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GEO

Die Welt mit anderen Augen sehen
Gruner + Jahr AG & Co KG, Druck- und Verlagshaus,
Am Baumwall 11, 20459 Hamburg
www.geo.de

Inhalt

Entwicklungshilfe 1

Viel hilft viel. Oder nicht?
von Christoph Kucklick

Entwicklungshilfe 2

So sieht erfolgreiche Hilfe aus
Esther Duflo, Direktorin des »Poverty Action Lab« (J-PAL), klärt die Frage: Was hilft am besten?

Entwicklungshilfe 1

Viel hilft viel. Oder nicht?

Entwicklungshilfe!? Nach 40 Jahren, in denen sie drei Billionen Dollar bekommen haben, sind viele Länder arm wie eh und je. Forscher ermitteln nun rigoros, welche Art von Unterstützung wirklich nützen würde. Und die Ergebnisse irritieren

von Christoph Kucklick

Diese Geschichte erzählt davon, was Aaron Thindwa, Barbier in einer winzigen Hütte in Lusaka, mit Bill Gates zu tun hat, mit der Weltbank und mit der Frage, ob Entwicklungshilfe tatsächlich hilft. Sie dreht sich auch darum, ob Aaron Thindwas Verhalten die Gesundheitssysteme der Dritten Welt verändern wird. Und sie handelt von dem, was alle diese Fragen verbindet: vom Zufall. Nicht von irgendeinem Zufall, sondern einem wissenschaftlich erzeugten Zufall.

Die Geschichte ist kompliziert. Weil man es sich seit Jahrzehnten zu einfach gemacht hat in der Entwicklungshilfe.

Sie beginnt vor etwa zehn Jahren mit einer jungen französischen Wirtschaftswissenschaftlerin in den USA. Esther Duflo ist idealistisch, hartnäckig, frustriert. Darüber, dass auch nach 40 Jahren Entwicklungshilfe, nach über 3,04 Billionen US-Dollar noch immer unklar ist, wie Entwicklungshilfe wirkt. Ob sie überhaupt etwas bewirkt.

Bei einem Vortrag hat Duflo vor einiger Zeit zwei Kurven präsentiert. Die eine zeigte die Menge der Hilfsgelder für Afrika in den vergangenen Jahrzehnten. Sie ist steil angestiegen. Die andere stellte die Wirtschaftsleistung pro Kopf in Afrika dar. Sie liegt heute unter dem Niveau der 1970er Jahre.

„Ohne die Hilfsgelder wäre Afrika vielleicht besser dran. Oder schlechter. Oder gleich“, sagte Duflo. „Wir wissen es einfach nicht. Denn wir sind nicht besser als mittelalterliche Ärzte und ihre Blutegel, die auch nicht genau wussten, was dieses Schröpfen bewirkt.“ Duflo zeigte ein Bild von einem Blutegel.

Die medizinische Metapher wählt sie mit Bedacht. Denn sie wendet Verfahren der modernen Medizin auf die Entwicklungshilfe an. Jene Verfahren, mit denen Pharmafirmen ermitteln, ob ein Medikament hilft – randomized impact evaluations heißen sie im Fachjargon: Man teilt eine möglichst große Menge von Menschen in zwei Gruppen. Die eine Gruppe erhält das Medikament, die andere nicht. Dann sieht man im Vergleich, ob der Wirkstoff geholfen hat. Aber nur weil die Teilnehmer per Zufall auf die Gruppen verteilt werden, kann man so auch die Ursache einer Wirkung feststellen, nicht bloß einen vagen Zusammenhang. Der Zufall filtert statistisches Rauschen, verhindert das unbewusst Tendenziöse. Er verbindet Ursache und Wirkung.

Nach diesem Muster prüfen Duflo und rund 60 weitere Ökonomen der besten Universitäten der Welt, welche Maßnahmen in der Entwicklungshilfe tatsächlich, also ursächlich, nutzen. Ihr Hauptquartier haben die Forscher am legendären Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, im Abdul Latif Jameel Poverty Action Lab (J-PAL), dem Labor gegen die Armut, das Esther Duflo 2003 mitbegründet hat.

Aber ihre Ergebnisse stammen aus dem, was sie „das Feld“ nennen: die Slums und Dörfer der Dritten Welt.