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Nr. 58

 

Piraten der USO

 

Ronald Tekener auf hoher See – sein Schiff ist der Schrecken des Meeres

 

von Hans Kneifel

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der USO schreibt man Ende März des Jahres 2841 Standardzeit. Somit sind seit dem Ende der Condos Vasac rund 432 Jahre vergangen.

Oberst Ronald Tekener und Oberstleutnant Sinclair M. Kennon, die beiden Asse der USO, sind noch immer am Leben und aktiv im Einsatz – der eine dank seinem lebenserhaltenden Zellaktivator und der andere aufgrund der weit fortgeschrittenen Biochemie, die seinem organischen Gehirn im Robotkörper eine nach Jahrhunderten zählende Lebenserwartung verschafft.

Nach Abschluss des Falles »Daseinslöscher« haben Tekener und Kennon wieder ihre Identitäten als Chefs der Unabhängigen Hilfsorganisation für Bedrängte angenommen und widmen sich ihren Geschäften auf Satisfy, der UHB-Zentrale.

Doch die beiden USO-Leute können sich nur eine kurze Ruhepause gönnen. Ein neuer Fall wird an sie herangetragen. Es geht um das mysteriöse Verschwinden eines Biologen und Chemikers und vor allem um das Produkt seiner Forschungen: ein Virus, mit dem man die Bevölkerung ganzer Welten versklaven kann.

Ronald Tekener hat die Pflicht, solches mit allen Mitteln zu verhindern. Er greift ein und wird zum PIRATEN DER USO ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ronald Tekener – Piratenkapitän der USO.

Caryon von Acraniath – Ein Mädchen sucht ihren Vater.

Ghort – Häuptling eines Nomadenstammes von Anoplur.

Ecardin von Acraniath – Caryons jüngerer Bruder.

Sinclair M. Kennon – Tekeners Kollege greift ein.

1.

 

Das Licht des gelben Mondes Zherkopas lag auf dem Wasser. Die kleinen Wellen ließen die Strahlen zersplittern; es bildeten sich Tausende kleiner Blitze. Unter der Krone eines unglaublich verwitterten L'apishbaumes sahen Ronald Tekener und Caryon von Acraniath das Schiff liegen. Es schaukelte unmerklich in der Dünung.

Wie ein Schwarm funkelnder Lichter stoben Libellen nach unten. Sie begannen jetzt, mitten in der Nacht, nach Insekten zu jagen.

Tekener drehte sich halb herum und murmelte:

»Das muss das Schiff sein, von dem die Eingeborenen von Anoplur sprechen. Gehen wir hinunter, aber vorsichtig und leise.«

»Alles sieht sehr verlassen aus!«, flüsterte Caryon.

Sie hatten nur einen abendlichen Spaziergang machen wollen, aber dann waren sie an diese Stelle der Insel Digenes gekommen und hatten das Schiff entdeckt – und die Stufen einer Treppe. Sie war in den Felsen geschlagen worden; Tekener vermutete allerdings, dass man vor geraumer Zeit den Felsen mit Vibratoren oder Ultraschallgeräten bearbeitet hatte.

Die neun Krieger und ihre Crowdys schliefen oben im Labor. Caryon und Ronald waren allein. Tekener zog die Waffe, die er im Labor gefunden hatte, entsicherte sie und nahm Caryon an der Hand. Noch immer regte sich dort unten in der länglichen Bucht nichts. Nur der ablandige Wind bewegte die Blätter der Bäume. Ein schmaler Wasserlauf stürzte sich terrassenförmig über ausgewaschenen Stein in die Bucht. An seinem Ende raschelten Schilfhalme und trockene Riesengräser. Eine unheimliche Stimmung ergriff von den beiden Menschen Besitz.

»Wir suchen den Herrn der Entfernung, und vielleicht haben wir einen Schlüssel zu seinen Geheimnissen gefunden«, sagte Tekener. Er hatte sich von dem rasenden Ritt durch das Watt gut erholt, aber er war der Lösung seiner Aufgabe nicht um einen Schritt nähergekommen.

Schritt um Schritt stiegen sie die Treppe hinunter. Sie war nicht breiter als einen Meter. Die Finger Caryons lagen aufgeregt in Tekeners Hand. Das akonische Mädchen ließ sich von der geheimnisvollen Stimmung stärker beeinflussen als Tekener. Neben kühlen Felswänden, an den Zweigen der L'apishbäume vorbei, immer tiefer hinein in das Halbdunkel, das vom Widerschein des Mondes aufgehellt wurde, stiegen sie abwärts. Je tiefer sie kamen, desto kühler wurde es, desto mehr roch es nach Fisch, Brackwasser und Sand. Jetzt fiel Ronald auf, was er vermisste: das Knarren von Planken und die Geräusche, mit denen Takelage und Rigg gegeneinander und gegen Schiffsteile schlugen. Was war das? Was hatten sie hier entdeckt? Welche Geheimnisse hob der Planet noch für sie auf?

»Leise!«, sagte er und legte den Lauf der Waffe an die Lippen.

Caryons graugrüne Augen schienen aufzuleuchten. Sie nickte leicht und folgte ihm am Ende der Treppe auf ein breites Felsenband, das eine natürliche Mole bildete. Undeutlich erkannte Tekener, als sie auf leisen Sohlen weiterschlichen, dass auch hier der Fels bearbeitet worden war. Ziemlich flüchtig zwar, aber wirkungsvoll. Sorgfältig hingegen waren die Poller herausgearbeitet, um die dünne Trosse lagen. Ronald bückte sich, den Bug des Schiffes vor Augen, und seine Finger fuhren über die Taue.

»Kunststofffasern. Vermutlich mit Stahleinlage!«, flüsterte er ins Ohr des hübschen akonischen Mädchens.

»Das bedeutet ... der Besitzer dieses Schiffes ist kein Zherkoper.«

»Richtig!«, stimmte Tekener zu.

Er richtete sich wieder auf. Als er langsam in die Richtung auf das Ende der Bucht ging, deutete die Mündung seiner Waffe ständig auf das helle Deck des Schiffes. Stehendes und laufendes Gut glitten an ihm vorbei, Wanten und Winschen, Blöcke und die hervorragend gearbeitete Reling. Er kam zum Heck des Schiffes. Der Spiegel war abgerundet, und in den Schriftzügen des Planeten Anoplur stand dort deutlich zu lesen:

 

CATEN TH ROCH

 

»Also ist dies das gefürchtete Piratenschiff!«, stellte Tekener fest. Er deutete auf eine künstlich erweiterte Grotte im dunklen Felsen und sagte:

»Verstecke dich dort, Caryon. Ich untersuche das Schiff!«

»Aber ... die Wachen! Sie werden dich überwältigen!«

Er schüttelte nur den Kopf und wartete, bis die schlanke Gestalt in der weißen Kleidung der Wüstennomaden in der Dunkelheit verschwunden war. Dann steckte er die entsicherte Waffe in den Gürtel, hielt sich an einem der steinernen Poller fest und turnte mit schnellen Schritten zum Schiff hinüber, indem er auf einem der Taue balancierte. Das Tau hing tief durch, als sein Gewicht das Schiff an den Felsen heranzog, aber genau in dem Augenblick, da Ronald das Gleichgewicht verlor, erreichten seine ausgestreckten Hände die Reling. Mit einem einzigen Schwung landete er fast völlig geräuschlos an Deck. Augenblicklich hielt er die Waffe wieder in der Rechten.

Das Beiboot, säuberlich an Davits vertäut – er hob die helle Plane hoch. Leer! Niemand befand sich an Deck. Nur sauber aufgeschossenes Tauwerk lag neben den Bullaugen und den länglichen Glasfenstern. Sein Verdacht erhärtete sich. Dieses Schiff war mit einiger Sicherheit vom Vater des Mädchens hierher gebracht worden, denn die Technologie des Planeten Anoplur, des zweiten von sechs Planeten der Sonne Notone, kannte keine Leichtmetall-Profilmasten, keine seewasserbeständigen Legierungen, aus denen man die Drahtseile für das stehende Gut zog, keinen Kunststoff und nur ein Fünftel der technischen Tricks, die man brauchte, um ein solches Schiff zu bauen. Aber wozu, beim gelben Mond Zherkopas, brauchte der sechzigjährige Mesotard von Acraniath ein solches Schiff, das zudem auch noch das gefürchtete Piratenschiff des Archipels war?

»Ich verstehe nichts!«, murmelte Tekener und glitt wie ein weißer Schatten weiter über das Deck. Der erste Niedergang, an den er kam, war sorgfältig verschlossen, mit einem Sicherheitsschloss natürlich, das ebenfalls nicht auf Anoplur entstanden sein konnte. Also war dieses Schiff auf einem akonischen Planeten gebaut und hierher geschafft worden.

Der Niedergang im Vorderschiff war ebenfalls verschlossen. Ein zweites, größeres Beiboot war kieloben auf dem Dach der langgestreckten Kajüte angeflanscht. Eine dritte Öffnung gab es nicht. Tekener sah sich noch einmal um und suchte die Schatten der Umgebung nach Bewegungen, einem verräterischen Licht oder Geräusch ab, dann blieb er auf dem Vorschiff stehen und rief leise:

»Caryon!«

Sie kam langsam aus dem Versteck hervor und rief zurück:

»Ja? Niemand an Bord?«

»Nein!«, sagte er und lachte kurz. »Komm rüber!«

Noch immer rechnete er damit, dass ein bisher unsichtbarer Wächter auftauchen würde. Aber hier schien alles verwaist und leer zu sein. Mesotard hatte sein Labor verlassen und seine Geheimnisse mit sich genommen.

Tekener ging zur Reling, zog mit allen Kräften an dem Tau und bewegte die Bordwand des Schiffes, das etwa zwanzig Meter lang war, an die Mole heran. Ein Fender knirschte, dann ergriff Tekener die Hand des Mädchens und half ihr an Deck. Sie sahen sich an.

»Leer! Ausgestorben!«, sagte Tekener leise. »Wir untersuchen es. Ich habe da eine Überlegung, als würden wir ...«

Er beendete den Satz nicht.

Ein wuchtiger Fußtritt sprengte die Tür des vorderen Niederganges auf. Tekener turnte hinunter und sah sich um. Seine Finger tasteten über die Wände, fühlten das geölte Holz, glitten über Befestigungen und berührten dann den Kunststoff eines röhrenförmigen Gegenstandes. Er fand einen Druckschalter und verstand. Sekunden später flammte das Licht eines starken Handscheinwerfers auf und beleuchtete den Boden des Kajütenvorraumes. Ein schneller Rundblick zeigte der Akonin und dem Terraner, dass dieses Schiff hervorragend eingerichtet war. Ein Könner schien es ausgestattet oder geplant zu haben. Langsam gingen sie weiter. Sie entdeckten eine Reihe von Kajüten, eine Messe, einige Stauräume, die mustergültig aufgeräumt waren, obwohl die Gegenstände, die dort lagerten, häufig benutzt worden waren.

»Unter den Männern deines Vaters müssen einige Leute gewesen sein«, sagte Tekener leise, »die vom Segeln eine Menge verstehen.«

»Den Eindruck habe ich auch«, erwiderte sie, als sie ihren schnellen Gang durch die Räume beendet hatten. »Ecardin, mein Bruder, war eine Zeitlang ein begeisterter Wassersportler.«

In der Mannschaftsmesse entdeckte Tekener eine Falltür, in die ein extrem flacher Ventilator eingebaut war. Die Lüfterwelle rotierte und erzeugte einen starken Luftstrom. Tekener öffnete das Luk, schaltete die Beleuchtung ein und turnte hinunter. Als er zwanzig flache Stufen überwunden hatte, stieß er einen schrillen Pfiff der Überraschung aus.

»Ich würde es nicht glauben, wenn man es mir erzählt hätte!«, sagte er zu Caryon, die ihm gefolgt war. Dicht über dem Kiel des Schiffes befand sich ein durchgehender Maschinenraum. Er war peinlich sauber. Schwere Energieerzeuger, eine Turbine, mehrere Sätze von Druckleitungen und die zahlreichen Steuersysteme. Ein hochmoderner, fast geräuschlos arbeitender Antrieb, der Wasser ansaugte, ein so genannter Jet-Propulsion-Antrieb, war hier eingebaut. Außerdem schien sich irgendwo an Bord ein Aggregat zu befinden, das eine Menge Energie benötigte, denn die Antriebswelle war mit einem schweren Generator verbunden. Ein weiterer Stauraum befand sich vor, ein größerer hinter dem Maschinenraum. Dies war das schnellste Schiff dieses Planeten; wenn es in Gleitfahrt überging, konnte es schneller sein als sechzig Seemeilen, also schneller als hundert Stundenkilometer.

»Jetzt muss ich nur noch den Ruderstand finden«, sagte Ronald grimmig, »und dann werden wir unsere Suche nach Con th asciol auf dem Wasser fortsetzen. Und diese Nacht, Caryon, werden wir das Schiff bewachen. Nur wir zwei.«

Sie strahlte ihn an.

»Einverstanden!«, sagte sie.

Sie kontrollierten noch etwa eine halbe Stunde lang das Schiff und fanden eine Menge interessanter Einzelheiten. Dann richteten sie sich in der geräumigen Eignerkabine ein, öffneten die Luken, schalteten die Lüfter ein und bewunderten den unaufdringlichen Luxus. Zu seiner persönlichen Freude fand Tekener eine gut bestückte Bar und auch eine Seekarte. Auf ihr waren die südlichen Ufer des S-förmigen Kontinents und sämtliche Inseln des Südostens verzeichnet. Zahlreiche Kurslinien mit kleingeschriebenen Angaben ließen erkennen, dass nach dieser Karte häufig gesegelt worden war. Das kernchemische Triebwerk versorgte das gesamte Schiff mit genügend Energie für alle Zwecke.

Tekener schnallte die Waffe ab und machte sich daran, die Kabine systematisch zu durchsuchen. Caryon bereitete in einer hervorragend ausgestatteten Kombüse einen leichten Imbiss.

Sie aßen etwas, tranken ein wenig und setzten sich in die ledernen Sessel. Tekener stellte die Uhr auf die Zeit des Sonnenaufganges. Caryon und er genossen die wenigen Stunden der Ruhe; bisher waren sie auf der Spur dieses geheimnisvollen Mannes wie die Rasenden geritten, und morgen würde sich die Suche auf See fortsetzen.

»Als ich dich bat, uns zu helfen«, flüsterte sie, als sie neben ihm in seinen Armen lag, »habe ich nicht damit gerechnet, dass daraus ein gewaltiges Abenteuer werden würde.«

Er schob mit dem Zeigefinger eine Strähne ihres seidigen, schwarzen Haares aus ihrer Stirn und sagte lächelnd:

»Unter anderem ein persönliches Abenteuer.«

Er küsste sie; Caryon erwiderte den Kuss. Das Schiff wiegte sich langsam an seiner Vertäuung. Sie erwachten bei Sonnenaufgang, und im Tageslicht fiel Tekeners Blick wieder auf die große Seekarte. Entlang der Küste waren eine Reihe Siedlungen eingezeichnet. Mit Fettstift hatte jemand, vermutlich der geheimnisvolle Piratenkapitän, rote Kreise darum gezogen. Ehe Tekener hinter sich das Mädchen hörte, die in der Kombüse hantierte, versuchte er sich eine eigene Meinung zu bilden. Er hielt das dicke Notizbuch in den Fingern, das er letzte Nacht gefunden hatte. Langsam blätterte er darin. Er fand Zahlenreihen und Mitteilungen, alles in der akonischen Schrift, die er schlecht beherrschte. Er fasste einen Entschluss und sagte:

»Ich lasse dir die Waffe hier, Caryon. Warte auf mich – ich hole Häuptling Ghort und seine Männer. Wir verlassen die Insel und segeln zu einer der Städte.«

Sie fragte erstaunt:

»Du kannst dieses Schiff bedienen, Ron?«

»Unter anderem auch das«, versicherte er. »Essen können wir unterwegs. Ich muss diesen Burschen finden, um ihm die Gürtelschnalle abzunehmen. Wir reisen als Piraten über das Meer.«

»Ich habe hier mehrere Waffen entdeckt, bezeichnenderweise in der Küche«, sagte sie. »Ich warte auf dich. Beeile dich!«

»Ich fliege!«, erwiderte er und verließ die Kabine.

Jetzt am Morgen enthüllte sich ihm erst die ganze Schönheit dieser winzigen Bucht, die obendrein vom See aus nicht einzusehen war. Ihr Grundriss war L-förmig. Vögel sangen in den Bäumen, ein Schwarm großer Fische erschrak vor seinem Schatten, und ein kühler Wind ging. Die Felshänge und die Treppe waren nass von Tau. Er rannte die lange, gewundene Treppe hinauf und lief dann langsam auf den Eingang des Labors zu. Dort erwartete ihn bereits Ghalyn, der Scharfäugige.

»Freund!«, sagte er. »Wir waren in Unruhe! Wir vermissten dich und dachten, du wärest geflohen.«

Ronald hob die Hand und sagte schrill:

»Ein wahrer Freund flieht nicht! Nehmt eure Tiere und alle Vorräte. Wir besteigen ein Schiff und segeln davon, auf den Spuren von Con th asciol!«

»Kühn gesprochen!«, rief Häuptling Ghort und hob seinen Mantel um die Schultern. Er kam aus dem Labor heraus und musterte Tekener. »Was hast du gefunden, Freund der Nomaden?«

Er drehte sich herum und gab eine Reihe von Befehlen. In die ausgeschlafenen Männer kam Bewegung. Sie schleppten die Vorräte aus den Speichern des Labors heraus und banden die Tiere los. Tekener berichtete Ghort, was er in der Nacht gefunden hatte, und welche Vermutungen er an diesen Fund knüpfte. Der Häuptling nickte und schien zu überlegen, dann rief er mit blitzenden Augen:

»Gut! Wir verfolgen den Herrn der Entfernung. Wir segeln als Pest des Meeres auf seiner Spur. Und wir werden ihn finden. Er weiß, dass wir ihn suchen, denn du hast ihm diese Münze geschickt, das Zeichen des Kampfes. Was sollen wir also tun?«

Tekener erklärte es ihm in der bildhaften Sprache des Planeten.

»Das werden wir tun!«, schrie Ghort begeistert und hob die Hand im rituellen Schwur.

»Und zwar sofort!«, sagte der hochgewachsene Fremde, dessen Mut keine Grenze zu kennen schien. In einer langen Karawane bewegten sich Menschen und Tiere hinunter zum Wasser. Die Aufbruchsstimmung war aufgeregt; die Männer, deren tägliches Leben ein Kampf mit der Natur war, schienen sich auf die Abenteuer zu freuen. Tekener aber musste diese verdammte Gürtelschnalle finden, um Kennon zur Hilfe zu rufen – er hatte das deutliche Gefühl, als würde er mit den kommenden Ereignissen nicht allein fertig, sondern nur mit der Hilfe seines Freundes. Er führte die Truppe an. Die Tiere scheuten, als man sie die lange Treppe abwärts führte, aber dann beruhigten sie sich wieder.

Das Schiff lag vor den Männern. Unter einer Persenning sah der feuerrote Stoff des Großsegels hervor.

»Caten th Roch!«, flüsterte Ghepa ehrfürchtig. »Wir haben viel von den Untaten des Piraten gehört!«

»Wir werden die neuen Piraten sein!«, versicherte ihm Tekener. »Aber wir werden keine Raubzüge unternehmen!«

Mit vereinten Kräften zogen sie das Schiff dicht ans Ufer. Planken wurden aus den Grotten gezogen, man führte die unruhigen Tiere über die improvisierte Gangway und band sie an der Reling fest. Eine Hälfte am Vorderschiff, die andere hinten. Dann machte sich Tekener daran, die Bedienung des Ruders und der Maschinen zu begreifen, was sich als geringe Schwierigkeit herausstellte.

»Sucht euch Kabinen aus! Versucht, mir zu helfen! Ich muss euch befehlen, denn ich weiß, was zu tun ist!«, brüllte er über das Schiff. Es bot Platz für mindestens fünfzig Personen.

Der Häuptling schrie:

»Ghetys! Ans Feuer! An die Töpfe! Wir sind hungrig!«

Die Maschinen liefen an. Gewaltige Mengen Wasser wurden angesaugt, durch die Pumpen gepresst und am Heck des Schiffes wieder ausgestoßen. Ein weißer, schäumender Wirbel erschien. Der Segler zerrte an den Trossen. Tekener schaltete auf Leerlauf, ließ die Leinen einholen und wieder so befestigen, dass man ablegen konnte, ohne einen Mann am Poller zu haben. Dann brummten die Maschinen abermals auf, die Fender scheuerten am Fels, und das Schiff gehorchte dem leisesten Druck des leichtgängigen Ruders. Die »Pest des Meeres« glitt langsam und majestätisch aus dem natürlichen Hafen hinaus, vollführte ruhig eine leichte Wendung und stieß ihren Bug ins Meer. Weit vor ihnen lag das Land, aus dessen Richtung sie gekommen waren. Tekener beschloss, den Zufall auszuschalten und gründlich vorzugehen. Er ließ das Schiff langsam treiben, stellte den Kurs fest und merkte sich die Kompasszahlen. Er steuerte auf die am weitesten westlich liegende Uferstadt zu. Auch sie war mit einem roten Kreis angemerkt. Vierhundert Kilometer Entfernung, las er ab.

»Wir lassen das Segel noch unten!«, rief er, während der Fahrtwind den Essensgeruch in seine Nase wehte. Ein prächtiger Sonnenaufgang endete gerade. Das Meer war wie von Gold übergossen und lag ruhig da.