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Originalausgabe
1. Auflage 2014
© 2014 by mvg Verlag, 
ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
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Redaktion: Caroline Kazianka
Umschlaggestaltung: Marco Slowik
Umschlagabbildung: Shutterstock
Satz und E-Book: Grafikstudio Foerster, Belgern
 
ISBN Print 978-3-86882-505-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-654-0
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-655-7
 
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Inhalt


Titel
Impressum
Inhalt

Vorspiel
Ausziehn!
Erste Gehversuche als Triebtätige
Cybersex. Spritzt, macht aber nicht nass
Artenbestimmung im Vögelschutzgebiet
Sexplattformen: tagesfrisches Angebot von Brust, Hüfte und Bauch
Männer: die Herren der fantasielosen Schöpfung
Zu ihm oder zu mir – wohin mit dem Fremdkörper?
Verkehrsbehinderung durch erheblichen Triebwerkschaden
Pornokino. Hier kommst du zum Film
Doppelt gemoppelt hält besser
Zieh!mich!aus! Satin, Spitze und andere Reizstoffe
Swingerclub. Wo gevögelt wird, da lass dich nieder …
Viagra, Potenzförderung mit Risiken und Nebenwirkungen
Outdoor- und Parkplatzsex: Lustkurort mit offenem Vollzug
Sex am See: Kondome schützen nicht vor Sonnenbrand
Doppel-Whopper, die Zweite
Sex aus dem Spielzeugkoffer. Wenn der Unterleib zur Playstation wird
Dirty Talk. Bitte nur Hochdeutsch
Deep Throat. Da schluckst du
Rollenspiele. Oscar für die beste männliche Nebenrolle
Männer. Machen das Beste aus ihrem Typ
Poppen light
Schwestern im Geiste … und auf der Matratze
Sex vor Publikum: der Vorführeffekt
Sadomaso. Die Kunst der gezielten Reizüberflutung
Sex gegen Geld. Weil ich es mir wert bin
High Sexiety. Gebumst wird in den besten Kreisen
Gangbang: die etwas andere Männerselbsthilfegruppe
Freiwillige Selbstkontrolle

Vorspiel

Für Frauen kommt Sex aus dem Internet so einfach wie Strom aus der Steckdose. Ein deutliches Profil, ein paar Klicks, und schon hatte ich massenhaft Anwärter auf dem virtuellen Schoß, die nichts anderes wollten, als dass ich es mir ganz real auf ihrem Schoß bequem machte. Triebtätige Frauen ohne finanzielles Interesse sind in der erotischen Datingszene nämlich permanente Mangelware. So begehrt wie Bananen in der ehemaligen DDR. Die Nachfrage ist derart groß, dass ich mir meine Tätigkeit im Lustschutzraum der Sexdatingszene auch gut als freiwilliges soziales Jahr anrechnen lassen könnte. Hey, schließlich habe ich Dinge umsonst getan, für die Männer normalerweise bereit sind, viel Geld zu zahlen. Zugegeben, ein einziges Mal habe ich mich auch bezahlen lassen. Aber nur, um in Erfahrung zu bringen, wie sich das anfühlt, Hobbynutte zu sein.

Bevor ich allerdings zur Sexpertin wurde, die sich ­artgerecht im Vögelschutzgebiet bewegt, musste ich einige Hindernisse überwinden. Hindernisse wie hässlich gemusterte Polstermöbel, trostlose Hotelzimmer, klebrige Sessel in Pornokinos und so manchen männlichen Triebwerkschaden. Denn als ich in das mir bis dahin unbekannte Terrain des Sexdatings vordrang, war ich total aus der Übung und fühlte mich als erotisches Auslaufmodell. Ein One-Night-Stand schien mir so unerreichbar wie die Goldmedaille im Stabhochsprung. Ich hatte ja keine Ahnung, dass da draußen ein Krieg der Hormone tobt, in dem keinerlei biologische Zeituhr tickt.

Mit der Zeit lernte ich, mich irgendwo im Bermudadreieck zwischen naturgeil, MILF und nymphoman zu bewegen wie ein Fisch im Wasser. Ich lernte, Reizstoffe wie Satin und Seide genauso gezielt einzusetzen wie Viagra und Dildos in Pfeffermühlengröße. In die Rolle der Hobbynutte schlüpfte ich ebenso mühelos wie in halterlose Stützstrümpfe. Und wenn ich mich wie ein Promi fühlen wollte, ging ich einfach im Sexshop einkaufen.

Aber das Wichtigste, das ich lernte: wie man unter Bergen von Schmutzwäsche den geeigneten Rohdiamanten herausfischt, das männliche Prachtexemplar, das uns Frauen in Mikrowellengeschwindigkeit erhitzt und mit der Kraft einer Cruise Missile ins All schießen kann. Für ein paar Sekunden.

Wenn Sie jetzt noch Lust haben, mich auf meinem Weg zu begleiten, dann kommen Sie mit mir zurück zu den Anfängen.

Ausziehn!

Ich möchte keine Trennung.« Das war die gute Nachricht, die mein Mann Paul für mich bereithielt, nachdem er mir seine Affären gebeichtet hatte. Die schlechte Nachricht folgte allerdings gleich darauf. Er wünsche sich eine offene Beziehung. Mit reichlich Beinfreiheit für jeden von uns.

»Ich möchte mich in dieser Hinsicht mehr ausleben«, erklärte er mir wenig sensibel. »Und du kannst das natürlich auch.«

Auf den ersten Blick klang das nach einem fairen Deal. Gleiches Recht für alle. Und begründet war sein Anliegen sowieso. Unser Sexleben war schon lange klinisch tot und dies vielleicht die letzte Chance, es künstlich wiederzubeleben. Wir waren seit fast 20 Jahren zusammen, die erotische Anziehungskraft, die laut Studien vier bis fünf Jahre anhält, hatte sich inzwischen also sogar gleich viermal verbraucht. Und obwohl ich Paul noch liebte, rangierte der Sex auf einer Skala irgendwo zwischen Migräne und Menstruation.

Doch ich hatte mich damit abgefunden. In meinem Alter glaubt man schließlich genauso wenig an guten Sex bis ins hohe Alter wie an den Weihnachtsmann. Paul dagegen wollte sich offenbar damit nicht abfinden, und diese Erkenntnis war für mich, wie in einem Stück Obstkuchen plötzlich auf einen Kirschkern zu beißen. Es traf mich unerwartet hart und tat weh.

Nachdem ich eine Weile darauf herumgekaut hatte, wurde mir klar, dass Pauls Plan lachhaft unfair war. Er war mit Ende 40 und als Hochschulangestellter im besten »Hilfe, ich liebe meinen Prof«-Alter. Das Frischfleisch kam von ganz allein vorbeigeflattert, er musste bei passender Gelegenheit nur den Hosenstall öffnen.

Ich dagegen fühlte mich mit 40 eher als erotisches Auslaufmodell. Die männliche Aufmerksamkeitskurve verzeichnete bereits einen deutlichen Abwärtstrend, ein One-Night-Stand war für mich so etwas wie eine aussterbende Art, die unter Naturschutz gehörte. Wenn ich verreiste, war die Wahrscheinlichkeit höher, an einer Thrombose zu erkranken als an einer Geschlechtskrankheit. Überhaupt war ich inzwischen hoffnungsvolle Anwärterin auf allerlei Leiden mit Endung auf »ose«: Thrombose, Osteoporose, Reiterhose … Sex war nichts als eine weitere Problemzone. Mein Körper war zwar noch keine Kraterlandschaft, und Haut, Haare und Kurven befanden sich noch an dem von der Natur vorgesehenen Platz und in der gewünschten Festigkeit. Aber nur wenn das Licht gnädig gedimmt war. Ich sah mich allerdings schon völlig auf dem Trockenen sitzen, nur gepolstert von einem bequemen Sofa und etlichen Frustkilos, Kosename: Wüstenmaus.

Warum hatte sich Paul nicht schon vor zehn oder 15 Jahren auf die Vorteile einer offenen Beziehung besonnen? In meinen Dreißigern standen bei mir Attraktivität, Selbstwertgefühl und erotische Strahlkraft auf dem Höhepunkt der Sinuskurve und vereinten sich zu einem brodelnden Cocktail. Mein Körper war gespannt wie ein Weidenbogen, der jederzeit erotische Blitze aussendete. Ich verschoss meine gesamte Munition jedoch auf Paul. Damals dachte ich, dies sei eine sinnvolle Investition. Falsch gedacht. Und das nahm ich ihm übel. Wochenlang betrauerte ich mich nun selbst. Pumpte den Körper, den so lange keiner mehr berührt hatte und vielleicht nie mehr jemand berühren würde, voll mit Nikotin und spülte Alkohol hinterher. Begleitend studierte ich das Muster unserer Gästecouch, auf der ich fortan nächtigte. Bis mir eines Tages der Spiegel klarmachte, dass ich so nicht weitermachen konnte. Nur, was sollte ich ändern? Nach Wochen, in denen ich nichts anderes getan hatte, als mich aufzugeben, fehlte mir die Inspiration.

»Was soll ich tun?«, fragte ich ratlos den Spiegel, der mir schonungslos mein Bild vorhielt.

»Das, was du am besten kannst«, gab er mir zurück.

Ich überlegte kurz. Dann handelte ich. Ich ­kontaktierte meine Headhunterin, die daraufhin für mich aktiv wurde. Schon nach kurzer Zeit stellte ich fest, dass es in meinem Alter leichter war, einen neuen Job zu bekommen als einen neuen Liebhaber. Vier Wochen später hatte ich eine neue Stelle in einer anderen Stadt und beauftragte einen Makler mit der Wohnungssuche.

»Verlässt du mich?«, war Pauls überraschte Frage, als ich meine Pläne in die Tat umsetzte.

»Ich verlasse die Stadt und diese Wohnung«, antwortete ich. »Und lasse dir die Freiheit, die du brauchst.«

Wenig später saß ich in einer fremden Stadt in einer fremd möblierten Wohnung und hatte die Freiheit, die ich nie gewollt hatte. Ablenkung und Beschäftigung verschaffte mir meine neue Position in einem großen Konsumartikelunternehmen. Allerdings nur im Zeitraum von 9 bis 18 Uhr. Die Kollegen und mein Team waren fit und fleißig, doch der Abend gehörte der Familie und dem Privatleben, von dem jeder in dieser Firma eines zu haben schien. Außer mir. Und nachdem mich das Reinigungspersonal wiederholt fast gewaltsam aus dem Büro hatte entfernen müssen, verbrachte ich die Abende fortan allein in meiner luxuriösen Bleibe. Für eine Weile setzte ich wieder auf die bewährte Nummer mit Nikotin und Alkohol und telefonierte dazu mit Paul, bis ich Blasen an den Ohren hatte, nur um zu verhindern, dass er in aller Ruhe seinem Triebleben nachgehen konnte.

Bis ich völlig überraschend von meinem eigenen Trieb heimgesucht wurde. An der Seite von Paul hatte sich mit den Jahren mein sexuelles Verlangen auf Niedriglohnniveau eingependelt. Es schien mir, als hätte mein Unterleib ein Ausstiegsprogramm unterschrieben und sei stillgelegt wie ein überaltertes Kraftwerk. Hier und jetzt, allein in der fremden Wohnung, nahm er allmählich ganz von selbst wieder den Betrieb auf. Ich wurde von erotischen Träumen und Fantasien heimgesucht, die mit der Kraft eines 7-Tonners über mich hinwegdonnerten. Bauarbeiter, DHL-Boten, Zugschaffner, Piloten, Taxifahrer (schlimm, ich weiß) waren die Hauptdarsteller in meinem Kopfkino und führten obszöne Regie. Auch die gesamte Belegschaft meines Konzerns hatte ich schon durchgevögelt, inklusive Pförtner und Reinigungspersonal. Oft stand ich nach Sitzungen auf und wünschte mir nichts sehnlicher als einen Föhn, um mein Höschen zu trocknen. Aus der nüchternen Vertriebsleiterin war eine Triebtäterin geworden.

Mir war klar, dass ich aktiv werden musste, denn von allein würde mir kein Kerl vors Visier laufen. Aber an irgendeiner Bar warten, bis sich ein Irrläufer in den Maschen meiner Netzstrumpfhose verfing? Die Alterspräsidentin des Casual Datings? Nein. Es musste diskretere Wege zum Lustabbau geben. Und direktere. Ich bin die Art Frau, die Männer zunächst zum Essen ausführen, ins Konzert oder Theater, bevor sie nur daran denken, ins Zonenrandgebiet ihrer Geschlechtsteile vorzudringen. Männer sehen mich unter jedem Blickwinkel, nur nicht aus der Vögelperspektive. Und genau das wollte ich jetzt ändern.

Erste Gehversuche als Triebtätige

Wie ich auf der Homepage eines Pornokinos landete, kann ich im Nachhinein nicht mehr genau sagen. Pornokinos, wie man sie so kennt, sind eine Art Tagesstätte für Männer, die sich im Rhythmus der oral, vaginal und anal trainierten Darsteller auf der Leinwand einsam einen abschütteln. Den spermatriefenden Sesseln nähert man sich allenfalls mit Plastikunterlage, und in allen Räumlichkeiten gilt die unausgesprochene Regel »Don’t touch anything but yourself«.

Als Studentin hatte ich mich einmal in ein sogenanntes Blue Movie gewagt, ein Kino, in dem die eindeutigen Szenen als Endlosschleife vorgeführt wurden. In gepflegter Runde – mit meiner besten Freundin, ihrem und meinem Freund – saßen wir auf den durchgewichsten Sesseln und vermiesten dem Restpublikum den voyeuristischen Genuss mit lautem Gekicher, Kommentaren und vielen Bähs und Ähs, bevor wir wieder Zuflucht in unseren Kuschelbeziehungen suchten. Damals war Pornografie noch etwas Ekliges, das die Lust eher schmälerte als den Appetit weckte. Und Internet war zu der Zeit noch gar nicht erfunden. Erst in den letzten Jahren sind ja Kanäle entstanden, die uns die Welt der Pornografie näherbringen und auf diese Weise jedem, der es wissen will, vor Augen führen, was der Mensch im Bett (und an so ziemlich jedem anderen denkbaren Ort) sexuell zu leisten vermag. Theoretisch zumindest.

Das gepflegte Pornokino von heute hatte, damit einhergehend, einen elementaren Evolutionsschub durchlaufen. Es war offenkundig eine Stätte der Toleranz und Freizügigkeit, vergleichbar mit einem Swingerclub. So positionierte sich zumindest die »Lustoase«, das Etablissement, auf dessen Homepage ich gelandet war. Die »Lustoase« war allem Anschein nach ein Ort der Begegnung von Wichsern und Spannern, von Pärchen und allein cruisenden Herren. Frauen konnten sich hier in aller Öffentlichkeit präsentieren und beim Sex eine gewisse Bühnenerfahrung sammeln. Es gab zudem einen Shop, in dem man alles Mögliche erstehen konnte, was zum klassischen Lustgewinn benötigt wurde. In den angrenzenden Kinos konnte man Filme ansehen und anschließend in abgeschlossenen Räumen in aller Öffentlichkeit angestaute Lust sofort abbauen. Hierfür gab es einen eigens geschaffenen, vom üblichen Kinogeschehen abgeschiedenen Bereich.

Einen Pornofilm anschauen, Sex haben und sich dabei noch beobachten lassen – das waren ja gleich drei aufregende Dinge auf einmal. Ein erotisches Überraschungsei quasi, mit Spiel, Spannung und (weißer!) Schokolade. Diese Möglichkeit der lustvollen, frivolen Unterhaltung entfachte meine schmutzige Fantasie enorm. Gierig klickte ich weiter durch die Seiten und fand eine Art Gästebuch, in dem Gäste und solche, die es werden wollten, Nachrichten hinterlassen konnten.

»Bin heute Abend im Kino. Welche geile Sie oder geiles Paar hat Lust?«, lautete der hoffnungsvolle Appell von Stefan_geil.

Dieter48 war da weniger wählerisch, er bot seine Dienste wie folgt an: »Habe am Donnerstag vor, ins Kino zu gehen, hat jemand Lust, mich da zu treffen?

Bin so gegen 17 Uhr da, lecke gerne oder blase auch Schw... oder kommt vielleicht mal eine Frau dahin, die Lust hat, mal geleckt zu werden.«

Anscheinend ist im Pornokino von heute nicht nur Zuschauen, sondern auch Anfassen stärkstens erwünscht. Der Kinobesucher ist also dankbares Publikum und Mitspieler gleichzeitig. Auch homosexuelle Orientierung wird hier toleriert, so entnahm ich zumindest weiteren Beiträgen.

»Möchte meinen Schwanz ins Glory Hole stecken. Wer bläst? Adonis.«

»Komme morgen zum Wichsen ins Kino, wer mag zuschauen?«

Einmal pro Woche fand im Kino ein Pärchenabend statt, und das Gästebuch diente hierzu als Tauschbörse: »Molliges Paar sucht Gleichgesinnte für wildes Durcheinander«, hieß es da oder: »Welche Sie begleitet mich am Freitag zum Pärchenabend?«

Dann gab es noch die Fortgeschrittenen in Sachen Abenteuerlust, die alles andere als zimperlich waren. »Werde am Sonntagmittag im Kino mal wieder meine Ehestute vorführen. Die Stute wird anschließend zum Abficken freigegeben. Hoffentlich sind viele geile Jungs da.«

Das Ganze war eine regelrechte Vorher-nachher-Show, denn das Gästebuch wurde auch genutzt, um erbrachte Leistungen anzuerkennen und sich dafür zu bedanken.

»Ich wollte nur sagen, dass die GB-Party heute echt geil war. Ich konnte schön meinen Saft auf Dany verteilen. Ich komme auf jeden Fall wieder ... *geilegrüße*«

»Danke an das nette Paar, das am Mittwochnachmittag den Gang-Bang veranstaltet hat. Die süße Kleine ist wirklich hübsch und hat gut durchgehalten! Gratuliere zu dieser schwanzgeilen Frau. Während ich da war, hat sie mit ihrer süßen, rasierten Fotze mindestens 20 Männer aller Altersklassen befriedigt. Komme gerne wieder!«

Es gibt Menschen, die verlassen sich bei Entscheidungen auf ihr Bauchgefühl. Bei mir fiel die Entscheidung in diesem Fall ein Stockwerk tiefer: Das will ich auch, diktierte mir mein Unterleib. Plötzlich war ich voller Tatendrang und hatte den Eindruck, alle Menschen glitten auf einer erotischen Rutschbahn durchs Leben, während ich auf dem Trockenen saß.

Immer noch konnte ich nicht sagen, woher die Wucht meines Verlangens kam. Noch nie im Leben hatte ich ein derartig starkes Bedürfnis verspürt. Ich stamme eigentlich aus einer prüden Familie, in der Nacktsein an sich schon ein Delikt darstellte und die Existenz einer Welt jenseits des Gürtellinienäquators schlicht geleugnet wurde. Wenn wir in den Ferien Stadt, Land, Fluss spielten, das klassischerweise dann noch um andere Kategorien wie etwa Tiere, Baudenkmale oder Körperteile erweitert wurde, und es zum unheilvollen Buchstaben P kam, verzichtete man in der Kategorie Körperteile lieber auf die begehrten Punkte, als so etwas Unheilvolles wie Po oder Penis zu Papier zu bringen. Lieber schrieb jeder brav Pupille auf und kassierte dafür nur die halbe Punktzahl.

Später kamen erste Softpornokontakte in Form von heimlich unter der Schulbank herumgereichten Schmuddelheftchen hinzu, während wir oberhalb der Schulbank im Sexualkundeunterricht gähnten. Die 1983 im deutschen TV ausgestrahlte Zieh-dich-aus-Produktion Tutti Frutti, sozusagen die Ursuppe öffentlich-erotischer Fernsehunterhaltung, machte auch nicht gerade neugierig auf mehr.

Auf die typischen ersten Schwitz- und Tatschannäherungen ans andere Geschlecht, bei denen man auf Klassenpartys in erster Linie ausprobierte, wie tief die Zunge in die gegnerische Kehle passte, folgten dann einige ernsthafte Beziehungsversuche. Die Stadien von großer Liebe bis kleinlauter Trennung absolvierte ich mehrmals im Schnelldurchlauf, bis ich schließlich Paul traf. Paul entschleunigte mein Gefühlsleben. Wir lernten uns im Studium kennen und waren fortan zusammen. Die große Liebe hielt sehr lange.

Das große Begehren hingegen besaß eine niedrigere Halbwertszeit. Manche Paare bringen ja verbrauchte Energie zurück, indem sie sich für Gruppenerlebnisse etwa in Swingerclubs öffnen. Und auch wir hatten ab und zu schon eine Fernsehreportage bekichert, die über diese irgendwo in deutschen Wäldern und Wohnsiedlungen angesiedelten Do-it-yourself-Oasen zum Anfassen und Mitmachen berichteten. Doch niemals hätten Paul und ich es in Erwägung gezogen, unser Liebesleben auf einer öffentlich begehbaren Matratzenspielwiese wiederzubeleben. Nun, er zumindest hatte ja einen Weg zum Ausgleich seines Hormonhaushaltes gefunden. Ich musste noch suchen. Und als ich auf die bunt bebilderte Homepage der »Lustoase« starrte, sagte mir mein Gefühl, dass ich der Sache schon ein ganzes Stück näher gekommen war.

Auch ich konnte heißen außerehelichen Verkehr haben. Spontanes Austoben war in greifbare Nähe gerückt. Der Gedanke daran war unglaublich aufregend und kribbelte. Meine Fantasie ging dermaßen mit mir durch, dass ich ihrer in reiner Heim- und Handarbeit nicht mehr Herr wurde. Es drängte mich nun hinaus in die freie Wildbahn. Ich wollte endlich nachholen, was ich jahrelang verpasst hatte. Auch wenn das unter Umständen bedeutete, einer Horde Lustmörder in der letzten Kinoreihe zum Opfer zu fallen.

Ich beschloss, zunächst einmal den sündigen Ort zu inspizieren, unauffällig und bei Tageslicht. An einem Sonntagnachmittag unternahm ich daher eine Spazierfahrt der etwas anderen Art. Das Kino befand sich zwischen türkischen Geschäften und Telefonshops. Als ich die grellbunte Neonschrift der »Lustoase« entdeckte, trat ich vor Schreck abrupt auf die Bremse. Hinter mir Reifenquietschen und empörtes Hupen. Sofort drückte ich aufs Gaspedal und machte nun selbst mit quietschenden Reifen, dass ich wegkam. Die »Lustoase« sah aus wie ein ganz normales schmuddeliges Kino und lag damit meinen Fantasievorstellungen diametral entgegengesetzt. Wirklichkeit hatte Fantasie eingeholt und mich gründlich ernüchtert. Die Idee von spontaner Befriedigung war plötzlich gestorben.

Zumindest für ein paar Tage. Dann übernahm meine Lust wieder das Kommando. Jetzt war es gerade der schäbige Bodensatz, der mich erregte. Gerade der Kontrast zu meiner sonstigen Lebenswelt, der meine Fantasie anfachte. Also setzte ich mich hin, formulierte mühevoll einen Text, holte tief Luft und jagte meinen Appell schließlich mittels Enter-Taste mitten hinein ins WorldWideWet im Allgemeinen und auf die Gästebuchseite der »Lustoase« im Besonderen. »Attraktive Lady sucht Begleitung für die Mittagspause.« So lautete mein ambitioniertes Anliegen. Absender: »Amanda«. Das klang so schön nach dreckigem 70er-Jahre-Discosound.

Grrr, im Geiste sah ich mich schon mit unbekannten Fremden unter laszivem Blickkontakt an Dildo-bestückten Regalen entlangschleichen, um dann im Dunkel hinter dem Kinovorhang zu verschwinden. Doch dann rief ich mich zur Ordnung. Woher wollte ich denn wissen, dass diese Texte überhaupt von irgendeiner Menschenseele gelesen wurden, und wer um Himmels willen würde auf solch eine Annonce schon antworten?

Wenige Stunden später wusste ich es. Glücklicherweise hatte meine Mailbox ein großzügiges Fassungsvermögen, sonst wäre sie wegen Überfüllung geschlossen worden. Mein Anliegen war absolut massentauglich, wie ich feststellte. Offenbar hatte ich mit meiner schmutzigen Fantasie einen tief liegenden männlichen Reflex im limbischen System ausgelöst. Und zwar den Reflex, sofort eine E-Mail zu schreiben. Allein beim ersten Öffnen standen da 56 steife Schwänze in Reih und Glied und boten sich großzügig als Begleiter an. Der Mann, dein Freund und Helfer. Die meisten fackelten nicht lange und schickten ihren vollen Namen mit Telefonnummer und Foto. Als Vertriebsfachfrau witterte ich hier die lukrative Möglichkeit, günstig Adressen zu generieren. Doch meine Gier in dieser Angelegenheit richtete sich ja nicht auf das Portemonnaie der Männer, sondern auf das, was sie in unmittelbarer Nähe trugen.

Es gab viele Einladungen zum Kennenlernen, vor dem Bespringen kam das gegenseitige »Beschnuppern«, wie es gerne genannt wurde. Das Werben des paarungsbereiten ­Städters unterschied sich hier nicht signifikant von dem in der Tierwelt verbreiteten. Es gab Einladungen zu Drinks, Kaffee oder zum Essen. Wäre ich knapp bei Kasse gewesen, ich hätte mich auf diese Weise monatelang durchfüttern lassen können. Nach wenigen E-Mails hatte ich allerdings bereits einen Favoriten ins Auge gefasst. Der Absender »ExtreamlyHot« (Ja, lachen Sie nur) faszinierte mich durch seine klaren Vorstellungen.

Hallo Amanda. Ich bin ein Mann Anfang 40, komplett rasiert, 176 cm, sportliche 76 kg und wohne in NRW. Ich fahre auf zeige- und naturgeile Frauen total ab, die sich in entsprechender Stimmung gnadenlos gehen lassen können.«

Das war genau die Mischung aus Vernunft und verrückt, auf die ich nach jahrelanger Enthaltsamkeit ansprang. Neugierig schrieb ich zurück und alsbald hatte ich folgende Regieanweisung im virtuellen Briefkasten.

Im Kino können wir uns erst mal umsehen, dann ein schnuckeliges Plätzchen suchen und dann … machen wir es uns gemütlich. Du wirst dich vor meinen Augen streicheln und ich werde dich dabei beobachten und dich verbal etwas anheizen. Ich schlage vor, wir treffen uns einfach zunächst kurz an einem neutralen Ort auf einen Kaffee. Da können wir uns kurz beschnuppern. Treffpunkt vor dem Kaufhof? Nenne mir eine Uhrzeit und wie ich dich erkenne, ich werde dann da sein und dich ansprechen … LGG und Kuss! Tom!«

In diesen Tagen wurde in unserem Unternehmen eine neue ­Deodorantsorte entwickelt und dafür wurden ­verschiedene Düfte getestet. Auch ich beteiligte mich an den Dufttests, allerdings war ich völlig unbrauchbar für die Untersuchung. Denn für mich roch jetzt jeder Duft gleich: nach Moschus. Meine männlichen Kollegen schienen mir testosterongeschwängerte Zuchtbullen zu sein, die ich mit der Gier einer brünftigen Fährse anschmachtete. In den drei Tagen, bis ich Tom traf, verbrauchte ich die zehnfache Menge an Höschen wie sonst. Es war Rosenmontag, als ich wie verabredet vor dem Kaufhof wartete. Ich beobachtete die Menschen, die ein und aus gingen, während ich draußen stand. Prickelnde Vorfreude erfüllte mich. In wenigen Sekunden würde ich lebensverändernden Sex haben, befeuert vom erotischen Glutamat eines Sexkinos. Jede Sekunde, die ich wartete, wuchs ich innerlich an meinem Stolz, während im Nanosekundentakt immer neue Sexszenen durch meinen Kopf pulsierten. Seht her, wollte ich den Menschen zurufen, die an mir vorbei ihrem ganz normalen Alltagstrott nachgingen. Seht her, hier ist die Frau, die bereit ist, etwas wirklich Verwegenes zu tun.

Zwei Minuten später wollte ich einfach nur im Boden versinken. Ähnlich wie bei einem Unfall erinnere ich mich heute nur noch schemenhaft an die Millisekunden dieser Begegnung.

Im Nachhinein muss ich zugeben, einen eklatanten Fehler begangen zu haben. Ich hatte nämlich darauf verzichtet, mir vor der Begegnung ein Foto schicken zu lassen. Auf meine Bitte hin hatte Tom mir erklärt, dass es ihm zu heikel sei, ein Foto zu schicken, da sich »zu viele Chaoten im Netz« tummelten. Ich hatte Verständnis dafür gehabt. Außerdem war ich viel zu wild auf dieses Date, um es wegen des fehlenden Bildes platzen zu lassen. Herrje, schließlich wollte ich den Mann ja nicht heiraten. Insofern war das Aussehen ohnehin nicht so wichtig. Hatte ich gedacht. Bis er vor mir stand. Ich erinnere mich dunkel an Haare mit Schmalzfilm und Glasbausteine, durch die er mich mit Besitzerstolz musterte, als hätte ich schon die Beine breit. Alles andere hat mein Gehirn gnädig ausgeblendet.

Durch die Flut der Schockhormone drang nur ein einziges Signal: Flucht. Und die trat ich dann auch umgehend an. Ohne ein Wort zu verlieren, flüchtete ich in die Menge und stieg an einer Haltestelle in die nächstbeste Straßenbahn.

Cybersex. Spritzt, macht aber nicht nass

Wieder dauerte es nur wenige Tage, bis der Schock abgebaut war und die Lust erneut die Oberhand gewann. Inzwischen war Tom – unter Ausschluss von jedweden unangenehmen Geruchs- oder Geschmacksempfindungen – in meine Fantasien rund um die Eroberung des Pornokinos eingebaut. Durch den Hamilton-Filter meiner Vorstellungskraft war es überaus erregend, mir vorzustellen, wie es denn gewesen wäre, wenn ich mitgekommen wäre. Er hatte in dieser Hinsicht offenbar eine parallele Entwicklung durchgemacht, denn einige Tage später fand ich folgende E-Mail in meiner Box.

Hallo A., danke, dass du zumindest da warst, wenngleich es mir lieber gewesen wäre, wenn du im Anschluss mit ›gekommen‹ wärst. ;-)

Und jetzt mal ehrlich – wie war die Zeit vor dem Treffen? Ungewissheit, was dich erwartet … verbunden mit einem Hauch Geilheit? Vorangegangene Überlegungen – was ziehe ich an? Wie wird er sein? Was ist das für ein Mann? Hand aufs Herz, hast du diese Zeit nicht etwas genossen? Also, ich schon – wenn ich ehrlich bin. Auch wenn es dir diesmal etwas schnell ging und du real noch nicht so weit warst, dich fallen zu lassen, vielleicht würdest du dies gerne virtuell tun? Schreibe mir, wie es dir ergangen ist. Ob dich das Treffen erregt hat, was du unter dem Mantel und den Jeans anhattest und was in deinen dunklen Fantasien im Kino abgegangen wäre.

Mein Interesse, angefacht von den wenigen Tagen Bedenkzeit, war wieder geweckt. Ich gestehe, trotz aller Abneigung gegen diesen Mann war ich geschmeichelt. Und fühlte mich nach langer Zeit wieder begehrenswert. Toms Vorschlag, ihm meine Fantasien zu beschreiben, weckte zudem noch ein anderes, neues Gefühl in mir: das Gefühl von Macht. So muss eine Katze sich fühlen, die mit der Maus zwischen den Pfoten Pingpong spielt.

Außerdem, was riskierte ich schon? Tom besaß nichts weiter von mir als eine anonyme E-Mail-Adresse, so konnte ich quasi von der sicheren Fahrgastzelle meines Schreibtisches aus operieren und mich im völlig geschützten Raum austoben. Schmutzige Fantasie mit Kondom. Safer Sex in Reinform sozusagen. Diese Erkenntnis ließ einen unmoralischen Plan in mir reifen und inspirierte mich zu einer Geschichte mit dem Titel »Tatort Pornokino«. Genüsslich feilte ich an den schmutzigen Details und schickte den Text dann ab. Offenbar erreichte er ihn im Büro, denn schon wenige Minuten später erhielt ich die Antwort.

Mein liebes geiles Mädchen! Was soll ich hierzu sagen! Kannst du mir erklären, wie ich als Mann noch arbeiten soll, wenn man von einer solch hübschen Frau eine so gnadenlos geile Story geschickt bekommt? Wow! Ich muss gestehen da steigt mir doch – obwohl noch im Büro sitzend – gehörig der Saft in den Spross! LGG Tom!«

Ich war überrascht. Wie einfach war es doch, allein durch die Macht der Worte einen Menschen für den restlichen Tag erwerbsunfähig zu machen. Derart befriedigt, beschloss ich, das Ganze noch zu steigern. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, so heißt es ja, und so fertigte ich einige Detailaufnahmen an, die ich ihm wiederum ins Büro schickte. Allerdings diesmal mit dem strengen Warnhinweis, die Bilder auf keinen Fall am Arbeitsplatz zu öffnen. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

Also, eines muss man dir lassen, du weißt, wie man Männer in geile Erwartung versetzt! Kannst du mir mal sagen, wie ich in Anbetracht deiner Ankündigung hier weiterarbeiten soll? Werde mich wohl dazu entschließen, heute etwas früher Schluss zu machen, bevor der einen oder anderen Dame noch die Beule in der Hose auffällt … In freudiger Erwartung Tom!«

Hmm, da hatte ich wohl einen gewissen Nerv getroffen. Das ganze Wochenende lang hörte ich nichts und machte mir bereits Sorgen. Hielten ihn meine Bilder so auf Trab, dass er die Tastatur nicht mehr bedienen konnte? Oder hatte er mit seiner angekündigten Spritzparade womöglich sein Computer­equipment ruiniert?