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DER DÜNNFINGERGECKO

STENODACTYLUS STHENODACTYLUS

Jens Rauh

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Porträt eines Dünnfingergeckos Foto: M. Barts

Inhalt

Vorwort

Artbeschreibung

Verwandtschaft

Gesetzliche Bestimmungen

Verbreitung und Lebensraum

Verhalten/Lebensweise

Wo kaufe ich meinen Dünnfingergecko?

Transport und Quarantäne

Vergesellschaftung

Das Terrarium

Die Technik

Die Einrichtung

Klima

Pflegearbeiten

Ernährung

Gesundheit

Voraussetzungen zur Nachzucht

Paarungsverhalten

Trächtigkeit und Eiablage

Inkubation

Eientwicklung und Schlupf

Aufzucht der Jungtiere

Weitere Informationen

Weiterführende und verwendete Literatur

Bildnachweis

Die in diesem Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse, Dosierungsanleitungen etc. wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und sorgfältig überprüft. Da inhaltliche Fehler trotzdem nicht völlig auszuschließen sind, erfolgen diese Angaben ohne jegliche Verpflichtung des Verlages oder des Autors. Beide übernehmen daher keine Haftung für etwaige inhaltliche Unrichtigkeiten.

eISBN: 978-3-86659-331-2

© 2007

Natur und Tier - Verlag GmbH
An der Kleimannbrücke 39/41
48157 Münster
www.ms-verlag.de

Geschäftsführung: Matthias Schmidt
Lektorat: Mike Zawadzki, Kristina Stephan,
Kriton Kunz & Heiko Werning
Layout: Barbara Schmücker

Vorwort

VOR über 18 Jahren – ziemlich zu Beginn meiner Terrarianerlaufbahn – entdeckte ich erstmals in einem Zoofachgeschäft eine Gruppe kleiner, sehr possierlicher Geckos, die ich aufgrund ihrer äußeren Erscheinung sofort ins Herz schloss. Es handelte sich um Dünnfingergeckos der Art Stenodactylus sthenodactylus. Ich nahm mir lange Zeit, die Geckos in ihrem Verkaufsterrarium ausgiebig zu beobachten, und entschloss mich dann letztlich dazu, ein artgerechtes Terrarium für diese nur maximal 9–10 cm langen Tiere einzurichten. Ich ließ mir eine Zuchtgruppe aus einem Männchen und drei Weibchen von dem befreundeten Zoofachhändler reservieren.

Eine Woche später war das Terrarium dann betriebsbereit und in seinen klimatischen Verhältnissen für die kleinen Geckos optimal, sodass ich nun die Fahrt zum Zoofachgeschäft antreten konnte, um meine Tiere endlich abzuholen.

In den folgenden Jahren verschwanden die Dünnfingergeckos dann zunehmend aus dem Handel und waren einige Zeit so gut wie überhaupt nicht mehr zu bekommen. Während der letzten 2–3 Jahre findet man jedoch Stenodactylus sthenodactylus sowie seinen etwas größeren Verwandten Stenodactylus petrii wieder zunehmend im Angebot, und die beiden Arten erfreuen sich – meinen eigenen Beobachtungen zufolge – unter Terrarianern wachsender Beliebtheit. Wer sich einmal wirklich die Zeit nimmt, einen Dünnfingergecko in Ruhe zu betrachten und sein Verhalten zu beobachten, der wird sich wohl zwangsläufig in diesen sympathischen Terrarienbewohner „verlieben“. Seine geringe Größe, seine liebenswerte Erscheinung, seine verhältnismäßig einfache Haltung und Nachzucht sowie sein äußerst interessantes Verhalten und nicht zuletzt der erschwingliche Anschaffungspreis machen den Dünnfingergecko zu einem dankbaren Terrarienpflegling.

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Stenodactylus sthenodactylus im Terrarium Foto: M. Barts

Aus diesen Gründen möchte ich in dem vorliegenden Büchlein ausführlich über meine langjährigen Pflege- und Nachzuchterfahrungen mit diesem interessanten Gecko berichten. Ich habe Stenodactylus sthenodactylus in einem Zeitraum von über neun Jahren bis in die F8-Generation (F = Filialgeneration, d. h. Folgegeneration nach der Wildfang-Generation, F1 = erste Filialgeneration) vermehrt und dabei über 200 Jungtiere aufgezogen.

Jens Rauh,
Bad Friedrichshall,
im Frühjahr 2007

Artbeschreibung

MIT ca. 9 cm Gesamtlänge ist Stenodactylus sthenodactylus eine recht klein bleibende Wüstengeckoart. Das Verhältnis von Kopf-Rumpf-Länge (KRL) zur Schwanzlänge beträgt etwa 1 : 1 oder verschiebt sich sogar etwas zu Gunsten der KRL. Die Männchen bleiben in fast allen Fällen noch deutlich kleiner und auch wesentlich zierlicher. Häufig wird diese Art im Fachhandel auch unter den Trivialnamen „Kleiner Wüstengecko“ oder „Kleiner Sandgecko“ angeboten. Der wissenschaftliche Gattungsname „Stenodactylus“ wird korrekterweise ohne „h“, das so genannte Artepitheton „sthenodactylus“ hingegen mit „h“ geschrieben. In nahezu allen Händlerlisten fehlt aber das „h“ im Artepitheton.

WUSSTEN SIE SCHON?

Stenodactylus sthenodactylus ist ein nachtaktiver Gecko, was auch an seinen formveränderlichen Pupillen ersichtlich ist: Tagsüber sind diese zu einem schmalen, senkrechten Spalt mit gezaekten Rändern zusammen, gezogen, erweitern sich aber bei schwachem Licht, bis sie schließlich bei Dunkelheit den gesamten sichtbaren Teil des Auges aus füllen.

Dünnfingergeckos besitzen eine ganz charakteristische Körper- und Kopfform, wodurch sie auch vom unerfahrenen Terrarianer in aller Regel eindeutig erkannt werden. Der relativ kurze, breite Kopf mit seiner stumpfen Schnauze und den sehr großen Augen zeichnet alle elf Vertreter der Gattung Stenodactylus aus. Wie bei allen dämmerungs- und nachtaktiven Geckos weisen auch die Augen der Dünnfingergeckos eine im hellen Licht senkrechte, schlitzförmige Pupille auf. Die Augenfarbe des Dünnfingergeckos ist sehr variabel. So zeigen einige meiner Tiere eine orangebis kupferfarbene Iris, während sie bei anderen Exemplaren gelbbraun oder grau bis hin zu perlmuttfarben wirkt. Die Körperfärbung ist ebenso überaus variabel, sodass man beim Anblick einer Gruppe von Stenodactylus sthenodactylus oft völlig verschiedene Arten vermuten könnte.

Kehle und Bauch sind immer rein weiß bis leicht cremefarben. Die Rückenzeichnung kann von Dunkelgrau über Kastanienbraun bis hin zu fast weißen Tieren variieren. Alle erdenklichen Abstufungen und Kombinationen sind möglich. Selbst Junge derselben Elterntiere und desselben Geleges zeigen oft völlig verschiedene Färbungen der Haut und der Augen. Typisch für alle Vertreter von Stenodactylus sthenodactylus sind jedoch das netzartige Zeichnungsmuster und das weiße, letzte Schwanzdrittel, das mehrere schwarze Ringe aufweist. Jungtiere sind Miniaturausgaben ihrer Eltern; sie besitzen keine Jugendzeichnung, im Gegensatz etwa zu Leopardgeckos (Eublepharis macularius). Zeichnungsmuster sowie Körper- und Augenfarbe bleiben ein Leben lang unverändert. Als bodenbewohnender Gecko weist Stenodactylus sthenodactylus keine Haftlamellen (Haftpolster) an den Zehen auf, weshalb er nicht in der Lage ist, an senkrechten, glatten Flächen wie z. B. Glas emporzulaufen. Seine Zehen haben sich aber im Lauf der Evolution optimal an das Leben auf feinem Sand angepasst. Bei genauer Betrachtung fallen an den Zehenrändern kleine, zackenartige Schuppenfortsätze auf. Diese vergrößern die Auftrittsfläche und verhindern dadurch das Einsinken in feinen, losen Sand. Bei Dünnfingergeckos auffällig ist auch die stumpfe Schwanzspitze: Es sieht aus, als ob ein kleines Stückchen davon fehle.

WUSSTEN SIE SCHON?

Dünnfingergeckos sind – wie viele Echsen – dazu in der Lage, in Gefahrensituationen ihren Schwanz abzuwerfen. Diese Form der passiven Selbstverteidigung wird als Autotomie bezeichnet. Wird der Gecko von einem Feind am Schwanz gepackt, so wird dieser durch Muskelkontraktionen an einer Sollbruchstelle abgetrennt. Dieses als Autotomie bezeichnete Verhalten geschieht dabei aktiv durch den Gecko selbst und nicht etwa, wie man annehmen könnte, durch die Kraft, die ein Angreifer auf den Schwanz ausübt. Dies zeigt z. B. die Tatsache, dass der Schwanz mitunter auch abgeworfen wird, ohne dass eine Berührung stattgefunden hat. Dies kommt beim Dünnfingergecko aber so gut wie nie vor. Normalerweise wird erst bei grober Belästigung der Schwanz abgeworfen. Während der Feind nun durch den noch zuckenden Schwanz abgelenkt wird, kann sich der Gecko in Sicherheit bringen. Später wächst der Schwanz an der Bruchstelle wieder nach, erreicht aber nicht mehr ganz die ursprüngliche Länge.

Verwandtschaft

DER Dünnfingergecko gehört, wie sein Name schon erkennen lässt, zur großen Familie der Geckos (Geckonidae). Diese zählt zur Unterordnung der Echsen (Sauria), die wiederum, zusammen mit den Schlangen (Serpentes), zur Ordnung der Eigentlichen Schuppenkriechtiere (Squamata) gerechnet wird und gemeinsam mit den Ordnungen der Schildkröten, Krokodile und Brückenechsen die Klasse der Kriechtiere (Reptilien) bildet. Wie alle Reptilien ist auch der Dünnfingergecko ein wechselwarmes (poikilothermes) Lebewesen. Dies bedeutet, dass er nicht dazu in der Lage ist, seine Körpertemperatur selbstständig aufrecht zu erhalten, sondern diese mittels der Umgebungstemperatur regulieren muss. Dies geschieht durch das Aufsuchen von Wärmequellen (direkte Sonnenstrahlung, Heizstrahler etc.) bzw. kühlen, schattigen Plätzen.