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Klas Mellander

Power Learning

Klas Mellander ist Autor bzw. Koautor der folgenden Produkte und Veröffentlichungen:

„Disco“ (Unterrichtsmaschine) mit Hans Hofvenberg, 1962

„Basic Course in Production Methods“ (Kurspaket), 1967

„Material and Production Control“ (Kurspaket), 1968

„The Psychology of Supervision“ (Kurspaket), 1968

„Technology for High School Students“ (Kurspaket), 1968

„Financial Control“ (Kurspaket), 1969

Job Studies in Production“ (Buch), 1970

„Applied Rationalization“ (Kurspaket), 1970

„Production Planning“ (Buch), 1971

„A Manual for Instructors“ (Buch), 1971

„Get it Together!“ (Kurspaket für die Produktionskontrolle), 1974

„The ABCs of Company Finance“ (Kurspaket), 1976

„Get Your Office Together!“ (Kurspaket für Verwaltungspersonal), 1977

„Detail Planning“ (Simulationsmodell und Kurs), 1977

„Industrial Production“ (Kurspaket) mit Eric Giertz, 1978

„Decision Base“ (Simulationsmodell und Kurs), 1979

„Will Choice Reality“ (Ausbildungsprogramm) für Lars Wiberg, 1979

„Use Your Head“ (Ausbildungsprogramm) für Tony Buzan, 1982

„The Construction Process“ (Buch) mit L. Sundsvik und J. Höjer, 1983

„Project Control - A Manual“ for Building Contractor (Buch) mit

Leif Sundsvik et al, 1983

„Homo Sapiens“ (Film) mit M. Pieschewski und K. Nathanaelson für SAS, 1985

„Basic Course in Production Finance“ (Kurspaket) mit Eric Giertz, 1986

„Management in Times of Change“ (Kurspaket), 1988

„Sesame - The Art of Learning“ (Kurspaket), 1989

„What I Learned from not Learning“ (Kurspaket), 1989

„Marketplace Livon“ (Simulationsmodell und Kurs), 1990

„Business Decisions“ mit C. Ekman und M. Owens, 1991

„Business Precision“ (Borschüre), 1991

„R. O. C. E.“ (Simulationsmodell und Kurs über die Produktivität des Kapitals), 1991

„Apples & Oranges“ (allgemeiner Kurs über Finanzplanung), 1991

Klas Mellander

Power Learning

Die wirksamsten Methoden, damit Lernen richtig Spaß macht

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Martin Rometsch

Für Fragen und Anregungen:

Für Linnéa

Nachdruck 2013

© 1993 by Klas Mellander. All Rights Reserved. First published by McGraw-Hill, New York.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Aus dem Amerikanischen: Martin Rometsch

ISBN Print 978-3-86882-368-4

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter
www.muenchner-verlagsgruppe.de

Inhaltsverzeichnis

Vorworte

Einführung

Danksagung

Kapitel 1: Lernen

Unser spontaner Lernprozess ist viel effektiver als das Lernen im Klassenzimmer oder beim Studium. Wir können also von uns selbst „lernen, wie man lernt“.

Die Mysterien des Lernens werden enthüllt

Aha! Der Lernprozess

Die Suche nach dem Sinn: Das große Bild sehen

Lernen heißt entdecken

Lernen und Wettbewerb

Kapitel 2: Der Weg zum Wissen

Ein herausfordernder Überblick über das, was effektives Lernen fördert oder behindert.

Testen Sie sich selbst!

Beispiele

Fragen

Schlussfolgerungen

Die Hindernisse

Der neue Lernende

„Was ich daraus gelernt habe, dass ich nichts gelernt habe.“

Die Bitte eines Schülers

Menschen wollen lernen

Kapitel 3: Quellen der Inspiration

Wir können eine Menge lernen, wenn wir beobachten, wie pädagogische Grundsätze auf anderen Gebieten angewandt werden.

Die Einflüsse

Das Drama

Die Rhetorik

Die Werbung

Kapitel 4: Abkürzungen

Eine Einführung in die Kunst, pädagogisch zu sein - als Sender und als Empfänger.

Lernen im Schnelltempo

Das große Bild zuerst sehen

Pädagogisches Lektorieren

Pädagogisches Beurteilen

Das Lernen im Team

Mindmaps

Die Kunst des Studierens

Andere Möglichkeiten

Kapitel 5: Die Macht des Lernens

Beispiele erläutern, wie wir den Wert einer Ausbildung und anderer Arten der fachlichen Weiterbildung vorhersagen, überwachen und bewerten können.

Die Beweislast

Die Qualität

Die Bedürfnisse

Ein pädagogischer Vertrag

Das lernende Unternehmen

Literaturverzeichnis

Vorworte

Power Learning

von Warren Bennis

Warren Bennis ist Vorsitzender des Leadership Institute der University of Southern California und Autor von An Invented Life: Reflections on Leadership and Change sowie On Becoming a Leader (Addison-Wesley, 1989 und 1993).

In einer Zeit des stürmischen globalen Wandels hängt die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens mehr denn je von der Lernfähigkeit der Arbeitnehmer ab. Mehr, besser und schneller zu lernen - das ist heute weltweit für jedes Unternehmen eine wichtige strategische Aufgabe und ein betriebswirtschaftlicher Imperativ. Firmen müssen zu Schulen werden.

Lehren heißt, Lernen möglich zu machen. Dieses Bild ist dem Manual for Instructors (1971) von Grahm-Mellander entnommen. Inzwischen sind die Lernenden erwachsen geworden.

Die Idee des „lernenden Unternehmens“ muss jedoch von zwei grundlegenden Faktoren unterstützt werden. Der erste ist die Schlüsselrolle der „pädagogischen Führungspersönlichkeit“, die nicht mehr kommandiert und herrscht. Aus „Machos“ müssen „Maestros“, aus Autokraten Trainer werden. Der zweite Faktor ist die neue Bedeutung der „selbst regulierenden Mitarbeit“, die klare Ziele und die ausgeprägte Fähigkeit, im Team zu lernen, voraussetzt. Diese Aufgabe müssen alle Arbeitnehmer eines Betriebs meistern.

Außergewöhnliche Führungspersönlichkeiten legen besonderen Wert auf Lernen und Entwicklung. Sie versuchen intuitiv zu erreichen, dass ihr Team aus der täglichen Arbeit und den innerbetrieblichen Beziehungen möglichst viel lernt.

Allerdings investieren nur wenige Manager genügend Ressourcen und Energie ins Lernen, verglichen mit dem, was sie für technische Disziplinen aufwenden. Lernen heißt in den meisten Unternehmen, Wissen und Fertigkeiten bewahren - man erwirbt starre Einstellungen, Methoden und Regeln, um mit bekannten und sich ständig wiederholenden Situationen fertig zu werden. Das ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend. Bei dieser Art des Lernens wird die derzeitige Leistung nur mit der früheren verglichen, nicht mit der möglichen oder künftig erforderlichen. Die „Firma als Schule“ braucht neue Kompetenzen. Sie muss Ungewissheit akzeptieren, mit Fehlern rechnen, sich auf die Zukunft einstellen und interpersonelle Fähigkeiten fördern (zuhören, helfen, Wertkonflikte bewältigen und mehr über sich selbst lernen). Wir brauchen heute innovatives, nicht nur bewahrendes Lernen.

Fragen wir uns: In welchem Umfang stützen sich Manager heute auf die Kunst des individuellen und kollektiven innovativen Lernens?

Das ist die grundlegende Frage, mit der dieses Buch sich befasst - und es ist eine tiefgründige Frage, der unser brillanter schwedischer Autor nachgeht. Ich möchte hinzufügen, dass er den größten Teil seines Lebens damit verbracht hat, Menschen zu zeigen, wie sie lernen zu lernen.

Sein Timing könnte nicht besser sein! Mellander schreibt in einem anschaulichen, geistreichen Stil, den jeder Praktiker versteht und der gleichzeitig den Gelehrten zufrieden stellt. Das Buch strotzt vor verblüffenden Beispielen - nicht nur aus der Welt der Wirtschaft, sondern auch aus der Kunst, der Literatur und anderen Gebieten, in die der menschliche Geist vorgedrungen ist. Klas Mellander ist ein Mann nach meinem Herzen.

Ich glaube, dieses Buch kann Führungskräften auf allen Ebenen helfen, wiederum Führungskräfte hervorzubringen - und was könnte heutzutage wichtiger sein als uns beizubringen, wie wir die soziale Struktur eines lernenden Unternehmens mit unserem Herzen und unserem Verhalten aufbauen, führen und verändern? Dieses Buch ist eine Perle. Es zeigt uns allen den Weg in die Zukunft.

In einer Welt des Wandels

von Bo Ekman

Als Leiter der Gruppenentwicklung bei Volvo lernte Bo Ekman viele Jahre lang die Höhen und Tiefen des Geschäftslebens kennen. Heute leitet er das schwedische Institut für Meinungsforschung, das Unternehmen auf der ganzen Welt hilft, neue Strategien zu entwickeln, zu wachsen und vorhandenes Fachwissen zu nutzen.

Der durchschnittliche japanische Arbeiter macht jährlich etwa zwischen 30 und 40 Verbesserungsvorschläge. Ein Montagewerk in Detroit bekommt einen Verbesserungsvorschlag in sieben Jahren.

Nach einer intensiven Werbekampagne verdoppelte Volvo die Zahl der Verbesserungsvorschläge auf einen je Arbeiter und Jahr.

Diese Zahlen sind drastische Beispiele dafür, wie unterschiedlich die Lernfähigkeit und das Lerntempo sein können. Japaner führen neue Techniken und Produktionsverfahren schneller ein als Amerikaner und Europäer.

Unternehmen in der westlichen Welt sind im Laufe der Jahre so organisiert worden, dass sie mit einer stabilen, nicht aber mit einer sich wandelnden Umgebung zurechtkommen. Die Nachteile dieser Organisation sind immer deutlicher erkennbar.

Wir befinden uns mitten in einem schmerzlichen Prozess der Neubewertung alter Ideen. Wir müssen die Logik unserer traditionellen Strukturen infrage stellen und innovativ werden, damit wir die Turbulenzen bewältigen, deren Ursachen Marktschwankungen, technische Fortschritte und sich ändernde soziale Verhältnisse sind. Die Menschen wollen heute Neues lernen, Einstellungen und sogar Wertvorstellungen ändern, mit neuen Menschen zusammenarbeiten, neue Kunden gewinnen und von ihnen lernen.

In dieser Welt des Wandels werden nur Menschen und Firmen überleben, die gelernt haben, effektiv zu lernen. Power Learning geht genau auf dieses Bedürfnis ein und macht allen, die entschlossen sind, sich dem Wandel zu stellen, erprobte pädagogische Grundsätze zugänglich.

Dieses Buch zeichnet sich durch profunde Sachkenntnis aus. Hier erfahren Sie, wie Bildung die Führungsqualitäten und den effektiven Umgang mit dem Wandel fördert.

Einführung

Dieses Buch wurde für Menschen geschrieben, die ihre Lernfähigkeit verbessern wollen, um ihr Leben zu bereichern oder um anderen wirksamer beim Lernen helfen zu können - für Manager, Lehrer, Ausbilder, Verfasser von Artikeln und Memos, Dozenten, Projektleiter, Autoren von Handbüchern, Herstellern von Videofilmen und so weiter.

Dieses Buch begann schon vor über zwanzig Jahren Gestalt anzunehmen. Åke Graham und ich hatten eben A Manual for Instructors veröffentlicht und hielten es für logisch, ein Handbuch des Lernens als „Fortsetzung“ zu schreiben. Dennoch sollten zwei Jahrzehnte vergehen, bis das Buch schließlich das „Licht der Welt“ erblickte.

Wir befinden uns im „Jahrzehnt des Individuums“. Der Respekt vor dem Einzelnen nimmt ebenso zu wie die Einsicht, dass Menschen, nicht Institutionen, die treibende Kraft der Gesellschaft sind. Achtung führt zu Selbstachtung: Die Menschen wollen sich heute engagieren, wirklich engagieren.

Gleichzeitig drohen die Informationsflut und der immer schnellere Wandel selbst die Ehrgeizigsten unter uns zu lähmen. John Naisbitt sagte einmal: „Wir ertrinken in Informationen, aber wir dürsten nach Wissen.“

Wenn wir nicht dem Wissen anderer Leute zum Opfer fallen wollen, müssen wir selbst Wissen erwerben.

Das alles veranlasst die Menschen in Unternehmen aller Art, sich die Frage zu stellen, ob sie auch alles Erforderliche tun, um ihren Mitarbeitern zu helfen. Typische Fragen sind: „Haben sie den Überblick, den sie für die richtigen Entscheidungen brauchen?“ „Verfügen sie über alle notwendigen Informationen, um mit den sich ändernden Verhältnissen Schritt zu halten?“ „Nutzen und fördern wir ihr Fachwissen?“

Wir begreifen allmählich, wie wichtig das Lernen ist: „Die kollektive Lernfähigkeit eines Unternehmens ist für sein Überleben entscheidend“, schreibt Peter Senge in einem neuen Buch. Michael Macoby beschreibt die neue fundamentale Einstellung so: „Alle Menschen brauchen ein Lebensziel, und sie sind bereit, viel für ein Unternehmen zu opfern, das ihr Leben sinnvoll macht.“ Hier sind einige Ideen, auf die immer mehr moderne Unternehmen Wert legen:

Das bedeutet, dass immer mehr Menschen lernen müssen, was Lernen wirklich bedeutet. Sie müssen imstande sein, jene Bedingungen herzustellen, die das Lernen in alltäglichen Situationen erleichtern.

Ich hoffe, dieses Buch trägt dazu bei.

Klas Mellander
Kärrsåhla, Schweden

Danksagung

Ich danke meiner großen Schwester Eva, die mir früh beigebracht hat, wie wichtig Fantasie und Neugier sind.

Hans Hofvenberg, einem Universitätsprofessor, der mein erster echter Lehrer war, danke ich dafür, dass er mich inspirierte, Lehrer zu werden, als ich gerade 18 Jahre alt war.

Mein Dank gilt Åke Graham, M. A., der in all diesen Jahren mein Mentor war.

Ich bedanke mich bei Eric Gierz, D. Eng., der mir in jungen Jahren half zu verstehen, worum es im Geschäftsleben geht und wie die vorherrschende Einstellung zur Unternehmensentwicklung und zum Wandel die Berufsrollen und den Bedarf an Wissen beeinflusst.

Ich danke Krister Nathanaelson (Film- und Fernsehregisseur), der mir mit seinem Gefühl für die Kunst des Erzählens so viel über die Medien und die Grundsätze des Dramas beigebracht hat.

Dank an Michael Pieschewski, der mir so oft half, meine eigenen Ideen zu verstehen.

Dank an Ulf und Cecilia für all ihre Unterstützung.

Dank an meine beste Freundin, Margareta Barchan, die mich klug, kritisch und unablässig inspiriert, so zu leben, wie ich es lehre.

Und Dank an unsere kleine Tochter Linnéa, deren Debüt in dieser aufregenden Welt mich veranlasste, dieses Buch zu schreiben.

Und schließlich danke ich allen, deren unermüdlicher Einsatz dazu beigetragen hat, dass dieses Buch entstand: Ella Lindsjö, Lennart Frantzén und Ray Hartman.

Power Learning

Kapitel 1:

Lernen

Wenn wir nicht wissen, was beim Lernen geschieht, verhalten wir uns möglicherweise sonderbar, sobald wir lernen, studieren oder lehren müssen.

Die Mysterien des Lernens werden enthüllt

Aha! Der Lernprozess

Die Suche nach dem Sinn: Das große Bild sehen

Lernen heißt entdecken

Lernen und Wettbewerb

 

Die Mysterien des Lernens werden enthüllt

Lernen ist im Grunde nur schwierig, wenn wir belehrt werden und studieren müssen! Ansonsten lernen wir offenbar recht mühelos. Wie sonst hätten wir das gewaltige Wissen anhäufen können, das wir besitzen?

Eines Tages fiel mir auf einer belebten Straße eine Dame um die Siebzig auf. Auf ihren Stock gestützt, stand sie da und wartete auf den Bus. Die Linien in ihrem Gesicht hätten von einem Künstler geschnitzt sein können. Enttäuschung, Trauer, Freude, Lebenslust und Alter hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie starrte geradeaus, ohne wirklich etwas zu sehen, und interessierte sich anscheinend überhaupt nicht für ihre Umgebung. Eine Aura von Frieden und Ruhe umgab ihren gebeugten Körper. Auf einmal sah ich sie als altes, seltenes Buch mit abgestoßenem Ledereinband, der unergründliches Wissen und Weisheit einhüllte. Jeder Mensch ist ein Speicher für eine unermessliche Informationsmenge. Was hätte sie uns über all die Menschen erzählen können, die sie getroffen hatte und wieder erkennen würde? Über ihre Erfahrungen, Gefühle, Freundschaften, Zeiten der Einsamkeit und die vielen wichtigen und unwichtigen Ereignisse in ihrem Leben? Über alles, was sie gelesen, gehört, gesehen, verstanden, diskutiert, sich vorgestellt und überlegt hatte? Und das alles ist das Ergebnis dessen, was wir ein wenig kühl „Lernen“ nennen - lebenslanges Lernen.

Wir können uns fragen, welcher Teil ihres Wissens (einerlei, wie wir es messen) die unmittelbare Folge ihrer Ausbildung ist und welcher Teil lediglich die Folge spontanen, unbewussten Lernens tagein, tagaus ist. Selbst wenn sie Professorin für Kernphysik wäre, würde die Antwort lauten: Sie verdankt nur einen extrem kleiner Teil ihres gesamten Wissens ihrer Ausbildung und ihren Studien. Das gilt für uns alle.

Diese Tatsache ist nicht sehr überraschend. Viel erstaunlicher ist die enorme Wissensmenge, die wir spontan erwerben, ohne uns dessen bewusst zu sein und ohne uns sonderlich anzustrengen.

Offensichtlich lernen wir ununterbrochen, spontan und mühelos, was wir in einem Klassenzimmer oder aus einem Lehrbuch anscheinend nicht lernen können. Soll das heißen, dass wir ohne Lehrer leichter lernen? Seltsamerweise trifft das zu. Aber warum?

Unwissenheit verleitet uns, die Dinge zu komplizieren. Dadurch verringern wir unsere Fähigkeit, innerhalb eines Unterrichts bewusst und gezielt zu lernen. Wenn wir verstehen, wie wir spontan lernen, können wir auch besser bewusst und planmäßig lernen.

Wahrscheinlich nehmen Sie manchmal an Besprechungen, Kursen, Konferenzen und Seminaren teil. Sie sitzen da, starren eine schwarze Tafel an und sind mit Ihren Gedanken ganz woanders. Das Gleiche passiert Ihnen vermutlich, wenn Sie über einem Lehrbuch oder einer Beschreibung des neuesten Produkts Ihrer Firma brüten. Da das behandelte Thema Sie nicht interessiert, lassen Sie Ihre Gedanken wandern. Wenn wir nicht wissen, was beim Lernen vor sich geht, verhalten wir uns ziemlich sonderbar, sobald wir belehrt werden oder studieren oder andere unterrichten. Vor vielen Jahren, als ich einen Kurs für Ausbilder in der Industrie abhielt, bat ich die Teilnehmer, eine Unterrichtsstunde zum Thema „Wie man eine Mausefalle aufstellt“ vorzubereiten. Angehörige des Hotelpersonals spielten die Schüler. Das Ergebnis war bemerkenswert, um es vorsichtig auszudrücken. Die Leute waren völlig verwirrt, was angesichts der Anleitung, die sie erhielten, keine Überraschung war. Hier sind ein paar Beispiele:

„Willkommen zu diesem Kurs über das Aufstellen einer Mausefalle. Am Ende des Unterrichts werden Sie in der Lage sein, eine Mausefalle entsprechend der nachfolgend beschriebenen Methode aufzustellen und so weiter, und so weiter.“ „Eine Mausefalle besteht aus folgenden Teilen: Bodenplatte, Feder, Scharnier und so weiter, und so weiter.“ „Um eine Mausefalle aufzustellen, hält man sie zwischen Daumen und Zeigefinger und so weiter, und so weiter.“ Nach einer Weile beschloss ich, den absurden „Unterricht“ abzubrechen. Ich fragte die Ausbilder, was sie ihrer Meinung nach getan hätten. „Na ja - wir haben unterrichtet“, sagten sie. Ich wollte wissen, ob sie auch ihren Kindern so erklären würden, wie man eine Mausefalle aufstellt.

„Natürlich nicht“, erwiderten sie. „Das ist etwas anderes. Hier sollen wir doch Unterricht halten.“ Wir redeten lange darüber und stellten fest, dass wir ganz anders „unterrichten“, sobald wir uns in einem „Klassenzimmer“ befinden. Ein Teilnehmer fasste es so zusammen: „Es ist viel leichter, vernünftige pädagogische Grundsätze einzuhalten, wenn man nicht unterrichten muss.“

Das ist wahrscheinlich wahr. Menschen, die durch Versuch und Irrtum gelernt haben, einen Macintosh zu bedienen, sind oft unfähig, es anderen beizubringen. Die Anleitungen, die sie geben, haben nichts mit ihrem eigenen Lernprozess zu tun. Sie haben diesen Prozess des Experimentierens und Entdeckens bereits vergessen. Ihre Anleitungen sind gekünstelt und mit unnötigen Fakten überladen, und sie geben dem Anfänger kaum Gelegenheit, eigene Erfahrungen zu sammeln. Wird einer dieser „Lehrer“ jedoch gebeten, jemandem bei einem Problem mit dem Computer zu helfen, ohne dass von Unterricht die Rede ist, verhält er sich meist völlig anders und passt sich den Bedürfnissen des anderen an.

Lernende werden im klassischen Unterricht ganz anders behandelt als bei spontanen Anlässen. Fühlen Schüler sich so, wenn sie im Unterricht sitzen? (Nach einer Zeichnung von Lars Åberg)

Etwas Ähnliches können wir beobachten, wenn jemand liest - eine Zeitung, eine Wirtschaftszeitschrift oder ein Buch über sein Lieblingsthema. Das Verhalten dieses Menschen ist immer das gleiche: Er blättert, hält inne, wenn ihn etwas interessiert, liest einiges nur flüchtig, blättert zurück, vergleicht und so weiter. Handelt es sich jedoch um ein Lehrbuch, verhält er sich anders: Er schlägt die erste Seite auf und beginnt mit dem ersten Wort der ersten Zeile zu lesen. Dann liest er Zeile für Zeile weiter. Nach einer Weile schweifen seine Gedanken ab, obwohl seine Augen weiterlesen. Und wenn der ehrgeizige Leser das merkt, geht er zu der Stelle zurück, an der seine Aufmerksamkeit nachgelassen hat, und versucht es noch einmal.

Während eines klassischen Unterrichts können wir uns also nicht so verhalten, wie wir es spontan tun würden. Ich bin davon überzeugt, dass es dafür nur einen einzigen Grund gibt: Die meisten Menschen haben nicht gelernt zu beobachten, und darum wissen sie nicht, wie sie und andere spontan lernen. Die Erfahrung ist vorhanden, aber sie können sie nicht nutzen.

Das Ergebnis ist ein katastrophaler Mangel an Effektivität im Unterricht und beim Selbststudium. Man kann durchaus behaupten, dass der Unterricht mehr Probleme hervorruft, als er löst.

Vieles lässt sich verbessern, und das ist nicht einmal schwierig. Wir müssen nur aufhören, uns allein mit Lehrmethoden zu befassen, und uns stattdessen auf Lernmethoden konzentrieren. Das ist, wie ich zeigen möchte, et was ganz anderes. Bevor wir uns genauer damit beschäftigen, möchte ich einige Begriffe definieren:

Lehren oder Unterrichten: Das Herstellen geeigneter (äußerer) Bedingungen für das Lernen. Dabei werden verschiedene Arten der Information, Übungen, Aufgaben usw. benutzt.

Lernen: Der geistige Prozess, der Wissen vermittelt.

Die Anekdote auf dieser Seite über Tigers kleinen Bruder, der seinem Hund das Pfeifen beibringt, illustriert auf nette Art, dass Unterricht nicht immer einen Lerneffekt hat.

Gemäß einer tief verwurzelten Idee sind Lehrer für das Lehren und Schüler für das Lernen verantwortlich, soweit die Umstände es erlauben. Diese Rollenverteilung hat zu einer äußerst traurigen Situation geführt: Schüler haben sich an den Gedanken gewöhnt, dass sie so gut wie keinen Einfluss auf den Unterricht haben. Sie unterwerfen sich dem Unterricht, statt mitzumachen.

Unterricht hat nicht immer einen Lerneffekt.

Jetzt beginnt die Situation sich zu ändern. Lehrer und Schüler fangen an, sich die Verantwortung für den Unterricht zu teilen. Sie helfen einander, geeignete Bedingungen für das Lernen zu schaffen. Die treibende Kraft ist dabei der Wunsch moderner erwachsener Schüler, ihre Zeit sinnvoll zu nutzen und nicht einfach nur herumzusitzen. Sie suchen nach Abkürzungen und wollen wissen, wie man besser lernen kann.

Der gleiche Wandel ist an den Universitäten und in der Industrie (die viele Hochschulabsolventen aufnimmt) zu beobachten. Auch die Studenten haben Veränderungen bewirkt, denn sie haben heute (dank der Medien, ihrer Reisen und verschiedenen Jobs) ein breiteres Wissensspektrum als die Studenten vor zehn Jahren. Andererseits beginnen die Studenten mit geringerem Grundwissen an den Universitäten. Das ist ein weiterer Grund, die derzeitigen Unterrichtsformen zu überprüfen. Von nun an werde ich Männer und Frauen, die andere unterrichten, meist als „Lehrer“ bezeichnen, einerlei, ob der Unterricht im Klassenzimmer stattfindet oder ein Vortrag, eine Vorführung oder eine Präsentation von Informationen ist. Außerdem benutze ich das Wort „Lernende“ oder „Schüler“ für Kursteilnehmer, Studenten, Auszubildende, Leser von Büchern und so weiter.

Ich habe bereits über das spontane im Gegensatz zum klassischen Lernen und das spontane Lehren im Gegensatz zum klassischen Unterricht gesprochen. „Spontan“ heißt, dass unser Verhalten von Impulsen gesteuert wird, derer wir uns kaum bewusst sind, während „klassisch“ sich auf ein Umfeld bezieht, das „pädagogisch“ gestaltet wurde. Wir können sogar die Begriffe „spontane Pädagogik“ und „klassische Pädagogik“ einführen.

Meine Prämisse lautet: Die spontane Pädagogik ist durchweg wesentlich wirksamer als die klassische, und deshalb hat die klassische Pädagogik viel von der spontanen zu lernen.

Der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman hat einige Bücher geschrieben, die Memoiren ähneln. Darin spricht er immer wieder das Problem des Lehrens und Lernens an. Einige sachdienliche Zitate aus seinen Büchern mögen unsere Ziele und unser Thema zusammenfassen.

Das erste Zitat stammt aus Sie belieben wohl zu scherzen, Hr. Feynman, einer offenen, aber sehr konstruktiven Kritik des klassischen Unterrichtssystems, wie es an brasilianischen Universitäten üblich ist (ob die Kritik mit Ihren Erfahrungen übereinstimmt, müssen Sie selbst entscheiden). Bei einer Abschlussfeier, an der Studenten, Professoren und Vertreter der Stadt teilnahmen, wurde Feynman gebeten, über seine Erfahrungen während seiner einjährigen Arbeit an der Hochschule zu berichten. Er erkundigte sich, ob er sagen dürfe, was er wolle. „Klar - wir sind ein freies Land“, wurde ihm versichert. Er nahm ein Lehrbuch in die Hand, und die Gastgeber nahmen an, er wolle es als gutes Beispiel herausstellen, zumal der Verfasser im Publikum saß. Doch Feynmans erste Worte zeigten, dass er etwas anderes beabsichtigte: „Mit meiner Ansprache möchte ich vor allem darlegen, dass in Brasilien keine Wissenschaft unterrichtet wird.“ Etwas später dann:

Ich hielt das Lehrbuch über die Grundlagen der Physik hoch, das sie benutzten. Nirgendwo in diesem Buch sind die Ergebnisse von Experimenten erwähnt, außer an einer einzigen Stelle, wo erklärt wird, wie weit eine Kugel nach einer, zwei, drei Sekunden und so weiter rollt. Die Zahlen haben „eingebaute Fehler“ - wenn man sie ansieht, glaubt man, sie beruhten auf Experimenten, weil sie ein wenig über oder unter den theoretischen Werten liegen. Das Buch fordert sogar, experimentelle Fehler zu berichtigen. Sehr schön. Wenn man die Größe der Beschleunigungskonstante aus diesen Werten berechnet, erhält man tatsächlich die richtige Antwort. Aber eine Kugel, die eine schräge Ebene hinabrollt, muss zuerst ihre Trägheit überwinden und liefert wegen dieser notwendigen zusätzlichen Energie nur fünf Siebentel des korrekten Wertes. Darum ist dieses einzige Beispiel für experimentelle „Ergebnisse“ einem vorgetäuschten Experiment entnommen. Niemand hatte eine Kugel ins Rollen gebracht, sonst wären diese Resultate nicht zustande gekommen.

„Noch etwas ist mir aufgefallen“, fuhr ich fort. „Wenn ich willkürlich blättere und mit dem Finger auf einen Satz tippe, kann ich Ihnen demonstrieren, worum es geht -warum es sich hier nicht um Wissenschaft handelt, sondern um Auswendiglernen. Darum möchte ich jetzt vor diesem Publikum blättern, den Finger irgendwo auflegen und es Ihnen zeigen.“ Ich tat es und begann zu lesen: „Triboluminiszenz ist das Licht, das Kristalle abstrahlen, wenn man sie zermalmt.“

Ich sagte: „Ist das Wissenschaft? Nein. Hier wird nur ein Wort mit anderen Worten umschrieben. Man erfährt nichts über die Natur - welche Kristalle strahlen Licht aus, wenn man sie zermalmt, und warum? Hat das jemals ein Student zu Hause probiert? Es geht nicht.

Stattdessen müsste es heißen: „Wenn man einen Klumpen Zucker im Dunkeln mit einer Zange zerdrückt, sieht man einen bläulichen Blitz. Das geht auch mit einigen anderen Kristallen. Niemand weiß, warum. Man nennt dieses Phänomen Tribolumineszenz. Jetzt kann ein Student es zu Hause probieren und ein Experiment mit der Natur machen.“ Ich hätte den Finger ebenso gut auf eine andere Stelle des Buches legen können - es war überall das Gleiche.1

Dann schilderte er anhand von Beispielen, wie Studenten, die er kannte, zwar Definitionen herunterleiern konnten, aber jämmerlich versagten, wenn man ihnen Fragen stellte wie: „Was geschieht, wenn Sie einen Klumpen Zucker mit einer Zange im Dunkeln zerdrücken?“

Das zweite Zitat stammt aus What Do You Care About What Other People Think? Es ist ein Tribut an Feynmans Vater und Lehrer sowie an das spontane Lernen. Er berichtet, wie sein Vater an den Wochenenden mit ihm im Wald spazieren ging und andere Väter in der Nachbarschaft dazu brachte, das Gleiche zu tun. (Diese Väter lebten und arbeiteten in New York und kamen nur an den Wochenenden nach Hause.) Einmal erlebte Feynman Folgendes:

Am nächsten Montag, als die anderen Väter alle wieder arbeiteten, spielten wir Kinder auf einer Wiese. Ein Kind sagte zu mir: „Siehst du diesen Vogel? Was für ein Vogel ist das?“ „Keine Ahnung“, antwortete ich. „Das ist eine Drossel. Dein Vater hat dir wohl nichts beigebracht.“

Im Gegenteil. Er hatte mir etwas beigebracht: „Siehst du diesen Vogel? Das ist ein Waldsänger. In Italien heißt er Chutto Lapiddida, in Portugal Bom da Peida, in China Chung-long tah und in Japan Katano Tekeda. Aber selbst wenn du den Namen dieses Vogels in allen Sprachen der Welt kennst, weißt du nichts über ihn - nur, wie Menschen in verschiedenen Ländern ihn nennen. Also schauen wir diesem Vogel einfach zu - darauf kommt es an.“ So lernte ich sehr früh, dass es ein Unterschied ist, ob ich irgendetwas beim Namen nennen kann oder ob ich es verstehe.

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