt für natürliches Laufen und Bewegen, und die Belastungen des modernen Lebens formten langsam einen neuen Normalzustand ihrer Körper, bis ihnen die Art und Weise, wie sie sich im Kindergarten bewegten und liefen, fremd erschien. Wenn Fersenlauf und krumme Haltung geschmerzt hätten, wären sie sicherlich alle zu ihrem natürlichen Bewegungsmuster zurückgekehrt. Unser Körper ist jedoch dafür ausgelegt, eine Menge Missbrauch auszuhalten und sich ständig anzupassen, um mit minimalem Energieaufwand in seiner Umwelt zu überleben. Übung macht nicht perfekt, sondern verfestigt, und die Folgen negativer Bewegungsmuster kommen oft erst sehr viel später ans Tageslicht.

Studien zeigen, dass der Cholesterinspiegel umso schlechter wird, je mehr man sitzt. Zu viel Sitzen erhöht das Risiko für Herzinfarkte und führt zu Arterienverhärtungen und Knochenerweichungen. Dazu stehen auch Brust-, Darm-, Lungen- und Gebärmutterkrebs in Zusammenhang mit zu viel Sitzen.32

Wir würden uns wünschen, dass dieses »viel später« erst 30 bis 40 Jahre später ist, doch da wir derart aus dem Gleichklang mit unseren natürlichen Bewegungsmustern sind, ist das oft nicht der Fall. Klassische orthopädische Krankheitsbilder wie Nacken- und Rückenbeschwerden treten oft schon bei Teenagern auf. Der australische Chiropraktiker Dr. James Carter machte vor kurzer Zeit Schlagzeilen mit Röntgenaufnahmen von Wirbelsäulen und Knochen bei erst siebenjährigen Kindern, die vom Smartphone-Spielen und Sitzen verkrümmt waren.31

Sobald wir erkannt hatten, welche Folgen Sitzen auf unsere Kinder, Klienten und Athleten hatte, entwickelten wir ein System gegen das Problem. Diese Lösung ist der Maßnahmenkatalog, den wir in diesem Buch vorstellen. Er zeigt Strategien dafür, mehr Bewegung (Aktivität) ins Leben zu bringen und die körpereigene Biomechanik, d. h. Körperhaltungen und Bewegungen, zu verbessern. Dieser Wechsel ist allerdings nicht leicht. Die meisten unserer Klienten halten sich bereits für aktive Menschen. Ihnen ist jedoch nicht bewusst, dass es ein Unterschied ist, ob sie Sport machen, selbst wenn sie intensiv trainieren, oder ob sie körperlich rege sind.

Warum Sport allein nicht reicht

Es wäre leichter, wenn Sport die Schäden durch Sitzen eliminieren könnte. Man könnte alle Büromenschen ins Fitnessstudio schicken und ihnen beibringen, Bewegungen korrekt auszuführen. Sie würden Fortschritte machen, ohne ihr Verhalten außerhalb des Studios ändern zu müssen. Wir bräuchten nicht in ihr Privatleben einzudringen und sie zu coachen, wie sie sich auch die restlichen 23 Stunden um ihre Körper kümmern müssen. Die Wahrheit ist jedoch, dass Training die potenziellen, unbestreitbaren Schäden an unseren Körpern durch zu viel Sitzen nicht rückgängig machen kann.

Laut einer britischen Studie unter mehr als 4000 Beamten sank das Diabetesrisiko um mehr als 75 %, wenn die Menschen weniger als zwölf Stunden pro Woche saßen. Personen, die mehr als 25 Stunden pro Woche saßen, hatten eine größere Anfälligkeit für metabolische Risikofaktoren wie Diabetes, Insulinresistenz und »schlechtes« Cholesterin.33

Das dürfte nicht allzu sehr überraschen. Die positive Wirkung von Sport ist lange bekannt wie auch der Fakt, dass Sport kein Allheilmittel für eine ansonsten nachlässige Lebensweise ist. Wer nur Fast Food und Soft Drinks zu sich nimmt, frönt keinem gesunden Lebensstil, selbst wenn er oder sie regelmäßig ins Fitnessstudio geht. Ebenso wenig wie jemand, der sich sieben Tage die Woche bis zum Abwinken betrinkt, obwohl er irgendwie die Kraft aufbringt, jeden Morgen laufen zu gehen. Training hilft dem Körper, leere Kalorien loszuwerden oder kräftiger zu werden, aber die meisten Menschen sind aufgeklärt genug, um zu wissen, dass man eine ungesunde Lebensweise damit nicht wegzaubert.

Aus irgendeinem Grund wenden die meisten bei den verheerenden Auswirkungen des Sitzens nicht die gleiche Logik an. Selbst viele ansonsten kluge Personen glauben, dass sie mit einem harten Workout acht oder noch mehr Stunden im Sitzen abschütteln können. Ohne unhöflich sein zu wollen: Das macht so wenig Sinn wie zu glauben, dass man mit einem gebrochenen Fuß laufen kann. Längeres Sitzen zwingt den Körper in eine für seine Funktionen ungünstige Haltung. Wer den ganzen Tag sitzt, dem fehlt einfach Bewegung. Training macht zwar rundum gesünder, ist aber keine Zeitmaschine, durch die sich die Sitztätigkeiten untertags eliminieren lassen.

Wenn Sie das verstanden haben, erklärt sich Ihnen vielleicht auch manches Hindernis, das sich Ihrer Gesundheit und Ihrem Wohlbefinden entgegenstellt. So werden die Trainingsprogramme vieler Profi- und Freizeitsportler z. B. oft von Bewegungs- und Gewebeproblemen eingebremst. Um sie zu lösen, überprüfen die Athleten zum x-ten-Mal ihre Hebetechnik, suchen Physiotherapeuten oder andere Körpertherapeuten auf oder wechseln sogar den Trainingsplan. Doch egal, wie perfekt sie ihre Körper im Workout bewegen – die Folgen ihres stundenlangen Sitzens können sie damit nicht umgehen. Der Abnutzungsprozess verläuft zwar langsam, aber systematisch, und wenn sie nicht aufpassen, wird er sich letztendlich auf alle Lebensbereiche stark auswirken, einschließlich ihrer psychischen Widerstandsfähigkeit und Leistungsfähigkeit.

Gewichtszunahme ist eine weitere Blockade, an der viele Athleten mit sitzender Tätigkeit scheitern. Fast alle beschreiben sich als aktiv, obwohl ihre Jobs sie acht bis zehn Stunden täglich an den Schreibtisch zwingen. Sie schildern uns, wie sie mit zunehmendem Gewicht immer länger und härter trainieren, jedoch mit immer weniger Erfolg. An diesem Punkt haken wir ein, um ihnen den Unterschied zwischen »Sport« und »außersportlicher Aktivität« zu erklären. Denn genau das ist das Entscheidende.

»Sport« bezeichnet typischerweise Aktivitäten wie Laufen oder Krafttraining. Obwohl die Workouts intensiv sind, ist man damit meist nur kurz beschäftigt: Ins Studio oder auf die Bahn, trainieren und dann ab nach Hause. Niemand würde abstreiten, dass Sport unverzichtbar ist, doch Workouts allein kompensieren die Probleme durch eine sitzende Lebensweise nicht. Das kommt daher, dass der Körper im Stehen Energie ganz anders verwertet als im Sitzen. Je nach Aktionslevel verbrennen wir Kalorien unterschiedlich schnell und speichern sie auch anders. »Außersportliche Aktivitäten« sind all die Dinge, die man tut, wenn man nicht mit hoher Intensität trainiert –stehen, gehen, Gartenarbeit, kochen, zum Bus laufen und sogar mit dem Stuhl kippeln oder herumzappeln.

»Vor 100 Jahren war Fettleibigkeit noch selten, und zwischenzeitlich hat sich das menschliche Erbgut auch nicht geändert«, erklärt Dr. Levine. »Daher mag das epidemische Anwachsen von Übergewicht durchaus unser immer stuhlfreundlicheres Umfeld widerspiegeln. Menschen mit angeborener Affinität zum Sitzen lebten sie aus und wurden dick.«35 Zur Überprüfung seiner Hypothese überfütterte Dr. Levine Freiwillige 56 Tage lang mit exakt 1000 Kalorien. Manche der Probanden nahmen dennoch nicht einmal 500 Gramm Körperfett zu. Levine sagt, dass dies der Unterschied durch NEAT-Kalorien sei. »Wer auf NEAT-Bewegung umschalten kann, nimmt durch zu viel Essen nicht zu, sondern bleibt schlank. Wer nach zu viel Essen sitzen bleibt und nicht in den NEAT-Modus wechselt, lagert Extrakalorien als Körperfett ein.«36

All das haben wir nicht erfunden. Dr. James Levine nennt dies Non-Exercise Activity Thermogenesis (Thermogenese durch außersportliche Aktivität), abgekürzt NEAT.34 Demnach verbrennen Sitzkrieger mit acht Stunden Sitzen am Tag ca. 300 NEAT-Kalorien. Bei Personen, die im Stehen arbeiten, wie z. B. Servierkräfte, sind das rund 1300 Kalorien – macht 1000 Kalorien Unterschied! Mit der Zeit kann diese Abweichung den Unterschied über dünn oder dick machen. Und für Schreibtischarbeiter, die nicht trainieren, kann das der schnelle Weg in die Fettleibigkeit sein, mit all ihren negativen Gesundheitsauswirkungen.

Im Sitzen braucht der Körper nur wenig Energie. Nervensignale, die er normalerweise bei Bewegung und Kalorienverbrauch sendet, kommen buchstäblich zum Erliegen. Gleichzeitig werden die Fettspeicherungsprozesse angekurbelt. Das Ergebnis: Personen mit wenig außersportlicher Aktivität sind prädestiniert dafür, dick zu werden. Übergewicht und ein sitzender Lebensstil gehen Hand in Hand.

Ein Konzept für menschliche Bewegung

Wir sind sicher, dass Sie das »Weniger sitzen, mehr bewegen«-Mantra schon des Öfteren gehört haben. Anstrengungen in diese Richtung fördern sicherlich die Gesamtgesundheit, lassen aber einen großen Teil des Problems ungelöst.

Unsere Arbeit mit Tausenden Athleten aller Arten, Körpergrößen und Talenten zeigte uns, wie negativ die Folgen des Sitzens für alle sind, nicht nur für inaktive Menschen. Damit kristallisierte sich für uns klar heraus, dass wir in unserem modernen Lebensumfeld ein Bewegungskonzept benötigen. Die wenigsten von uns haben fordernde Jobs, die ständige NEAT-Bewegungen erfordern. Vielmehr sitzen die meisten von uns den ganzen Tag, den Großteil unserer Wachstunden, vor dem Computer. Sitzen entspricht jedoch nicht unserem Bewegungsbedürfnis. Eine einst angeborene Fertigkeit muss neu erlernt werden. Früher war dies die Arbeit von Sportlehrern – noch vor Kurzem lehrten sie Kinder, sich zu bewegen. Sie brachten ihnen Kniebeugen, Laufen, Springen und Landen und Seilklettern bei. Heute lernen die Kinder im Sportunterricht Sporttechniken, die aber keine Bewegungstechniken sind. Wir bringen unseren Kindern Lesen und Schreiben, Mathematik und Körperhygiene sowie den Umgang mit Technik bei. Bewegungslehre jedoch ist ein Relikt der Vergangenheit, und wir haben vergessen, sie zu schätzen. Um als Gesellschaft jedoch gesund und schmerzfrei zu bleiben, müssen wir Bewegung wieder als etwas ansehen, das unterrichtet, geübt, verbessert und geschätzt wird und so wichtig wie alles andere ist, das wir lernen. Unsere Gesundheit hängt davon ab.

Wir wissen, was Sie vielleicht denken: »Ich schicke mein Kind ins Turnen und gehe selbst in Pilates und Yoga. Hilft das nichts?« Doch, sicherlich. Turnen entwickelt Agilität und Kraft, und Yoga kann Beweglichkeit und die Biomechanik der Wirbelsäule verbessern. Keines von beiden deckt jedoch den nahtlosen Übergang zu Alltagsbewegungen ab, wie ein Kind aus dem Gitterbett oder eine Tasche mit Einkäufen vom Boden zu heben. Wir brauchen ein anpassbares System, das uns beibringt, uns in allen Situation zu bewegen – bei gewöhnlichen Alltagsaktivitäten wie bei körperlicher Hochleistung. Anders ausgedrückt: Das System, mit dem Sie den Körper vorbereiten, im Bürostuhl Platz zu nehmen, sollte das gleiche sein, das ihn auf das Fitnesstraining im Studio einstimmt.

Vielleicht gehören Sie zu den wenigen Leuten, die sich zwar zeit ihres Lebens nicht korrekt bewegt haben, aber dennoch unter keinerlei Beschwerden leiden. Sie könnten uns jetzt nahelegen, dass wir uns schnellstmöglich verdünnisieren sollen. Damit das aber nicht zu voreilig passiert, wollen wir noch rasch auf das Thema Belastungszyklus eingehen.

Jeder unserer Körperteile ist für eine bestimmte Anzahl von Nutzungen oder Belastungszyklen ausgelegt. Bei korrekter Bewegung entspricht jede Bewegung oder gehaltene Position einem Zyklus. Falsche Bewegungen verbrauchen viele Belastungszyklen. Sie überziehen damit, oft schon zu Schulzeiten, Ihr Körperkonto, dessen (großzügig bemessenes) Guthaben eigentlich bis ins hohe Alter reichen sollte.

Relativieren wir das: Wenn Sie täglich 10 000 Schritte machen (die normale Empfehlung für aktive Personen), sind das 70 000 Schritte in der Woche, 250 000 pro Monat und 3,5 Millionen Schritte pro Jahr. In vier Jahren werden daraus über 14 Millionen Schritte, in zehn Jahren 36 Millionen. Stellen Sie sich vor, Sie gehen all diese Schritte falsch. Sie laufen wie eine Ente, kippen den Fuß nach innen, Ihr Fußgewölbe kollabiert, Ihr großer Zeh dreht sich zum kleinen, Sie tragen Flip-Flops oder Absatzschuhe oder haben ein Hohlkreuz: All das verschlechtert Ihre Körperhaltung. Der Körper ist zwar auf viele Belastungszyklen ausgelegt, aber nicht darauf, aufgrund von Fehlhaltungen ein Vielfaches davon auszuhalten. Stellen Sie sich selbst als teures Rennauto vor. Selbst mit angezogener Handbremse, mit wenig Öl im Motorraum und nicht gewuchteten Reifen können Sie noch schnell fahren, werden schlussendlich aber irgendwann liegenbleiben.

Eine unserer Physiotherapie-Patientinnen hatte sich den Rücken so verrissen, dass sie sich kaum bewegen konnte. Sie sagte: »Ich beugte mich nur nach vorn, um ein Kissen vom Boden aufzuheben, und zack, schon war es passiert. Seltsam, oder?« Eigentlich nicht. Der entscheidende Grund für ihr Rückenproblem war nicht die Aktion, das Kissen vom Boden aufzuheben, sondern die Tatsache, dass sie bis dato alles (ihre Kinder, Einkäufe etc.) in suboptimaler Bewegungsausführung vom Boden gehoben hatte. Ihr Belastungszykluskonto war stark überzogen.

Ähnlich ist es bei den Patienten, die in unserer Praxis, über ihre Handys gebeugt, im Wartezimmer sitzen. Es ist anzunehmen, dass sie viele Stunden täglich so verbringen. Wir denken bei uns: »Ich wette, diese Person ist wegen Nacken- oder Schulterbeschwerden hier« – und werden unweigerlich bestätigt. Seltsam, dass niemand selbst auf diesen Zusammenhang kommt: Bestimmte Körperhaltungen, die täglich stundenlang eingenommen werden, erhöhen die Belastungszykluszahl. Eine Weile geht das gut, dann aber nicht mehr – und schon landen die Leute in unserer Praxis.

Das Problem ist, dass wir uns nicht mehr so bewegen, wie es gut für unsere Körper ist, und es auch nie richtig gelernt haben. Erst wenn wir zusammenbrechen und Schmerzen haben, ändern wir etwas zum Positiven. An diesem Punkt sind viele Verletzungen aber bereits viel schwerer zu heilen. Unser Ziel ist es, Ihnen beizubringen, wie Sie ein paar der wesentlichsten Bewegungen korrekt ausführen, damit dies nicht passiert. Und, noch wichtiger: damit Sitzen am Arbeitsplatz oder in der Schule keine negativen Folgen auf Ihre restliche Lebenszeit hat.

Seit einigen Jahren wird dieses Konzept mancherorts bereits aufgegriffen: Viele Unternehmen und Schulen schreiben Bewegung groß. Diesem guten Ansatz fehlt jedoch immer noch eine Schlüsselkomponente: die korrekte Bewegung. Wer aufgrund jahrelangen Sitzens mit gebeugtem Rücken läuft und dann den letzten Workout-Trend mitmachen möchte, ohne seine Körperhaltung zu korrigieren, läuft viel größere Gefahr, sich wegen mangelhafter Bewegungsausführung zu verletzen. Ist es besser, sich mit schlechter Biomechanik zu bewegen, als gar nichts zu tun? Sicher. Aber jeder falsche Schritt kostet Belastungszyklen. Sie müssen hier aber nicht wählen – Sie können den Kuchen haben und ihn essen. Ein guter Freund, der Physiotherapeut Gray Cook, prägt diesen wunderbaren Spruch: »Bewege dich gut und bewege dich oft.« Wobei »gut« an erster Stelle steht.

Viele innovative Unternehmen stellen heute Steharbeitsplätze zur Verfügung, um Bewegung zu fördern. Das ist großartig. Stehen verbraucht mehr Kalorien und animiert dazu, das Gewicht von einem Bein aufs andere zu verlagern, abwechselnd auf beiden Füßen zu stehen, sich an einem Sitzhocker anzulehnen und sich kurzzeitig vom Computer wegzubewegen. Es ist auch viel leichter, kurze Bewegungspausen zu machen, die sich im Lauf des Tages zu einer Menge Bewegung aufaddieren. Die wenigsten Unternehmen unterweisen ihre Angestellten jedoch darin, korrekt zu stehen.

Verstehen Sie uns nicht falsch: Es ist toll zu sehen, dass diese Veränderungen passieren. Aber um einen Gutteil der fürchterlichen Leiden unserer modernen Gesellschaft auszumerzen, müssen wir einen Schritt weiter gehen. Das Problem lässt sich in drei einfachen Punkten zusammenfassen: 1. Wir bewegen uns nicht genug. 2. Wir bewegen uns nicht gut. 3. Wir halten unsere Körper nicht mit grundlegender Mobilisationsarbeit fit und gesund.

Viele beginnen damit, den ersten Punkt anzugehen, und dieses Buch wird Ihnen viele Anregungen dafür geben. Der größere Teil wird sich auf die Punkte 2 und 3 konzentrieren. Sie werden lernen, sich gut zu bewegen, und bekommen einen Grundplan zur Behandlung von Problemen und Limitierungen im Weichgewebe. In diesem Punkt unterscheidet sich unser System von allen anderen. Wenn Bewegung allein die Antwort wäre, hätten bereits die Millionen Crosstrainer auf Erden die Wende eingeleitet.

Wir wollen Ihnen nichts vormachen. Es wird Arbeit kosten, die Schäden zu beseitigen, die lebenslanges Wirken gegen das Körperdesign anrichtete. Sie müssen vielleicht neu stehen, sitzen und laufen lernen. Sie müssen die Techniken grundlegender Mobilisationsarbeit erlernen und sich neue Gewohnheiten zulegen. Zunächst werden Sie sich mit Ihrer Körperhaltung quälen, indem Sie sich ständig überprüfen und korrigieren, bis sich Ihr Körper wieder so bewegt, wie das für ihn vorgesehen ist. Das hört sich anstrengend an, aber stellen Sie sich die positive Seite vor: wieder schmerzfrei zu leben, sich wieder wie als Kind bewegen zu können – das wird Ihre Lebensqualität ungemein verbessern.

Wir wissen, dass richtige Bewegung und Körperhaltung und eine umsichtige Selbstfürsorge enorm wichtig sind. Unser Traum war es nie, Vorträge über die Gefahren schlechter Körperhaltung oder über richtiges Stehen und Sitzen zu halten. Jemandem zu zeigen, wie er seine Schmerzen loswird, und Spitzensportlern zu noch mehr Leistung zu verhelfen klingt weitaus spannender – wir machen beides. Doch muss dabei eines klar sein: Ohne Anerkennung der negativen Folgen unseres sitzenden Lebensstils und ohne Schulung einer korrekten Haltungs- und Bewegungstechnik können wir weder Schmerzen beseitigen noch Leistung optimieren.

Damit Sie eine Vorstellung davon bekommen, welche Veränderungen auf Sie zukommen können, erläutern wir, wie dieses Buch benutzt werden sollte. Davor stellen wir Ihnen jedoch noch vier wichtige Prinzipien vor.

Das Bewegungshirn

Offensichtlich ist unser sitzender Lebensstil für den Körper wie für das Gehirn schlecht. Immer wieder stellte man im Lauf der Geschichte fest, dass körperliche Aktivität kreatives Denken, Innovation und optimale kognitive Funktionen begünstigt. Bereits die alten Griechen kannten den Zusammenhang zwischen Gehen und verbesserten kognitiven Funktionen. Nach dem Prinzip »Gesunder Geist in einem gesunden Körper« begründete Aristoteles seinen berühmten Peripatos, eine Schule, in der beim Wandeln auf Pfaden um das Lyzeum herum unterrichtet wurde.37

Dr. John Ratey, Professor der Harvard Medical School und Autor des Titels Spark: The Revolutionary New Science of Exercise and the Brain, schreibt, dass das Gehirn ähnlich wie die Muskeln reagiert. Es wächst mit Gebrauch und verkümmert bei Inaktivität. »Noch beunruhigender ist, und das erkennt fast niemand, dass Inaktivität unsere Gehirne zerstört – es lässt sie schrumpfen«, schreibt er.38

Viele unserer größten Denker, einschließlich Winston Churchill, Leonardo da Vinci, Charles Dickens, Ernest Hemingway, Virginia Woolf, Thomas Jefferson und Benjamin Franklin, ließen sich am Stehpult zu ihren größten Meisterwerken oder welterschütternden Entscheidungen inspirieren.39 George Nelson, Designerikone des Möbelherstellers Herman Miller, arbeitete gern im Stehen und schloss daraus, dass dies anderen genauso ging. In den 1950er-Jahren entwarf er seinen legendären Action Office Steh-Schreibtisch mit Roll-Top.40

Britische Wissenschaftler untersuchten mehr als 10 000 Probanden zwischen 35 und 55 Jahren mit niedrigem, mittlerem oder hohem körperlichem Aktionslevel. Personen, die mehr im Sitzen arbeiteten, hatten meist eine schlechtere kognitive Leistung. Bemerkenswert war, dass bei niedrigem Aktivitätslevel auch die »fluide Intelligenz« geringer ausfiel – die Fähigkeit, logisch zu denken und in neuen Situationen Probleme zu lösen.41

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Wissenschaftler der University of Illinois in Urbana-Champaign untersuchten in einem innovativen Gehirnforschungsprojekt die positiven Auswirkungen von körperlicher Bewegung und Ausdauerfitness auf die kognitive Verstandesleistung des Menschen. Ihre Studie vom November 2014 deutet darauf hin, dass der wachsende Trend, auf Sport zu verzichten, um in den schriftlichen Prüfungen besser abzuschneiden, die akademische Leistung tatsächlich verschlechtern kann. Körperlich aktivere Kinder wiesen im Gegensatz zu ihren weniger fitten Schulkollegen mehr graue Substanz in Basalganglien und Hippocampus auf – Gehirnarealen, die besonders der kognitiven Steuerung und dem Erinnerungsvermögen zugeordnet werden.42

Phil Lawler, Sportlehrer in Naperville im US-Bundesstaat Illinois, führte ein innovatives Fitnessprogramm vor Schulbeginn ein, das landesweit für Aufmerksamkeit sorgte. Sein Programm für Schüler von Middle Shools und Highschools umfasste Laufen, Krafttraining, Klettern und sogar Tanzen. Er arbeitete mit Herzfrequenzmessern anstelle von Zeit- oder Gewichteinheiten, um Anstrengung und erbrachte Leistung zu messen. Nach Ablauf des Programms waren von den 19 000 insgesamt teilnehmenden Schülern und Schülerinnen nur noch 3 % übergewichtig, davon nicht einer der 7500 Highschool-Teilnehmer.43

Neueste Forschungsergebnisse widersprechen den langjährigen Richtlinien für die ADHS-Behandlung bei Kindern und deuten an, dass Stehschreibtische, Bewegungspausen und insgesamt mehr körperliche Aktivität deren Leistung verbessern können. Fazit: Kinder, und insbesondere Kinder mit ADHS, sollten sich möglichst viel bewegen und Sport treiben können, damit ihr Gehirn wachsen kann, sie sich besser konzentrieren und mehr lernen können und sie sich besser fühlen.44

Körperliche Aktivität und Bewegung seien laut Dr. Ratey wie »Miracle-Gro – ein Pflanzenwuchsmittel – für das Gehirn«. Sie machen zwar nicht direkt klüger oder konzentrierter, steigern aber Lern- und Konzentrationsfähigkeit und optimieren das Gehirn für das Lernen. Ursache ist der Wachstumsfaktor BDNF (etwa: Neurotropher Faktor aus dem Gehirn). Er ermöglicht es, neue Verknüpfungen zu bilden und Neues zu lernen, und kurbelt die Neurogenese an. Dieses Zellwachstum ist für die Gehirnentwicklung in der Kindheit nötig und verlangsamt später den natürlichen Alterungsprozess. Selbst leichte Bewegung (wie Stehen oder Herumzappeln) kann die Gehirnkreisläufe aufladen und die Denkfähigkeit schärfen.45

Die Richtlinien von Sitzen ist das neue Rauchen