image

Solarberg Séhel

Besser Kraulschwimmen

image

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Copress Verlag

erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-7679-1201-4).

Erstmals erschienen 2013 unter dem Titel

„Le Guide Du Crawl Moderne“ bei Thierry Souccar Editions

Leitung Lektorat (Originalausgabe): Elvire Sieprawski

Layout und Satz (Originalausgabe): Catherine Julia (Montfrin)

Illustrationen: © Elise Gilles (Paris, http://elisegilles.wordpress.com/)

Infografik: © Idée Graphic (Toulouse)

Umschlagfoto: © Miguel Salmeron/gettyimages

Fotos im Innenteil: © Shutterstock

© 2016 der deutschen Ausgabe:

Copress Verlag in der

Stiebner Verlag GmbH

Hirtenweg 8 b

82031 Grünwald

www.copress.de

Übersetzung aus dem Französischen: Torsten Walter

Redaktion: Niehaus & Stirl, Berlin

Satz (Printausgabe): Dirk Brauns, Berlin

Umschlaggestaltung: Pierre Sick

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch darf nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Copyright-Inhabers vollständig bzw. teilweise vervielfältigt, in einem Datenerfassungssystem gespeichert oder mit elektronischen bzw. mechanischen Hilfsmitteln, Fotokopierern oder Aufzeichnungsgeräten bzw. anderweitig weiterverbreitet werden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7679-2036-1

Für meine Frau, meine beiden Kinder – und meinen Vater, der mir beigebracht hat, wie wichtig es ist, Sport zu treiben.

INHALT

VORWORT

STIMMEN ZUM BUCH

VORAB

Warum ausgerechnet Kraul?

Mein Weg zu Besser Kraulschwimmen

EINLEITUNG

RICHTIG KRAULEN

  1 Die horizontale Wasserlage

  2 Die Auftriebsfähigkeit

  3 Hydrodynamik und Atmung

  4 Körperspannung

  5 Die Körperrotation (Einsteiger)

  6 Die Körperrotation (Fortgeschrittene)

  7 Der Vortrieb der Arme unter Führung der Schultern

  8 Zuglänge versus Gleitphase

  9 Und der Krafteinsatz?

10 Der Beinschlag

11 Der Schwimmer – ein fliegendes Objekt mit wechselnder Körpergeometrie

12 Die Rolle der Schulter

13 Catch – das Wassergreifen

14 Der Unterwasserweg der Hand

15 Die Rückführung des Arms über Wasser

16 Wassereintritt von Hand und Arm

DIE VERSCHIEDENEN KRAULSTILE

17 Kraulen im Wechselschlag (auch Kajakstil oder schultergeführtes Kraulen/Shoulder driven, SD, genannt)

18 Front Quadrant Swimming, FQS (auch hüftbetontes Kraulen genannt)

19 Ganzkörperkraul (Body driven, BD)

20 Gemischter Kraulstil

21 Der Kraulstil Total Immersion

22 Zur Wahl des Kraulstils

FAQ – HÄUFIGE FRAGEN – MEINE ANTWORTEN

23 Seitdem ich mit Pull Buoy schwimme, komme ich nicht mehr voran und ermüde, warum?

24 Sollte man immer denselben Rhythmus schwimmen?

25 Müssen Zug- und Druckphase unter Wasser in S-Form erfolgen?

26 Wie viele Armzüge pro Bahn?

27 Wie tauche ich die Hand am besten ins Wasser ein?

28 Was bedeutet Kraulen im FQS-Stil?

29 Sollte man Frequenz oder Zuglänge den Vorrang einräumen?

30 Was versteht man unter Körperspannung?

31 Was bremst den Schwimmer?

32 Muss man den Kopf wirklich senken oder doch anheben?

33 Sollte die Rückholung des Arms gestreckt oder gebeugt erfolgen?

34 Warum muss man auch unter Wasser auf einen hohen Ellenbogen achten?

35 Warum ist der Übergang von 2er- zu 3er-Atmung so schwierig?

36 Warum hat man manchmal den Eindruck, Rückschritte zu machen?

37 Wie kann ich zeitsparend Körperspannung und Beinarbeit trainieren?

38 Werden beim Schwimmen die Bauchmuskeln trainiert?

39 Wie vermeidet man, den Kopf beim Atmen zu sehr zu heben?

40 Ich neige zum Lavieren, wie kann ich das verhindern?

ELEMENTARE ÜBUNGEN

41 Abschlagschwimmen

42 Der einarmige Pinguin

43 Schwimmen mit geschlossenen Fäusten

44 Der Frogger

45 Den Luftweg des Arms trainieren

46 Der Hai

47 Bremsen lösen

DER WEG ZUR PERFEKTION

48 Freiwasserschwimmen

49 Die vier Achsen des Fortschritts

50 Videoanalyse

51 Der Schwimmer, ein Hybridmotor

52 Gelenkigkeitsübungen

AUSRÜSTUNG UND HILFSMITTEL

53 Der Pull Buoy

54 Flossen

55 Paddles

56 Der Schnorchel

EIN ENDLOSES VERGNÜGEN

57 „It’s like walking!“

58 Die magische Gerade

59 Der Flow

60 Die Motivation

61 Die Macht der mentalen Bilderwelt

62 Der perfekte Bewegungsablauf

63 Die Schwimmkunst

64 Trainingstagebuch der Sinne

NACHWORT

GLOSSAR

TRAININGSPYRAMIDEN

BIBLIOGRAFIE UND WEBSITES

image

VORWORT

Bücher, die ins Detail gehen, sind etwas Wunderbares, und das vorliegende Buch konzentriert sich voll und ganz auf Details. Darin liegt sein großer Gewinn. Ganz gleich, ob man auf die Weltspitze zielt oder zum Vergnügen schwimmt: Es sind die Details, die den Unterschied machen.

Die besten Schwimmer der Welt erreichen ihre Leistungen durch physiologische Eigenschaften. Das ist zumindest einmal ein Ausgangspunkt. Bei mir zum Beispiel war das als Kurzstreckler meine Schnelligkeit. Doch sobald man diese Eigenschaften entdeckt hat, die einem von Geburt an gegeben sind, muss man sie mit den geeigneten Trainingsmethoden verbinden. Und die Recherche nach den Details, die einen Schwimmer weiterbringen, nimmt nie ein Ende!

Meine beste 100-m-Zeit erreichte ich mit 29 Jahren – das war im Sommer 2013 in Barcelona.1 Aber Jahr für Jahr entdecken wir neue Methoden, um uns zu verbessern. Bei Licht betrachtet, ist eine Karriere wohl einfach zu kurz, um die eigenen Möglichkeiten wirklich zu hundert Prozent auszuschöpfen. Ich würde sagen, dass ich physiologisch durchaus bestimmte Niveaus erreicht habe, doch unter Berücksichtigung bestimmter technischer Details hätte ich noch schneller schwimmen können. Dazu zwei Beispiele.

Heute2 konzentriere ich mich auf die Achse zwischen Hand und Schulter, denn gegen Ende des Rennens ermüdet man und neigt zum „Überkreuzen“. Man muss sich allerdings ziemlich anstrengen, um die Hand in gerader Linie über bzw. vor der Schulter zu halten und einen möglichst geraden Zug durchzuziehen, wie es der Verfasser dieses Buches sehr gut erklärt. Das zweite Beispiel: Als Sprinter muss ich einen möglichst explosiven Zug unter Wasser anstreben sowie eine möglichst entspannte Bewegung über Wasser. Auch das ist ein Punkt, der in diesem Buch sehr deutlich hervorgehoben wird. Vor allem durch die detailreiche Analyse erweist es sich als äußerst nützlich, sowohl für erfahrene Schwimmer wie für Anfänger.

Das Wasser ist die einzige Umgebung auf der Erde, in der man sich schwerelos bewegen kann, und beim Schwimmen bekommt man keine Schläge auf den Körper (höchstens in übertragenem Sinne). Wenn man seine Atmung erfolgreich unter Kontrolle gebracht und sein Gleichgewicht im Wasser gefunden und gezähmt hat, erreicht man die Komfortzone des Gleitens. Ab diesem Moment kann man länger schwimmen und seine Zeiten verbessern. Ganz gleich, mit welchen Schwimmern ich spreche, ganz gleich, welche Leistungsklasse, alle haben dieses Gefühl. Das große Verdienst des Buchs von Solarberg Séhel ist es, uns dieses Glücksgefühl zu verschaffen, egal ob über 200 Meter, 500 Meter oder 2500 Meter.

Fabien Gilot
Olympiamedaillengewinner über 4 x 100 m Freistil (London 2012)
Doppelweltmeister über 4 x 100 m Freistil und 4 x 100 m Lagen
(Barcelona 2013)

1 Am 28. Juli 2013 holte Fabien Gilot zusammen mit Yannick Agnel, Florent Manaudou und Jérémy Stravius in Barcelona vor den USA und Russland den Weltmeistertitel in der 4 × 100-m-Staffel. Fabien Gilot hatte die schnellste Einzelzeit aller Teilnehmer in 46,90 s, was Frankreich innerhalb des Rennens, das ungünstig begonnen hatte, wieder an die Spitzengruppe des Feldes heranführte; Schlussschwimmer war dann ein brillanter Jérémy Stravius.

2 7. November 2013.

STIMMEN ZUM BUCH

Dieses Kraulbuch ist aus dem Blog „Spaß am Schwimmen“ hervorgegangen und analysiert vollständig und sehr methodisch den Kraulstil. Dabei finden alle Aspekte der Technik Beachtung: die horizontale Wasserlage, der Unterarmeinsatz, die Atmung, der Beinschlag etc. Weiter geht der Autor sehr genau auf die unterschiedlichen Kraularten, das verwendete Material und verschiedene Trainingsvorschläge ein.

Es handelt sich um eine ziemlich einzigartige Arbeit mit einem sehr viel detaillierteren Ansatz als in anderen Schwimmbüchern. Die Schwimmer, die es zur Hand nehmen, können sicher sein, verschiedene Methoden zur Verbesserung aufgezeigt und immer wieder neue Ideen zum Realisieren zu bekommen.

Alles (oder fast alles), was Sie jemals über das Kraulen wissen wollten! Das Buch richtet sich vor allem an Menschen, die schon schwimmen können und nun ihre Kraultechnik perfektionieren, mehr Spaß im Wasser haben und ihre körperliche Kondition durch das Schwimmen weiterentwickeln wollen.

Der Autor, selbst begeisterter Schwimmer, übersetzt seine Kenntnisse und seine Lust am Schwimmen in eine einfache und lehrreiche Sprache – praktische Übungen, Ideenaustausch, Studien und einige weiterführende Gedanken steigern den Wert des Buches zusätzlich.

Matthieu Chadeville
Inhaber der Website www.natationpourtous.com und
Autor des Schwimmbuchs Méthode d’entraînement pour tous
(Trainingsmethoden für alle, erschienen bei Editions Amphora)

Ein sehr detailliertes Werk über das Schwimmen für alle, die schon schwimmen können. Der Autor zerlegt das Schwimmen, die Rolle jedes Körperteils, die Synchronisierung aller Bewegungen, die häufigsten Fehler und wie man sie mit Übungen herausfinden und korrigieren kann. Das Buch bietet Ratschläge und Ideen im Überfluss.

www.nageurs.com

VORAB

Mit meinem Blog leplaisirdenager.blogspot.com, den ich 2009 gegründet habe, versuche ich den Lesern genau die Art von Information zu bieten, die ich selbst gern zur Verfügung gehabt hätte, als ich mit dem Kraulen begann.

Damals, also vor mehr als 25 Jahren, fand ich in den Büchern keine zufriedenstellenden Antworten auf meine Fragen zur Kraultechnik, und Internet und youtube gab es noch nicht. Der Zugang zu Schwimmvideos, insbesondere in Zeitlupe und mit Unterwasseransichten, war sehr begrenzt, und ich musste alle Mängel an meinem Stil selbst erkennen und bekämpfen, um ordentlich kraulen zu können und Spaß am Schwimmen zu finden.

Seit diesen Zeiten hat sich die Informationsbeschaffung enorm vereinfacht. Mit modernen Online-Videos kann man heutzutage die Technik der Spitzenschwimmer ganz leicht analysieren – wenn man weiß, wie sie zu deuten sind. Denn durch eine Fehlinterpretation der Bilder kann man Fehler noch verschlimmern statt sie zu korrigieren.

Nichts und niemand wird jemals einen guten Trainer ersetzen können, der die Schwimmtechnik seiner Schützlinge perfekt kennt. Leider hat nicht die ganze Welt solche Spitzentrainer, viele passionierte Amateure müssen sich mit normalen Schwimmbadzeiten ohne technische Aufsicht begnügen. Besonders für diese Schwimmer ist dieses Buch (und mein Blog) gedacht. Ob Sie nun schon lange oder erst kurz schwimmen, als Triathlonprofi oder Amateur, als Exschwimmer, der sich dem Sport wieder zuwenden und seinen Stil aktualisieren will – oder einfach regelmäßig dem Spaß im Wasser mit mehr Leichtigkeit frönen wollen –, für Sie habe ich dieses Buch geschrieben!

WARUM AUSGERECHNET KRAUL?

Ich habe dieses Kompendium aus mehreren Gründen dem Thema Kraulschwimmen gewidmet:

Bei Kraulschwimmen handelt es sich immer um eine technische Schwimmart, egal welches Niveau man anlegt. Während man Brust- und Rückenschwimmen bereits ohne große Technik praktizieren kann, erfordert das Kraulen schon sehr früh die Beherrschung zahlreicher Parameter. Nicht umsonst können kaum neun von zehn Franzosen 100 Meter hintereinander kraulen (ich glaube, dass diese Statistik angesichts der Öffnungszeiten der öffentlichen Bäder noch optimistisch ist).

Kraulen ist die Königsdisziplin beim Schwimmen, was von dem sehr vorteilhaften Kraft-Leistungs-Verhältnis, Effektivität und Effizienz herrührt; zudem ist es der schnellste aller Schwimmstile, weshalb es auch im Triathlon überwiegend zum Einsatz kommt.

Aus persönlichen praktischen wie auch analytischen Gründen ist es meine Lieblingsdisziplin. Kraulen erfordert ein großes Maß an Arbeit in Sachen Reflexion und Analyse, das alle anderen Stilarten übersteigt; außerdem ein großes Maß an technischer Körperbeherrschung – das ist umso wahrer, je später im Leben man sich dem Kraulen widmet. Bei Beobachtungen in öffentlichen Schwimmbädern außerhalb der Trainings- und Vereinszeiten fällt auf, wie wenig die Schwimmer die fundamentalen Körperbewegungen und -haltungen des korrekten Kraulens beherrschen. Diese fehlenden Kenntnisse zu vermitteln, ist eine Herausforderung, die ich mir mit dem vorliegenden Buch zur Aufgabe gemacht habe.

Besser Kraulschwimmen richtet sich an alle Schwimmer, die ihre Technik verbessern wollen. Das geht weit über die bloße Beschreibung der Bewegungen hinaus, wie man sie in den meisten Schwimmlehrbüchern findet, die ich kenne. Das Buch geleitet den Leser durch die Bewegungsbeschreibung, versucht ein Körpergefühl für diese Bewegungen zu vermitteln, bespricht Fehler wie nötige Korrekturen und vergleicht in detaillierter Analyse die verschiedenen Ausprägungen des Kraulens. Darüber hinaus bietet es zahlreiche Illustrationen, um das Begreifen und Verinnerlichen des geschriebenen Wortes zu erleichtern, also das Wie und Warum jedes Aspekts beim Kraulen.

MEIN WEG ZU „BESSER KRAULSCHWIMMEN“

Ich habe Schwimmsport und Triathlon viele Jahre lang auf Amateurniveau betrieben und hatte das Glück, dass mir das Schwimmen sehr leicht fiel. Als man mich bat zu erklären, was für gutes Kraulschwimmen nötig sei, entschied ich mich für die Annahme der Herausforderung, auch weil es bisher kein einziges französischsprachiges Werk gab, das diese Frage ernsthaft und vollständig beantwortet hätte.

Also verbrachte ich mehrere Jahre mit der Lektüre der Referenzwerke zu diesem Thema und mit der Analyse der entsprechenden Videos; ich führte viele erhellende Gespräche mit anderen Schwimmern und Trainern und ermittelte im „Selbstversuch“ auch die geringsten Details dieser Schwimmart. Aufgrund all dessen gründete ich meinen Blog, und das Feedback meiner ersten Leser, darunter auch Trainer, bestätigte mich in der Auffassung, dass meine Erläuterungen von Nutzen waren. Durch meine Ratschläge konnten zahlreiche Schwimmer ihre Kraulleistungen verbessern und hatten mehr Spaß am Schwimmen.

Meine Entscheidung ermöglichte mir außerdem, meine eigenen mehr oder weniger schwerwiegenden Defizite zu erkennen, die ich vorher trotz jahrelanger Ausübung des Sports nicht bemerkt hatte. Darüber hinaus entdeckte ich noch andere Kraulstile, die ich im Verein nie gelernt hatte.

Ich erinnere mich noch oft – zugegebenermaßen ohne große Wehmut – an die zahllosen Bahnen, die ich im Alter von sechs oder sieben Jahren in den Sommerferien frühmorgens im kalten Wasser wie eine Presswurst in meinem engen Badeanzug im Becken ziehen musste, immer eine paar verzweifelte Zentimeter hinter der Haltestange des Cheftrainers. Niemals hätte ich gedacht oder geahnt, dass Kraulen eines Tages zum Quell solcher Freude und Befriedigung für mich werden würde.

Ich wünsche allen Lesern dieselbe Fülle an positiven Emotionen – so früh und so lange wie möglich!

image

EINLEITUNG

Gut Kraulschwimmen zu wollen, ist tatsächlich eine besondere Herausforderung! Es erfordert viel aufopferungsvolle Arbeit, denn der Schwimmer muss eine effiziente Kombination hochtechnischer Bewegungen absolvieren und dies in einer Umgebung, die nicht unser vertrautes Element ist.

Im Laufe der Jahre ist aus dem modernen Kraulschwimmen ein hochentwickelter Wettkampfsport geworden, in dem sich gleich mehrere Stile ausgeprägt haben.

Dieser Ratgeber hat es sich zum Ziel gesetzt, einerseits die Grundlagen des Sports zu erklären, aber vor allem darüber hinauszugehen und diese Schwimmart durch Begreifen und Beherrschen der verschiedenen Stile zu perfektionieren.

Ein fundamentaler Vorteil für Fortschritte in dieser Richtung ist es, quasi Autodidakt zu sein – weil es einem erlaubt, das Selbstentdeckte und den Grund dafür zu begreifen. Ohne diese Einsichten würden Ihre Fortschritte verlangsamt oder ganz gestoppt. Ich glaube nicht, dass man, wie gemeinhin angenommen, für gute Schwimmergebnisse – insbesondere beim Kraulen – schon im Kindesalter ein überragender Schwimmer gewesen sein muss (Fabien Gilot begann seine Schwimmkarriere ernsthaft erst mit 16 Jahren!). Mein Ehrgeiz ist es, dem Leser mit diesem Leitfaden eine Synthese der aktuellen Kenntnisse zum modernen Kraulen in einfacher, synoptischer und pädagogisch überzeugender Form zu präsentieren.

Das Buch wird Ihre Sicht auf das Kraulen mit Gewissheit nachhaltig verändern. Es wird Ihnen neue Horizonte und Empfindungen eröffnen. Ich könnte wetten, dass Sie nach der Lektüre anders schwimmen werden als zuvor und auch Wettkämpfe wie etwa Weltmeisterschaften mit anderen Augen sehen werden. Dann hätte ich mein Ziel erreicht.

Eine der Faszinationen des Kraulsports ist das weite Feld an Verbesserungsmöglichkeiten, um den Spaß am Schwimmen zu steigern und es bis ins fortgeschrittene Alter als Kraftquelle für ein gesundes langes Leben zu nutzen.

KAPITEL 1

RICHTIG KRAULEN

Wie kann man das Kraulschwimmen definieren? Die folgende Definition ist in meinen Augen für Einsteiger sehr gut geeignet, weil sie alle charakteristischen Eigenschaften dieses Schwimmstils aufgreift.

Beim Kraulen handelt es sich um eine ventrale Schwimmart (das heißt, der Bauch liegt sozusagen auf dem Wasser auf) in horizontaler Ebene, bei der zwischen einer entspannten Seitenlage rechts und links gewechselt wird.

Diese Definition hat vor allem einen pädagogischen Vorteil: Wenn man nämlich einen Kraulanfänger beobachtet, dann fällt vor allem die Unbehaglichkeit des Schwimmers auf: Er zappelt wie ein Fisch (im negativen Sinn!), das heißt hier: mehr Seitwärtsbewegung als Vortrieb. Er scheint sich ständig im Ungleichgewicht zu befinden, stößt sich auf einer Seite vorwärts, um ein Ungleichgewicht auf der anderen Seite auszugleichen; dabei schlagen die Beine zum Teil hektisch vor sich hin, jedoch ohne Ziel oder Effizienz. Fast wie ein Elefant, der laufen lernt: Die Aneinanderreihung der Schritte ist scheinbar nur ein Abfolge von gerade noch vermiedenen Stürzen.

Im Gegensatz dazu weiß der guter Kraulschwimmer, sich richtig zu positionieren: Sein Körper bleibt stabil in der Horizontale, so wie ein Schiff einem Flusslauf folgt. Der Körper bleibt seiner horizontalen Achse treu und jede ausgeführte Bewegung erzeugt Vortrieb und nichts anderes, keine Energieverluste, keine Hektik oder Panik.

Darin entspricht die genannte Definition genau dem wichtigsten Ziel des Schwimmers: horizontale Vorwärtsbewegung auf dem Wasser ohne Verspannung und Unbehaglichkeit. Wenn einem das gelingt, beherrscht man bereits den Großteil des Kraulschwimmens. Die reale Leistung resultiert anschließend aus dieser „Komforthaltung“ und der optimal beherrschten Horizontallage.

In diesem Buch werden wir aber auch sehen, dass und wie das Kraulschwimmen andere wichtige Charakteristika beinhaltet, die sich vor allem von denen beim Schmetterling und Brustschwimmen unterscheiden (Rückenkraul, umgangssprachlich „Rücken“, ist im Prinzip nichts anderes als umgedrehtes Kraulen). Zwei Charakteristika erheben das Kraulschwimmen in Sachen Effizienz über die zwei anderen Schwimmstile:

Die Rückführung des Arms erfolgt durch die Luft, also mit wenig Widerstand.

Der Schwimmer profitiert quasi permanent von der Traktion im Wasser, es gibt keinen Totpunkt, keine Auszeiten, keinen Leerlauf.

Wir werden sehen, wie man aus einer guten Kraultechnik von diesen beiden Charakteristika profitieren kann, wohingegen eine schlechte Technik dem Schwimmer diese beiden Vorteile verwehrt.

1 DIE HORIZONTALE WASSERLAGE

Beim Kraulen ist die horizontale Wasserlage absolut ausschlaggebend. Das ist der erste Schlüssel beim Erlernen des Kraulstils: Sie müssen es schaffen, im Wasser ein gutes horizontales Gleichgewicht zu finden. Solange man diesen Aspekt nicht beherrscht, hat es keinen Sinn fortzufahren. Es ist nämlich ganz einfach: Sobald der Körper aus dieser Horizontalen abweicht, entstehen Reibungskräfte, die den Schwimmer abbremsen (siehe Abb.). Diese negativen Kräfte nehmen proportional zum Quadrat des Tempos zu (das heißt, wenn ich meine Geschwindigkeit verdoppele, multiplizieren sich diese Bremskräfte mit 4!); da begreift man, weshalb jeder Versuch, ohne horizontale Wasserlage schneller kraulen zu wollen, fruchtlos bleiben muss. Hier handelt es sich um das erste Hindernis, das sich Kraulschwimmern auf Anfängerniveau entgegenstellt: Wie schaffe ich es, meine horizontale Wasserlage auch bei dynamischer Betätigung beizubehalten.

Die horizontale Bauchlage scheint vielleicht einfach und beherrschbar. In Wahrheit ist sie das aber für fast alle Schwimmer keineswegs; im Gegensatz dazu ist die Horizontale in Rückenlage viel einfacher.

Die Bauchhorizontale stellt anatomische Probleme für den menschlichen Körper dar, besonders während der Kraulbewegung, weil diese Stellung absolut unnatürlich ist. Als Nachweis empfehle ich den folgenden Test:

image

Je größer der Winkel zur Wasseroberfläche, umso mehr Reibungsfläche. In der Abbildung liegen das Becken und die Beine des Schwimmers sehr weit unter der Horizontalen, diese Absenkung erzeugt das Phänomen eines Schleppankers mit enormer Bremswirkung.

image

ÜBUNG

Stellen Sie sich ganz gerade und aufrecht hin, strecken Sie beide Arme gerade über dem Kopf aus und versuchen Sie, Ihren Blick auf die Zimmerdecke zu richten. Was fühlen Sie? Wenn Sie wie die Mehrheit der Menschen die Biegsamkeit Ihrer Kindheit verloren haben, müssten Sie Spannungen im Nacken und im Lendenwirbelbereich spüren, und Ihr Becken müsste nach vorn kippen.

Exakt dasselbe passiert im Wasser: Die Streckung der Arme und der nach vorn gerichtete Blick sollte den Schwimmer im Wasser dieselben Spannungen empfinden lassen. Dazu kommen die tendenziell absinkenden Beine (weil das Becken wegen mangelnder Flexibilität nach vorn kippt).