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Grenzen, Vorurteile, Minderheiten – schon immer haben sich Juden diesen Themen stellen müssen. Die jüdische Erfahrung ist zumeist eine der Fremdheit, der Heimatlosigkeit. In diesem Jüdischen Almanach geht es um die vielfältigen Ausprägungen dieser Grenzlinien – physische und mentale, politische und geographische.

 

Mit Beiträgen von Astrid von Busekist, Zali Gurevitch, Peter Stephan Jungk, Dorit Rabinyan, Natan Sznaider und vielen anderen.

 

 

JÜDISCHER
ALMANACH

der Leo Baeck Institute

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Grenzen

Herausgegeben von Gisela Dachs
im Auftrag des
Leo Baeck Instituts Jerusalem

Jüdischer Verlag
im Suhrkamp Verlag

 

 

Gefördert durch Stiftung Irene Bollag-Herzheimer

Im Dialog. Evangelischer Arbeitskreis für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau

Evangelische Kirche im Rheinland

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Redaktionelle Beratung: Anja Siegemund

Umschlagabbildung: Jonas Opperskalski

 

Das Leo Baeck Institut (LBI) ist benannt nach der Symbolfigur der deutschen Judenheit im 20. Jahrhundert und besitzt Zentren in New York, London und Jerusalem sowie eine Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft in Deutschland. Es wurde 1955 in Jerusalem gegründet, um die Geschichte und Kultur des deutschen und zentraleuropäischen Judentums zu erforschen und zu dokumentieren.

 Seit 1993 gibt das Leo Baeck Institut Jerusalem den Jüdischen Almanach heraus. Dies knüpft an eine alte Tradition an, die durch den Nationalsozialismus gewaltsam abgeschnitten wurde. Erstmals erschien ein Jüdischer Almanach im Jahre 1902.

 

Leo Baeck Institute:

Jerusalem: 33 Bustenai Street, Jerusalem 93229, Israel; www.leobaeck.org

London: 2nd Floor, Arts Two Building, Queen Mary University of London, Mile End Road, London E1 4NS, UK; www.leobaeck.co.uk

New York: 15 West 16th Street, New York, NY 10011, USA; www.lbi.org

Freunde und Förderer des LBI: Liebigstraße 24, Frankfurt 60323

 

 

 

eBook Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag Berlin 2015

© für diese Zusammenstellung Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag; für die einzelnen Beiträge bei den Autorinnen und Autoren

© für die Abbildungen Jonas Opperskalski

Berlin 2015

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

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Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Umschlagfoto: Jonas Opperskalski

 

eISBN 978-3-633-74246-2

www.suhrkamp.de

INHALT

Zu diesem Almanach

Astrid von Busekist Der Eruv

Zali Gurevitch Über die Verortung von Grenzen

Miriam Rürup In der Hauptrolle: Der Pass. Staatenlosigkeit auf und hinter der Bühne im ersten Nachkriegsjahrzehnt

Yaron Jean Reisepapiere und jüdische Mobilitätserfahrung. Geschichte einer negativen Symbiose im Europa der Zwischenkriegszeit

Natan Sznaider Exil und Diaspora

Galit Hasan-Rokem Der Ewige Jude in Europa – eine jüdisch-christliche Koproduktion

David Rechter Habsburg Bukowina: Juden am Rand des Reichs

Joachim Schlör »Ach, man läßt mich durch. Es ist gelungen.« Die Überschreitung der deutschen Grenze in Emigrationsberichten

Gabriele Anderl Vor verschlossenen Toren. Die Bedeutung der illegalen Flucht über Grenzen für die Rettung von Verfolgten des NS-Regimes

Julian Voloj Gauner, Geeks und das Goldene Zeitalter der amerikanischen Comicindustrie

Noah Efron Das Ende der Sonderstellung: Die Juden und der Nobelpreis im Zwanzigsten Jahrhundert

Peter Stephan Jungk Im Moskauer Labyrinth

Assaf Uni Grenze(n) nach Polen

David Newman Israels Grenzen – ein geopolitisches Dilemma

Kinneret Rosenbloom Reservedienst

Dorit Rabinyan Grenzlinien der Liebe

Gadi Goldberg Über die Grenzen der Sprache und Übersetzen als Grenzüberschreitung

Zu den Autorinnen und Autoren

ZU DIESEM ALMANACH

Grenzen bestehen immer und fast überall, sie trennen, blockieren und bremsen, schützen und beschränken. Sie funktionieren als Trennwände, Übergänge oder Nahtstellen. Deren Unüberwindbarkeit hat für Juden in der Vergangenheit aber auch oft den Tod bedeutet.

Ihr Dasein als Minderheit und transnational vernetzte Diaspora, die einer spezifischen Tradition verpflichtet war, begründete viele Generationen lang den besonderen Status der Juden in Europa. In dem Bestreben, als gleichberechtigte Bürger dazuzugehören, d. ‌h. in die jeweiligen Mehrheitsgesellschaften aufgenommen zu werden, mussten gesellschaftliche Schranken gesprengt werden. Wer dabei aber seine Identität nicht aufgeben wollte, stand zugleich noch vor einer weiteren Herausforderung: die Bewahrung der eigenen Tradition, was wiederum Abgrenzung bedeutete. In diesem Almanach geht es um die Sichtung und Bedeutung dieser verschiedenen Grenzlinien – innere und äußere, psychologische und mentale, soziale, politische und geografische.

Der Eröffnungsbeitrag ist einer ganz besonderen Art von Grenze gewidmet, dem Eruv. Astrid von Busekist schreibt über diese religiöse Abgrenzung, die meistens nur für jene erkennbar ist, die sie respektieren. Eine Grenze, bestehend aus Durchgängen und Türen, die einen öffentlichen Bereich absteckt und ihn privat macht. Damit erweitert sich für fromme Juden am Shabbat der Bewegungskreis, da das abgegrenzte Gebiet so als Erweiterung des häuslichen Bereichs gilt. Der Eruv ist somit eine echte Grenze, argumentiert die Autorin, er zwingt uns aber auch, bestimmte Trennungen, mit denen wir gedankenlos umgehen, neu zu denken.

Mit dem tieferen Sinn von Grenzen beschäftigt sich anschließend auch Zali Gurevitch. Für ihn sind sie unerlässlich zum Verständnis des Begriffs Identität (der Identität einer Person wie der Identität eines Ortes, einer Kultur, einer Sprache), weil diese ja nicht nur in sich ruht, sondern sich auch darüber definiert, was entgegengesetzt oder benachbart zu ihr ist, also jenem, was nicht in ihr eingeschlossen ist.

Bemühungen, kollektive Identitäten und Zugehörigkeiten diesseits und jenseits staatlicher Grenzen zu dokumentieren, führten im Westen Europas zur Einführung des modernen Reisepasses, der zugleich Mobilität in Aussicht stellte. Die Auffassung von einer »papiernen Zugehörigkeit« hatte jedoch auch dramatische Auswirkungen auf das Schicksal der Juden im 20. Jahrhundert. So wurde der Pass zum Symbol der Erfahrung vieler Menschen, die ihre Staatsangehörigkeit verloren haben und fortan diese Heimatlosigkeit zu überwinden suchten. Miriam Rürup schreibt über die Rolle, die dem Pass in diesem Zusammengang auch in Literatur und Film zukam. Yaron Jean wiederum zeigt, wie paradoxerweise gerade in einer Welt, die von Fortschrittsglauben und Streben nach universaler Rechtsgleichheit geprägt war, der Reisepass nach und nach zu einem brutalen bürokratischen Instrument wurde, mit dem sich Getrenntsein und Differenz des anderen definieren ließen.

In seinem Essay über Exil und Diaspora reflektiert Natan Sznaider über die heute neu entstehenden transnationalen Räume auf dem Alten Kontinent, vorangetrieben durch die ständige Erweiterung der europäischen Einheit. Er verweist auf das Spannungsfeld zwischen faktisch gelebten postnationalen Existenzen und der anhaltenden Suche nach gemeinsamer Identität und Kultur und sieht Ähnlichkeiten zwischen diesem neuen grenzübergreifenden Raum Europas und der jüdischen Transnationalität noch vor Beginn der Moderne.

Ein uralter Mythos ist der des Ewigen Juden. Dessen Wanderschaft sieht Galit Hasan-Rokem als einen Schlüsselbegriff der menschlichen Tätigkeit, was als Quelle großen Segens ebenso wie als schwere Strafe gilt. Diese Gestalt war zweifelsohne eine Projektionsfigur christlicher Europäer, die so ihre eigene zweifelhafte nationale Identität stärken wollten. Beim genaueren Hinsehen, argumentiert die Autorin, enthüllt sich aber auch ein Teil der europäischen Kulturgeschichte, in der Juden nicht als andere, sondern als wesentliches Element der Kultur begriffen werden.

Manche Juden haben sich nie von ihrem Geburtsort wegbewegt, aber ihre Zugehörigkeit dennoch mehrmals gewechselt. Ein typisches Beispiel dafür sind die Grenzregionen in Mittel- und Osteuropa. So ist etwa die Geschichte der Czernowitzer Juden mit der Geschichte der Bukowina, Galiziens, der Monarchie Österreich, Rumänien, der Ukraine und der Sowjetunion verbunden. David Rechter beschreibt, wie sich Juden in der Bukowina ihrem Geburtsort tief verbunden fühlten, auch wenn der offiziell immer wieder zu einem anderen Land gehört hat.

Wer aus seiner Heimat flüchten musste, bleibt sein Leben lang von dieser existenziellen Erfahrung geprägt. Lange Zeit wurde die Exilforschung von zwei fast konträren Ausgangspunkten her geschrieben – entweder dem des Abschieds, des Verlusts, oder dem der Ankunft und des Neubeginns. Anhand von deutsch-jüdischen Erlebnisberichten zwischen 1933 und 1938 beschreibt Joachim Schlör die Emigration als einen oftmals längeren Prozess, der schon zu Hause beginnt und mit dem Erreichen des Ziels lange noch nicht abgeschlossen ist, wobei der Moment der Grenzüberschreitung eine entscheidende Zäsur darstellt.

Vielen wäre die Flucht nicht gelungen, hätte es keine Helfer gegeben, die Wege und Mittel kannten, um Grenzen zu überwinden. Gabriele Anderl ist zu der Einsicht gelangt, dass solche »illegalen« Grenzüberschreitungen viel häufiger waren als bisher angenommen und rückt in ihrem Beitrag dabei auch die zahlreichen Fluchthelfer mit in den Blick.

Als Deutschland und bald ganz Europa von den Nazis beherrscht war, kämpften Juden in den Vereinigten Staaten gegen antisemitische Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, wo sie etwa in der Werbebranche beruflich eingeschränkt wurden. Zu dieser Zeit entwickelten jüdische Pioniere die moderne Comicbuchindustrie. Julian Voloj erzählt, wie diese Autoren und Illustratoren mit ihren Figuren wie Superman einen neuen uramerikanischen Archetyp schufen, der allein gegen das Böse kämpfte.

Das Streben nach gesellschaftlicher Akzeptanz steht auch hinter der überproportional hohen Zahl jüdischer Nobelpreisträger. Noah Efron gibt Antworten auf die Frage, weshalb sich so viele Juden im frühen 20. Jahrhundert den Wissenschaften zuwandten und dort häufig auch brillierten. Es war dabei weniger das Ironische und entfremdet Abgehobene, das den kreativen Geist der Juden inspirierte, sondern der banale Wunsch, dazugehören zu wollen.

Um ganz andere Grenzen geht es in dem Beitrag von Peter Jungk. Der Schriftsteller erzählt, wie er bei seinen langjährigen Recherchen über seine Großtante Edith Tudor-Hart – die nicht nur eine außergewöhnliche Fotografin, sondern auch eine sowjetische Agentin war – immer wieder an undurchdringliche Mauern im Archiv des ehemaligen Geheimdienstes KGB in Moskau stieß.

Für Israelis, die es ins Ausland zieht, ist es längst nichts Besonderes mehr, ausgerechnet nach Deutschland zu gehen. Der israelische Journalist Assaf Uni lebte schon seit vier Jahren in Berlin, als ihm durch einen Auftrag in Auschwitz bewusst wurde, dass er die doch so nahe liegende Grenze zu Polen noch nie überquert hatte. Diese Linie war für ihn tabu, ebenso wie für seine von dort stammenden Großeltern. Der Autor beschreibt, wie er sich schließlich doch auf die Reise machte.

Im Jahr 2015 feierte Israel den 67. Jahrestag seiner Unabhängigkeit, und doch bleibt das Land eine Anomalie: Im Gegensatz zu anderen Staaten ist nicht einmal die Hälfte seiner Grenzen festgelegt und international anerkannt. David Newman zeichnet diese immer noch unfertigen geopolitischen Linien des modernen Israel nach, das zugleich auch mit den Umrissen seiner jüdischen Identität hadert.

Eine typische israelische innere Grenzüberschreitung hat Kinneret Rosenbloom zum Thema ihres Beitrags auserkoren, der sich mit dem Reservedienst beschäftigt. Sie beschreibt, wie die Einberufungen ihres Vaters zum Militär immer wieder das Familienleben aufmischte, weil keiner wusste, wann sie in den Alltag einbrechen und wann sie wieder enden würden.

Der hebräische Roman Borderlife von Dorit Rabinyan handelt von der Liebesgeschichte zwischen einer Israelin aus Tel Aviv und einem Palästinenser aus Ramallah – und der in vieler Hinsicht unüberwindlichen Distanz zwischen ihren beiden Lebenswelten, die letztlich auch mit zum Scheitern der Beziehung beiträgt.

Übersetzer sind von Beruf Grenzgänger. Jede Sprache ist eine in sich geschlossene Welt, mit einem geordneten System von Sätzen, die sich alle aufeinander und insbesondere auf das Gesamtsystem beziehen. Deshalb kommt jede Übertragung in eine andere Sprache einem Systemwechsel gleich, der die eine Seite nicht verraten darf, sich aber auf die Spielregeln der anderen Seite einlassen muss. In seinem Schlussbeitrag reflektiert Gadi Goldberg über die Herausforderungen des Übersetzerhandwerks, mit spezifischem Blick auf die Übertragung vom Deutschen ins Hebräische.

Last but not least hat sich der Fotograf Jonas Opperskalski auf die Spurensuche ganz unterschiedlicher Grenzen in Israel gemacht. Alle Abbildungen in diesem Almanach einschließlich der Titelseite stammen von ihm.

 

Gisela Dachs
Tel Aviv/Jerusalem

ASTRID VON BUSEKIST
DER ERUV

Nur dem Menschen ist es, der Natur gegenüber, gegeben, zu binden und zu lösen, und zwar in der eigentümlichen Weise, dass eines immer die Voraussetzung des anderen ist. Indem wir aus der ungestörten Lagerung der natürlichen Dinge zwei herausgreifen, um sie als »getrennt« zu bezeichnen, haben wir sie schon in unserem Bewusstsein aufeinander bezogen, haben diese beiden gemeinsam gegen das Dazwischenliegende abgehoben. Und umgekehrt: als verbunden empfinden wir nur, was wir erst irgendwie gegeneinander isoliert haben, die Dinge müssen erst auseinander sein, um miteinander zu sein.
Georg Simmel, Brücke und Tür

Nicht alle Grenzen trennen uns

Stellen Sie sich eine Grenze vor, die nur aus Durchgängen und Türen besteht. Eine praktisch unsichtbare Tür, die die Landschaft nicht verunstaltet, von einigen Menschen schweigend errichtet, nahezu ohne Geld und ohne besonderes Werkzeug. Eine private Mauer auf öffentlichem Grund, die die Menschen weder nach innen noch nach außen schützen soll. Man kann sie leicht passieren, denn sie ist durchsichtig, und außer den wenigen, die sie errichtet haben, weiß fast niemand, ob er die Schwelle zwischen beiden Territorien überschreitet.1

In zahlreichen Großstädten existiert eine solche Grenze. Und meist, ohne dass wir ihrer gewahr werden. Man nennt sie Eruv2. Als Begriff und Praxis zugleich erlaubt der Eruv uns, die Grenzen anders zu denken, sie als Gelenk zu sehen, das auf scheinbar paradoxe Weise die drei Möglichkeiten des Vereinigens, des Trennens und des Überschreitens verknüpft. Das unterstreicht auch das hebräische Wort, dessen Stamm ברע »vermischen« bedeutet. Eine Grenze, die vermischt? Wie könnte eine Grenze vermischen, wo sie doch trennen soll? Vermischen, wo sie doch den Unterschied deutlich machen soll? Die Schönheit des Eruv liegt genau darin, dass er all das zur gleichen Zeit bewerkstelligt.

Der Eruv ist eine (fast) körperlose Mauer, die einen öffentlichen Bereich umgrenzt und ihn privat macht. Mit seiner Hilfe können die rabbinischen Juden sich bei gleichzeitiger Beachtung der Shabbatverbote innerhalb des abgegrenzten Gebiets bewegen, denn es wird als Erweiterung des häuslichen Bereichs betrachtet. Da man am Shabbat außerhalb des Hauses beispielsweise keine Bücher, Nahrungsmittel, Schlüssel tragen oder einen Kinderwagen oder Rollstuhl schieben darf, vergrößert der Eruv den privaten Bereich und verwandelt ihn symbolisch in einen Hauskreis oder in ein erweitertes Wohngebiet, indem er die öffentliche Straße und den privaten Raum »vermischt«. »Vierzig Hauptarbeiten weniger eine« sind am Shabbat verboten (mShabbat 73), und die letzte ist »das Tragen von einem Bereich in einen anderen«: Die Bedeutung dieses Verbots ist nicht zu unterschätzen, schließlich gehört es zu den drei in der Tora explizit genannten, nämlich pflügen und ernten sowie Feuer machen. Dieses Gebot könnte bis in die Zeit zurückreichen, als Moses dem Volk untersagte, noch weitere selbst angefertigte Gaben für das (und zum) Heiligtum in der Wüste zu bringen, zur Stiftshütte (Exodus, 35 und 36,6). Davon könnte sich die (rabbinische) Auffassung ableiten, dass die Bereiche nicht vermischt werden dürfen, etwa dadurch, dass etwas von einem profanen an einen heiligen Ort, von einem öffentlichen in einen privaten Bereich und umgekehrt, getragen oder überführt wird (tShabbat 1, 2a). Hier könnte also auch der Ursprung jener seltsamen Erfindung liegen, eben der Verbindung von öffentlichem und privatem Bereich, die in ein neues Gesetz zur Umgestaltung des Raums mündet. Teilweise jedenfalls, denn unabhängig von einem Eruv bleiben bestimmte Objekte untersagt: Generell alles, was im Zusammenhang mit einer am Shabbat verbotenen Tätigkeit steht – Geld, Werkzeug, Federn, Kugelschreiber, Bleistifte, aber auch Regen- und Sonnenschirme, weil sie mit Zelten gleichgesetzt werden. Es gilt der Grundsatz: Will man etwas von einem Bereich in einen anderen tragen, so muss der Bereich als Ganzes von der gleichen »Spezies« sein, in diesem Fall privat.

Dessen ungeachtet verweist der Begriff der Grenze meistens auf eine Beschränkung, einen Spalt im Raum, und in der Regel verstehen wir darunter einen konkreten oder abstrakten Abschluss des geografischen oder sozialen Raums. Wie auf einer Landkarte deutet eine subtile Veränderung der Landschaft darauf hin, dass der Raum durch imaginäre Linien eingegrenzt wird. Ein Departement, ein Stadtviertel, ein Verwaltungsbezirk, eine Stadt, oder noch besser, eine »Banlieue«, eine Vorstadt, sind als Einheiten nicht sichtbar, aber sie ordnen und strukturieren unseren Raum und geben ihm einen Sinn.

Diese unsichtbaren und doch fühlbaren Grenzen können Abkapselung oder Autonomie bedeuten, sie können offen oder geschlossen sein, symbolisch und gesellschaftlich, sie können zur Identifikation einer Gruppe dienen, gegen eine Bedrohung schützen, einen Besitz abstecken, ein Hoheitsgebiet abgrenzen, das Gesetz verkünden, ein Gemeinwesen hervorbringen. Gleichzeitig ist die Grenze aber auch das, was beiden Dingen gemeinsam ist: Welche Farbe hat die Trennungslinie zwischen einem schwarzen Fleck auf einem weißen Grund? Wie sieht die Linie zwischen Nordsee und Ärmelkanal konkret aus? Wem gehört die Grenze zwischen zwei zusammenhängenden Objekten? Dem einen oder dem anderen, oder beiden?

Die Grenzen bilden ein Gelenk, wie Simmel es so schön ausdrückt. Die Tür öffnet sich, aber sie schließt sich auch und »lässt vor der Tür«. Die Tür ist Grenze.

 

Dadurch, dass die Tür gleichsam ein Gelenk zwischen den Raum des Menschen und alles, was außerhalb desselben ist, setzt, hebt sie die Trennung zwischen dem Innen und dem Außen auf. Gerade weil sie auch geöffnet werden kann, gibt ihre Geschlossenheit das Gefühl eines stärkeren Abgeschlossenseins gegen alles jenseits dieses Raumes, als die bloße ungegliederte Wand. Diese ist stumm, aber die Tür spricht. (G. Simmel, Brücke und Tür, 3-4.)

 

Die Tür oder vielmehr die Folge von Türen, auf die all das gleichzeitig zutrifft, die vereint und trennt, die das eine und das andere ist, die luftig und massiv, flüchtig und ewig ist – all das ist der Eruv. Er illustriert fast alle soeben genannten Widersprüche. Mit seiner Hilfe können wir neu bewerten, was Grenzen für uns bedeuten. Er benennt die Trennung zwischen Öffentlichem und Privatem, aber auch die Vermischung der Bereiche und Genres. Er verstofflicht das Zulässige und das Unzulässige, das Heilige und das Profane, aber gerade durch seine Struktur erlaubt er die Überschreitung. Er symbolisiert das Innen und das Außen des Hauses, aber auch der Gemeinschaft, des Glaubens, der Stadt, der Vielfalt, des gesellschaftlichen Lebens. Er gestaltet die geteilten, aneinander grenzenden und sich überlagernden urbanen Bereiche, Territorien ohne Hoheitsgewalt, Orte mit vielfältigen Bedeutungen.

Der Eruv ist eine echte Grenze, denn er hält auseinander, er zwingt uns aber auch, bestimmte Trennungen, mit denen wir gedankenlos umgehen, neu zu denken. Das sind einerseits unsere politischen Überzeugungen, andererseits unsere Ansicht von der Relevanz von Grenzen. Wir leben in liberalen Gesellschaften, und der Liberalismus ist eine Kunst der Trennung: zwischen Privatem und Öffentlichem, Gemeinschaft und Gesellschaft, Individuum und Staat. Der Eruv dagegen stellt diese Kategorien auf den Kopf, denn er bringt unterschiedlich geartete Gebilde zusammen: Er bringt die Gemeinschaft in den öffentlichen Raum, er privatisiert den gemeinsamen Raum. Grenzen gegenüber ist unsere Einstellung allerdings ambivalent: Wir wissen, dass sie uns schützen, aber wir lieben sie nicht, denn sie symbolisieren den Ausschluss und behindern den freien Verkehr; von jeher führen sie zu Konfrontationen; und wir wissen nie genau, ob ihr Verlauf wirklich korrekt ist. Wie würde überhaupt eine gute Bezirksgrenze als Bestandteil einer guten Umweltpolitik aussehen? Mit Sicherheit wäre das keine Staatsgrenze. Im Gegenteil – zwei Städte im Norden und Süden der Vereinigten Staaten unterscheiden sich stärker als zwei europäische oder zwei lateinamerikanische Staaten, und dabei gibt es zwischen Städten keinerlei Zollabfertigung.

Der Eruv, der »magic shlepping circle«, der magische Kreis, in dem das Tragen erlaubt ist, und der in Washington beispielsweise den Obersten Gerichtshof und das Weiße Haus einbezieht, ohne das Wesen dieser Bundesgebäude auch nur im Geringsten zu beeinflussen, nennt sich Eruv techumin, das heißt »Eruv für das Reisen«. Die von ihm bewirkte Durchdringung der Bereiche ist uns nicht vertraut und nur im Kontext des jüdischen Gesetzes zu verstehen. Der Eruv ist eine Gestaltung des Hauses. Da ein Haus einige minimale Merkmale enthält, unter anderem eine Tür, die aus zwei vertikalen und einem horizontalen Element, dem Sturz, besteht, kamen die Exegeten und Kommentatoren des Gesetzes zu dem Schluss, dass es theoretisch ausschließlich aus Türen bestehen könnte. Ein Eruv setzt also miteinander verbundene Abgrenzungen voraus, die sich an die urbane oder natürliche Topografie anlehnen (Mauern, Schienenwege, Flüsse, Telegrafenmasten – alles ist geregelt, muss aber verhandelt werden). Einige Bedingungen sind einzuhalten: Vor allem müssen die »Türen« so gestaltet werden, dass die Pfosten durch Schnüre verbunden sind (der Sturz) und dass diese Seile den oberen Abschluss der Pfosten bilden und so den Sturz einer Eingangstür nachahmen. Als Stellvertretung der Tür werden lechis genannte Plastikbänder, Symbole für den Sturz, an den Pfosten befestigt: Wer ihre Bedeutung kennt, weiß, dass sie den Eruv darstellen bzw. symbolisieren. Die Türpfosten müssen Kontakt zum Boden haben, der Sturz sich an ihrem oberen Ende befinden.

Bei der Festlegung des Eruv stößt man auf das Problem, dass die Trennung oder formelle Unterscheidung zwischen den beiden uns bekannten und weiter oben beschriebenen klassischen Bereichen – Öffentliches und Privates, Häusliches und Gesellschaftliches – keine Entsprechung in den eigentlich jüdischen Unterscheidungen hat. Das jüdische Gesetz differenziert vielmehr zwischen vier Arten von Bereichen, und zwar nach Art der Öffnung und nach Art des Gebrauchs. Ausgenommen sind zunächst Bereiche (makom petor) wegen ihrer Größe, weil sie zu groß oder zu klein und damit kaum zu klassifizieren sind: Von oder zu einem solchen Bereich darf auch am Shabbat ohne Einschränkung getragen werden. Der neutrale, halböffentliche Bereich (carmelit) umfasst genau die Orte, die nicht als öffentlich qualifiziert werden, weil sie nicht von allen vier Seiten umschlossen sind, wie beispielsweise der Eruv hatserot (eine an drei Seiten geschlossene Sackgasse, die der Eruv durch das symbolische Brot an der vierten Seite begrenzt. Damit erweitert der Eruv die Erlaubnis zum Tragen, Schieben etc. auf einen Bereich, der nicht durchgängig als öffentlich klassifiziert ist.3 Der dritte, der private Bereich muss ganz präzise begrenzt sein, etwa das Innere eines Hauses (reshut ha-yahid ‌). Der öffentliche Bereich schließlich (reshut ha-rabim) ist offen und wird von allen genutzt (Straßen, Wüsten, Wälder). Der maßgebliche Kommentar zum Traktat Eruvin von Raschi spricht von einem »öffentlichen Bereich mit einer Breite von 16 Ellen, eine Stadt / ein Ort, der von mindestens 600 ‌000 Menschen durchquert wird, ohne Mauern, mit einem Weg, der in direkter Linie von einer Tür zur anderen führt und offen ist«, wie seinerzeit die Lagerstätte der Hebräer in der Wüste. Die Größe der Eruvin ist flexibel: In Boston schließt er die gesamte Stadt ein, in Großbritannien finden sich meistens Eruvin hatserot, auch wenn der neue Eruv von Hampstead Green eine Fläche von mehr als acht Quadratkilometern einnimmt. Wie schon beschrieben, ist er mit anderen Bereichen verbunden, und zwar durch stilisierte Tore, die die Grenzen zwischen den Gebieten markieren (mEruvin, 11b).

Daraus können wir viel über uns als zweidimensionale (im Sinne des Liberalismus: public/private) Wesen erfahren. Der gemischte Bereich des Eruv ist als Konzept nicht nur im Recht schwierig zu handhaben, sondern auch in unserer gewohnten Vorstellung vom Raum, denn ein und derselbe Raum hat eine doppelte Bedeutung: Für die Nichtgläubigen, die Nichtjuden oder diejenigen, die die Gebote nicht befolgen, ist er öffentlich, für die Strenggläubigen privat.

So gibt uns der Eruv die Möglichkeit, einen genaueren Blick auf die sich gegenseitig ausschließenden Kategorien zu werfen, die wir im Zusammenhang mit Grenzen gewohnheitsmäßig benutzen. Nicht als Metapher oder exotische und anekdotische Illustration der Grenze mit solideren und vielleicht gewichtigeren Mauern wie in einer feindseligen Geopolitik – die Trennung zwischen Israel und Palästina, die Mauer zwischen Südkalifornien und Mexiko und viele andere. Vielmehr können wir das, was das Alltägliche an der Grenze uns vorenthält, anhand ihrer Marge verifizieren.

Denn in Wahrheit dient der Eruv der Einheit. Er hebt die Grenze zwischen den Bereichen auf und schlägt eine Brücke zwischen den Individuen und den Gemeinschaften. In diesem Sinn erscheint er eher als ein Weg der Integration und des geteilten Raums, weniger als Ausdruck von Souveränität und damit Kontrolle eines Territoriums, als Ausdruck von Trennung und Ausschluss.

Wie das? Die Juden der Diaspora leben in der Stadt. Die Rabbiner wissen es: Die Texte sollen unterschiedliche Typen von Juden vereinen, die Praktizierenden und die anderen, und vor allem sollen sie das Leben der Juden unter den Nichtjuden regeln. »Das Gesetz des Staates gilt«, »man darf sich nicht von der Allgemeinheit absondern«: Diese Grundsätze bestimmen den Pragmatismus der Rabbiner und die Gesetze der Diaspora. Der Traktat Eruvin wurde in Babylon geschrieben, als die Juden schon lange in alle Welt zerstreut waren. Alle Gesetze berücksichtigen die Vermischung und die Probleme der Isolation. Und selbst wenn manche Gemeinschaften sich auf eigenen Wunsch isolieren, rund um Jerusalem oder anderswo, und den Befürwortern des Laizismus den ihnen wichtigen Weg aufdrängen, so widerspricht das den zentralen Vorstellungen des jüdischen Glaubens: Als Religion der Freiheit muss sie sich heute mit einem anderen, einem säkularen und liberalen, Begriff von Freiheit einigen, so wie man sich früher mit den anderen Gläubigen einigen musste. Wo diese beiden Ordnungen aufeinanderstoßen, kommen die Chassidim gut, sogar sehr gut zurecht: Sie sprechen die Sprache der säkularen Werte, und überall, wo sie Eruvin errichten wollten, bekamen sie die Genehmigungen. Denn wie bei allen Grenzen, mögen es nun wirkliche oder Eruvin sein, findet der Kampf in den Gerichtssälen statt. Aber ob in den Vereinigten Staaten, in Kanada, in Großbritannien – wo immer eine Schlichtung nötig war, wurde den Gemeinschaften gestattet, Eruvin aufzustellen. Es würde zu weit führen, wollte man die oft sehr hitzigen, manchmal antisemitisch gefärbten Debatten wiedergeben, bei denen Juden und Nichtjuden sich jedoch niemals als Feinde gegenüberstanden.4

Als einzige rabbinische, halachische Religionspflicht betrifft der Eruv5 auch Bürger, die nicht dem jüdischen Gesetz unterstehen. Warum? Die Antwort findet sich in einer Reihe von Auslegungen und Deutungen rund um ein raffiniertes und doch einfaches Prinzip: die Miete. Denn um nicht nur die Juden, sondern ein ganzes Stadtviertel in den Eruv einbeziehen zu können, muss man die Genehmigung der Kommunalverwaltung einholen und eine – meist symbolische – Miete zahlen, und im Gegenzug erhält man eine Erlaubnis für mehrere Jahrzehnte6. In Antwerpen etwa kaufte die Gemeinschaft 1968 für den symbolischen Zeitraum von 40 Jahren einen Teil der Stadt, der im Westen durch die Schelde, im Osten durch Mauern, Schienen und Gebäude begrenzt wird, und zahlte dafür die bescheidene Summe von 1000 belgischen Franc, etwa 50 Euro. Mit anderen Worten: Ohne den anderen, den Nichtjuden, ist ein Eruv, ist eine geeinte Gemeinschaft nicht möglich. Genau darin liegt das Paradoxon des Eruv, das ihn grundsätzlich vor dem Vorwurf der Isolation, des Inselcharakters schützt: Ohne die Zusammenarbeit mit denen außerhalb kann die Gemeinschaft nicht existieren.

Das Ritual des Eruv ist also ein gemeinsames Ritual. Ganz offensichtlich dient es vor allem den gläubigen Juden, und es besteht kein Zweifel daran, dass Rabbiner und demnach viele orthodoxe Gemeinschaften den Wunsch haben, durch Abgrenzung und Abgeschiedenheit die Ihren vor den unheilvollen Einflüssen der Moderne zu bewahren. Und selbst wenn die Miete, insofern als sie um das Einverständnis der Nichtjuden ersucht, eine schwere Bürde für die Gemeinschaft darstellt, gilt doch: Ohne die Zustimmung der Heiden kann es keinen Eruv geben. Und deshalb wirken sie allmächtig. Sie haben die Macht, Gemeinschaften aufzubauen und aufzulösen.

Die Grenze muss also verhandelt werden. Man könnte sagen, dass nur solche Grenzen gerecht sind: Ihrem Verlauf liegt eine Einigung zugrunde. Vergleichbar einem Bund zwischen den Gemeinschaften und der sie umgebenden urbanen Gesellschaft, was an die biblischen Bündnisse denken lässt, die Michael Walzer zu dem Begriff des Universalismus »von unten« inspiriert haben: das Gewohnheitsrecht des Amos, die Friedensvision bei Micha und Jesaja, die Noachidischen Gebote7.

Doch kommen wir abschließend noch einmal auf die juristischen Auseinandersetzungen zurück. Drei Dinge können wir daraus folgern: Die Vertreter der Gemeinschaften haben die Sprache des liberalen Säkularismus sehr geschickt eingesetzt, um ihrer Sache zum Sieg zu verhelfen, sie haben es geschafft, dass ihr Ersuchen, Eruvin zu errichten, als vereinbar mit den Erfordernissen der normativen Ordnung der Mehrheit wahrgenommen wurde. Umgekehrt versuchten die Gegner erfolglos, sich so weit in das jüdische Gesetz einzuarbeiten, dass sie die »Absurdität« und »Irrationalität« dieser Praktik beweisen konnten, die ihnen als unbegreifliche »Aufgabe« in der liberalen Moderne erschien. Schließlich ist es klar, dass die Aufteilung des Raums als Nullsummenspiel gilt: Was den einen gehört, kann den anderen nicht gehören. In multiethnischen und polyglotten Städten müsste diese Weigerung der Gegner, den Raum auf vielfältige Weise zu lesen, diese spezifisch territoriale Vision, die mangelnde Sensibilität gegenüber der Bedeutung anstelle des Gebrauchs des städtischen Raums, uns dazu bewegen, dass wir uns mit gemischten Praktiken befassen, nämlich den Grenzen, die uns einen.

Durch die Errichtung symbolischer und temporärer Mauern hinterfragt der Eruv also die demokratische Toleranz angesichts von Grenzen. Er öffnet uns die Augen dafür, dass in multikulturellen, kosmopolitischen, mehrsprachigen, globalisierten und gemischten städtischen Bereichen eine wenngleich immaterielle »Mauer« existiert, eine wenngleich unsichtbare »Grenze« schwer zu akzeptieren und nur mühsam zu tolerieren ist. Als würden wir unseren Bereich umzäunen und zugleich die Grenzen ablehnen. Empfänglich für den von der Grenze gebotenen Schutz und dabei von ihrem durch und durch illegitimen und überflüssigen Charakter überzeugt. Für die einen, die Gegner der Eruvin, handelt es sich um eine Frage des Glaubens, der Verständnislosigkeit, der Gelände-Usurpation, für die anderen, die Vertreter der Gemeinschaften, um Befreiung, Schutz, Erleichterung des Alltags, Gleichheit zwischen Frauen und Männern – der Eruv stellt unsere liberale Toleranz auf die Probe. Der Eruv hinterfragt auch die Zeit, die zyklische Zeit und das temporäre Verbot: Der Eruv ist 25 Stunden in der Woche von Nutzen; er stellt die Frage, welchen Raum wir der Religion und ihren sichtbaren Zeichen im öffentlichen Bereich einräumen bzw. einräumen sollten.

 

Aus dem Französischen von Elisabeth Thielicke

1

  

Ich übernehme die Begriffe von Zachary Heiden, »Fences and Neighbors«, Law and Literature, 17, 2, 2005, S. 225-248.

2

  

Eruv, בוריע auf Hebräisch. Aus dem Aramäischen, im Plural ןיבוריע, eruvin. Maimonides, Mischne Tora, Sefer S'manim, Hilkhot Shabbat 14, 11; Hilkhot eruvin 1, 1-3.

3

  

Y. ‌G. Bechhofer, The Contemporary Eruv: Eruvin in Modern Metropolitan Areas, BookSurge, 22006, S. 41ff.

4

  

A. von Busekist, Les frontières du libéralisme, Paris, Albin Michel, 2015.

5

  

Der Verkauf von Chametz zu Pessach ist vielleicht die andere Ausnahme, wird aber kontrovers diskutiert und enthält andere Probleme als der Eruv.

6

  

Der Trick mit der Miete findet sich erst spät, in der Tosefta, während die Mischna unterschiedliche Wohnungen praktisch nicht gestattet. Vgl. C. ‌E. Fonrobert, »The Political Symbolism of the Eruv«, Jewish Social Studies, 11, 3, S. 9-35, S. 24.

7

  

M. Walzer, »Universalisme et valeurs juives«, in A. von Busekist (Hg.), Raisons politiques, La pensée juive, 1, Paris, Presses de Sciences Po.

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