image1
Logo

Mensch – Zeit – Geschichte

 

Herausgegeben von Peter Steinbach, Julia Angster, Reinhold Weber

 

 

 

 

 

 

Die Herausgeber:

Professor em. Dr. Steinbach lehrte bis zur seiner Entpflichtung Neuere Geschichte an der Universität Mannheim. Professor Dr. Julia Angster hält den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte I ebenfalls an der Universität Mannheim. Professor Dr. Reinhold Weber ist Zeithistoriker bei der Landeszentrale Baden-Württemberg und Honorarprofessor am Seminar für Zeitgeschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Ulrich Renz

Georg Elser

Allein gegen Hitler

Mit einem Vorwort von Peter Härtling

Verlag W. Kohlhammer

Für Joachim Ziller

und Kardelen

2. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-031077-3

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-031078-0

epub:    ISBN 978-3-17-031079-7

mobi:    ISBN 978-3-17-031080-3

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Vorwort

von Peter Härtling

Manchmal gehen Personen, die Geschichte bewegt haben, der Geschichte und uns Erinnernden verloren. Georg Elser zum Beispiel, ein Schreiner aus Königsbronn auf der Alb. Er war dreißig, als Hitler die Macht ergriff, beobachtete aufmerksam und unruhig die politische Entwicklung, zählte nicht zu den Arbeitern, die den Nazis blindlings folgten, deren Ideologie ihnen einredete, „gemeinsam stark” zu sein. Er wehrte sich schweigend, grübelnd und aufgewühlt seinen Gedanken nachgebend. Ein Einzelner unter Rasenden und Verblendeten. Wie er die Bombe in die Säule im Bürgerbräukeller einbaut, ein Tüftler aus Gewissen, ein waghalsig Hoffender, macht ihn als Person deutlich: Ernst und mit einem Anflug von Melancholie geht er an „die Arbeit”. Hitler kommt davon. Elser wird auf der Flucht in die Schweiz gefasst und von nun an wird ihm die Glaubwürdigkeit seiner Tat und seiner Existenz als „Einzeltäter” bestritten. Seine Wirklichkeit und sein Ruhm werden ihm böswillig vorenthalten.

Ulrich Renz hat das Leben Elsers mehrfach erzählt, nach einer ebenso geduldigen wie aufgebrachten Recherche. Im April 1956 steht in der „Heidenheimer Zeitung” zu lesen, wer Georg Elser in Wahrheit gewesen ist, woher er kam, was er tat und wie sein Leben endete. Autor des Aufsatzes war Erwin Roth, den die Ungerechtigkeit des kollektiven Erinnerns erzürnte und der seinen jungen Kollegen Renz anspornte, das Andenken an Elser schreibend und handelnd zu fördern.

Es bleibt die Irritation, weshalb Elser, der allein, ohne jegliche Unterstützung das Attentat auf Hitler vorbereitete, einer, der in seinem beherzten Widerstand Vorbild sein könnte, weshalb dieser Renitente übersehen und vergessen wurde. „Das Gewissen steht auf”, so hieß ein Buch, das Annedore Leber herausgab, und in dem sie die Heroen des Widerstands gegen Hitler versammelte. Vor allem Adlige, Offiziere, Gewerkschafter und Beamte. Sie alle miteinander verbunden, verschworen. Kein Einzeltäter unter ihnen, kein Arbeiter. Elser wurde kein Prozess gemacht, er wurde nach Verhören durch die Gestapo in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau gleichsam „privilegiert” gefangen gehalten und versteckt. Es durfte ihn nicht geben. Die Gerüchte, die deshalb entstanden, konnten den Nazis nur recht sein. Noch ein Jahr nach Kriegsende bestand Martin Niemöller darauf, dass Elser „ein Werkzeug” der Nazis gewesen sei. So wird eine Spur verwischt. So bekommt die Erinnerung einen veränderten Text. Erwin Roth und Ulrich Renz wussten, dass er neu zu schreiben war.

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Ein Protokoll
  3. Aus einfachen Verhältnissen
  4. Kindheit und auf Wanderschaft
  5. Vater und Sohn
  6. Entscheidung im Herbst 1938
  7. Elser erläutert seine Motive
  8. „Warum plagt man die Juden so?“
  9. Der 8. November
  10. Der Saal explodiert
  11. Umzug nach München
  12. Nächtlicher Einbau einer Bombe
  13. „Ich muss wieder auf Wanderschaft“
  14. Ein Trümmerfeld
  15. Elser kommt der Militäropposition in die Quere
  16. Verhaftung mit Rätseln
  17. Terror in „Attentatshausen“
  18. Elsers Verhör in Berlin
  19. „Einzigartig in der Kriminalgeschichte“
  20. Otto Strasser muss die Schweiz verlassen
  21. Ein Leben in völliger Isolation
  22. Elsers Name wird in Nürnberg nicht erwähnt
  23. Der lange Weg zum Ruhm
  24. Gerüchte und Falschmeldungen
  25. Das Blatt wendet sich
  26. An der Seite von Daimler und Zeppelin
  27. „Ein Meister der Tat“
  28. Zeittafel
  29. Verzeichnis der Quellen und Literatur:
  30. Archive
  31. Literatur
  32. Weitere Literatur
  33. Abbildungsnachweise
  34. Georg Elser Gedenkstätte
  35. Anmerkungen

Ein Protokoll

Der Schlüssel zum Verständnis von Leben und Tat des Johann Georg Elser ist ein Protokoll der nationalsozialistischen Geheimen Staatspolizei. Dieses Dokument, das in den 1960er Jahren zufällig entdeckt wurde, beschreibt den Werdegang des Handwerkers von der Schwäbischen Alb bis zu jenem 8. November 1939, an dem sein Versuch nur ganz knapp scheiterte, den Diktator Adolf Hitler umzubringen. Als der Historiker Lothar Gruchmann das Protokoll um die Jahreswende 1969/70 veröffentlichte, gab er ihm den Titel Autobiographie eines Attentäters.

Das war etwas gewagt, denn schließlich hinterließ Elser selbst keinerlei Aufzeichnungen. In der Gedenkstätte, die ihm zu Ehren in seinem Heimatort Königsbronn geschaffen wurde, werden gerade einmal zwei Rechnungen ausgestellt, die seine Handschrift tragen. Der Schreiner hatte sie für die Lieferung von Möbeln geschrieben. So sind einige wenige Äußerungen des Widerstandskämpfers, der ganz gewiss nicht geschwätzig war, allenfalls mündlich überliefert. Also muss vor allem das Protokoll herhalten, wenn es gilt, die Geschichte des Anschlags auf Hitler an jenem Novemberabend im Saal des Bürgerbräukellers in München zu ergründen. Zwar ist es ein Werk der Gestapo, doch Elser war offensichtlich recht erfolgreich, ihm seinen Stempel aufzudrücken.

Der Wahrheit zum Durchbruch und Elser zu dem ihm gebührenden Platz in der Geschichte zu verhelfen, war ein sehr langer, mühsamer und quälender Prozess. Jahrzehntelang waren die Ereignisse vom Münchener Bürgerbräukeller ein Musterfall für den vergessenen und diffamierten Widerstand in Deutschland. Der Attentäter wurde ein Opfer der weit über das Jahr 1945 hinaus wirkenden nationalsozialistischen Propaganda, die glauben machen wollte, dass der Täter Hintermänner, vor allem in Gestalt des britischen Geheimdienstes, gehabt habe. Zugleich wirkten die Einflüsterungen von Gegnern Adolf Hitlers fort: Die hielten an der Vermutung fest, die Nazis selbst hätten den Anschlag inszeniert, um das Volk aufzurütteln und dann die „Vorsehung“ zu preisen, die über dem „Führer“ walte.

Ganz allmählich erst begannen die Lügen und Legenden durch couragierte Arbeit zu verblassen. Dann aber wichen sie der Erkenntnis, dass der Handwerker aus Königsbronn ganz allein, aus eigenem Antrieb, seinem Gewissen folgend, mit großer Entschlossenheit und kalter Präzision dem Diktator nach dem Leben trachtete und diesem Ziel so nahe kam, wie fünf Jahre später nur noch der Graf Stauffenberg. Lediglich einige Außenseiter zweifeln noch daran, dass er aus ehrenwerten Motiven und unter Berufung auf die allgemeinen Grundrechte handelte, angetrieben von einem ausgeprägten Gefühl für Gerechtigkeit und einer abgrundtiefen Abneigung gegen den Krieg. Dabei leitete diesen Attentäter, der als einfacher Mann und schlichter Handwerker charakterisiert wurde, eine Weitsicht und Hellsicht, die man bei Angehörigen der sogenannten Eliten jener Zeit vergeblich suchte.

Images

Abb. 1: Georg Elser auf seinem Passfoto um 1938.

Auch das Bild des Menschen Elser war im Laufe der Jahrzehnte Veränderungen unterworfen. Er galt lange Zeit als Einzelgänger und Sonderling, wenn nicht gar als eine Art Spinner. Dabei gibt es genügend Zeugnisse dafür, dass er sich in Gesellschaft wohl fühlte. Er musizierte gern mit anderen, er spielte zum Tanz auf. Der schmächtige Mann gefiel Frauen, wohl nicht zuletzt, weil er gradlinig war, nicht rauchte und kaum trank. Als er den Entschluss gefasst hatte, Hitler zu töten, schloss er sich allerdings konsequent von seiner Umwelt ab und nahm in Kauf, dass er als Eigenbrötler in Erinnerung blieb. Mit der selbst gewählten Isolation bemühte er sich auch, niemanden als Mitwisser zu gefährden.

Den Beruf des Schreiners empfand Elser als Berufung. Er hing sehr an diesem Handwerk, erwarb sich den Ruf eines Perfektionisten und erschien gelegentlich noch nach Tagen bei einem Kunden, um sich zu überzeugen, dass ein von ihm geliefertes Möbelstück fehlerlos in der Wohnung stand. Aus diesem gutem Grund nannte er sich Kunsttischler. Genauso akribisch ging er bei seinem Attentat zu Werke. Es ist überliefert, dass die „Höllenmaschine“, die er in eine Säule hinter dem Rednerpult Hitlers einbaute, bei den ermittelnden Kriminalbeamten nachher auf unübersehbaren Respekt stieß. An seinen Arbeitsstellen konnte sich aber auch sein Gerechtigkeitssinn bemerkbar machen. Wurde seine Leistung nicht so gewürdigt und entlohnt, wie er das wünschte, dann zog er weiter.

Schon sehr früh gab sich Georg Elser als Gegner der Nationalsozialisten zu erkennen. Mitbürger berichten, bei der Übertragung von Reden Hitlers im Radio habe er den Raum verlassen. Er wandte sich demonstrativ von Hakenkreuzfahnen ab, um sie nicht grüßen zu müssen, und ließ gelegentlich Bemerkungen fallen, die seine Abneigung ausdrückten. Und er erkannte, dass der Aufstieg Hitlers und des Nationalsozialismus Krieg und damit unermessliches Leiden für die Bevölkerung bedeuten würden. Heuchlerische Reden des „Führers“ über den Frieden ließen ihn kalt, das Abkommen von München aus dem Jahre 1938 zur Beilegung der Sudetenkrise – also das Zugeständnis der Weltgemeinschaft an das Deutsche Reich, für den Frieden die deutschsprachigen Gebiete in der Tschechoslowakei besetzen zu dürfen – hielt er für das wertlose Stück Papier, das es in der Tat war.

Elser versuchte im Verhör den Eindruck zu erwecken, dass er nicht belesen und auch nicht gut über das Zeitgeschehen informiert sei. Doch studierte er offenbar jede Zeitung, derer er habhaft werden konnte. Er hörte Radiosender, vor allem auch ausländische, und zog seine Schlüsse aus Gesprächen mit anderen. So konnte er bei seiner Vernehmung genau vorrechnen, dass es den Arbeitern seit Hitlers „Machtergreifung“ tatsächlich materiell schlechter gehe. Er verwies auf die Einschränkung von Grundrechten und den Krieg, der zum Zeitpunkt seines Attentats schon begonnen hatte. Elser hatte keinen Plan für die Entwicklung nach dem Tod des Diktators, doch war er fest davon überzeugt, dass sich die Dinge auf jeden Fall zum Besseren wenden würden, wenn „die Führung“ des Regimes beseitigt sei.

Im Fall Stauffenberg wird gerne daran erinnert, dass nach dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 und damit binnen neun Monaten mehr Menschen, Soldaten wie Zivilisten, umkamen, als in den Kriegsjahren zuvor. Damit wird auch deutlich, wie viel Leid, Elend und Tod abgewendet worden wäre, wenn Elser mit seiner Bombe Erfolg gehabt hätte. So resümiert der Katalog der Elser-Ausstellung in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand: „Ein Gelingen seiner Tat hätte sowohl die Ausweitung des im Herbst 1939 begonnenen Krieges als auch den Massenmord an den Juden Europa verhindern können.“1

Aus einfachen Verhältnissen

Kindheit und auf Wanderschaft

Georg Elser wurde am 4. Januar 1903 im schwäbischen Hermaringen geboren und wuchs in schwierige, ärmliche Familienverhältnisse hinein. Seine Mutter stammte aus diesem Dorf auf der östlichen Schwäbischen Alb, der Vater arbeitete dort als Fuhrmann. Schon im Jahr darauf zogen die Eltern, die erst nach seiner Geburt heirateten, mit dem Sohn nach Königsbronn, das am Ursprung der Brenz und ebenfalls im Kreis Heidenheim liegt. Diese Gemeinde, die weniger bäuerlich als industriell geprägt war, wurde die eigentliche Heimat des späteren Widerstandskämpfers.

Images

Abb. 2: Die Familie Georg Elsers vor dem Elternhaus in Königsbronn Ende 1910.

In den Jahren danach wuchs die Familie. Zu Johann Georg Elser gesellten sich die Schwestern Friederike, Marie und Anna sowie der zehn Jahre jüngere Bruder Leonhard. Ein weiterer Bruder war bald nach der Geburt gestorben. Die Familie lebte mühsam von der Landwirtschaft. Der Vater, der dem Alkohol zuneigte, betätigte sich wenig erfolgreich als Händler. Bei seiner Vernehmung beschrieb Georg Elser die freudlose Jugend:

„Mein Vater hat sich in der Landwirtschaft wenig betätigt, er hat zuerst Holz geführt und dann später einen eigenen Holzhandel angefangen. Die Hauptlast der Landwirtschaft lag auf meiner Mutter. Ich und meine Geschwister mussten sehr früh im Stall, auf dem Feld und im Haus mithelfen. Ich als der Älteste war auch immer die Kindsmagd für meine jüngeren Geschwister.“1

Seine Schwester Anna entwarf nach dem Krieg in einem Verfahren in München ein kurzes Porträt Georgs. Die Staatsanwaltschaft dort leitete 1950 ein Ermittlungsverfahren zur Aufklärung des Attentats im Bürgerbräukeller und zu den Todesumständen von Elser ein. Die Schwester Anna berichtete in ihrer Zeugenaussage:

„Mein Bruder hatte einen etwas eigenen Charakter, er war verschlossen und hat sich auch mit uns Geschwistern nie besonders abgegeben, sondern ist immer seine eigenen Wege gegangen. Er hat sehr solide gelebt, nicht geraucht und nicht getrunken. Mit seinen Schulkameraden kam er schon zusammen und er war bei ihnen auch allgemein beliebt. Mein Bruder war an und sich ein gutmütiger Mensch, nur hat er nicht gleich mit jedem Freundschaft geschlossen und ist nicht aus sich heraus gegangen. Er war sehr gescheit und war ein Bastler und Tüftler und hat sich mit Problemen befasst und diese gelöst, die ein anderer nie herausgebracht hätte. So ist mir z. B. noch in Erinnerung, dass er noch als Schuljunge an die Nähmaschine meiner Mutter eine Dreschmaschine baute, in welche wir als Kinder Ähren hineintaten und ausgedroschen haben.“2

Georg Elser ging sieben Jahre in die Grundschule in Königsbronn, die heute seinen Namen trägt, und nannte sich im Rückblick einen mittelmäßigen Schüler. Seine Mutter sagte dagegen später aus:

„Georg war ein folgsamer Junge und hat uns in der Erziehung keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Er war ziemlich ruhig, beinahe unserer Meinung nach zu ruhig. In der Schule hat er gut gelernt und hat auch immer gute Zeugnisse mit nach Hause gebracht. Wie mir erinnerlich ist, ist Georg auch gerne zur Schule gegangen.“3

1917 begann Elser eine Lehre in den Schwäbischen Hüttenwerken, die in Königsbronn eine Jahrhunderte alte Industrietradition

Images

Abb. 3: Georg Elser mit seiner Schulklasse in Königsbronn 1911.

fortsetzten. Er selbst wollte Eisendreher werden und musste sich mit diesem Wunsch zuhause erst noch durchsetzen. Das Geld, das er als Lehrling verdiente, hatte er den Eltern ganz abzuliefern. Dem Vater fiel dann nach einiger Zeit als erstem auf, dass es dem schmächtigen Jungen gesundheitlich schlechter ging. Er war mehrmals krank, hatte Fieber und Kopfschmerzen, doch ist nicht überliefert, was ihm wirklich fehlte. Auf jeden Fall musste er Konsequenzen ziehen:

„Soviel ich weiss, ging ich damals persönlich auf das Fabrikbüro und erklärte dort, dass ich mit dieser Arbeit aufhören will, weil ich sie nicht vertragen könne“,4

sagte er im Verhör der Gestapo. Vom Herbst 1917 bis zum Frühjahr 1919 dauerte seine Lehrzeit in den Schwäbischen Hüttenwerken. Immerhin erwarb er sich da einige der Fertigkeiten, die ihm später bei seinem Attentatsplan nützlich waren.

Nun erst fand Georg Elser zu seiner Berufung: Er macht eine dreijährige Lehre beim Schreinermeister Robert Sapper in Königsbronn. Ausgebildet wurde er als Bau- und Möbelschreiner, 1922 legte er in der Gewerbeschule in Heidenheim die Gesellenprüfung ab, als Bester. Ein körperlicher Schaden aus Kindertagen behinderte ihn bei seiner geschickten Arbeit offenbar nicht. Im Verhör erwähnte er eher beiläufig:

„Den kleinen Finger meiner rechten Hand habe ich nahezu vollständig als kleiner Junge mit 7 Jahren dadurch verloren, daß ich am Schleifstein meines Vaters diesen Finger zwischen die Zahnräder der Übersetzung brachte.“5

Der Bruder Leonhard sagte in dem Verfahren in München:

„Ich bin selbst ebenfalls Schreiner und habe ebenfalls wie mein Bruder Georg bei dem Schreinermeister Sapper in Königsbronn 3 ½ Jahre das Schreinerhandwerk erlernt. Sapper hat meinen Bruder stets gelobt und gesagt, dass er mit ihm zufrieden gewesen sei und dass er ein anständiger und anstelliger Handwerker gewesen sei.“6

Ein Mitbürger lieferte nach dem Krieg eine anschauliche Beschreibung der Arbeitsweise Georg Elsers. In einem Bericht über ein Gespräch mit Anton Egetemaier, Briefträger und Schneider in Königsbronn, hieß es:

„Egetemaier hatte bei Georg Elser eine Kinderbettstelle bestellt. Elser fertigte sie in seiner Hütte an, kam dann, brachte das Bett und stellte sich davor auf und betrachtete es mindestens fünf Minuten lang, ohne ein Wort zu sagen, ging dreimal um das Bett herum, rüttelte und prüfte es und ging weg. Am nächsten Tag erschien er wieder, um nochmals das Bettgestell zu prüfen. Diese Prüfmanie sei ein regelrechter Tick gewesen.“7

In den folgenden Jahren arbeitete Elser in der Möbelfabrik Rieder in der benachbarten Stadt Aalen, kündigte, weil „infolge der Inflation das Geld keinen Wert mehr hatte“, half wieder im elterlichen Haus und fertigte in einer eigenen kleinen Werkstatt Möbel an. Er musizierte und spielte auch zum Tanz auf. „Ich bin von Natur aus musikalisch veranlagt“, heißt es dazu im Protokoll:

„Schon während meiner Schulzeit habe ich Flöte und Ziehharmonika gespielt. Nach meiner Schulzeit habe ich nur mehr Ziehharmonika gespielt. In kleineren Gesellschaften habe ich für musikalische Unterhaltung gesorgt. So habe ich etwa im Jahre 1924 in Ochsenberg bei Königsbronn in einer Tanzstunde Ziehharmonika gespielt. Eine besondere Fertigkeit hatte ich nicht. Ich war, wie man so sagt, Durchschnittsspieler. Gespielt habe ich nur nach Gehör. Noten habe ich seinerzeit nicht gekannt.“8

Elser wechselte noch zur Möbelschreinerei Matthias Müller in Heidenheim, ehe er 1925 auf die Wanderschaft ging. Sicherlich wollte er auch den unerfreulichen, von Auseinandersetzungen geprägten Verhältnissen im Elternhaus entkommen. So zog es ihn in Richtung Bodensee. Der Aufenthalt dort sollte ihn für sein weiteres Leben prägen. Sein Biograf Hellmut Haasis resümiert dazu:

9