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Eltern werden – Partner bleiben

Erste Hilfen Band 4

Für Michael und unsere Kinder
Jeannette und Jonas.

Eva Tillmetz

Für Inga und unsere Söhne
Andreas und Alexander.

Peter Themessl

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Eva Tillmetz, geb. 1963, berät als systemische Familientherapeutin und Kommunikationstrainerin Paare und Familien in eigener Praxis und hält Partnerschaftsseminare und Vorträge zu Fragen der Familiengestaltung und Erziehung. www.partnerschaftsberatung-regensburg.de

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Peter Themessl, geb. 1963, arbeitet als Journalist für Zeitungen und Hörfunk in Regensburg. Er leitet Fortbildungen in der Erwachsenenbildung und arbeitet als Betreuungsassistent mit alten Menschen.

Eva Tillmetz, Peter Themessl

Eltern werden – Partner bleiben

Ein Überlebenshandbuch für Paare
mit Nachwuchs

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Elektronische Ausgabe 2014
© 2013 Mabuse-Verlag GmbH
Kasseler Str. 1 a
60486 Frankfurt am Main
Tel.:069 – 70 79 96-13
Fax:069 – 70 41 52
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Reprint der 2007 im Kösel-Verlag erschienenen Ausgabe
Umschlaggestaltung: Marion Ullrich, Frankfurt am Main
Umschlagmotiv und Illustrationen im Innenteil: Johann Mayr, Jetzendorf

eISBN: 978-3-86321-163-9
ISBN: 978-3-86321-107-3

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Vorwort

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Wie Eltern ein Team werden

Ein Kind verändert (fast) alles

Über die Entwicklung der Paar- und Elternbeziehung

Wollen wir, müssen wir oder wollen wir nicht?

Schwanger werden beeinflusst das Elternsein

»Wie unsere Eltern wollen wir niemals werden«

Kindheitserlebnisse – die machtvollen Eltern hinter den Eltern

Gegeneinander – Nebeneinander – Miteinander

Wie die Zusammenarbeit der Eltern funktioniert

»Ich sehe was, was du bald siehst«

Neugier auf Adler, Bär, Luchs und Maus

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Krisenklassiker der Kleinkindphase

Das Baby brüllt – was hat es nur?

Der Streit um das »richtige« Wohlbefinden

Alles dreht sich nur ums Kind

Die Welt jenseits von Windeln und Schnuller

Zahnpasta, Unterhosen und andere Katastrophen

Haushaltsführung im neuen Familienbetrieb

Vorsicht, du lässt das Kind fallen!

Verschiedene Schmerzgrenzen im Umgang mit dem Baby

Warten, warten, nichts als warten!

Übergaben und andere Vereinbarungen

Hilfe, unser Kind hat Wutausbrüche!

Was die anderen ruhig denken sollen

»Meine Mutter kann das besser!«

Vorbilder und Vorwürfe verwandeln

Kinder, ab ins Ehebett!

Erotikkillern auf der Spur

Ratschläge sind auch Schläge

Freunde – Fremde – Fachliteratur

Schaffe, schaffe, Häusle baue!

Großprojekte mit Langzeitwirkung

Wer weniger verdient, hat das Kind verdient

Berufliche Scheidewege – Chancen für die Familie

Selbst ist die Frau!

Starke Mütter kommen überallhin – nur nicht zur Ruhe

Selbst ist der Mann!

Eigenständige Gehversuche als Vater

Selbst ist das Kind!

Wie Söhne und Töchter ihren Weg finden

Kleine Tyrannen suchen Halt

Wie Eltern effektiv Grenzen setzen

Wie es weitergehen kann

Danksagung

Weiterführende Literatur

Vorwort

Fortschrittliche Eltern sein und engagiert erziehen: Das hatten wir zwei Autoren mit unseren jeweiligen Partnern uns vorgenommen. Spätestens als die Kinder kamen, dämmerte uns, dass wir auf diese Aufgabe herzlich wenig vorbereitet waren. Wie funktioniert eine Familie? Wie erzieht man gemeinsam Kinder? Wie verständigt man sich als Paar auf einen gemeinsamen Erziehungsstil?

Schulzeit und Studium umfassten knapp 20 Jahre, bis wir in unseren Fachgebieten als Familientherapeutin bzw. Journalist Profis wurden. Doch in keinem Fach lernten wir, wie man Eltern wird.

Elternsein – ist das eine natürliche Fähigkeit, so angeboren wie das Kinderzeugen? Wohl kaum, wenn man sieht, dass nahezu alle jungen Eltern wie Ertrinkende in den ersten Jahren strampeln, um mühsam wieder Boden unter den Füßen zu spüren. Für viele Partnerschaften wird die Familiengründung zur Zerreißprobe und häufig halten Ehen in den ersten Familienjahren dieser massiven Anforderung nicht stand.

Auch wir Autoren haben das Bodenlose unter den Füßen erlebt. Als sich das erste Kind ankündigte, waren wir überrascht: Unsere jeweilige Zweierbeziehung war gut eingespielt, aber wie wir mit Kindern leben würden, wussten wir nicht. Über gemeinsame Erziehung hatten wir nicht gesprochen.

Es folgten Familienjahre mit Höhen und Tiefen. Situationen, die uns einmal zur Weißglut trieben und ein andermal lachend wieder zusammenfinden ließen. Nach Jahren sind wir in unseren Familien zu Eltern-Teams zusammengewachsen. Wir haben gelernt, gemeinsam zu erziehen – meistens jedenfalls. Und haben vor allem gelernt, dass sich die Erziehung im Laufe der Jahre wandelt und wir mit diesen Aufgaben wachsen.

Als Trainer im Modellprojekt »Eltern werden – Partner bleiben« [Mehr zu diesem Projekt in der Danksagung am Ende des Buches] haben wir gemerkt, wie wenig Familienerfahrung junge Paare an der Schwelle zum Elternwerden haben. Und wie wichtig es ist, ihnen in dieser Umbruchsituation den Rücken zu stärken. Das ist auch Ziel dieses Buches.

Lesen Sie es vielleicht nicht gleich ganz durch. Im ersten Teil »Wie Eltern ein Team werden« haben wir grundsätzliche Themen bearbeitet, die »Krisenklassiker der Kleinkindphase« im zweiten Teil nehmen darauf Bezug. Entscheiden Sie, welches Thema Ihnen auf den Nägeln brennt. Die »Krisenklassiker« sind absichtlich so kurz gehalten und unabhängig voneinander zu lesen, damit Sie auch nach einem anstrengenden Tag nicht länger als zehn Minuten zur Lektüre brauchen und sich dann zu einem Gespräch zusammensetzen können. Manchmal finden Sie auch Anregungen für ein Schreibgespräch: Hier können Sie zunächst Ihre eigenen Vorstellungen niederschreiben und dabei Ihre Gedanken sortieren. Dann können Sie sich zu einem Gespräch mit Ihrem Partner verabreden.

Wenn Sie sich selbst auf diese Weise besser kennen lernen, haben Sie es Ihren Kindern gegenüber leichter. Einigkeit in grundsätzlichen Dingen hilft über viele Hürden des Alltags hinweg. Wenn zentrale Familienthemen regelmäßig besprochen und abgestimmt werden, lassen sie sich Schritt für Schritt lösen – am besten bequem auf einem Sofa sitzend, in gemütlicher Atmosphäre, das Telefon mit einem Kissen abgeschirmt. Dabei möchten wir Sie mit diesem Buch in den nächsten Jahren begleiten.

Eva Tillmetz und Peter Themessl

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Wie Eltern ein Team werden

Ein Kind verändert (fast) alles

Über die Entwicklung der Paar- und Elternbeziehung

Nahezu alle Lebensbereiche, alle Beziehungen gestalten sich neu, wenn ein Paar ein Kind erwartet. In ihrer bisherigen Zweierbeziehung sind die Partner meist gut aufeinander eingespielt. Jeder kennt die Vorlieben des anderen, jeder weiß, zu welchen Zeiten der andere gut aufgelegt ist, wie viel Zeit er für sich allein braucht, welche Freunde ihm oder ihr wichtig sind. Doch Mann und Frau betreten Neuland, wenn sie Eltern werden. Im Laufe von vielen Jahren Familientherapie und Erfahrungen in den eigenen Familien sind uns folgende Bereiche aufgefallen, die sich verändern und daher abgesprochen werden sollten. Ihr Kind löst nämlich enorm viele Fragen aus.

Was wird aus persönlichen Schlaf-, Ess- und Arbeitsgewohnheiten?

Die Lebensgewohnheiten ändern sich, ganz klar; aber das muss nicht gott-, natur- oder kindgegeben so sein. Sie werden entscheiden, in welchen Bereichen Ihr Kind mit seinen Bedürfnissen Ihr Leben prägt. Und Sie werden entscheiden, welche Bereiche Ihnen nach wie vor so wichtig sind, dass Sie nicht darauf verzichten wollen. War bislang das gemütliche Frühstück am Wochenende das Zentrum, kann das durchaus auch zu dritt funktionieren. Kurze Nächte können ganz schön anstrengend sein: Muss denn alles an einer Person hängen bleiben, damit der Partnerja ausgeruht in die Arbeit kommt? Wie viel Verständnis trauen Sie Kollegen und Chefs zu, wenn Sie vom »Nachtdienst am Kind« gerädert sind?

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Welche beruflichen Aufgaben und Perspektiven soll jeder haben?

Eltern schenken Ihrem Kind in den ersten Jahren viel Zeit, Kraft und Aufmerksamkeit. Diese Energie floss früher größtenteils in den Beruf. Berufliche Ziele erhalten angesichts der Verantwortung für ein Kind eine neue Bedeutung. Ist es selbstverständlich, dass die Frau ihre jahrelang aufgebaute Laufbahn abbricht und sich damit Karrierechancen verbaut? Oder: Wie viel muss der Mann arbeiten, wenn ein Einkommen drei Mäuler satt kriegen soll? Ist Familienzeit (früher Erziehungsurlaub) auch im Beruf des Mannes realisierbar?

Wer soll für das Einkommen verantwortlich sein?

Aus zwei persönlichen Einkommen wird unter Umständen ein Familieneinkommen. Das schafft Abhängigkeiten, mit denen beide Partner erst zurechtkommen müssen. Kann jeder uneingeschränkt über das Familieneinkommen verfügen? Wie lange muss einer die Last des Alleinernährers schultern? Wann steigt der Partner wieder in den Beruf ein?

Wie wird die Hausarbeit aufgeteilt?

Ein Kind macht ein Vielfaches an Arbeit: Wäscheberge wachsen, Milch- und Breiflaschenbatterien blockieren die Küche. Das ist für einen bislang kinderfreien Haushalt ungewohnt. Der arbeitende Partner (meist ist es der Mann ...) wundert sich, wenn er abends erschöpft heimkommt: »Wie das hier aussieht! Das war doch früher nicht so! Was machst du denn den ganzen Tag?« Würde er einen Teil der Hausarbeit übernehmen (ob spülen, bügeln oder Mülleimer runtertragen, ist egal), dann sähe er sehr bald, wie sehr die Hausarbeit sich verändert hat.

Wie sehe ich dich jetzt als Vater bzw. Mutter?

Bevor Ihr Kind zur Welt kam, stellte sich Ihnen diese Frage womöglich gar nicht. Wahrscheinlich haben Sie Ihren Partner nach anderen Kriterien ausgewählt: wegen ihres Lachens vielleicht, seiner Spontaneität, ihrer schönen Figur, seines starken Rückens – und während sich Ihre Beziehung festigte, hatten Sie kaum den Partner als künftigen Vater oder baldige Mutter im Kopf, sondern Schmetterlinge im Bauch. Mit dem neuen Kind ändert sich das: Nicht nur, dass Babygeschrei die Schmetterlinge immer wieder verscheucht – auch Ihr Partner reagiert für Sie fremd.

Machen Sie einmal eine Gedankenreise: Nutzen Sie die Schmetterlings-Momente, um sich die Stärken Ihres Partners in einem neuen Licht vorzustellen: Ihr Lachen kann auch das Kind ansprechen oder beruhigen; seine Spontaneität kann unbeschwertes Herumbalgen mit dem Kind bedeuten. Und was ihre Figur oder seinen Rücken betrifft: Sie können etwas dafür tun, dass Sie für den Partner attraktiv bleiben!

Wie viel Zeit bleibt Ihnen gemeinsam für Zärtlichkeit und Sex?

Dieses Thema haben wohl die wenigsten zuvor ausdrücklich besprochen, schließlich ergibt sich das zu zweit in der Regel ganz prima. Aber die Erotik stirbt schleichend: Erst sind beide übermüdet und werden durch das Kind gestört. Wenn einer deswegen aus dem Schlafzimmer auszieht, gesellt sich zur räumlichen Trennung womöglich der Frust. Wie finden die beiden zurück ins Ehebett? – Sie werden neue Liebesinseln ausfindig machen müssen!

Wie wird die Wohnungseinrichtung verändert?

Sie haben vielleicht Jahre auf eine schicke Wohnung hingearbeitet. Jetzt steht der Milchwärmer in der Edelstahlküche und das scharfkantige CD-Regal ragt gefährlich in die Krabbel-Höhe. Authentisch ist der Fall eines Zweijährigen, der das Laden eines Videorekorders beobachtete und nachmachte: Mit einer senfbestrichenen Wurst hat er den Rekorder gefüttert!

Überlegen Sie also: Welche Veränderungen sind nötig, um Ihr Kind und Ihr Inventar zu schützen, und was ist Ihnen für Ihr eigenes Wohlbefinden nach wie vor wichtig?

Wie verbringen Sie nun Ferien und Freizeit?

Die Urlaube ändern sich: Statt Surfrevier ist der kinderfreundliche Sandstrand gefragt, statt Cluburlaub mit Tanz bis in die Puppen bestenfalls ein Club mit Babybetreuung. Schon die Suche nach einem kinderfreundlichen Hotel oder einem Campingplatz mit ähnlich gepolten Nachbarn (besser nebenan Kindergeschrei als Trinkgelage ...) kann schwierig sein. Umso wichtiger, dass sich beide einig werden: »Das verstehe ich unter Urlaub, und das machen wir zusammen.«

Was wird aus Freundschaften?

Nicht jeder im Freundeskreis will Zahnproblematik oder Durchschlafen diskutieren – auch wenn das gerade Ihre größte Sorge sein mag. Manche Ihrer alten Freunde werden sich abwenden, andere wiederum ungeahnte Spielqualitäten zeigen. Sie werden neue Sandkastenbekanntschaften hinzugewinnen. Umgekehrt gilt auch: Ein paar Freunde, in denen nicht die Familie im Vordergrund steht, sind Gold wert. Es gibt noch ein Leben jenseits von Schnuller und Schmusetieren.

Alle diese Fragen regeln sich natürlich auch ohne aktives Zutun. Allerdings meist so, dass die Partner nur noch wenig gemeinsame Berührungspunkte in ihrem täglichen Leben haben. Das Gespräch stirbt schleichend. Unzählige Paare erleben diesen Tiefpunkt: Er kommt immer später nach Hause, und sie fragt sich, wie lange sie das noch aushält. Es muss nicht so weit kommen, dass er sich innerlich verabschiedet oder sie die Trennung plant, weil sie ihr selbstbestimmtes Leben wiederhaben möchte.

Mit Einsatz und gutem Willen werden Sie für die anstehenden Fragen zufrieden stellende Antworten finden. Paar- und Elternbeziehung befruchten sich wechselseitig: Je mehr ein Paar Entscheidungen für die genannten Lebensbereiche trifft, desto mehr bereichert die Familiengründung die Partnerschaft. Ebenso gilt: Je lebendiger die Paarbeziehung, desto leichter fällt das Elternsein.

Mit der Geburt des ersten Kindes wird eine ganz neue Beziehungsebene eröffnet. Waren bisher zwei Erwachsene auf freiwilliger Basis zusammen, verbindet sie jetzt eine gemeinsame Verantwortung, die sie nicht mehr so ohne weiteres abschütteln können. Ab jetzt gilt es, zwei unterschiedliche Beziehungen zueinander zu pflegen: die Paarbeziehung und die Elternbeziehung. Auf diese Unterscheidung werden wir in diesem Buch immer wieder zurückkommen, denn sie macht verständlich, warum in so vielen Situationen zwei Seelen in unserer Brust miteinander kämpfen. Da freut sich beispielsweise der Mann, dass sein kleiner Sohn mit im Ehebett liegt, weil er als Vater (= Elternbeziehung) seinen Sohn so selten sieht, gleichzeitig ärgert er sich, dass er seiner Frau so selten nahe ist, und wünscht sich sein Bett für sich und seine Partnerin zurück (= Paarbeziehung).

In der Elternbeziehung wird Frauen gerne ein Vorsprung eingeräumt, frei nach dem Motto »Mütter wissen, was für Kinder gut ist«. Mag sein, dass viele Frauen mit mehr fachlichem Vorwissen an die Erziehungsaufgabe herangehen und manchen Handgriff bereits kennen, doch stehen sie in puncto Elternteamwork genauso am Anfang wie ihre Partner.

Der beste Spiegel für elterliche Kooperationsfähigkeit sind die Kinder selber. Da Kinder in ihrer Seele immer beide Eltern lieben und es ihnen recht machen wollen, werden sie immer wieder elterliche Beziehungsangebote, Erziehungsmaximen und Regeln testen. Kinder wollen wissen, woran sie mit beiden sind.

Eltern sind in der Lage, als Team effektiv zusammenzuarbeiten, wenn sie Schritt für Schritt lernen, wie man sich in der Erziehungsaufgabe abspricht. So wächst ein Selbstbewusstsein gegenüber Verwandtschaft und Gesellschaft, und die Elternrolle fällt leichter. Auf diesem Wege werden sie automatisch mehr Freiräume zur Gestaltung ihrer Paarbeziehung gewinnen.

Eine gute Brücke von der Eltern- zur Paarbeziehung können Abmachungen für den Feierabend sein: Wann endet Ihr Elterntag und beginnt Ihre Zeit zu zweit?

Führen Sie ein Abendritual ein. Ob das eine Geschichte, ein Gesang oder ein Gebet ist, liegt bei Ihnen. Hauptsache, es wird für alle deutlich: Jetzt ist der Familientag (inklusive Hausarbeit) beendet. Jetzt fängt Ihr Abend an – gemeinsam oder auch jeder für sich.

Zu den Absprachen gehören natürlich grundsätzliche Dinge: Wie wichtig ist Ihnen ein kindfreies Elternschlafzimmer? Wie kann einer die nächtliche Versorgung übernehmen, bevor der andere entnervt ins Arbeitszimmer umzieht? Vielleicht ist eine Elternmatratze neben dem Kinderbett sinnvoller als auf Monate hinaus das Kind in Ihrem Kuschelbett.

Sie werden zunehmend Ideen für ein gemeinsames Leben zu dritt, zu viert ... entwickeln, und diese können durchaus unterschiedlich sein! Damit aus Ideen Wirklichkeit wird, sind Gespräche ein wichtiger Ansatz. Sie ersparen Ihnen später viele Missverständnisse und Ärger.

In diesem Elternratgeber finden Sie zahlreiche Anstöße für eine bewusste Elternkooperation. Versprochen: Die Schmetterlinge im Bauch werden Sie wieder spüren, wenn die Zusammenarbeit als Eltern glatt geht!

Wollen wir, müssen wir oder wollen wir nicht?

Schwanger werden beeinflusst das Elternsein

Der Anfang Ihrer Zeit zu dritt wird in Ihrer Erinnerung immer wieder einmal auftauchen. Mann und Frau erleben diesen Zeitpunkt unterschiedlich: Die Frau spürt oder erfährt es vor ihrem Partner, dass sich ein Kind ankündigt. Und wenn es nur Stunden sind: Dieser Vorsprung bleibt ihr ein ganzes Leben.

Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie erfahren haben, dass Sie ein Kind erwarten. Von wem haben Sie es erfahren? War es erst eine Ahnung, als die Regel ausblieb? Haben Sie einen B-Test gemacht oder es vom Arzt erfahren? Waren Sie auf die Nachricht vorbereitet?

Und wie haben Sie reagiert? Freudig? Geschockt? Erleichtert? Verzweifelt? Glückselig? Entsetzt? Wie haben Sie einander angeschaut, als sie beide von der Schwangerschaft wussten?

Zwei ganz unterschiedliche Menschen mit eigenen Prägungen, aus unterschiedlichen Familien mit unterschiedlichen Verstrickungen legen ihre Lebensgeschichten nun zusammen, um für ein drittes Leben zu sorgen. Das überhaupt zu versuchen ist schon eine der großen Herausforderungen des Lebens.

Keine Partnerschaft wird in ihrem Verlauf einer anderen gleichen. Allerdings lohnt es sich, genau hinzuschauen auf den Moment, als die Botschaft vom Kind eintraf. Wie die Schwangerschaft zustande kam, beeinflusst das spätere Elternsein. Wenn Sie nach Jahren augenzwinkernd auf diesen Anfang zurückblicken können, selbst wenn die Nachricht Sie damals überrollte, wirkt die Erinnerung stärkend. Unausgesprochener Frust legt sich eher lähmend auf die Seele.

Ein glücklicher erster Moment wird deshalb nicht automatisch eine dauerhaft zufriedene Familie hervorbringen. Vielleicht geraten beide Partner in eine Falle, weil sie sich ihrer Sache zu sicher waren. Paare, die sich sehnlich ein Kind wünschten, können im Alltag an ihren überzogenen Erwartungen scheitern. Umgekehrt geht die Partnerschaft nicht gleich in die Binsen, nur weil sich das Kind unerwartet angekündigt hat. Jede noch so chaotische Beziehung bietet ungeahnte Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Doris Schiller[1] arbeitet seit zwölf Jahren in der Schwangerenberatung und formuliert es so:

»Jedes Paar ist anders. Zunächst mal spielt eine Rolle, wie gut jeder Partner sich selbst kennt, welche Schwächen er hat. Darüber sollten sich die beiden austauschen können: Eine gute Kommunikationsstruktur kann eine Partnerschaft stabilisieren. Ein weiterer günstiger Faktor für eine stabile Partnerschaft ist Ehrlichkeit. Beide sollten sich ihre Gefühle authentisch zugestehen. Dazu kann auch gehören, dass der Mann im ersten Schreck beinahe Reißaus nimmt und die Frau von ihm furchtbar enttäuscht ist. Auch diese Ablehnung hat ihren Platz. Wenn die beiden dann nicht alle Brücken abbrechen, ist das besser, als Enttäuschungen zu verdrängen. Eine unbewältigte Unzufriedenheit taucht irgendwann wieder auf.«

Wie war das bei Ihnen? Nehmen Sie sich einmal die Zeit, zurückzublicken auf den ersten Moment, als Sie von der Schwangerschaft erfahren haben. Tauschen Sie sich jetzt aus, bevor Sie weiterlesen.

Wir werden im Folgenden ein halbes Dutzend Möglichkeiten benennen, mit Beispielen und möglichen Chancen und Risiken für die Zukunft. Vielleicht entdecken Sie sich ja selbst in einer dieser Möglichkeiten wieder.

Wenn ein Kind kommen darf: Ihre Beziehung ist offen für ein Kind.

Wenn ein Kind kommen soll: Ihr größter Wunsch wird endlich erfüllt.

Wenn ein Kind unerwartet kommt: Sie werden von der Schwangerschaft überrascht.

Wenn ein Kind kommen könnte: Sie sind noch in der Entscheidungsphase: Wollen wir oder wollen wir nicht?

Wenn noch ein Kind kommt: Sie haben schon Kinder und werden von einem »Nachzügler« überrascht.

Wenn ein Kind nicht kommen durfte: Trauer, Schuldgefühle und Verlustangst leben wieder auf.

Wenn ein Kind kommen darf

Ihre Beziehung ist offen für ein Kind

Anke und Markus sind seit fünf Jahren ein Paar. Sie haben ihre Ausbildungen beendet und haben beide einen sicheren Arbeitsplatz. Ihre Eltern betrachten das junge Glück wohlwollend und haben den beiden ein Baugrundstück zur Verfügung gestellt. Die beiden unternehmen viel mit Freunden, was auch ihre Partnerschaft stärkt: gemeinsamer Sport, sie gehen gerne ins Kino und miteinander tanzen. Sie haben ihre Zeit für sich gehabt und genossen und reifen für ein neues Ziel: das erste Kind.

So viele Chancen kann man Eltern beim Start nur wünschen:

imageDie Beziehung ist stabil, beide wissen, worauf sie sich beim anderen verlassen können.

imageSie sind finanziell abgesichert und haben ausreichende Perspektiven.

imageDas Paar hat sexuelle Erfahrungen und Vorlieben entwickelt, auf die es nach der Geburt bzw. Stillzeit wieder zurückgreifen kann: ein Polster für die Beziehung.

imageDer gemeinsame Freundeskreis kann sie stützen.

imageEs existiert bereits eine gemeinsame Wohnung, und sie ist von beiden stressfrei eingerichtet.

imageDie beiden sind ein eingespieltes Team im Haushalt.

Wer glücklich startet, ist vor Schwierigkeiten trotzdem nicht gefeit:

imageDie Umstellung auf das Kind ist unerwartet groß. Das kann schmerzen, weil liebevolle Gemeinsamkeiten erst mal wegfallen. Die Partnerin trägt nicht mehr Negligé, sondern ein schlabberiges, vom Baby bespucktes T-Shirt.

imageNach Jahren haben beide geglaubt, sich gut zu kennen. Das Kind lässt sie neue Seiten am Partner erleben, und das kann bedrohlich wirken.

imageDer gemeinsame Traum vom Kind wird mit der anstrengenden Wirklichkeit konfrontiert.

imageEin Partner wird beruflich zurückstecken. Der andere muss jetzt mit einem Einkommen den Lebensunterhalt für drei bestreiten. Er ist womöglich länger weg, kommt angestrengter nach Hause als bisher, und bei aller Mühe sitzt das Geld nicht mehr so locker.

Wenn ein Kind kommen soll

Ihr größter Wunsch wird endlich erfüllt

Es ist durchaus keine Selbstverständlichkeit, schwanger zu werden. Es gibt Paare, die viel Mühe auf ein gemeinsames Kind verwandt haben. Vor der Schwangerschaft haben sie etliche Ärzte oder Beratungsstellen besucht. Die Paare sind mit medizinischen Begriffen traktiert worden: »Fruchtbarkeitsuntersuchung«, »In-vitro-Fertilisation«, »Reproduktionsmedizin«, »Diagnose: unfruchtbar«. Der Umgang damit ist manchmal entwürdigend.

Drehen wir das Beispiel von Anke und Markus nur um ein paar Jahre zu zweit weiter. Beide sitzen beruflich immer noch fest im Sattel, doch allmählich wird der Wunsch nach einem Kind übermächtig. Durch ihren Beruf musste Anke ihre mütterlichen, nährenden Seiten zurückstecken und spürt nun: »War da nicht noch etwas anderes?« Sie ist inzwischen Mitte 30 und hört ihre biologische Uhr immer lauter ticken. Der Freundeskreis rundherum hat bereits Kinder und Markus muss sich am Stammtisch schon Frotzeleien anhören: »Na, klappt es bei euch nicht?« Schließlich unterziehen sich beide einer Fruchtbarkeitsuntersuchung. Nach etlichen Arztbesuchen entscheiden sie sich für eine künstliche Befruchtung.

Paare, die sich sehnlichst ein Kind gewünscht haben, kommen in eine andere Art von Erwartungsdruck. Michaela Röder-Bassenge[2] berät und behandelt Paare, die sich ein Kind wünschen:

»Wenn sich ein Kinderwunsch nicht gleich erfüllt, bewegt das die Partner oft schmerzlich. Der innere Aufruhr gibt beiden die Möglichkeit, in ihrer persönlichen Entwicklung zu reifen. Die Paare leiden nicht nur daran, dass sie nicht zu denen gehören, die scheinbar problemlos Kinder kriegen, sondern auch darunter, dass unerfüllter Kinderwunsch ein Tabu in unserer Gesellschaft ist. Das treibt viele Paare in die Isolation. Das wiederum verstärkt die Symptome, die viele Paare in die Beratung führt. In der Beratung finden viele dann einen Weg aus der Isolation heraus.«

Angenommen, bei Anke und Markus erfüllt sich nun der Kinderwunsch. Dann haben sie nach langem Anlauf folgende Chancen:

imageSie haben sich intensiv mit dem Kinderwunsch auseinander gesetzt.

imageDass nun ein Kind kommt, wandelt die latente Spannung ihrer Beziehung in Erleichterung um: Ihr Wunsch hat sich erfüllt.

imageDie beiden haben in der Regel keine Geldsorgen: Das Eigenheim steht vielleicht schon.

imageBeide hatten ausreichend Zeit, das gemeinsame Nest vorzubereiten.

imageSie haben ihren »jugendlichen Leichtsinn« ausreichend ausgelebt und bekommen Lust auf Elternzeit und Verantwortung.

imageSie sind zu Einbußen bereit, die mit ihrem Kind verbunden sind.

imageAuch die frisch gebackenen Großeltern sind glücklich und sagen alle erdenkliche Hilfe zu.

imageDer Kinderwunsch hat sie beide reifen lassen.

Dieses Glück kann auch wieder Schwierigkeiten mit sich bringen:

imageDie Beziehung hat unter dem dringenden Wunsch, ein Kind zu bekommen, gelitten: Sex stand unter Erfolgsdruck.

imageNachdem »es« endlich geklappt hat, wollen sie nun ja nichts falsch machen: Angst begleitet die Schwangerschaft.

imageAlle Energie fließt in Richtung Kind – und nicht mehr zum Partner. Der fühlt sich womöglich zurückgesetzt.

imageVielleicht gibt es Verletzungen oder unterdrückte Trauer, wenn Fehlgeburten dem jetzigen Kind vorangingen.

Wenn ein Kind unerwartet kommt

Sie werden von der Schwangerschaft überrascht

Inge und Paul hatten nach einer räumlichen Trennung wieder erste vorsichtige Schritte aufeinander zu gemacht, als sich ein Kind ankündigte. Das war keine frohe Botschaft, sondern zunächst nur die Frage: abtreiben oder nicht? Die beiden haben sich für das Kind entschieden – und damit werden die bisherigen Freiheiten zu Hürden: Er studiert noch und hat bislang das freie Leben genossen. Jetzt muss er seine Ausbildung in Windeseile beenden und einen Job finden. Sie arbeitet schon, muss aber die Stelle wegen des Kindes aufgeben. Jetzt erst wird eine gemeinsame Wohnung gesucht. Geld für die Einrichtung ist kaum da. Kurz: Die Partnerschaft steht auf noch sehr wackeligen Füßen.

Ihr Mut zum Kind wird mit diesen Chancen belohnt:

imageDie beiden gehen unvoreingenommen an die Schwangerschaft heran.

imageIhr Umgang mit dem Säugling kann beherzt und unkompliziert sein: »Das Kerlchen packt das schon.«

imageBeide müssen sich um ihre ungefestigte Partnerschaft aktiv bemühen. Eine gemeinsame Paarebene gibt es noch nicht, aber sie kann in dem Maße wachsen wie das Kind im Bauch der Mutter.

imageDie beiden ringen um die Elternaufgabe – ein bewusstes Nebeneinander (vgl. Kapitel »Gegeneinander – Nebeneinander – Miteinander«) führt zum Miteinander.

imageBeiden fällt es leicht, um Hilfe zu bitten oder sie anzunehmen. Keiner sagt: »Ihr wolltet es ja so.«

imageWenn viele Lebensbereiche noch nicht gefestigt sind, erleichtert dies unkonventionelle Lösungen. Der Freundeskreis passt auf das Kind auf; die Großeltern springen ein; die Krabbelstube an der Uni wird in Anspruch genommen.

Die wackelige Beziehung kann einknicken, wenn folgende Schwierigkeiten auftauchen:

imageWenn die Eltern noch jung sind, ringen beide um berufliche und finanzielle Absicherung.

imageDie Partner sind einander noch wenig vertraut, was zu Missverständnissen führt.

imageFrüh gefreit, reut sie die verlorene Zeit allein oder zu zweit.

imageWenn sie sich überfordert fühlen, haben sie wenig Gemeinsames, was sie aufbaut. In der Krise kommt es zu Trennungsgedanken.

Wenn ein Kind kommen könnte

Sie sind noch in der Entscheidungsphase: Wollen wir oder wollen wir nicht?

Ulla und Bernd sind ein Paar Anfang 30. Über Kinder haben sie sich bislang wenig Gedanken gemacht. Dazu hatten sie kaum Zeit und Gelegenheit, denn beide haben bisher an Beruf und Karriere gebastelt. Er arbeitet als Assistenzarzt in der Klinik, sie bekommt gerade einen Job 100 Kilometer entfernt angeboten. Soll Ulla die Chance ergreifen? Oder wollen sie jetzt Nägel mit Köpfen machen und eine Familie gründen?

Chancen, die eine Elternschaft nach längerer Zweifelsphase birgt:

imageDie Zweifel führen dazu, dass beide genau abklären, wie der Lebensentwurf mit dem Kind aussehen soll.

imageElternkooperation entwerfen sie im Vorfeld – und wird gezielt Schritt für Schritt erarbeitet.

imageBei der Familiengründung werden die berufliche Zukunft und die persönliche Entwicklung mitbedacht.

imageEine solide Grundlage für die Familiengründung schafft Freiräume: Vielleicht teilen sich beide die Elternzeit. Vorübergehend verkraften sie, weniger Geld zu haben.

imageDie beiden haben genügend positive Erfahrungen als Paar gemacht, um Durststrecken zu überstehen.

imageViele Freunde haben bereits Kinder, potenzielle Spielkameraden für den eigenen Nachwuchs und die Erfahrung der jungen Eltern können sie nutzen.

Die schwebende Phase bringt auch Schwierigkeiten mit sich:

imageDie Partnerschaft ist durch das lange Warten ermüdet. Nach längerer Zweifelsphase ist das Paar schon älter: Bei Krise oder Überforderung sind die Nerven nicht mehr so stabil.

imageSollte die Entscheidung »im Zweifel für den Beruf« gefallen sein, hat ein unerwartetes Kind es schwer. Denn wenn es trotzdem kommt, wird es womöglich als lästiges Anhängsel empfunden und auch so behandelt.

imageWenn das Zaudern über Jahre anhält, steht möglicherweise ein unbewusstes Verbot dem Kinderwunsch entgegen. Es gilt zu klären, was ein Kind fürs eigene Leben bedeutet.

imageWenn die Zweifel nicht ausgeräumt werden, kann die Partnerschaft leiden, und es kommt zu Vorwürfen: »Du wolltest doch das Kind!«

Wenn noch ein Kind kommt

Sie haben schon Kinder und werden von einem »Nachzügler« überrascht

Ungewollte Schwangerschaften gibt es nicht nur zu Beginn der Familienphase. Ein Drittel der Konfliktgespräche bei der Schwangerschaftsberatungsstelle Donum Vitae in Regensburg führen »gestandene« Mütter.[3]