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Faik Giese

Nachhaltig
erfolgreich
traden

Aktienauswahl und
Timing – die bewährte
Strategie eines Profis

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Copyright der deutschen Ausgabe 2015:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Coverfoto & Innenteilfotos: Thinkstock

Covergestaltung: Jürgen Hetz, denksportler Grafikmanufaktur

Layout und Satz: Sabrina Slopek

Herstellung: Daniela Freitag

Vorlektorat: Claus Rosenkranz

Korrektorat: Egbert Neumüller

ISBN 978-3-86470-301-0

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444

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INHALT

EINLEITUNG

1. BEDEUTENDE KURSBEWEGUNGEN SEIT 2001

2. TRADING-PHILOSOPHIE ODER WORAN ICH GLAUBE

3. RISIKO-, PORTFOLIO- UND MONEY-MANAGEMENT

4. DAS ÜBERGEORDNETE MARKTMODELL

5. AKTIENSELEKTION

6. EINSTIEG

7. TECHNIKEN UND RICHTLINIEN FÜR DEN AUSSTIEG

8. FALLBEISPIELE AUS DER PRAXIS

9. SHORTSELLING – AUF FALLENDE KURSE SETZEN

10. TRADING-PLAN

ANHANG

SCHLUSSWORT

DANKSAGUNG

INDEX

EINLEITUNG

In diesem Buch möchte ich Ihnen die Vorgehensweise und die Feinheiten einer Aktienstrategie vorstellen, die im Kern seit dem Jahr 1998 besteht und von mir bis zum heutigen Tag gehandelt und „gelebt“ wird. Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass die auf den folgenden Seiten vorgestellte Methode in dem Sinne mein Lebenswerk repräsentiert, dass ich mehrere Jahre Arbeit in ihre Entwicklung und die praktische Umsetzung investiert habe.

Seit ihrer ersten Anwendung im Spätsommer 1998 wurde die Strategie kontinuierlich weiterentwickelt. Sie ist mit kleineren Anpassungen universell auf jedem regulierten Aktienmarkt anwendbar. Ursprünglich nur für den amerikanischen Aktienmarkt konzipiert, erfolgte bereits im Jahr 2000 die Erweiterung auf die europäischen Aktienmärkte. Bis heute sind aufgrund der im Vergleich zu Europa größeren Auswahl an Aktien und der deutlich höheren Liquidität (Umsätze) die regulierten amerikanischen Börsen (New York Stock Exchange [NYSE] und Nasdaq) meine bevorzugten Handelsplätze. Aus diesem Grund finden Sie in diesem Buch überwiegend Beispiele amerikanischer Aktien. Allerdings weise ich an verschiedenen Stellen auch darauf hin, wie die Strategie leicht in Deutschland und der Schweiz – und damit letztendlich in ganz Europa – umgesetzt werden kann.

Die Grundidee der in diesem Buch vorgestellten Strategie besteht darin, durch das Timing des breiten Aktienmarkts denjenigen Zeitpunkt für den Einstieg in Einzelaktien zu identifizieren, an dem mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb weniger Tage eine nachhaltige positive Bewegung eintritt. Die Erfolgswahrscheinlichkeit wird maximiert, indem die Selektion der Aktien nach fundamentalen und technischen Kriterien erfolgt, die das Potenzial für eine hohe Kursdynamik aufweisen. Aus Gründen, die in Kapitel 2 näher beschrieben werden, liegt der Schwerpunkt der Strategie auf der Kaufseite. Das bedeutet, es wird fast ausschließlich auf das Generieren und Umsetzen von Long-Signalen eingegangen. In längeren Abwärtsbewegungen wird die Cash-Quote automatisch hochgefahren und auf den richtigen Zeitpunkt für das Identifizieren einer Kaufgelegenheit mit einem potenziell hohen Chance-Risiko-Verhältnis gewartet. Die Signale werden mithilfe von Timing-Modellen in Kombination mit dem Trendmodell sowohl in Bullenmarkt- als auch in Bärenmarktphasen identifiziert. Wie gezeigt wird, halten die Timing-Modelle Backtests stand, also Simulationen, die anhand historischer Kursdaten durchgeführt werden.

Die Zusammensetzung der Aktienstrategie ist in Abbildung 1 zu sehen. Die eben angesprochenen Timing-Modelle fallen innerhalb des Übergeordneten Marktmodells in den Bereich der Nachhaltigkeitsmodelle.

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Beginnend mit der zugrunde liegenden Trading-Philosophie wird jeder Bestandteil der Strategie auf den folgenden Seiten detailliert vorgestellt: Das stets im Hintergrund laufende Risiko-, Money- und Portfoliomanagement kommt sowohl im Rahmen des Einstiegs als auch des Ausstiegs zur Anwendung. Ein Einstieg erfolgt nur, wenn die zum Übergeordneten Marktmodell gehörenden Modelle aus den Bereichen Marktrichtungsbestimmung, Marktphasenidentifikation und Marktnachhaltigkeitsüberprüfung den Zeitpunkt hierfür als mathematisch vorteilhaft ansehen. Erst danach greifen die Aktienselektionsverfahren und -methoden für den Einstieg in eine Position. Natürlich kommt auch dem Ausstieg eine besondere Rolle bei meinem Handel zu. Dieses Gebiet überschneidet sich allerdings in mehreren Punkten mit dem Risiko- und Portfoliomanagement und orientiert sich darüber hinaus in vielen Bereichen auch an der gewählten Einstiegsmethode und den individuellen Bedürfnissen des Traders oder aktiven Investors; so werden in Abhängigkeit von der Marktphase unterschiedliche Ausstiegstechniken favorisiert. Zudem führen unterschiedliche Ausstiegsvarianten zu einer Veränderung der durchschnittlichen Haltedauer.

Die Mehrzahl der in diesem Buch aufgestellten Strategieregeln wird bereits seit vielen Jahren in der Praxis angewendet und wurde vor dem Echtzeithandel einer Vielzahl von Backtests unterzogen.

Nun kann durch den wiederholten Hinweis auf Backtests der Eindruck entstehen, das gesamte Regelwerk sei so strikt formuliert, dass kein Platz mehr für eigene Handlungsspielräume bleibt. Dem muss an dieser Stelle nachdrücklich widersprochen werden: Ihnen bleibt an unzähligen Stellen – beispielsweise bei der endgültigen Wahl der Aktie, der Entfernung des Verlustbegrenzungsstopps, in den Bereichen Risiko-, Money- und Portfoliomanagement – ein angemessener Handlungsspielraum, der bewusst eingeräumt wird, um Ihr selbstständiges Denken zu fördern. Ohne diesen Spielraum wären Sie nach meiner Erfahrung, die ich seit 2008 im Ausbildungsbereich sammeln konnte, über kurz oder lang versucht, sich keine eigenen Gedanken mehr über die Strategie und ihre Umsetzung zu machen und nur noch wie ein Roboter zu agieren. Genau das gilt es aber dauerhaft zu vermeiden, wenn Sie erfolgreich sein wollen!

Die in diesem Buch beschriebene Strategie weist zumindest aus meiner Sicht zwei Alleinstellungsmerkmale auf:

1. Jede bedeutende Regel, sofern sie nicht selbsterklärend und in sich logisch ist, wird durch entsprechende Untersuchungen (Backtests) untermauert. Das Ziel ist dabei, das Verständnis und das Vertrauen in die vorgestellte Strategie zu fördern und zudem die Identifikation mit der Strategie zu erleichtern.

2. Das zweite wesentliche Alleinstellungsmerkmal der Strategie besteht darin, dass sie flexibel in Abhängigkeit von der (konkret definierten) Marktphase auf unterschiedliche Methoden zurückgreift und nicht statisch an einem bestimmten Verfahren ohne Berücksichtigung weiterer Marktgegebenheiten festhält. Das gilt für alle Bereiche vom Selektionsprozess über den Ein- und Ausstieg bis hin zum Portfolio- und Money-Management.

Zur Erläuterung der beiden Alleinstellungsmerkmale ein Beispiel: In Abhängigkeit davon, in welcher Marktphase sich der breite Aktienmarkt, repräsentiert durch einen Index wie den S&P 500, gerade befindet, werden unter anderem unterschiedliche Selektionsverfahren basierend auf der Relativen Stärke oder der Relativen Schwäche angewendet. Warum und wann das Verfahren der Relativen Stärke den größten Erfolg verspricht und wann nicht, wird durch Backtests aufgezeigt.

Schwerpunktmäßig richte ich mich mit meinem Buch an Trader mit Vorkenntnissen und an aktive Investoren mit Interesse am Aktienhandel. Auch Einsteiger sollten mit diesem Buch etwas anfangen können.

Der mit der Strategie verfolgte Anlagehorizont fällt in den kurz- bis mittelfristigen Bereich, was gemäß meiner eigenen Definition einer Haltedauer von mehreren Handelstagen bis hin zu mehreren Monaten entspricht.

Als aktive Investoren bezeichne ich jene Leser, deren Anlagehorizont mehrere Wochen bis Monate beträgt (oder zukünftig betragen soll) und die gleichzeitig bereit sind, täglich vor Markteröffnung ihre Analyse inklusive Erteilung von Aufträgen und Umsetzung des Risiko-, Money- und Portfoliomanagements durchzuführen. Ein Trader weist nach der in diesem Buch vorgegebenen Definition dieselben Eigenschaften wie ein aktiver Investor auf, ist aber bereit, auch dann zu handeln, wenn die Haltedauer mit großer Wahrscheinlichkeit nur wenige Tage beträgt. Damit handelt ein Trader häufiger als ein aktiver Investor, der auch bereit ist, gegebenenfalls mehrere Wochen bis Monate auf den geeigneten Zeitpunkt für einen Einstieg zu warten. Auf den folgenden Seiten wird genau erklärt, wie zwischen Signalen unterschieden werden kann, die entweder ausschließlich für Trader oder aber für Trader und aktive Investoren gleichermaßen von Bedeutung sind.

Die Strategie lässt sich unabhängig davon, ob Sie berufstätig sind und einem anderen Job als dem Aktienhandel nachgehen, Vermögensverwalter, Fondsmanager oder Vollprofi sind, umsetzen. Sämtliche durchzuführenden Analysen und auch die Auftragserteilung können vor Markteröffnung durchgeführt werden.

Zu allen in diesem Buch angegebenen Methoden erläutere ich zudem, wie Sie diese auch ohne Verwendung einer speziellen Software mithilfe von Angaben aus dem Internet umsetzen können. Lassen Sie sich nicht davon in die Irre führen, dass die Mehrzahl der Abbildungen in diesem Buch mit der professionellen TradeStation-Plattform von TradeStation Group, Incorporated erstellt wurde.

Für Ihren Erfolg spielt es auch keine Rolle, wie groß Ihr Konto ist – solange Sie diszipliniert genug sind, auf die geeigneten Zeitpunkte für einen Einstieg (die, seit es Aktienmärkte gibt, immer gekommen sind) zu warten. Sie können mit wenigen Tausend oder sogar Hundert Euro (oder Schweizer Franken oder US-Dollar) starten.

Seit ich im Jahr 1995 die Aktienmärkte für mich entdeckt habe, ist mir klar, dass der Handel in Einzelaktien bis heute eine der wenigen gangbaren Möglichkeiten für den Weg in die finanzielle Unabhängigkeit darstellt – ein Weg, den auch Sie beschreiten können, und zwar unabhängig von Ihrer Bildung und Ihrem ausgeübten Beruf.

Mir selbst hat die Strategie seit Ende der 90er-Jahre große Dienste erwiesen. So hat ihre erfolgreiche Umsetzung unter anderem bereits im Jahr 2001 dazu geführt, dass mir nach nur viereinhalb Jahren Firmenzugehörigkeit die Leitung des Portfoliomanagements der damals noch existierenden Wertpapierhandelsbank Hornblower Fischer AG übertragen wurde – als Quereinsteiger ohne Bankausbildung.

Abschließend noch ein Hinweis:

Dieses Buch ist nicht nur ein Lehrbuch, das meine Universalstrategie für Aktienmärkte beinhaltet, sondern auch ein Arbeitsbuch. Es enthält eine Vielzahl von Ideen, Hinweisen, Tipps und Aufgaben, die weit über ein normales Lehrbuch hinausgehen.

So zeige ich in Kapitel 4.4 zum Thema Timing-Modelle lediglich eine Handvoll Modelle auf, obwohl ich im Laufe der Jahre deutlich mehr als die vorgestellten Modelle entwickelt habe. Hierfür gibt es zwei Gründe: Sie können allein mit diesem kleinen Repertoire an Timing-Modellen effektiv und insbesondere effizient handeln und zudem aus dem vorhandenen Pool an Modellen weitere entwickeln – auf den folgenden Seiten gebe ich an den entsprechenden Stellen dazu Hinweise.

Zudem habe ich bewusst die Mehrzahl der Beispiele wo immer möglich aus der nahen Vergangenheit gewählt, um zu zeigen, wie gut die Strategie auch in den letzten Jahren funktioniert hat. Vergessen Sie bei der Lektüre dieses Buches aber nicht, dass es sich um eine vollständige, in sich logische Strategie handelt, die ich im Kern bereits seit der zweiten Hälfte des Jahres 1998 handle.

Sofern sie nicht bereits vorher vorhanden war, hoffe ich nunmehr Ihre Neugier geweckt zu haben und wünsche Ihnen bei der Lektüre dieses Buches viele neue Erkenntnisse. Im besten Fall wird dieses Buch vielleicht sogar Ihr Leben dahingehend verändern, dass Sie mithilfe der vorgestellten Strategie einen Weg in die finanzielle Unabhängigkeit finden. So oder so werden Sie nach dem Studium dieses Buches mindestens einen Weg kennen, nachhaltig erfolgreich an den Aktienmärkten zu traden.

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BEDEUTENDE KURSBEWEGUNGEN SEIT 2001

Auf den folgenden Seiten finden Sie Modell-Trades amerikanischer Aktien, die zu den größten Kursgewinnern der vergangenen Jahre zählen und mithilfe der in diesem Buch dargestellten Vorgehensweise identifiziert wurden.

Anhand der 24 gezeigten Beispiele können Sie ein Gefühl dafür entwickeln, wie typische Trades aussehen und welche Dynamik diese im Erfolgsfall entfalten können. Darüber hinaus ist es interessant zu beobachten, dass die großen Kursgewinner hinsichtlich des Setups und des Verlaufs nach dem Einstieg eine große Ähnlichkeit aufweisen – und zwar unabhängig davon, in welchem Börsenjahr das Signal generiert wurde (also Börsenpsychologie pur). Lassen Sie sich nicht beirren, sollten Sie nicht auf Anhieb alle in den Abbildungen angegebenen Einzelheiten verstehen. Jeder Trader wie auch jeder aktive Investor hat einmal mit dem Aufbau von Grundlagenwissen begonnen.

Die Hintergründe zu den mit einem Pfeil markierten Einstiegspunkten werden im Laufe dieses Buches Schritt für Schritt erläutert, sodass Sie erst am Ende des Buches alle für das Verständnis erforderlichen Details kennengelernt haben werden. Es bietet sich somit an, nach dem Durcharbeiten aller Kapitel auf die gezeigten Modell-Trades zurückzukommen, um sie abermals zu studieren.

Die Grundidee der Strategie besteht darin, mit Timing-Modellen jene Zeitpunkte zu identifizieren, an denen mit großer Wahrscheinlichkeit eine positive Bewegung des breiten Aktienmarkts zu erwarten ist. Derartige Signale werden fast ausnahmslos generiert, nachdem der breite Aktienmarkt – in den gezeigten Beispielen repräsentiert durch den S&P 500 Index – innerhalb eines Bullenmarkts eine Korrektur vollzogen oder innerhalb eines Bärenmarkts einen starken Ausverkauf erlebt hat. Aus diesem Grund enthalten sämtliche Abbildungen unter dem Kursverlauf der Aktie auch den S&P 500 Index beziehungsweise den SPY, einen börsennotierten Fonds (auch als ETF bezeichnet), der den Index in einem nahezu identischen Verhältnis abbildet. Zusätzlich werden mit roten Punkten diejenigen Tage im SPY-Kursverlauf markiert, an denen gemäß den Timing-Modellen ein Einstieg vorteilhaft war.

Unter den 24 Modell-Trades finden sich Beispiele für jede Variante technischer Einstiegs-Setups, die zur Strategie gehören und an späterer Stelle detailliert erklärt werden:

Einstieg auf Basis Relativer Schwäche

Einstieg auf Basis Relativer Stärke

Handel von Ausbrüchen (Durchbruch einer Widerstandszone)

Antizipation von Ausbrüchen (Handel in Seitwärtsbewegungen)

Handel an Unterstützungszonen

Einstieg auf Basis von falschen Ausbrüchen (Bärenfallen)

Diese Setups werden jeweils kombiniert mit fundamentalen Kriterien sowie Timing-Methoden. Für Letztere spielen das Volumen und die Abnahme der Volatilität eine entscheidende Rolle.

In den gezeigten Modell-Trades finden sich keine Angaben zum Ausstieg. Das liegt daran, dass eine große Zahl von Möglichkeiten existiert, die Ausstiegsstrategie den eigenen Bedürfnissen anzupassen. So gibt es Trader, die bereits in den steigenden Markt hinein Gewinne realisieren, während mittelfristig orientierte Investoren der Aktie – natürlich in Abhängigkeit von der Marktphase – mehr Luft gewähren mit dem Ziel, größere Trends mitzunehmen und damit höhere Gewinne einzufahren. Auch die Anwendung von Regeln aus den Bereichen des Risiko- und Portfoliomanagements (ebenfalls individuell anpassbar) kann zu einem frühzeitigen Ausstieg führen, sodass die Angabe konkreter Ausstiegsmarken in den Abbildungen keinen Sinn ergibt.

Die Modell-Trades enthalten Angaben zur Branchenzugehörigkeit, zum Einstiegszeitpunkt, wann zum letzten Mal die Quartalsergebnisse veröffentlicht wurden, welches technische Setup zum Einstieg führte, wo der Einstiegskurs lag und wie die bedeutendsten fundamentalen Eckdaten zum Zeitpunkt des Einstiegs ausgesehen haben. Zusätzlich wird die einen Tag vor dem Einstieg über die letzten 21 Tage berechnete Average True Range, abgekürzt mit ATR(21), angeführt. Die ATR ist eine gängige Methode zur Bestimmung der durchschnittlichen Tagesspanne und wird unter Berücksichtigung von Kurslücken zur Markteröffnung aus der Differenz zwischen Tageshoch und Tagestief berechnet. Details zur Berechnung finden sich in Anhang 1. Über die Angabe der ATR zum Einstiegszeitpunkt kann neben dem maximal möglichen prozentualen Gewinn, der mit dem Trade zu erzielen war, zudem der Gewinn als ein Vielfaches der Volatilität (ATR[21]) berechnet werden. Genau dieses Verhältnis zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch und wird dementsprechend noch im Detail erörtert.

Bevor Sie nun beginnen, sich mit den Beispielen auseinanderzusetzen, noch ein Hinweis zur Darstellung der Kursverläufe in den Abbildungen 1-1 bis 1-24: Die Skalierung der y-Achse erfolgt in logarithmischer, nicht in linearer Form. Dadurch sind die Abstände zwischen den Kursen auf Dollarbasis nicht identisch, jedoch auf Prozentbasis. So ist der Abstand zwischen 20 und 40 Dollar genauso groß wie derjenige zwischen 40 und 80 Dollar, weil beides einem Zuwachs von 100 Prozent entspricht.

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2

TRADING-PHILOSOPHIE ODER WORAN ICH GLAUBE

Eines der Geheimnisse erfolgreicher Unternehmer, Trainer und Spitzensportler besteht darin, dass sie ihre eigene Sicht der Dinge entwickelt haben, die sich von derjenigen der breiten Masse abhebt. Wenn Sie als Trader oder aktiver Investor nachhaltig erfolgreich sein möchten, müssen Sie möglichst früh damit beginnen, Ihre eigene Denkweise sowie Ihre eigenen Verhaltensmuster – und damit eine eigene Trading-Philosophie – zu entwickeln.

In diesem Kapitel stelle ich Ihnen meine aus mehreren Teilen bestehende Trading-Philosophie vor. Sie können diese überwiegend aus Glaubenssätzen (Paradigmen) bestehende Sichtweise übernehmen oder aber als Ausgangspunkt für den Aufbau Ihres eigenen Glaubensgerüsts verwenden.

2.1 Wozu benötige ich eine Trading-Philosophie?

Warum ist es überhaupt wichtig, eine Philosophie zu entwickeln? Beim Trading lässt sich die Philosophie als eine Art Kompass einsetzen, der unter anderem für das Treffen von schnellen Entscheidungen in einem unvorhergesehenen Moment eingesetzt werden kann (Fall 1), aber auch hilft, die methodische Stringenz bezüglich der Strategieumsetzung zu wahren (Fall 2).

Beispiel zu Fall 1:

Eine Aktienposition wurde wenige Sekunden zuvor aufgebaut und plötzlich fällt die Aktie unter die Ausstiegsmarke. Gilt hier das in der Trading-Philosophie verankerte Grundprinzip „Verluste sind stets zu begrenzen, solange sie klein sind“, muss nicht lange überlegt werden, wie auf das Kursverhalten zu reagieren ist.

Beispiel 1 zu Fall 2:

Ein reiner Value-Investor, der ein Unternehmen ausschließlich auf Basis fundamentaler Daten bewertet und in günstigen Fällen unabhängig vom Kursverlauf in der Vergangenheit Aktien des Unternehmens erwirbt, überlegt selbst dann, wenn keine neuen Unternehmensnachrichten vorliegen, aus dem Wert auszusteigen, sobald dieser ein bestimmtes Kurslevel unterschreitet. Hier fehlt die methodische Schlüssigkeit (Stringenz), da dieser Ansatz der Idee des Value-Ansatzes zuwiderläuft, gute Unternehmen zu einem möglichst günstigen Kurs zu erwerben (mit weiter fallenden Kursen nach dem ersten Einstieg werden die Bewertungskriterien des Unternehmens günstiger, sodass eher ein weiterer Kauf als ein Verkauf infrage käme). Die konsequente Umsetzung der Philosophie würde diesen Gedankengang unterbinden.

Beispiel 2 zu Fall 2:

Ein Gegenpart zu dem eben erwähnten Value-Investor ist ein kurz- bis mittelfristig orientierter Trader, der ausschließlich Aktien handelt, die über ein starkes Gewinn- und Umsatzwachstum verfügen. Diese Aktien zeichnen sich durch ein dynamisches Kurspotenzial aus und verlieren überproportional stark an Wert, sobald der breite Aktienmarkt nachgibt. Würde bei diesem Ansatz ohne Verlustbegrenzungsstopp gehandelt, widerspräche dies der zugrunde liegenden Handelsphilosophie von Wachstumswerten.

Darüber hinaus deckt eine sich im Laufe von Jahren entwickelnde Trading-Philosophie noch weitere bedeutende Gebiete ab, wie beispielsweise die Frage, was ich als Trader oder aktiver Investor eigentlich mit dem Trading erreichen möchte und wie. Insbesondere das „Wie“ ist sehr vielschichtig und verlangt nach Antworten auf Fragen etwa nach der angestrebten Handelshäufigkeit, der Trefferquote (Anzahl der Trades, die im Plus geschlossen werden), dem maximal hinnehmbaren Kursrückschlag in der Depotentwicklung (dem sogenannten „maximalen Drawdown“) und dem Verhältnis aus erzieltem Gewinn zu eingegangenem Risiko.

Obwohl eine herausragende Handelsphilosophie in den unterschiedlichsten Fällen als zeitsparende Entscheidungshilfe eingesetzt werden kann, muss sie sich nicht einschränkend auf die eigene Denkweise auswirken. So zählt zu meinen wichtigsten Glaubenssätzen die Erkenntnis, dass ich niemals auslerne und stets versuche, für neue Ideen und Ansätze offen zu sein.

2.2 Zusammensetzung meiner Trading-Philosophie

Die folgenden Teilbereiche bilden zusammengesetzt meine vollständige Handelsphilosophie. Sie haben sich im Laufe meiner Trading-Karriere über die letzten 17 Jahre Schritt für Schritt herauskristallisiert:

Trading-Mission und übergeordnete Ziele.

Denkweise rund um das Risiko-, Money- und Portfoliomanagement, inklusive des Verhaltens im Falle von echten Ausnahmesituationen (Worst-Case-Szenarien).

Generelle Glaubenssätze im Handelsbereich.

Spezielle Leitsätze für bestimmte Gebiete im Handelsbereich, beispielsweise zur Fundamentalanalyse oder Charttechnik.

Die beiden letztgenannten Bereiche werden von mir auf den folgenden Seiten unter dem Begriff „Trading-Bereich“ zusammengefasst.

Den Kern meiner Handelsphilosophie bilden sogenannte Paradigmen (Glaubenssätze), die – einmal verinnerlicht – relativ leicht befolgt werden können. Die im Rahmen der Glaubenssätze getroffenen Aussagen oder Feststellungen sind entweder in sich logisch oder lassen sich mithilfe von Backtests belegen – wobei Ergebnisse in der Vergangenheit keine Garantie für ein entsprechendes zukünftiges Resultat sind. Allerdings ist es zumindest beruhigend zu wissen, dass ein Ansatz oder eine Methode in der Vergangenheit funktioniert hat.

2.2.1 Trading-Mission und übergeordnete Ziele

Kurz gefasst verfolge ich mit meinem Aktienhandel das Ziel, meine finanzielle wie auch berufliche Unabhängigkeit zu wahren (Einsteiger und Trader mit Vorkenntnissen oder aktive Investoren verfolgen in der Regel als erstes Ziel, finanzielle und berufliche Unabhängigkeit zu erreichen). Meine Mission besteht dabei nicht nur darin, in meinem eigenen Trading so erfolgreich wie möglich zu sein, sondern auch darin, andere Trader und aktive Investoren ebenfalls zu erfolgreichen Aktienhändlern auszubilden und in diesem Zusammenhang möglichst hochwertiges Ausbildungsmaterial (unter anderem dieses Buch) anzubieten.

Konkret lauten meine Zielvorgaben im Performance-Bereich für die hier vorgestellte Aktienstrategie:

1. Oberstes Ziel ist die Profitmaximierung bei kleinstmöglichem Risiko.

2. Verfolgt wird ein sogenannter „Total-Return-Ansatz“. Das bedeutet: Unabhängig davon, ob ein Bullen- oder ein Bärenmarkt herrscht, wird auf Jahresbasis ein Profit angestrebt (auch wenn der Schwerpunkt der Aktivitäten auf der Long-Seite [Kaufseite] liegt).

3. Das Verhältnis zwischen der innerhalb eines Jahres erzielten Performance und dem maximalen Drawdown liegt bei über 2 zu 1. Beispiel: Wird eine Performance von 30 Prozent erreicht, sollte der Drawdown unter 15 Prozent liegen. Tatsächlich setze ich mir Jahr für Jahr das ehrgeizige Ziel, ein Verhältnis von mindestens 4 zu 1 zu erreichen (was mir manchmal gelingt und manchmal nicht).

4. Der maximale Drawdown sollte nicht mehr als x Prozent betragen; x beträgt in meinem Trading 8 Prozent – was extrem konservativ ist und nur funktioniert, wenn der Einstieg auf Intraday-Basis getimt wird (mehr dazu im Kapitel 6, Einstieg). Mit der hier vorgestellten Strategie nicht vertraute Trader und aktive Investoren sollten den maximalen Drawdown mehrere Prozent höher ansetzten. Mit Blick auf Paradigma 2 gilt: Je höher der akzeptable Drawdown, desto größer auch die Performance-Erwartung.

Der Drawdown ist der dominierende Begriff in diesen Zielvorgaben. In Kapitel 3.4, Portfoliomanagement, wird auf die Frage eingegangen, auf welcher Grundlage er berechnet wird.

2.2.2 Paradigmen zum Risiko-, Money- und Portfoliomanagement

Im Kapitel 3 wird das Thema Risiko-, Money- und Portfoliomanagement detailliert behandelt. Die folgenden Paradigmen werden dort als bekannt vorausgesetzt:

1. Es wird ohne Ausnahme mit Verlustbegrenzungsstopps gearbeitet.

2. Verluste werden konsequent begrenzt; es gilt der Grundsatz: „Die ersten Verluste sind stets die kleinsten.“

3. Mit dem Einstieg in eine Position wird auch gleich der erste Ausstiegspunkt für die Platzierung des Verlustbegrenzungsstopps festgelegt.

4. Das Anfangsrisiko einer Position wird über den Abstand zwischen Einstiegskurs und Verlustbegrenzungsstopp berechnet.

5. Das Einzige, was ein Trader/Investor beim Aufbau einer Position selbst bestimmen kann, ist dieses Anfangsrisiko.

6. Der Einstieg in eine Position erfolgt nur dann, wenn das Profitpotenzial größer als das Anfangsrisiko ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Einstieg zu einem mathematischen (statistischen) Vorteil führt – so wie es die in diesem Buch vorgestellte Einstiegsmethode in Kombination mit dem Übergeordneten Marktmodell und den Selektionsverfahren vorsieht.

2.2.3 Paradigmen für die generelle Denkweise im Trading-Bereich

In diesem Teil geht es darum, strategieübergreifend zu erklären, woran ich im Trading glaube und welche Schwerpunkte ich dabei setze. Speziell auf diesem Gebiet erweitert sich meine Liste an Glaubenssätzen kontinuierlich. So hat sich im Laufe der letzten 15 Jahre eine sehr umfangreiche Sammlung an Leitsätzen ergeben, von denen hier nur die bedeutendsten, in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorgestellten Aktienstrategie stehenden angeführt werden.

Den Ausgangspunkt meiner Philosophie im Trading-Bereich bildet ein anschauliches Beispiel aus dem Bereich des Sports:

Als Trainer sind Sie für die Aufstellung einer Mannschaft – beispielsweise im Basketball-, Hockey-, Handball- oder Fußballbereich – verantwortlich. Sie können frei wählen, welche Position Sie mit welchem Spieler besetzen. Der Verein hat Ihnen einen unbegrenzten finanziellen Spielraum eingeräumt und Sie können sich eine Mannschaft zusammenstellen, die aus den weltweit besten Spielern besteht.

Die Frage ist: Würden Sie als Trainer auf eine derartige Möglichkeit verzichten?

Ich kann diese Frage nur für mich beantworten: Natürlich würde ich nicht darauf verzichten wollen – und genau hier setzt meine Philosophie an.

Ein Trader oder aktiver Investor ist in der glücklichen Lage, selbst darüber entscheiden zu können, welche Strategie er wann einsetzt. Bis auf die Zeit, die es kostet, eine Strategie zu entwickeln, zu verstehen und umzusetzen, ist die Berücksichtigung mehrerer Strategien mit keinen Nachteilen verbunden. Das bedeutet: Sie können sich Ihre Mannschaft selbst zusammenstellen!

Um das in Kapitel 2.2.1 angeführte erste Ziel – Profitmaximierung bei kleinstmöglichem Risiko – mit dem Handel von Aktien zu erreichen, ist es notwendig, für verschiedene Marktphasen (wie Bullen- oder Bärenmarkt) diejenigen Strategien auszuwählen, die in der jeweiligen Marktphase über das größte Profit-zu-Risiko-Potenzial verfügen.

Daraus ergibt sich das erste Paradigma:

1. Für jede Marktphase sollten stets diejenigen Strategien zum Einsatz kommen, die über das größte Profit-zu-Risiko-Potenzial verfügen.

Dieses Paradigma wird durch weitere Leitsätze ergänzt:

2. Den Schwerpunkt im kurz- und mittelfristigen Aktienhandel bildet die Kaufseite (Long-Seite).

Der Grund: Der breite Aktienmarkt, repräsentiert durch einen Index wie beispielsweise den S&P 500, hat sich über die letzten 25 Jahre zu mehr als 80 Prozent der Zeit in einem Bullenmarkt befunden (Details in Kapitel 4.3, Marktphasenmodell). Dies liegt unter anderem daran, dass Aktienmärkte schneller und mit größerer Dynamik fallen, als sie steigen. Eine Ausnahme bilden stark ausverkaufte Szenarien, in denen die Kurserholung eine hohe Dynamik ausbilden kann – Zeitpunkte, zu denen auch die hier vorgestellte Strategie bevorzugt einsteigt. In einen laufenden Bärenmarkt einzusteigen erweist sich aufgrund der geringen durchschnittlichen Bärenmarktdauer als schwierig und der Einstieg auf Basis einer Identifikation potenzieller Markttops als nicht möglich (siehe hierzu auch Kapitel 9, Shortselling – auf fallende Kurse setzen).

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Hinzu kommt, dass sich in der Mehrzahl der Fälle – wie in Abbildung 2.1 auf Wochenbasis im S&P 500 Index gezeigt – das Top eines Bullenmarkts über Monate hinweg ausbildet. Das Hoch des S&P 500 Index vom Juli 2007 wurde erst wieder im Oktober 2007 getestet. Eine Bodenbildung des Index erfolgt hingegen in der Regel wesentlich dynamischer.

3. Die Selektion einer Aktie ist wichtiger als das Timing für den Einstieg in diese Aktie. Der Grund: das Industriegruppenverhalten von Aktien. Während eines Bullenmarkts gehen circa 40 Prozent der Bewegung einer Aktie auf die Bewegung der zugehörigen Gruppe zurück.

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In Abbildung 2.2 ist ein solches Gruppenverhalten anhand von vier Unternehmen aus dem Gesundheitsversorgungsbereich zu sehen: UnitedHealth (Symbol: UNH), Aetna (Symbol: AET), Cigna (Symbol: CI) und Molina Healthcare (Symbol: MOH). Alle vier Aktien laufen seit Mitte April 2014 im überwiegenden Teil der Zeit nahezu im Gleichschritt (in jüngster Zeit gab es Übernahmen, wodurch die Korrelationen unter den einzelnen Titeln etwas geringer ausgefallen sind).

4. Die Fundamentaldaten eines Unternehmens sollten stets berücksichtigt werden. Der Grund: Die Unternehmensdaten und hier insbesondere die Gewinn- und Umsatzschätzungen für das laufende und anschließende Geschäftsjahr sind es, die eine Aktie nachhaltig über Wochen, Monate und mitunter sogar Jahre steigen lassen.

5. Aus dem vorgenannten Grund gilt: Technische Analysemethoden und Fundamentalanalyse werden kombiniert. Dies erweist sich im Aktienhandel dort als am lukrativsten, wo Positionen über mehrere Tage (und länger) gehalten werden.

Hinzu kommen noch allgemeine Paradigmen im Bereich des Aktienhandels:

1. Handle systematisch und möglichst halbautomatisiert auf Basis von konkreten Regeln – nicht diskretionär aus dem Bauch heraus (siehe auch Paradigma 5).

2. Plane den Handelstag vor Börseneröffnung und handle dann nach Plan.

3. Handle so effizient wie möglich, also mit so viel Zeitaufwand wie nötig.

4. Investiere so viel Zeit wie möglich in das Studium der Strategie und insbesondere der historischen Marktbewegungen und Kursgewinner.

5. Greife zur Steigerung der Effizienz im täglichen Handel auf Programmierungen zurück, die das Auffinden potenzieller Kandidaten erleichtern und beim automatisierten Ein- und Ausstieg helfen.

6. Trade auf Basis von Fakten, also Kursverhalten, Fundamentaldaten, Stimmungsindikatoren sowie marktbreiten Daten.

7. Bilde dir stets eine eigene Meinung und höre nicht auf Dritte – und insbesondere nicht auf das, was in den Medien zu sehen, zu hören und zu lesen ist.

8. Habe stets ein offenes Ohr für Ideen im Handelsbereich, denn: Man lernt nie aus!

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RISIKO-, PORTFOLIO- UND MONEY-MANAGEMENT

3.1 Begriffsdefinitionen

In diesem Kapitel stelle ich Ihnen den wichtigsten Baustein für den nachhaltigen Erfolg meiner Strategie vor. Ohne die konsequente, kontinuierliche Anwendung der folgenden Regeln und Methoden erleiden Sie als Trader früher oder später Schiffbruch.

Es geht um die drei Bereiche

Risikomanagement

Money-Management

Portfoliomanagement

Alle drei Bereiche sind eng miteinander verknüpft, wodurch in einigen Fällen eine klare Abgrenzung der Begriffe nicht möglich ist. So lassen sich Themen aus dem Money-Management auch dem Gebiet des Portfoliomanagements zuordnen. Ebenso fallen Teile aus dem Risikomanagement in den Bereich Money- und Portfoliomanagement.

Die in diesem Kapitel verwendeten Definitionen entsprechen meinem persönlichen im Trading-Bereich angewandten Verständnis. Sie entsprechen teilweise nicht den in finanzwissenschaftlichen Lehrbüchern zu findenden Definitionen, die ich aus Sicht eines Traders und aktiven Investors für in einigen Punkten wenig praktikabel halte. Daher verzichte ich aus rein pragmatischen Gründen auf deren Wiedergabe an dieser Stelle.

3.1.1 Risiko und Risikomanagement

Risikomanagement definiere ich wie folgt:

Unter den Begriff Risikomanagement fallen im Zusammenhang mit der in diesem Buch vorgestellten Strategie spezielle Regeln, die zur Anwendung kommen, um die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts in einem Trade wie auch im gesamten Portfolio bestmöglich zu minimieren.

Es ist dabei zu unterschieden zwischen einer Position, die neu aufgebaut wird, und einer bestehenden Aktienposition.

Das Risiko, dem ein Portfolio insgesamt unterliegt, wird als Portfoliorisiko bezeichnet und fällt in den Bereich Portfoliomanagement; siehe hierzu Kapitel 3.3. In diesen Bereich gehört auch das Kontrollieren und Überwachen des Sektor- und Industriegruppenrisikos.

Der Verlust, den ein Trader mit Aufnahme einer einzelnen Position oder aber in einer aktuell bestehenden Position hinzunehmen bereit ist, wird von mir als Risiko pro Trade bezeichnet. Ein Thema, das erstmals im vorherigen Kapitel aufgegriffen wurde und sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, besteht in der großen Bedeutung der strikten Anwendung von Verlustbegrenzungsstopps. Unter der Annahme, dass der Verlustbegrenzungsstopp bereits mit Aufnahme einer Position festgelegt wird, definiert sich das Risiko wie folgt:

Das Risiko pro Trade entspricht für neue Positionen dem Abstand zwischen dem Einstiegskurs und dem Verlustbegrenzungsstopp.

Im Falle bestehender Positionen lautet die angepasste Definition:

Das Risiko pro Trade für eine offene Position entspricht dem Abstand zwischen dem aktuellen Kurs und dem Level, an dem die Position nach aktuellem Stand spätestens liquidiert werden soll.

Das Risiko pro Trade ist somit gleichbedeutend mit einem Geldbetrag pro Aktie in der Währung, in der die Aktie gekauft wird. Wird beispielsweise eine Aktie zu 50 Euro gekauft und mit dem Einstieg der Verlustbegrenzungsstopp auf 46 Euro festgelegt, so entspricht dies einem Risiko in dem Trade von 4 Euro pro Aktie.

Aufgrund von Kurslücken zur Markteröffnung (sogenannten Gaps) kann natürlich der Verlust pro Trade größer ausfallen, als dies über die festgelegte Ausstiegsmarke definiert wird. Tatsächlich sind Gaps eine nicht zu unterschätzende Gefahr im Einzelaktienbereich. Sie können entgegen der Richtung oder in Richtung einer offenen Position entstehen. Im erstgenannten Fall kann das Ergebnis ein größerer Verlust sein, als ursprünglich angenommen. Die Gefahr, einer Kurslücke zur Markteröffnung ausgesetzt zu sein, sollte möglichst realistisch auf mathematischer (statistischer) Basis eingeschätzt werden. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird dieses Thema daher nochmals aufgegriffen.

3.1.2 Money-Management

Im Rahmen eines Einstiegs gilt es nicht nur eine Antwort auf die Frage zu finden, welche Aktie wann und zu welchem Kurs gekauft wird, sondern auch, wie groß die Position in der gewählten Aktie ausfallen soll. Genau an diesem Punkt setzt das Money-Management ein. Meine Definition lautet:

Mithilfe des Money-Managements wird die Anzahl der Aktien bestimmt, die gehandelt, also gekauft oder verkauft werden sollen.

Das Money-Management ist gleichbedeutend mit der Bestimmung der Positionsgröße. Die zugehörigen Techniken kommen sowohl im Einstiegs- als auch im Ausstiegsbereich zur Anwendung. In beiden Fällen kann der Handel zudem gestaffelt in mehreren Schritten erfolgen.

Speziell im Ausstiegsbereich gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, Money-Management-Techniken anzuwenden. So können diese beispielsweise in Kombination mit technischen Ausstiegskriterien zur Anwendung kommen. Hierauf wird sowohl in diesem Kapitel als auch in Kapitel 7, Techniken und Richtlinien für den Ausstieg, eingegangen.

3.1.3 Portfoliomanagement und Portfoliorisiko

In Kapitel 3.1.1 wurde der Begriff Risiko pro Trade definiert. Ein Portfolio, das sich aus mehreren Einzelaktien zusammensetzt, weist für jede offene Position ein entsprechendes Risiko pro Trade auf.

Meine Definition für das Portfoliorisiko lautet:

Die Summe aller Risiken, die pro Trade eingegangen werden, entspricht dem Portfoliorisiko.

Wird von dem Portfoliorisiko gesprochen, ist also das offene Gesamtrisiko des Depots gemeint.

Zum Portfoliomanagement gehört aber auch die Frage nach der Maximalgewichtung von Sektoren und Industriegruppen. Eine Vielzahl von Datenanbietern, darunter Standard & Poor’s, Thomson Reuters und Morningstar, untergliedert das Aktienuniversum in mehrere Stufen (Level), die beispielsweise als Sektoren, Industriegruppen und Industrieuntergruppen bezeichnet werden. Auf diesem Weg kann jede Einzelaktie jeweils einem bestimmten Sektor sowie einer Industriegruppe und einer Untergruppe zugeordnet werden. Je nach Datenanbieter können die exakten Bezeichnungen für die Industriegruppen und die dazugehörigen Untergruppen unterschiedlich ausfallen. Zudem kann die Anzahl der Sektoren und Industriegruppen unterschiedlich hoch sein. Das gilt ebenfalls für die Anzahl der einzelnen Ebenen. So gibt es beispielsweise auch sogenannte Supersektoren, die den Sektoren übergeordnet sind.

Beispielsweise gehört die Aktie der Infineon AG zum Technologiesektor und innerhalb dieses Sektors zu der Gruppe der Halbleiter. Die Halbleiter-Industriegruppe wiederum ist untergliedert in die Bereiche „Speicher-Hersteller“ und „Ausrüster und Materialzulieferer“ sowie „Halbleiter – diversifiziert“, entsprechend zählt Infineon AG zur letztgenannten Untergruppe. In dieselbe Industriegruppe fallen übrigens auch amerikanische Unternehmen wie Intel, AMD und Micron Technologies.

Auf Basis der Sektor- und Industriegruppenzuordnung kann für ein bestehendes Portfolio jeweils das offene Risiko pro Sektor, Industriegruppe und Untergruppe bestimmt werden. Von Bedeutung ist dabei nicht, ob der Datenanbieter von Supersektoren, Sektoren, Industriegruppen und so weiter spricht, sondern die Frage, wie die Untergliederung ausfällt, also zum Beispiel, wie viele Sektoren es gibt.