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Angela Sommer-Bodenburg

Prinzessin Pumpernickel

Bilder von Monika Parciak

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Über Angela Sommer-Bodenburg und Monika Parciak

Angela Sommer-Bodenburg hat Pädagogik, Soziologie und Psychologie studiert. Sie war 12 Jahre Grundschullehrerin in Hamburg und lebt inzwischen in Silver City, New Mexico, USA, wo sie schreibt und malt. Ihre Erfolgsserie «Der kleine Vampir» wurde in 34 Sprachen übersetzt, zweimal für das Fernsehen verfilmt und kam im Jahr 2000 mit einer internationalen Großproduktion auf die Kinoleinwand. Zudem gibt es ein Musical, Theaterstücke, Kassetten und CDs von «Der kleine Vampir».

 

Veröffentlichungen (Auswahl):

«Der kleine Vampir», Bd. 1–20, «Der kleine Vampir – Roman zum Film», «Anna von Schlottersteins Nächtebuch», «Das Biest, das im Regen kam», «Wenn du dich gruseln willst», «Die Moorgeister», «Julia bei den Lebenslichtern», «Schokolowski», «Hanna, Gottes kleinster Engel», «Jeremy Golden und der Meister der Schatten», Gedichtbände.

Besucht auch die Website von Angela Sommer-Bodenburg:

www.AngelaSommer-Bodenburg.com

 

Monika Parciak, 1976 geboren, sammelte nach ihrer Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin etwas Berufserfahrung, bevor sie dann 2003 ein Design-Studium an der FH Düsseldorf begann. Seit ihrem erfolgreichen Abschluss 2008 arbeitet sie freiberuflich als Illustratorin und Grafikdesignerin für verschiedene Verlage. Sie lebt und arbeitet in Neuss.

Über dieses Buch

Pumpernickel? Zugegeben, das ist ein wirklich ungewöhnlicher Name für eine kleine Prinzessin. Wie die jüngste Tochter des Königs von Pattaloonia zu ihrem Namen kam und wie man mit viel Phantasie und Pfiffigkeit die Folgen eines Missverständnisses wieder aus der königlichen Welt schafft – davon erzählt die Autorin des «Kleinen Vampirs», Angela Sommer-Bodenburg, in diesem zauberhaften Buch.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Dezember 2013

Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Lektorat Silke Kramer

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlag- und Innenillustrationen Monika Parciak

Umschlaggestaltung any.way, Barbara Hanke/Cordula Schmidt

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.

Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

ISBN Printausgabe 978-3-499-21676-3 (1. Auflage 2013)

ISBN E-Book 978-3-644-50611-4

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-50611-4

Für Burghardt,
meinen Prinzen aus der Bodenburg,
und für alle,
die nicht vergessen haben,
wie Pumpernickel schmeckt!

1 Die königliche Familie

Das Königreich Pattaloonia war ein kleines Land. Ja, für den Rest der Welt war Pattaloonia so klein und so unbedeutend, dass es auf den meisten Landkarten überhaupt nicht eingezeichnet war!

Dazu hatte sicherlich auch seine ungewöhnliche Lage beigetragen: Mächtige Bergketten schlossen Pattaloonia ein, die aus einer Laune der Natur heraus die Form des Buchstaben P bildeten.

Eine enge Schlucht zwischen schroffen Felswänden bildete den einzigen Zugang zum Königreich.

Am Ende der Schlucht – sozusagen im Kopf des P – lag die Hauptstadt von Pattaloonia. Sie hieß Pattaloonita und war ebenfalls nicht sehr groß und nicht sehr bedeutend – zumindest für den Rest der Welt.

 

Wie man sich leicht vorstellen kann, hatten die Pattaloonier eine innige Beziehung zu dem Buchstaben P entwickelt.

Und so musste jeder pattaloonische Familienname und jeder pattaloonische Vorname mit P beginnen.

Dies galt auch für die Königsfamilie von Pattaloonia.

Deren Familienname war so grandios, wie es sich für eine Königsfamilie gehörte:

PATTAPRATTA-PARAPISI-PORIGORI AUF UND ZU PATTALOONIA.

Zugegeben, ein echter Zungenbrecher!

Glücklicherweise waren die Vornamen der königlichen Familienmitglieder nicht so kompliziert.

Der König von Pattaloonia hieß schlicht und einfach Peter.

Seine Gemahlin, die Königin, trug den Namen Pia.

Ihre älteste Tochter hieß Ponderosa, die zweitälteste hörte auf den Namen Perdita, und die jüngste trug den Namen Pamelina.

Die Namen seiner Töchter hatte König Peter ausgesucht, denn im Königshaus von Pattaloonia bestimmte allein der König, welche Namen die königlichen Kinder bekamen.

 

Als nun Königin Pia ihr viertes Kind erwartete, sagte König Peter eines Morgens beim Frühstück: «Ich hoffe, diesmal wird es ein Sohn! Ihr seid drei bezaubernde Töchter», versicherte er Ponderosa, Perdita und Pamelina, die verständlicherweise gekränkte Gesichter machten. «Aber es ist wirklich an der Zeit, dass die Königin und ich einen Sohn bekommen – für Pattaloonia.»

«Und warum ist es so wichtig, einen Sohn zu bekommen?», fragte Perdita. Sie war dafür bekannt, dass sie kein Blatt vor den Mund nahm.

Der König antwortete nicht gleich.

Er ließ sich noch ein Omelett reichen, würzte es kräftig mit Salz und Pfeffer und legte drei Zwiebelringe obendrauf. Gutes und reichliches Essen war die Leidenschaft des Königs von Pattaloonia. Und man sah die Folgen: an seinem königlichen Bauch und an seinem Doppelkinn!

Nachdem König Peter sein Omelett gewürzt hatte, probierte er, nickte … und schmauste.

«Warum ist es so wichtig, einen Sohn zu bekommen?», wiederholte Perdita ihre Frage.

Sie war nicht nur diejenige, die kein Blatt vor den Mund nahm; sie konnte auch sehr hartnäckig sein.

Doch beim Essen ließ sich der König durch nichts – durch gar nichts – aus der Ruhe bringen.

Er beendete seine Mahlzeit und betupfte sich die Lippen mit der Serviette, ehe er antwortete: «Wenn ich eines hoffentlich noch fernen Tages abberufen werde, soll mir ein Sohn auf den Thron folgen. So steht es in den alten Urkunden von Pattaloonia.»

«Wer sollte dich denn rufen, Papa?», fragte Pamelina.

Der König zögerte einen Moment. Dann schaute er seine Gemahlin an und räusperte sich geräuschvoll. «Würdest du so nett sein und es Pamelina erklären?», sagte er und nahm sich eines der mit Schokolade gefüllten Croissants, die soeben aus der Schlossküche hereingebracht wurden.

«Dein Vater, Pamelina, meint den Tag, an dem er zu seinem letzten und größten Festmahl abberufen wird», sagte Königin Pia und lachte nervös.

Wer wollte auch schon offen darüber sprechen, dass der König von Pattaloonia – genau wie alle anderen Erdenbürger – sterblich war? Gewiss nicht seine Gemahlin, die Königin!

Perdita kam ihrer Mutter zu Hilfe und sagte: «Mama meint Papas Festmahl im Himmel.»

«Im Himmel?», wiederholte Pamelina aufgeregt. «Heißt das, wir kriegen einen Flughafen?»

«Das wäre durchaus möglich», sagte der König und streichelte seinen vollen Bauch.

«Du baust uns einen Flughafen, Papa?», freute sich Ponderosa.

Sie sehnte sich nach den fremden, unbekannten Ländern, die hinter den hohen Bergen lagen. Und ein Flugzeug würde sie im Handumdrehen dorthin bringen!, dachte sie.

«Hm, ja, vielleicht baue ich einen Flughafen», sagte König Peter und fügte hinzu: «Jeder weiß, wie sehr sich Jungen für Flugzeuge interessieren.»

«Mädchen interessieren sich auch für Flugzeuge!», entgegnete Perdita.

«Mädchen vielleicht. Aber keine Prinzessinnen, Perdita.» Zum ersten Mal an diesem Morgen sah Königin Pia auf die Uhr – und erschrak. «Zehn Minuten vor acht! Euer Schulunterricht beginnt!»

Mit einigen Seufzern – denn auch Prinzessinnen gehen nicht so furchtbar gern zur Schule – verließen Ponderosa, Perdita und Pamelina den Saal. Und das bedeutete das Ende des königlichen Frühstücks.

Nein, nicht ganz … Als der Oberküchenmeister jetzt die Pattaloonische Nusstorte hereintrug, konnte König Peter ihrem verlockenden Duft nicht widerstehen. Er aß ein Stück Torte und gleich darauf noch ein zweites. Nach dem dritten Stück wurde ihm ganz eigenartig.

«Ich glaube, ich lege mich ein Weilchen hin», murmelte er. «In meinem Bauch rumort es wie tausend Ameisen.»

«In meinem Bauch rumort es auch», sagte Königin Pia mit einem Lächeln. «Aber bei mir ist es das Baby!»

Hand in Hand begaben sich der König und die Königin von Pattaloonia in ihre Schlafgemächer.

2 Das jüngste Königskind

Drei Monate später, in den frühen Morgenstunden des 18. Juni, kam das jüngste Königskind zur Welt.

«O, wie süß!», rief Pamelina, als sie und ihre Schwestern am Nachmittag das königliche Schlafzimmer betreten durften, in dem die Königin, noch etwas bleich von der Geburt, gegen seidene Kissen gelehnt, in ihrem königlichen Bett saß. Sanft schlummerte das Neugeborene in ihrem Arm.

«Darf ich das Baby halten?», bat Ponderosa.

«Ja», sagte die Königin. «Aber erst, wenn sie wach ist.»

«Sie?», wunderte sich Perdita.

«Sie?», rief Pamelina.

«Es ist ein Mädchen», sagte König Peter, der in einem Sessel neben dem Bett saß und sich von den Strapazen, zum vierten Mal Vater geworden zu sein, erholte.

Anfangs war der König enttäuscht gewesen, auch dieses Mal keinen Sohn bekommen zu haben. Nun allerdings lag ein glückliches Lächeln auf seinem runden Gesicht.

Eine Sache jedoch bereitete dem König Kopfzerbrechen: die Namenswahl. In den vergangenen Wochen hatte er nur über Jungennamen nachgedacht und war nach vielem Hin und Her auf Poseidon gekommen – ein angemessener Name für einen Prinzen, der einmal selbst König von Pattaloonia werden würde!, fand er.

Aber jetzt brauchte der König einen Mädchennamen – und zwar bis zwölf Uhr mittags, wenn sich die Würdenträger von Pattaloonia im Thronsaal des Schlosses versammeln würden. Dann musste König Peter offiziell bekanntgeben, welchen Namen er ausgewählt hatte!

Zunächst schwankte er zwischen Petulia und Prosperina. Aber schließlich, um Viertel vor zwölf, entschied er sich für Paloma.

 

Weil das jüngste Königskind am 18. Juni geboren worden war, begann die Feier mit achtzehn Kanonenschüssen im Schlosshof. Danach eilte man ans königliche Buffet. Doch niemand durfte vor dem König essen oder trinken, so wollte es das Gesetz von Pattaloonia.

Alle Augen im Thronsaal waren auf König Peter gerichtet. Der wiederum blickte auf das königliche Buffet.

Und plötzlich entdeckte er etwas, das er schon eine kleine Ewigkeit nicht mehr gegessen hatte: ein schwarzes Brot ohne Rinde! Einer der ausländischen Händler, die in unregelmäßigen Abständen nach Pattaloonia kamen, hatte das Brot mitgebracht und es dem Oberküchenmeister verkauft.

Bei der Erinnerung an den süßlich-herben Geschmack des schwarzen Brotes lief dem König das Wasser im Mund zusammen. Ja, er wusste noch, wie köstlich das Brot schmeckte, wenn man es mit geräuchertem Lachs oder Camembert belegte!

Nur den Namen des schwarzen Brotes hatte König Peter vergessen …

Er ließ sich eine Scheibe geben und hielt sie prüfend unter seine königliche Nase.

Und da, als er den etwas erdigen Geruch des Brotes einsog, fiel ihm der Name wieder ein: «Es heißt Pumpernickel!», rief er.

Im Thronsaal wurde es still, absolut still. Überall sah man betroffene Gesichter. Einige Würdenträger wechselten ratlose Blicke, andere schüttelten den Kopf, wieder andere kniffen die Lippen zusammen, und noch andere zuckten mit den Schultern.

Der Minister für Landwirtschaft, Patrizio Parlotti, war der Erste, der seine Fassung zurückgewann.

Er klatschte in die Hände und rief: «Hoch lebe die vierte und jüngste Prinzessin von Pattaloonia: Prinzessin Pumpernickel!»

«Hoch lebe Prinzessin Pumpernickel! Hoch, hoch, hoch!», riefen die restlichen Würdenträger – zuerst zögerlich, aber dann immer lauter, bis es ein voller Chor geworden war.

«Pumpernickel … welch einzigartiger Name! Welch herausragender Name!», rief die Ministerin für Forstwirtschaft, Prudenzia Prandergast.

«Und so originell! Wunderbar unverbraucht und frisch!», ergänzte die Schatzmeisterin, Petra Pasternak. «Meinen allerherzlichsten Glückwunsch, Eure Majestät!»

Die Würdenträger klatschten.

König Peter dagegen war aschfahl geworden. Er hatte den Namen des schwarzen Brotes gemeint – nicht den seiner jüngsten Tochter! Alles war ein Missverständnis, ein schreckliches Missverständnis!

Er spürte, wie ihm vor Scham ein paar Tränen über die Wangen liefen.

Die Gäste im Thronsaal meinten, es seien Freudentränen, und waren gerührt.

«Hoch lebe der König!», riefen sie.

Königin Pia drückte ihre jüngste Tochter noch etwas fester an sich.

Mit dem Namen Pumpernickel wird es selbst eine pattaloonische Prinzessin schwer haben!, dachte sie.

3 Die Geheimsitzung

In der Nacht tat König Peter kein Auge zu.

Und sobald die Sonne aufgegangen war, bestellte er seine beiden engsten Vertrauten zu sich: Paula Primavera, Ministerin für Pattaloonische Geschichte, und Peppino Porter, Minister für Jugend und Familie.

Auf Anraten von Paula Primavera kam auch noch Pippin Pirsch dazu, der an der Universität von Pattaloonita den Lehrstuhl für Zwischenmenschliche Fragen innehatte.

Der König hoffte natürlich, dass seine beiden alten Freunde sowie der gelehrte Professor ihm helfen könnten, die verunglückte Namensgebung wieder rückgängig zu machen!

Pumpernickel