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Florian Karcher, Vassili Konstantinidis, Birte Krumm (Hg.)

Film + Verkündigung Kids

Mit Kinderhelden vom Glauben erzählen

Entwürfe für die Arbeit mit Kindern

buch+musik

In unseren Veröffentlichungen bemühen wir uns, die Inhalte so zu formulieren, dass sie Frauen und Männern gerecht werden, dass sich beide Geschlechter angesprochen fühlen, wo beide gemeint sind, oder dass ein Geschlecht spezifisch genannt wird. Nicht immer gelingt dies auf eine Weise, dass der Text gut lesbar und leicht verständlich bleibt. In diesen Fällen geben wir der Lesbarkeit und Verständlichkeit des Textes den Vorrang. Dies ist ausdrücklich keine Benachteiligung von Frauen oder Männern.

Impressum

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© 1. Auflage 2016

buch+musik ejw-service gmbh, Stuttgart

All rights reserved.

ISBN Buch 978-3-86687-142-7

ISBN E-Book 978-3-86687-143-4

Lektorat: Punkt.Landung, Mirja Wagner, Marburg

Umschlaggestaltung: Benjamin Funk, Rotenburg an der Fulda

Gestaltung und Satz: buch+musik – Claudia Siebert, Kassel

Bildrechte Umschlag und Deckblätter: Alex Jackson, ddgrigg, Olga Leszczynska – alle Fotolia

Bildrechte Autorenfotos: Die Fotos wurden von den Autoren zur Verfügung gestellt.

www.ejw-buch.de

Vorwort der Herausgeber

Kinder lieben die Helden und Figuren aus Serien und Filmen. Sie sind fasziniert von den Abenteuern und Geschichten, die sie erleben. Diese Faszination möchten wir in die Arbeit mit Kindern – in Gruppen und Projekte – hineinbringen. Wir wollen, dass Kinder anhand der Geschichten ins Gespräch über den Glauben kommen. Deshalb ist dieses Buch voller Entwürfe für Gruppenstunden und Thementage, jeweils inklusive einer Andacht, die zeigen, wie man mit Kinderserien und -filmen eine Brücke zum Glauben, zur Bibel und letztlich zu Gott schlagen kann. Ihr findet in diesem Buch zeitlose Serien- und Filmklassiker, aber auch ganz aktuelle Produktionen. Uns ist es wichtig, dass Serien und Filme verantwortungsbewusst in der Arbeit mit Kindern eingesetzt werden, deshalb beschäftigt sich das Kapitel „Serien und Filme in der Arbeit mit Kindern“ mit einigen wichtigen pädagogischen und rechtlichen Grundfragen. Wir empfehlen allen Leserinnen und Lesern, sich mit diesen Grundfragen auseinanderzusetzen, bevor Serien und Filme in der Arbeit mit Kindern verwendet werden. In diesem Kapitel findet ihr auch eine ausführliche Anleitung, wie dieses Buch am besten eingesetzt werden kann.

So bunt wie die Serien, Filme und Themen dieses Buches sind, so bunt sind auch die Autorinnen und Autoren. Sie sind ehren- und hauptamtlich bei unterschiedlichen Gemeinden und Verbänden tätig, stehen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen und haben unterschiedliche Erfahrungen. Gemeinsam ist ihnen und uns eins: Wir lieben Serien und Filme, wir lieben Kinder und wünschen uns, ihnen mit der Liebe Gottes zu begegnen. Deshalb möchten wir uns an dieser Stelle bei allen bedanken, die etwas zu diesem Buch beigetragen habe. Wir sind begeistert davon, was hier an Ideen und Kreativität zusammengetragen wurde.

Wir hoffen und wünschen uns sehr, dass die Beiträge in diesem Buch die Arbeit mit Kindern bereichern. Wir freuen uns davon zu hören, wie dieses Buch eingesetzt wird, und über Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge.

Serien und Filme ziehen Kinder (und Erwachsene) in ihren Bann und begeistern. Allen, die dieses Buch einsetzen, wünschen wir, dass diese Begeisterung sich in der Arbeit mit Kindern auch für den Glauben niederschlägt.

Dr. Florian Karcher

Vassili Konstantinidis

Birte Krumm

Inhaltsverzeichnis

Serien und Filme in der Arbeit mit Kindern

Serien und Filme richtig einsetzen oder: Wie benutze ich dieses Buch?

Serien und Filme in der Lebenswelt der Kinder

Entwicklungspsychologische Betrachtung bei der Mediennutzung von Kindern zwischen 6 und 12 Jahren

Alles, was Recht ist – der Einsatz von Serien und Filmen in der Arbeit mit Kindern

Gruppenstunden zu Kinderserien

Helden, die helfen

Feuerwehrmann Sam (2009), Folge: Superhelden in Not, ab 6 Jahren

Gott gibt nicht auf

Feuerwehrmann Sam (2009), Folge: Normans Arche, ab 6 Jahren

Gottes Notrufnummer

Feuerwehrmann Sam (2009), Folge: In der Not hilft Rot, ab 6 Jahren

Bitte!

Pettersson und Findus (2000), Folge: Pettersson bekommt Weihnachtsbesuch, ab 9 Jahren

Verschwunden

Pettersson und Findus (2000), Folge: Wie Findus zu Pettersson kam, ab 9 Jahren

Genau richtig!

Pettersson und Findus (2000), Folge: Groß und klein, ab 9 Jahren

Gott suchen

Wicki und die starken Männer (2014), Folge: Auf dem Goldacker, ab 6 Jahren

Mut zur Wahrheit

Wicki und die starken Männer (2014), Folge: Der Wegezoll, ab 6 Jahren

Eine zweite Chance

Wicki und die starken Männer (2014), Folge: Pirat Gilby, ab 6 Jahren

Endlich wieder zusammen

Yakari (2008), Folge: Kleiner Donner reißt aus, ab 6 Jahren

Helft einander

Yakari (2008), Folge: Der verirrte Pelikan, ab 6 Jahren

Gemeinsam geht es besser

Yakari (2008), Folge: Yakari und der Riesenvielfraß, ab 6 Jahren

Gruppenstunden zu Kinderfilmen

Leben auf der Überholspur

Cars (2006), ab 9 Jahren

Die Kraft der Freundschaft

Die Eiskönigin – Völlig unverfroren (2014), ab 9 Jahren

Die Reise der Veränderung

Ein Königreich für ein Lama (2000), ab 9 Jahren

Jesu Vergebung verändert

Findet Nemo (2003), ab 9 Jahren

Zusammen sind wir stark

Hände weg von Mississippi (2007), ab 6 Jahren

Wenn Gott mich küsst!

Horton hört ein Hu! (2008), ab 9 Jahren

Wer bin ich eigentlich?

Ice Age 2 – Jetzt taut’s (2006), ab 6 Jahren

Held sein mit Jesus!

Ich – Einfach unverbesserlich (2010), ab 6 Jahren

Jesus ist stärker als die Angst!

Madagascar (2005), ab 9 Jahren

Mein Traumland

Peter Pan (1953/2012), ab 9 Jahren

Gott liebt uns so, wie wir sind

Pettersson und Findus. Kleiner Quälgeist – große Freundschaft (2014), ab 6 Jahren

Thementage zu Kinderfilmen

Ehrlich währt am längsten

Ab durch die Hecke (2006), ab 6 Jahren

Wo ist mein Platz?

Biene Maja (2014), ab 6 Jahren

Gott, der coolste Abenteuer-Partner der Welt

Das fliegende Klassenzimmer (2003), ab 9 Jahren

Kleine Ameisen – große Taten

Das große Krabbeln (1998), ab 6 Jahren

Die Hühner sind los!

Die Wilden Hühner (2006), ab 9 Jahren

Eifersucht muss nicht sein!

Garfield – Der Film (2004), ab 9 Jahren

Elisa – Gottes Plan mit euch

Planes (2013), ab 9 Jahren

Wenig und doch sehr viel

Robin Hood (1973/2007), ab 9 Jahren

Vom Niemand zum Helden

Robots (2005), ab 6 Jahren

Zusammen ist man stärker und weniger allein

Toy Story (1995), ab 9 Jahren

Trau dich!

Winnie Puuh (2011), ab 6 Jahren

Anhang

Links und Literatur

Verzeichnis der Serien und Filme nach Titel

Verzeichnis der Serien und Filme nach Thema

Verzeichnis der Serien und Filme nach Bibelstelle

Dank der Herausgeber

Serien und Filme in der Arbeit mit Kindern

Serien und Filme richtig einsetzen oder: Wie benutze ich dieses Buch?

In diesem Buch versuchen wir, die Begeisterung von Kindern für Serien und Filme zu nutzen, um ihnen etwas vom Glauben an Gott näherzubringen. Serien und Filme gehören zum Alltag von Kindern und bieten daher die große Chance, sie genau dort abzuholen. Wir wollen mit den Entwürfen aber nicht einfach nur die Vorliebe von Kindern für bewegte Bilder ausnutzen, sondern pädagogisch und verantwortlich damit umgehen. Deshalb möchten wir in diesem Kapitel mit euch über ein paar grundsätzliche Dinge nachdenken, die wichtig sind, wenn man Serien und Filme in der Arbeit mit Kindern einsetzt. Nehmt euch die Zeit dafür, denn es wird euch dabei unterstützen, mithilfe von Serien und Filmen mit Kindern ins Gespräch über den Glauben zu kommen.

Pädagogische Verantwortung wahrnehmen

Wenn Kinder in unsere Gruppenstunden, unsere Gottesdienste und Veranstaltungen kommen, vertrauen uns Eltern für einen gewissen Zeitraum die pädagogische Verantwortung für ihre Kinder an. Sie dürfen zu Recht erwarten, dass wir diese Verantwortung ernst nehmen. Es darf deswegen auch beim Einsatz von Serien und Filmen nicht darum gehen, einfach nur die Zeit „rumzukriegen“, sondern diese Medien sollten so eingesetzt werden, dass sie den Kindern, ihrer Entwicklung und ihren Bedürfnissen gerecht werden. Auch deswegen haben wir uns bei diesem Buch dafür entschieden, ausschließlich Serien und Filme zu verwenden, die von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH (FSK) ohne Altersbeschränkung freigegeben wurden. Trotzdem bleibt es die Aufgabe der Mitarbeitenden in der Arbeit mit Kindern, vor jedem Einsatz von Serien und Filmen zu prüfen, ob die Inhalte für die jeweilige Zielgruppe geeignet sind. In den folgenden zwei Kapiteln („Serien und Filme in der Lebenswelt der Kinder“ und „Entwicklungspsychologische Betrachtung bei der Mediennutzung von Kindern zwischen 6 und 12 Jahren“) wird es genau darum gehen.

Wichtig ist es auch, auf die Dosierung zu achten. Serien und Filme empfehlen sich nicht für den Dauereinsatz. Kinder haben ein Bedürfnis nach Bewegung, nach Kreativität und Spiel. Beim Einsatz von Medien ist daher unbedingt auf eine ausgewogene Mischung zu achten. Die Andachten in diesem Buch beziehen sich aus diesem Grund auf einzelne kurze Sequenzen von Serien oder Filmen.

Serien und Filme behutsam einsetzen

Serien und Filme haben die Kraft, Kinder (genauso wie Erwachsene) komplett in ihren Bann zu ziehen. Sie fokussieren die Aufmerksamkeit ganz auf die Szene und Geschichte und lassen das Drumherum fast vergessen. Sobald wir Serien und Filme schauen, werden wir zu Konsumenten und Konsumentinnen und stellen in der Regel andere Aktivitäten ein. Deswegen fällt es uns oft schwer, nach einer Serie oder einem Film wieder sofort aktiv zu werden, eigene Gedanken zu entwickeln oder kreativ zu sein. Das geht Kindern nicht anders. Beim Einsatz von Serien und Filmen können wir daher nicht erwarten, dass Kinder sofort im Anschluss körperliche, gedankliche oder kreative Höchstleistungen erbringen. Hier ist es erforderlich, diese Elemente behutsam in den gesamten Ablauf einer Gruppenstunde oder eines Thementages einzubetten und Kinder langsam zu Aktivitäten hinzuführen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Beispielsweise kann im Anschluss an eine Filmsequenz ein einfaches Gespräch stattfinden: „Was hat euch besonders gut gefallen?“ „Kennt ihr ähnliche Situationen?“ So werden die Köpfe der Kinder langsam wieder vom Aufnehmen und Konsumieren zum Aktivwerden hingeführt. Aber auch einfache kreative Aufgaben (Bilder malen usw.) können Kindern helfen, langsam wieder in der Realität anzukommen.

Rechtliche Rahmenbedingungen beachten

Alle Serien und Filme unterliegen dem Urheberrecht, deswegen darf man sie nicht einfach überall zeigen. Informiert euch unbedingt vorher über die rechtliche Lage in eurer konkreten Situation und sichert euch ab, dass ihr mit dem Einsatz von Serien und Filmen nichts Illegales tut. Der Beitrag „Alles, was Recht ist – der Einsatz von Serien und Filmen in der Arbeit mit Kindern“ von Stefan Niewöhner wird euch dabei helfen.

Für die richtige Technik und den Rahmen sorgen

Der Einsatz von Serien und Filmen wird zum Flopp, wenn die Technik nicht mitspielt (z. B. der Beamer nicht funktioniert oder der Ton zu leise ist). Verlasst euch nicht darauf, dass schon alles klappen wird, sondern stellt sicher, dass die Technik funktioniert. Im Zweifel probiert es rechtzeitig vorher aus. Die folgende Checkliste kann euch dabei helfen:

Passen die Zeitangaben zu meiner Filmversion und meinem Player (unbedingt vorher ausprobieren)?

Funktioniert der Beamer, der Bildschirm oder der Fernseher?

Sind alle benötigten Kabel da (z. B. Verbindungskabel vom Laptop zum Beamer)?

Für den Beamer gilt: Gibt es eine entsprechende Tonanlage/Box, die laut genug ist? Sind alle Kabel dafür da?

Ist der Raum vielleicht abzudunkeln, damit das Bild gut zu erkennen ist?

Gibt es genügend gemütliche Sitzmöglichkeiten mit guter Sicht auf das Bild?

Ist die Qualität von Ton und Bild gut genug?

Vorschläge aus dem Buch einsetzen

In diesem Buch findet ihr zu den jeweiligen Serien oder Filmen verschiedene Bausteine. Ihr könnt alle diese Bausteine für eure Gruppenstunde oder euren Thementag einsetzen oder einfach diejenigen heraussuchen, die zu euch und eurer Situation passen. Die folgenden Icons helfen euch dabei:

Zu Beginn jeder ausgearbeiteten Gruppenstunde oder jedes Thementages bekommt ihr Informationen zur Serie oder zum Film. Eine kurze Zusammenfassung des Inhaltes und die Nennung der Themen und der Bibelstellen helfen euch, zu entscheiden, ob diese Gruppenstunde oder dieser Thementag für euch passend ist. Am Ende des Buches findet ihr auch ein Register, in dem ihr alphabetisch nach Filmtiteln, Themen oder nach Bibelstellen suchen könnt. Bei den Serien ist zusätzlich noch angegeben, um welche Staffel und Folge es sich handelt. Bei Filmen helfen euch die Zeitangaben, die richtige Filmsequenz zu finden.

Hier findet ihr eine ausformulierte Andacht. Unsere Andachten versuchen jeweils einen Bezug auf die Serie oder den Film, auf einen biblischen Text und auf die Lebenswelt der Kinder zu nehmen. Sie sind so formuliert, dass ihr sie auch vorlesen könnt. Natürlich könnt ihr die Texte verändern und Beispiele austauschen oder den Text nur als Anregung für eine eigene Andacht verwenden.

Hier findet ihr Vorschläge zu weiteren Programmpunkten wie Spiele, kreative Umsetzungen und andere Aktionen. Wir beschreiben nur kurz die Idee. Ihr müsst diese dann selbst umsetzen und euch um das entsprechende Material kümmern, das wir immer angeben. Wenn ihr andere Ideen habt, die besser zu euch und der Gruppe passen, ist das super.

Zu jeder Andacht gibt es auch ein paar Liedvorschläge, die das Thema oder den Bibeltext aufgreifen.

Und nun viel Spaß beim Ausprobieren und Gottes Segen für eure Arbeit mit Kindern.

Dr. Florian Karcher
Vassili Konstantinidis
Birte Krumm

 

Serien und Filme in der Lebenswelt der Kinder

„Was in den Köpfen spukt, drängt zur Darstellung.“1

Kinder sehen sich wichtigen Entscheidungen ausgesetzt. Sollen sie sich auf eine berufliche Zukunft als Ninja, Sternenkrieger oder Pirat, als Meerjungfrau, Tierärztin oder Detektivin vorbereiten? Längst lassen sich an einfachen Fragen wie diesen von Praktikern und Praktikerinnen der Arbeit mit Kindern die Einflüsse von Mediennutzung bei Kindern nachzeichnen. Medienproduktionen laden zur Nachahmung ein. Sie bilden den Hintergrund von Aktionsspielen wie auch des persönlichen Umgangs miteinander und beeinflussen die eigene Wahrnehmung und Entwicklung.2

Die Kindheit ist eine Phase der Orientierung und Ausprägung einer eigenen Identität. Medien und Medienproduktionen bieten eine Orientierungshilfe neben den traditionellen Vorbildern wie Eltern, Schule und Peer-Group. Das Eintrittsalter, in dem die ersten Medienerfahrungen gemacht werden, sinkt stetig. Die seit 2012 erscheinenden MiniKIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest, die Medienumgang und -rezeption bei unter 6-Jährigen beobachten und auswerten, waren nicht zuletzt deshalb notwendig geworden, weil die Ersteller/Erstellerinnen der bis dahin vorherrschenden KIM-Studien kaum noch Kinder ab 6 Jahren antrafen, die nicht mehr oder weniger geprägt und beeinflusst von Medien waren.3

„Weltvermittlung“ als Kommunikationsgeschehen ist nicht erst heute gestützt und erzeugt von Medien4 – neu hingegen ist die zunehmende Interaktivität durch Onlineangebote sowie gleichzeitig die Verfügbarkeit auf immer neuen technischen Geräten. Kinder müssen entsprechende Inhalte nicht mehr suchen, sich nicht an einen Computer begeben – sie finden sie beziehungsweise werden von ihnen gefunden auf Mobiltelefonen, Tablet-PCs, zu Hause, in der Schule, in Schnellrestaurants und öffentlichen Büchereien. Ulrike Six verweist in ihrem Buch „Medienerziehung in der Familie“ auf die unterschiedlichen Regeln, Rituale, Nutzungsfunktionen und Nutzungsweisen an unterschiedlichen Orten der Medienrezeption und hält sie für relevante Merkmale, die auch für die Arbeit mit Kindern von Bedeutung sind. So benennt sie Ort und Standort des Mediengeräts wie auch die individuelle oder gemeinsame und innerfamiliäre Mediennutzung und den Zeitpunkt im Tagesablauf als wesentlich für die Medienarbeit mit Kindern.5 Angesichts der zunehmenden Verbreitung mobiler Endgeräte sind diese jedoch immer öfter nicht mehr Schwerpunkte kindlichen Medienhandelns. Daher sollten zunehmend medienunabhängige Faktoren berücksichtigt werden, wie die psychische Befindlichkeit (Six nennt: Müdigkeit, schlechte Laune und Langeweile) und der individuelle Entwicklungsstand der Kinder.6

Das ist nicht neu, für die Arbeit mit Kindern ergibt sich jedoch die Herausforderung, die Zielgruppen bei ihrer Mediennutzung tatsächlich aufzufinden. Während ältere Kinder und Jugendliche vornehmlich nach alltagstauglichen „Konzepten für das Leben in sozialen Gemeinschaften, für die Gestaltung von Freundschafts- und Liebesbeziehungen und – sozusagen als die Kehrseite – für den Umgang mit Konflikten und Schwierigkeiten“7 suchen und hier für sie neben Talkshows gerade auch Video-Webtagebücher, wie „Die Mädchen-WG“8, oder Blogs interessant sind, entnehmen jüngere Kinder ihre Orientierungen noch immer stark Spannungsserien und -filmen. Hier, in deren simplen Gut-Böse-Schemata, erkennen sie am ehesten ihre Hoffnungen und Ängste wieder und reagieren darauf oft durch Übernahme von Handlungsweisen.

Das Strickmuster von Kinder- und Jugendserien hat sich in den letzten 40 Jahren kaum geändert: Ob Timm Thaler, das A-Team, die Ninja Turtles oder moderne Serien wie Mako Einfach Meerjungfrau, Gossip Girl oder Heartland – Paradies für Pferde für die älteren beziehungsweise H2O – Plötzlich Meerjungfrau, Kim Possible, Hannah Montana, Spongebob usw. für die jüngeren Medienkonsumenten/Medienkonsumentinnen – es handelt sich meistens um Konflikte zwischen Gut und Böse und mehr oder minder verzwickte Situationen, die ihre Protagonisten/Protagonistinnen (Stichwort: „Heldenreise“) auf Erkundungen mit Höhen und Tiefen und in Kontakt mit zunächst schwer durchschaubaren anderen Figuren senden, bevor sich alles zu einem guten Ende neigt. Gemäß der adressierten Altersgruppe wechseln sich spannende mit entlastenden und humoristischen Handlungsvorgängen ab, die den Zuschauerinnen und Zuschauern eine zwischenzeitliche Distanzierung ermöglichen. Zudem entfalten sich Serien für Jüngere eher episodenhaft, um der altersgemäß kürzeren Aufmerksamkeitsspanne gerecht zu werden.

Stellen Serien und TV-Sendungen denn nun etwas gänzlich anderes dar als andere Medien? Sind sie ein „Einbruch“ in die bis dahin sogar behütete Märchen- und Fantasiewelt von Kindern, die von vorgelesenen Geschichten und vielleicht Kinderhörspielen dominiert wurde? Zunächst ist eine Absage daran zu formulieren, dass Serien und Filme andere Medien verdrängen. Sie ergänzen sie, sie treten neben die bis dahin erlebten Formen von Unterhaltung und die neuen Ereignisse wie Kinder- und Jugendbücher, die erst mit der Schulreife und der dort erlernten Fähigkeit des Lesens überhaupt erreichbar werden. Durch das bewegte Bild und insbesondere die Wirkung von Tonspuren und die Dramatik von Filmmusik werden neue kognitive Verarbeitungsmechanismen entfaltet und geschult – aber auch sinnliche Wahrnehmungen geprägt.9

Jüngere Kinder erkennen hier zunächst noch Parallelen zu den im Kleinkindalter vielleicht vorgelesenen Geschichten, ältere Kinder fühlen sich ebenfalls in dem bekannten Erzählmuster geborgen, erlangen jedoch durch moderne Motive und Handlungsfelder einen frühen Zugriff auf die Themen- und Erlebenswelten der Erwachsenen.

Bruno Bettelheim hat bereits 1988 versucht, auf einer psychologischen Ebene zu erklären, warum auch gewalthaltige Medien notwendigerweise für die Entwicklung wichtig sind.10 Er beobachtete, dass das Kind durch die Auseinandersetzung mit TV-Helden/ TV-Heldinnen sein eigenes ängstliches Ich auf die Lichtgestalt des Protagonisten / der Protagonistin übertragen könne. Es sei in diesem Prozess vor Konflikten in seiner eigenen persönlichen Umgebung geschützt und könne so an den Aufgaben der TV-Helden/ TV-Heldinnen wachsen und eigene Aggressionsgelüste und Machtgefühle stellvertretend ausleben.

Für die praktische Arbeit mit Kindern sind diese Befunde nach wie vor bedenkenswert, gestatten sie doch den Ansatz einer Rahmungsperspektive, die Kinder ernst- und wahrnimmt und dennoch begleitet.

Allerdings mag er dies nur den Serien zuerkennen, deren Charaktere eine innere Dynamik erkennen lassen, anhand derer Kinder sich mit ihren eigenen Bewegungsbefindlichkeiten orientieren können. Anders als die holzschnittartig gezeichneten Persönlichkeitsprofile von Serienprotagonisten der 80er- und 90er-Jahre sind Filmfiguren heute in der Tat vielschichtiger, auch die „Guten“ haben vielfach Abgründe, wenngleich natürlich in Kinderserien nicht solche, die wirklich ängstigen. Aber sie durchleben doch auch Versuchungen und gehen nicht immer zimperlich mit ihrer Umwelt um.

Dennoch sind TV-Serien und Filme, dies ist für die praktische Arbeit mit Medien wichtig, konkrete Angebote an Kinder, die durch deren Nutzung auch Hinweise auf ihre Interessen und ihr mentales Innenleben offenbaren.

Die Angst der Erwachsenen vor Gewalt oder die Ablehnung von Technik sollte demnach entschieden dem Interesse an Inhalten und Beweggründen von Kindern und Jugendlichen weichen.11 Zumal kaum zu befürchten ist, dass TV-Helden, TV-Heldinnen tatsächlich pointiert prägenden Charakter und damit nachhaltigen Erinnerungswert entfalten. Gerade Serien für Kinder zeigen Protagonisten/Protagonistinnen mit nur wenig wandelbaren Eigenschaften – zu viel Dynamik würde eine konstante Aufmerksamkeit der Zuschauer/Zuschauerinnen voraussetzen. Kinder könnten jedoch der Persönlichkeitsentwicklung über viele Episoden hinweg kaum folgen. Im Resultat bleiben auch Kinder autonom in ihren Sympathien:

„Solange sie Kindern ‚etwas bringen’ können, bedienen sie sich dieser fiktiven Partner. Entwickeln sich Kinder weiter und gehen auf die Suche nach neuen Perspektiven und Orientierungen, sehen solche Helden im Wortsinne bald recht ‚alt’ aus und werden meist durch ‚bessere’ von ihnen ersetzt.“12

Serien werden demnach auch von Kindern als fiktive Ereignisse wahrgenommen, an denen sie sich erfreuen, die sie auch nachspielen, die aber nicht das Leben an sich verändern. Hier entspannt sich jedoch ein Unterschied zwischen jüngeren Zuschauern/ Zuschauerinnen, die nach wie vor der Aufmerksamkeit ihrer engeren Umgebung bedürfen, und älteren, für die Serien mittlerweile einen Rang von gesellschaftlich-kultureller Bedeutung einnehmen. Sarah Kumpf erkennt sogar einen Trend zur gesellschaftlichen Selbstpositionierung durch TV-Serien, die, anders als früher, eben keine „intellektuellen „No-go-Areas“ mehr seien, sondern im Gegenteil gerade auch Akademiker/Akademikerinnen ansprächen. Serien als Qualitätsprodukte und Zuschauer/Zuschauerinnen als „Quality Viewer“ – stärker lässt sich der Kontrast zwischen den pädagogischen Vorbehalten der vergangenen Jahrzehnte und der modernen Wahrnehmungsrealität kaum zeichnen.13

Hinsichtlich der hier behandelten Thematik ist daher zunächst festzustellen: Plakative Vorbehalte gegen TV-Unterhaltung und konsumierende Kindergruppen sind verfehlt und werden den vielen Möglichkeiten, die sie Kindern in ihrer Entwicklung bieten, nicht gerecht. Sowohl der Zuspruch als auch die Bandbreite von Serien-Zuschauern/Serien-Zuschauerinnen und Fiktionsinhalten haben sich gesellschaftlich erheblich verbreitert. Kindern ist demnach nicht minder zuzugestehen, was Erwachsene für sich selbst realisieren. Gleichzeitig ist dies eine hervorragende Ausgangsbasis für eine positiv konnotierte Medienarbeit mit Kindern, denn deren Vorliebe an Serien und TV-Unterhaltung allgemein vereint beide Seiten in einem Bündnis gemeinsamen Interesses.

Anhand von Serien lässt sich besonders gut über Ziele und Perspektiven von Handlungen ins Gespräch kommen.

Die Profile der Serienfiguren bieten ein großes Reflexionspotenzial zur Erörterung von Fragen mit Bezug zu kindlichen Lebenswelten:

Entwickelt sich eine Serienfigur wie man selbst oder anders?

Was würde man selbst in dieser Situation tun?

Welche Alternativen in Handlung, Vorgehensweise und Resultat lassen sich erkennen oder skizzieren?

Wie würde man eine Serienepisode selbst inszenieren?

Gerade TV-Serien gestatten alle denkbaren Zugänge der praktischen Medienpädagogik, vom Erstellen eines Drehbuchs oder Theaterstücks, eines Videodrehs, der Inszenierung als Hörspiel oder als Gruppenhandlung.

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Prof. Dr. rer. pol. Stefan Piasecki

Jugendmedienschutzgutachter bei FSK (Wiesbaden) und FSF (Berlin), Kassel

 

Entwicklungspsychologische Betrachtung bei der Mediennutzung von Kindern zwischen 6 und 12 Jahren

Audiovisuelle Medien, wie beispielsweise Kinderserien und -filme, sind ein bedeutender Teil der Lebensumwelt von Kindern und werden auch in religionspädagogischen Bereichen eingesetzt. In welchem Alter verstehen Kinder welche Medieninhalte ohne entsprechende Erklärungshilfen zu benötigen und können präsentierte Inhalte entsprechend verarbeiten?

Die wesentlichste aller Bedingungen zur Medienrezeption ist die Fähigkeit, Medien als Kommunikationsangebot begreifen zu können.

Medienproduzenten/Medienproduzentinnen beabsichtigen, dem Kind etwas über die Welt mitzuteilen.14 Dies kann informativ oder unterhaltend der Fall sein (Kindernachrichten, Kinderfilme usw.). Kinder sollten dementsprechend in der Lage sein, auf dieses Kommunikationsangebot eingehen zu können, indem sie den Inhalt wahr- und aufnehmen. Findet diese aktive Tätigkeit statt, kann von Medienrezeption gesprochen werden.

Kinder lernen und verbessern ihr Medienverständnis kontinuierlich. Anfangs mithilfe von Bezugspersonen, jedoch auch durch selbstgesteuertes, entdeckendes Lernen.15

Um Unterhaltungsmedien, die realistische und fiktive Elemente enthalten, verstehen zu können, muss ein Kind sich in die fremde Erfahrungswelt eines Protagonisten / einer Protagonistin einfühlen beziehungsweise dessen/deren Gefühle rekonstruieren können: Diese Fähigkeit ist jedoch komplex und erfordert hohe sozial-kognitive Kompetenzen des Kindes.

Eine Geschichte, die ein Psychologe Kindern erzählte, verdeutlicht diese Kompetenz. Er stellte Fragen, von deren Beantwortung er sich Erkenntnisse bezüglich ihrer Fähigkeit versprach, sich in unterschiedliche Rollen hineinversetzen zu können:

„Der Vater hatte Holly nach einem harmlosen Sturz verboten, auf Bäume zu klettern. Auf einem Spaziergang entdecken Holly und deren Freundin eines Tages ein hilfloses Kätzchen in den Zweigen eines Baumes. Jemand muss das Kätzchen herunterholen, damit es nicht herunterfällt, und Holly ist die geschicktere Kletterin.“16

6- bis 7-jährige Kinder können sich bereits in die unterschiedlichen Perspektiven der Protagonisten/Protagonistinnen hineinversetzen, jedoch diese Sichtweisen noch nicht in Beziehung zueinander setzen und zwischen ihrer eigenen Bewertung und der fremden Sichtweise unterscheiden. Sie nehmen jeweils einen Standpunkt zur gleichen Zeit wahr.17 In Bezug auf die erzählte Geschichte bedeutet dies: Ein Kind im Alter bis 7 Jahre denkt linear und folgt lediglich einem Erzählstrang. So erkennt es entweder, dass Holly gern das Kätzchen retten möchte, oder versetzt sich in die Lage der Freundin, die nun Angst um Holly hat. Jedoch wird das rezipierende Kind die unterschiedlichen Sichtweisen nicht in Beziehung setzen können. Ebenso wenig würde das Kind die unterschiedlichen Sichtweisen einer einzigen Person reflektieren können.

Ab dem 7. Lebensjahr können Kinder dann die unterschiedlichen Sichtweisen der verschiedenen Protagonisten/Protagonistinnen zunehmend in Beziehung zueinander setzen sowie mehrere Positionen einer einzelnen Person wahrnehmen.18 Das rezipierende Kind wird nun erkennen, dass Holly sich zwischen mehreren Optionen entscheiden muss.

Im Alter von 10 Jahren schließlich ist ein Kind in der Lage, über Beziehungen der Protagonisten/Protagonistinnen untereinander nachzudenken und Perspektivenverschränkungen zu berücksichtigen, außerdem kann es übergeordnete Sichtweisen in Bezug auf die Gegebenheiten analysieren.19 Beispielsweise könnte die moralische Verpflichtung, Schwächeren zu helfen, höher bewertet werden als die Autorität des Vaters, besonders wenn es sich um eine Rezeption in einer christlichen Einrichtung mit entsprechenden christlichen Werten handeln sollte.

Wesentliche personale Bedingungen für den gelingenden aktiven Prozess der Medienrezeption sind nicht nur das Alter, der Entwicklungsstand und die kognitive Leistungsfähigkeit des Kindes, sondern diese basieren auch auf individuellen Erfahrungen, Wissensbeständen, Mediennutzungsmustern und dem emotionalen Grundbefinden des Kindes, seinen Bedürfnissen und dem sozialen und räumlichen Umfeld.20

Betrachtet man allein die selektive Aufmerksamkeitsspanne von Kindern gegenüber dem zu fokussierenden Medieninhalt, so ergeben sich gravierende entwicklungsbedingte Unterschiede.

Mit ungefähr 6 Jahren 21222324