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Health Care- und Krankenhaus-Management

Begründet von Udo Janßen, Axel Olaf Kern, Clarissa Kurscheid, Thomas Schlegel, Birgit Vosseler und Winfried Zapp

 

Herausgegeben von Clarissa Kurscheid, Julia Oswald und Winfried Zapp

 

Die geplanten und bereits erschienenen Bände in der Übersicht:

 

Modul I: Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik

 

• Markus Lüngen/Guido Büscher: »Gesundheitsökonomie«

• Clarissa Kurscheid/Andreas Beivers: »Gesundheits- und Sozialpolitik«

 

Modul II: Betriebswirtschaftslehre und Management in stationären und ambulanten Gesundheitseinrichtungen

 

•  Winfried Zapp/Julia Oswald/Uwe Bettig/Christine Fuchs: »Betriebswirtschaftliche Grundlagen im Krankenhaus«

•  Logistik, IT, Facility Management und Services

•  Rechnungswesen und Finanzierung

•  Winfried Zapp/Julia Oswald/Sabine Neumann/Frank Wacker: »Controlling und Reporting im Krankenhaus«

•  Personalwirtschaft

•  Qualitäts- und Risikomanagement

•  Marketing und Öffentlichkeitsarbeit

 

Modul III: Gestaltung von Managementsystemen in Gesundheitseinrichtungen

 

•  Normatives Management und Strategie

•  Leadership und Führung

•  Netzwerke und Strukturen

•  Projektmanagement

 

Modul IV: Recht in der Gesundheitswirtschaft

 

• Unternehmensrecht im Krankenhaus

Winfried Zapp, Julia Oswald,
Sabine Neumann, Frank Wacker

Controlling und Reporting im Krankenhaus

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

1. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-022609-8

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-025101-4

epub:    ISBN 978-3-17-025102-1

mobi:    ISBN 978-3-17-025103-8

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Inhaltsverzeichnis

 

 

 

 

  1. Geleitwort zur Reihe
  2. Vorwort
  3. Autorenverzeichnis
  4. 1 Controlling in Gesundheitseinrichtungen
  5. 1.1 Spannweite des Begriffs
  6. 1.2 Controllingkonzeptionen
  7. 1.2.1 Vorbemerkungen
  8. 1.2.2 Bestandsaufnahme
  9. 1.2.2.1 Informationsorientiertes Controlling
  10. 1.2.2.2 Koordinationsorientiertes Controlling
  11. 1.2.2.3 Rationalitätsorientiertes Controlling
  12. 1.2.2.4 Reflexionsorientiertes Controlling
  13. 1.2.2.5 Kognitionsorientiertes Controlling
  14. 1.2.2.6 Verhaltensorientiertes Controlling
  15. 1.2.3 Vergleichende Darstellung der Controlling-Konzeptionen
  16. 1.3 Controlling-Definition
  17. 1.4 KLEE-Rechnung als Bezugspunkt
  18. 1.5 Aufgaben
  19. 2 Operativ ausgerichtete Controlling-Instrumente
  20. 2.1 Deckungsbeitragsrechnung
  21. 2.1.1 Vollkostenrechnung
  22. 2.1.2 Teilkostenrechnung
  23. 2.1.2.1 Einstufige Deckungsbeitragsrechnung
  24. 2.1.2.2 Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung
  25. 2.1.3 Praktische Anwendung der Deckungsbeitragsrechnung im Krankenhaus
  26. 2.1.4 Analyse
  27. 2.2 Innerbetriebliche Leistungsverrechnung
  28. 2.2.1 Leistungserfassung
  29. 2.2.2 Leistungskatalog und Leistungsbewertung
  30. 2.2.3 Leistungsverrechnung
  31. 2.2.4 Analyse
  32. 2.3 Budgetierung
  33. 2.3.1 Theoretische Grundlagen
  34. 2.3.2 Die Elemente der internen Budgetierung in der praktischen Anwendung
  35. 2.3.3 Analyse
  36. 2.4 Gemeinkostenwertanalyse
  37. 2.4.1 Vorbereitungsphase
  38. 2.4.2 Durchführungsphase
  39. 2.4.3 Realisierungsphase
  40. 2.4.4 Praktische Anwendung der Gemeinkostenwertanalyse
  41. 2.4.5 Analyse
  42. 2.5 Zero-Base-Budgeting
  43. 2.5.1 Einteilung der Untersuchungsbereiche in Entscheidungseinheiten
  44. 2.5.2 Erfassung der aktuellen Situation als Planungsgrundlage
  45. 2.5.3 Die Erarbeitung des Veränderungspotenzials und Verdichtung der Veränderungsvorschläge zu Entscheidungspaketen
  46. 2.5.4 Die Prioritätensetzung und der Budgetschnitt
  47. 2.5.5 Maßnahmenumsetzung
  48. 2.5.6 Analyse
  49. 2.6 Aufgaben
  50. 3 Strategisch ausgerichtete Controllinginstrumente
  51. 3.1 Target Costing
  52. 3.1.1 Theoretische Grundlagen zum Target Costing
  53. 3.1.2 Anwendung des Target Costing im Krankenhaus
  54. 3.1.3 Analyse
  55. 3.2 Benchmarking
  56. 3.2.1 Einordnung des Benchmarkings
  57. 3.2.2 Begriffsdefinition
  58. 3.2.3 Facetten des Benchmarking
  59. 3.2.3.1 Internes Benchmarking
  60. 3.2.3.2 Externes Benchmarking
  61. 3.2.3.3 Produkt-Benchmarking
  62. 3.2.3.4 Prozess-Benchmarking
  63. 3.2.3.5 Strategisches Benchmarking
  64. 3.2.4 Analyse
  65. 3.3 Prozesscontrolling
  66. 3.3.1 Systematisierung von Prozesscontrolling
  67. 3.3.2 Analyse
  68. 3.4 Belegungsmanagement
  69. 3.4.1 Fix- und Leerkostenbetrachtung
  70. 3.4.2 Prozessabhängigkeiten
  71. 3.4.3 Instrumente des Belegungsmanagements
  72. 3.4.4 Kapazitätsplanung
  73. 3.4.5 Analyse
  74. 3.5 Portfolio-Analyse
  75. 3.5.1 Einordnung der Portfolio-Analyse
  76. 3.5.2 Grundstruktur der Portfolio-Analyse
  77. 3.5.3 Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio
  78. 3.5.4 Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärken-Portfolio
  79. 3.5.5 Wertbasierte Portfolio-Analyse
  80. 3.5.6 Analyse
  81. 3.6 Frühwarnsysteme
  82. 3.6.1 Einordnung der Frühwarnsysteme
  83. 3.6.2 Frühwarnbegriffe und -ansätze
  84. 3.6.3 Kennzahlen- und indikatorengestützte Frühwarnung
  85. 3.6.4 Strategische Frühwarnung durch Erfassung »schwacher Signale«
  86. 3.6.5 Einsatz der Szenario-Technik zur strategischen Frühwarnung
  87. 3.6.6 Analyse
  88. 3.7 Aufgaben
  89. 4 Bereichscontrolling
  90. 4.1 Controlling im medizinisch orientierten Bereich
  91. 4.1.1 Betrachtungsebene von Leistungsorientierung und DRG-Abrechnung
  92. 4.1.2 Erlösorientierte und erlössichernde Betrachtungsebene
  93. 4.2 Controlling im pflegerisch orientierten Bereich
  94. 4.2.1 Betrachtungsebene von Leistungsorientierung
  95. 4.2.2 Erlösorientierte und erlössichernde Betrachtungsebene
  96. 4.3 Interdisziplinär und berufsgruppenübergreifend ausgerichtete Budgetebene
  97. 4.4 Strategische Ausrichtung und integrative Zusammenführung
  98. 5 Reporting
  99. 5.1 Kennzahlen
  100. 5.1.1 Theoretische Grundlagen
  101. 5.1.2 Anwendung von Kennzahlen im Krankenhaus
  102. 5.1.3 Die Balanced Scorecard
  103. 5.1.4 Analyse
  104. 5.2 Berichtswesen
  105. 5.2.1 Einordnung des Berichtswesens
  106. 5.2.2 Grundlagen zum Berichtswesen
  107. 5.2.3 Gestaltung des Berichtswesens
  108. 5.2.4 Berichtswesen in einem Konzern
  109. 5.2.5 Analyse
  110. 6 Lösungen
  111. Literaturverzeichnis
  112. Stichwortverzeichnis

Geleitwort zur Reihe

 

 

 

 

 

In der dynamisch wachsenden und zunehmend komplexer werdenden Gesundheitswirtschaft ist in den letzten Jahren der Bedarf stark gestiegen, Management bezogenes theoretisches Wissen und praxisrelevantes Know-how zu beherrschen und zu vermitteln. Dieser Bedarf spiegelt sich u. a. in zahlreichen neuen Hochschulstudiengängen und vielfältigen Angeboten der beruflichen Fort- und Weiterbildung wider.

Die Reihe »Health Care- und Krankenhaus-Management«, die auf den Curricula einschlägiger Hochschulen und wichtiger Fortbildungseinrichtungen aufbaut, setzt hier an. Inhaltlich und didaktisch systematisch angelegt, erhebt sie den Anspruch, das breite Themenfeld weitgehend vollständig abzudecken.

Die in 14 Bänden modular aufgebaute Reihe möchte allen Studierenden und Dozenten der auf das Management in der Gesundheitswirtschaft bezogenen Studiengänge, Berufstätigen in Fort- und Weiterbildung aus Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens und insbesondere (zukünftigen) Führungskräften und leitenden Mitarbeitern aus Ärztlichem Dienst, Medizin-Controlling, Pflegedienst, Marketing und Verwaltung ein hilfreiches Werkzeug für Studium und professionelle Praxis sein.

Die Herausgeberinnen und Herausgeber:

Clarissa Kurscheid, Julia Oswald und Winfried Zapp

Vorwort

 

 

 

 

 

Die Bedeutung des Controllings wird vor allem festgemacht an der Funktion (Controlling harmonisiert die Abteilungen) oder an der institutionellen Verankerung (Controlling ist eine Servicestelle für Daten). Geht man von den persönlichen Anforderungen der Mitarbeiter in einer Gesundheitseinrichtung aus, die an das Controlling gestellt werden, dann sollen diese Controller als Personen die ihnen geschilderten Probleme so in Daten transformieren, dass daraus komplikationslos eine Entscheidung sichtbar wird und optimales Handeln daraus eindeutig abgeleitet werden kann.

Damit verlangen Manager mehr vom Controlling als eine Stabsstelle oder eine Dienstleistungsstelle zu leisten in der Lage ist – nämlich qualifizierte Managemententscheidungen mit Verantwortungsübernahme. In der Controlling-Literatur wird dieser Umstand durch den Begriff des Businesspartners zu umreißen versucht, um dem Controlling so ein neues Profil und eine neue Position an der Seite des Managements zu geben.

Was aber gilt es umzusetzen, welche Sichtweise ist wie organisierbar und welche Strukturen folgen daraus? Ein Datenlieferant ist anders zu sehen als ein Businesspartner. Eine Abstimmungsstelle, die unterschiedliche Abteilungen und Funktionen koordiniert, agiert anders als eine Abteilung, die die operative Ausrichtung unter Beachtung strategischer Ziele harmonisiert. Was ist letztendlich Controlling?

Hier kann Immanuel Kant (1724–1804) ein wenig weiterhelfen mit folgenden Zitaten:

•  »Der Ziellose erleidet sein Schicksal – der Zielbewusste gestaltet es«1.

Das Ziel des Controllings ist herauszuarbeiten. Es nimmt Einfluss auf die Bestimmung der Aufgaben und Funktionen. Dazu will das Buch helfen, indem es neben den unterschiedlichen Konzeptionen auch differenzierende Instrumente ausarbeitet, beschreibt und analysiert.

•  »Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich ein Gewissen hat, einen Arzt, der für mich Diät beurteilt, und so weiter, so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen.«2

Genau das möchte dieses Buch aber nicht vermitteln: Es entlastet zwar den Leser, indem es das Wesentliche des Controllings umschreibt, aber es fordert den Leser auch heraus, sich mit dem in diesem Buch formulierten Thesen auseinanderzusetzen. Nicht jedes Werkzeug eignet sich für alles.

Und damit ist der Verbund von theoretischer Fundierung und anwendungsorientierter Praxis herausgestellt: Nur wenn eine Kostenträgerrechnung in einer Wirtschaftsunternehmung umgesetzt ist, kann eine Deckungsbeitragsrechnung implementiert werden. Nur wenn genügend qualifizierte Controller eingestellt sind, können Ergebnisse kommuniziert werden.

•  »Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie«3

Theorie und Praxis stehen in einem Austausch miteinander: Konzeptionen, Modelle und Verfahren können nur angewendet werden, wenn sie in sich theoretisch fundiert und schlüssig sind. Diese müssen praxistauglich sein, um angewendet werden zu können.

In diesem Buch werden theoretisch fundierte Konzeptionen und Verfahren dargestellt und anwendungsorientierte Instrumente vorgestellt.

Die Autorinnen und Autoren danken Herrn Dr. Ruprecht Poensgen vom Kohlhammer-Verlag, der die Initiative zu dieser Buchreihe gegeben hat, und Maryna Daus für ihre stets hilfreiche Unterstützung und Geduld; Herr Dominik Rose hat mit Kompetenz und Akribie den Feinschliff für dieses Buch geschaffen. Ihm danken wir für seine systematische Vorgehensweise.

Frau Daniela Bode, M.A. hat die Zusammenführung der unterschiedlichen Beiträge so problemlos gemeistert, dass sie gleich nach Abschluss an diesem Werk selbst Controllerin in einem Krankenhaus geworden ist. Frau Dipl. Pflegewirtin (FH) Heike Asbach, M.A. hat – wie so oft – die letzte Durchsicht vorgenommen. Sie arbeitet nun an dem Abschluss ihrer Doktorarbeit. Wir danken beiden für die angenehme Zusammenarbeit.

Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes in der Reihe »Health Care- und Krankenhaus-Management« wünschen nun dem Leser hilfreiche Anregungen, Mut zur Umsetzung und eine aktive Gestaltung des Controllings.

Winfried Zapp, Julia Oswald, Sabine Neumann, Frank Wacker

Osnabrück, Oldenburg, Essen im Juni 2015

1     http://www.zitate.de/autor/Kant%2C+Immanuel (aus Immanuel Kant: »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?«)

2     http://www.zitate.de/autor/Kant%2C+Immanuel (ebd.)

3     http://www.zitate.de/autor/Kant%2C+Immanuel (Dieses Zitat wird neben Kant auch dem Psychologen Kurt Lewin zugeschrieben)

Autorenverzeichnis

 

 

 

 

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Sabine Neumann
Krankenhausbetriebswirtin (VKD) Leiterin Betriebswirtschaftliches Controlling, Pius-Hospital Oldenburg

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Prof. Dr. Julia Oswald
Professorin an der Hochschule Osnabrück mit dem Lehrgebiet Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Krankenhausfinanzierung und -management

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Frank Wacker, M.A.
Leiter Controlling und Medizincontrolling, Katholische Kliniken Ruhrhalbinsel, Essen, Mitglied der Contilia Gruppe

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Prof. Dr. Winfried Zapp
Professor an der Hochschule Osnabrück mit dem Lehrgebiet Allgemeine Betriebs- wirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Rechnungswesen, insbesondere Controlling im Gesundheitswesen

1         Controlling in Gesundheitseinrichtungen

 

 

 

 

1.1        Spannweite des Begriffs

Kaum ein Fachbegriff wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur unterschiedlicher definiert und interpretiert als der Begriff des Controllings. Auch Horváth – einer der einflussreichsten Vertreter des Controllings – beklagt, dass der Modetrend zum Controlling dazu geführt hat, »dass so ziemlich alle betrieblichen Funktionen, Methoden und Organisationsstrukturen mit dem Wort«Controlling»verbunden wurden und so eine Verwässerung der Problemstellung eingetreten ist« (Horváth 1991, S. 65).

Missverständnisse entstehen in erster Linie dann, wenn man die Inhalte des Controllings vom Wort »Kontrolle« bzw. »to control« ableitet. Der Ursprung dieser Fehlinterpretation lässt sich etymologisch herleiten (Zapp 2004a):

Die Wortherkunft geht auf die lateinischen Begriffe »contra« für »gegen« und »rotulus« für »Rolle« zurück.

•  Im Französischen entwickelte sich daraus der Begriff »contrerole«, der eine Person bezeichnete, die Verträge oder Aufzeichnungen überprüfte. Später entstand hieraus der heutige englischsprachige Begriff »to check«, der in Deutschland als »Kontrolle« bezeichnet und mit den Begriffen Beaufsichtigen, Überwachen und Prüfen übersetzt wird.

•  Im englischsprachigen Raum entstand der Begriff des »countreroullor« und später aus einer Fehlinterpretation des Wortinhalts heraus die Bezeichnung comptroller (von compter = rechnen, zählen). Hieraus resultierte wiederum der heutige englischsprachige Begriff »to control«, der in Deutschland als »Controlling« bezeichnet und mit den Begriffen Beherrschen, Steuern, Leiten, Führen übersetzt wird.

Damit ist die Bedeutung des Begriffs »to control« bzw. »Controlling« sehr viel umfassender als das, was mit dem deutschen Wort Kontrolle gemeint ist: Die Kontrolle ist vergangenheitsorientiert und hat die Aufgabe, bestimmte Sachverhalte zu beobachten und zu überprüfen; Controlling ist zukunftsorientiert und soll planen, lenken, steuern, regeln, überwachen und frühzeitig Maßnahmen zur Zielerreichung identifizieren. Eine Gleichsetzung der Begriffe Controlling und Kontrolle ist daher unzulässig.

Nach amerikanischem Verständnis beschreibt der Begriff »control« eine Phase im Managementprozess und somit ein Aufgabengebiet, das vom Management wahrgenommen wird. Control und Controlling werden in diesem Zusammenhang synonym verwendet. Davon abgegrenzt wird in Amerika das als Controllership bezeichnete Aufgabengebiet des Controllers. Diese eindeutige Trennung zwischen Controlling und Controllership findet man im deutschen Sprachgebrauch nicht. Hier übernehmen die Controller auch Aufgaben, die nach amerikanischem Verständnis dem Management zuzuordnen sind. Durch die Übernahme des englischen Begriffs »Controlling« in die deutsche Betriebswirtschaftslehre ergibt sich somit die Problematik, dass damit teilweise Controllership, teilweise jedoch auch Control gemeint ist (Horváth 2011). Die Folge sind sprachliche und fachliche Verwirrungen. Sucht man in der englischsprachigen Literatur etwas über das »deutsche Controlling«, wird man den Begriff »Management Accounting« wählen müssen und nicht den des »Controllership«, da hier die Aufgaben beschrieben werden, die im deutschsprachigen Raum unter den Begriff Controlling gefasst werden (Becker und Baltzer 2010).

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Abb. 1.1: Controlling als Schnittmenge zwischen Manager und Controller (in Anlehnung an den Internationalen Controller Verein (ICV), o. J., S. 8)

Controlling bedeutet also mehr als Kontrolle. Die Kontrolle ist nur eine Teilfunktion des Controllings. Bei Controlling kann man sinngemäß von Unternehmungslenkung sprechen (Horváth 2011). Diese Aufgabe fällt in den Verantwortungsbereich des Managements. Jeder Manager übt Controlling aus – meistens mit Hilfe eines Controllers als personelle Unterstützung. Der Controller ist verantwortlich für die Informationslieferung und Betreuung der Systeme, Methoden und Informationen zur Wahrnehmung des Controllings. Er lenkt die Leistungsprozesse also nicht selbst (Horváth 2011). Controlling als Prozess oder Denkweise entsteht damit durch Manager und Controller im Team – dargestellt in Abbildung 1.1 durch die Schnittmenge. Die Schnittmenge verdeutlicht auch, dass man nicht klar trennen kann, wo der Dienst des Controllers endet und die Managementkompetenz beginnt. Controlling überlappt sich und ist im Sinne der Mengenlehre eine Schnittmenge mit Elementen, die in jedem der beiden Kreise gemeinsam auftreten (Hauser 2001).

Losgelöst von der allgemeinen Beschreibung des Begriffs Controlling geben in der Praxis Controllerleitbilder das Selbstverständnis und die Aufgaben des Controllings sehr anschaulich wieder. Das Leitbild enthält Kernaussagen darüber, warum und wozu Controller eingesetzt werden. Es zeigt Ziele und Rahmenbedingungen des Controllings auf und stellt klar heraus, wie sich Controlling versteht (vgl. ausführlich Zapp et al. 2002). Nach einer Analyse des Internationalen Controllervereins (ICV) arbeiten zwei Drittel der DAX-Unternehmungen mit diesem Orientierungsrahmen. Ein branchenunabhängiges Leitbild ist das Statement der International Group of Controlling (IGC). Ein Leitbild mit ähnlichen Inhalten für Controller in Gesundheitsunternehmungen hat der Deutsche Verein für Krankenhaus Controlling veröffentlicht (DVKC 2002) (Images Abb. 1.2).

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Abb. 1.2: Controllerleitbild des Deutschen Vereins für Krankenhaus-Controlling (www.dvkc.de)

In dem Leitbild kommt zum Ausdruck, dass Controlling mehr als Planung, Kontrolle und Berichtsgestaltung ist. Vielmehr ist Controlling eine Denkweise und Verpflichtung, betrifft Zusammenarbeitsregeln, Transparenzverantwortlichkeit und Kommunikation.

Um zu sinnvollen Leitbild-Aussagen zu kommen, sollte sich der Manager bzw. Controller einen Überblick über das theoretische Controlling-Wissen verschaffen. Dabei wird sich recht schnell zeigen, dass es zahlreiche Vorstellungen zum Controlling gibt. Aus diesem Grund hat sich auch bis heute keine allgemeingültige Begriffsdefinition herausgebildet. Es ist jedoch in der Betriebswirtschaft üblich, einen komplexen Sachverhalt durch Gruppenbildung zu strukturieren. Die Spannweite des Controlling-Begriffs reicht dann vom informations- und koordinationsorientierten über den rationalitätsorientierten und reflexionsorientierten bis hin zum verhaltensorientierten Controlling-Begriff. Letztlich hängt die Definition von der Betrachtungsperspektive ab. Diese findet in der betriebswirtschaftlichen Forschung in Controlling-Konzeptionen ihren Ausdruck.

1.2        Controllingkonzeptionen

1.2.1     Vorbemerkungen

Eine Controlling-Konzeption ist ein von Wissenschaftlern entwickeltes Aussagesystem, das sich auf ein oder mehrere Theorien bezieht und für die Praxis Gestaltungsempfehlungen zum Controlling abgibt. Von der Konzeption zu unterscheiden ist das Controlling-Konzept, das nur Teilbereiche einer Konzeption umfasst und nicht in sich geschlossen ist. Der Controlling-Ansatz ist noch weniger modellhaft ausformuliert, als ein Controlling-Konzept und führt erste Gedankengänge zum Controlling auf (Zapp 2004a).

Charakteristisch für eine Konzeption sind Aussagen dazu,

•  welche Aufgaben das Controlling wahrnehmen sollte (funktionale Gestaltung): z. B. Planung, Kontrolle und Informationsversorgung

•  mit welchen Instrumenten die Aufgaben erfüllt werden können (instrumentale Gestaltung): z. B. Deckungsbeitragsrechnung, Kennzahlen, Berichtswesen und

•  wer Aufgabenträger ist und wie die Controlling-Abteilung intern organisiert ist (institutionelle Gestaltung): z. B. Entscheidung für oder gegen die Einrichtung einer Controllerstelle, Entscheidungskompetenzen des Controllers, aufstellen von Controlling-Richtlinien und Verhaltensnormen.

Pietsch spricht in diesem Zusammenhang von der Präzisions-Anforderung, die jede Konzeption erfüllen muss. Daneben verweist er auf die Konsistenz-Anforderung, wonach die Beziehung der drei Gestaltungselemente zueinander widerspruchsfrei sein muss (Pietsch 2004). In der Praxis findet man meistens eine Vermischung der funktionalen und institutionalen Controlling-Perspektive, was deutlich wird an der Begriffswahl »Controlling-Abteilung«. Der Begriff »Controlling« ist funktional geprägt und der Begriff »Abteilung« institutional. Begrifflich korrekt wäre der Terminus »Controller-Abteilung« da der Aufgabenträger als »Controller« bezeichnet wird. Ebenso wird im Umkehrschluss häufig fälschlicherweise angenommen, dass ohne »Controlling-Abteilung« auch kein Controlling stattfindet. Controlling-Aufgaben werden aber in der Regel auch in Unternehmungen wahrgenommen, die (noch) keine Controller-Stelle eingerichtet haben – und zwar entweder von der Leitung der Einrichtung selbst, deren Stäbe oder sonstigen Mitarbeitern (Becker und Baltzer 2010).

Neben der Präzisions- und Konsistenzerfordernis nach Pietsch (2004) können mit Küpper drei weitere Anforderungen formuliert werden, die eine Controlling-Konzeption erfüllen muss (Küpper 2008):

1.    Existenz einer eigenständigen Problemstellung des Controllings:

–  Controlling muss eine eigenständige Problemstellung umschreiben und festlegen.

–  Allgemeine Ziele, allgemeine Funktionen und allgemeine Ansprüche an die Unternehmungsführung sind zu global formuliert und gelten für die Unternehmungsführung insgesamt. Das Spezifische und Besondere des Controllings muss in der Konzeption zum Ausdruck kommen.

2.    Theoretische Fundierung des Controllings:

–  Für die wissenschaftliche Behandlung des Controllings müssen eigene Controlling-Theorien erarbeitet bzw. benötigte Theorien aus anderen Disziplinen abgeleitet werden.

–  Controlling gilt zwar als Produkt der unternehmerischen Praxis (vgl. z. B. Horváth 2011; Küpper 2008; Weber 1999), zur Weiterentwicklung des Controllings reicht diese begrenzte Sichtweise jedoch nicht aus. Es ist unerlässlich mit Hilfe theoretischer Forschungsarbeit eine distanzierte Perspektive einzunehmen. Nur so ist eine kritische Reflexion der Praxis möglich und es können grundlegende Veränderungsimpulse initiiert werden (Scherm und Pietsch 2004). Theorien helfen den Praktikern die komplexe Realität zu verstehen und Ansatzpunkte für effektives Handeln zu finden.

3.    Empirische Gültigkeit des Controllings:

–  Das theoretische Controlling-Verständnis muss mit dem realen Controlling in der Unternehmung vereinbar sein und sich dort bewährt haben.

Bezieht sich die erste Anforderung vor allem auf die inhaltlichen Aspekte einer Controlling-Konzeption, geht es beim zweiten und dritten Kriterium um die Art des Zustandekommens einer Controlling-Konzeption. Danach muss man sich dem Bereich Controlling von zwei Seiten nähern: Einerseits über theoretisch begründete Ableitungen (Deduktives Vorgehen), die zur Darstellung von Konzeptionen führen; andererseits über pragmatische, anwendungsorientierte Beschreibungen (Induktives Verfahren), die zu empirisch abgeleiteten Aussagen führen. Nur so kann vermieden werden, dass Controlling zu einem theoretischen Konstrukt ohne jeglichen Bezug zur Realität wird. Abbildung 1.3 zeigt durch die Aufteilung von zwei Kreisen die unterschiedlichen Herleitungen (Zapp 2004a).

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Abb. 1.3: Ansatz der Forschung im Gegenstrom (in Anlehnung an Zapp 2004a, S. 33)

Die Teilbereiche sind folgendermaßen zu erläutern:

Teilbereich I: Theoretische Begründungen, keine empirischen Aussagen zum Controlling

•  Einige theoretische Ausführungen (Küpper 1997) weisen Marketingaktivitäten dem Controlling zu. In der Realität mag das nicht immer zutreffen.

Teilbereich II: Empirische Aussagen, keine theoretisch begründete Zuordnung zum Controlling

•  In einer empirischen Analyse wird die Erstellung des Jahresabschlusses dem Controlling-Bereich zugerechnet (vgl. hierzu Stoffel 1995).

•  Theoretische Begründungen lassen das nicht zu, weil die Finanzabteilung als spezifischer Aufgabenträger für diesen Bereich zuständig ist. Selbst wenn das Controlling in die Finanzabteilung integriert wäre, würde der Jahresabschluss in den Bereich der Finanzabteilung fallen.

Teilbereich III: Theoretische Begründungen, empirische Aussagen

•  Theoretische Begründungen und empirische Aussagen decken sich.

•  Planerische Aufgaben z. B. werden sowohl in der Theorie als auch in der Praxis der Controlling-Funktion zugeordnet.

Eine Controlling-Konzeption kann aus Teilbereichen und Kombinationen aus den Kreissegmenten der obigen Abbildung von I, II, oder III bestehen. Die Vorgehensweise, um Aussagen über Controlling-Aufgaben treffen zu können, gestaltet sich wie folgt: Aus der Betrachtung der Umwelt, der Ziele und der Funktionen lassen sich zunächst die Controlling-Aufgaben festlegen, aus denen dann eine zweckmäßige Aufgabenzuordnung auf Aufgabenträger sowie geeignete Instrumente abzuleiten sind. Methodisch geschieht dies auf Basis der Systemtheorie durch Systembeschreibungen und Systemanalysen und mit Hilfe von kybernetischen Modellvorstellungen (z. B. Horváth 2011; Küpper 2008). Bei den klassischen Konzeptionen greifen die Autoren darüber hinaus auf entscheidungsorientierte und verhaltenswissenschaftliche Forschungsprogramme der Betriebswirtschaftslehre zurück, wobei diesen Disziplinen eine integrative Funktion zukommt (Winter 2007). Neuere Controlling-Konzeptionen beruhen darüber hinaus auf Theorien der Psychologie, Soziologie und Philosophie (vgl. ausführlich Scherm und Pietsch 2004).

Die deduktive Herleitung wird durch die Induktion ergänzt, wo aufgrund des empirischen Erfahrungswissens die real existierenden Aufgaben, Instrumente und Organisation des Controllings bestimmt werden. In der Literatur finden sich empirische Erhebungen zu den Aufgabenfeldern des Controllings in der Praxis, zum Berufsfeld des Controllers und zu den geforderten Qualifikationen von Controllern sowie zur Verortung von Controlling-Bereichen in der Formalstruktur von Organisationen (Becker 2003). Eine ausführliche Beschreibung zu erwähnenswerten nationalen und internationalen empirischen Controlling-Studien erfolgt durch Horváth (2011). Aktuelle empirische Forschungsarbeiten zu Controlling in Krankenhäusern findet man z. B. bei Riehl (2011), Zapp (2010a) oder Crasselt, Heitmann und Maier (2013, 2012, 2011).

Im Gegenstromverfahren findet der Abgleich zwischen Theorie und Praxis statt.

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Abb. 1.4: Deduktion und Induktion von Controlling-Aufgaben (in Anlehnung an Reichmann 1997, S. 4)

Im Kontext der systemtheoretischen Vorgehensweise ist der Begriff des Controlling-Systems bei der Konzeptionierung des Controllings wesentlich. Das Controlling-System umfasst die Beschreibung realer Sachverhalte. Controlling-Systeme müssen in ihrer praktischen Ausgestaltung nicht immer auf die gesamte Unternehmung bezogen sein, sondern können auch Teillösungen für bestimmte Controlling-Probleme anbieten. Zwischen Controlling-Konzeptionen und Controlling-Systemen gibt es interdependente Beziehungen. Die theoretischen Konstrukte beeinflussen das Controlling-System: Diejenigen Controlling-Konzeptionen, die Planung und Kontrolle in den Vordergrund stellen, werden auch ausgereifte Planungs- und Kontrollsysteme entwickeln und EDV-mäßig implementieren (Zapp 2004a).

1.2.2     Bestandsaufnahme

1.2.2.1    Informationsorientiertes Controlling

Als führender Vertreter der informationsorientierten Ansätze betont Reichmann (2006) in seiner klassischen kennzahlengestützten Konzeption die entscheidungsbezogene Informationsversorgung als zentrale Funktion. Er versteht unter Controlling »die zielbezogene Unterstützung von Führungsaufgaben […], die der systemgestützten Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung zur Planerstellung, Koordination und Kontrolle dient« (Reichmann 2006, S. 13). Hiervon abzugrenzen sind die rein Rechnungswesen orientierten Ansätze (Schneider 1995), die als »eingeschränkt informationsorientierte« Konzeptionen dem Controlling nur Aufgaben zuweisen, die mit den Daten des Rechnungswesens erfüllbar sind und daher eine eher operative Ausrichtung aufweisen. Danach muss das Controlling aus der Datenfülle des Rechnungswesens eine Auswahl extrahieren sowie verarbeiten und sie dann dem Management über Berichtssysteme zur Verfügung stellen. Die Informationen sind so aufzubereiten, dass das Management die »richtigen« Entscheidungen treffen kann. Vernachlässigt wird hier, dass mit Hilfe des Controllings auch Ziele erreicht werden sollen, die nicht direkt quantitativ erfassbar sind (z. B. Qualitätsziele, strategische Ziele). Kritisiert wird daher, dass der Erkenntnisgewinn beim Rechnungswesen orientierten Controlling nicht größer ist als der einer entscheidungsorientierten Kostenrechnung (Pietsch 2003). Die »rein informationsorientierte« Controlling-Konzeption von Reichmann ist breiter aufgestellt. Der Autor erweitert die Informationsbasis wesentlich, da er zusätzlich auf nicht monetäre Größen in seiner Konzeption abstellt. Kritisiert wird jedoch auch hier, dass dieser Ansatz keine eigenständige betriebswirtschaftliche Teildisziplin begründet, weil er nicht über die betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen Rechnungswesen und Informationswirtschaft hinausgeht (Becker 2003; Pietsch 2003). In seinen neueren Veröffentlichungen legt Reichmann daher einen stärkeren Schwerpunkt auf die IT-Technologie und die internationale Ausrichtung des Controllings (Reichmann 2011).

1.2.2.2    Koordinationsorientiertes Controlling

Koordinationsorientierte Ansätze sind als Reaktion auf die steigende Komplexität der Unternehmungsbedingungen und eine zunehmende Differenzierung des Führungssystems der Unternehmung entstanden4. Das Controlling wird damit betraut, die sich dadurch ergebenen Abstimmungsprobleme zu lösen – entweder bezogen auf ausgewählte Führungssubsysteme (z. B. Horváth 2011; Hahn und Hungenberg 2001) oder bezogen auf das gesamte Führungssystem (Küpper 2008).

Durch seine Eingrenzung der Koordinationsfunktion auf das Planungs-, Kontroll- und Informationssystem stellt Horváth – der Begründer der koordinationsorientierten Denkweise – klar, dass das Controlling die Abstimmungsprobleme innerhalb des Führungssystems mit klarem Fokus auf die Planung, Kontrolle und Informationsversorgung zu betrachten hat (Horváth 2011). Bei Küpper (2008) muss das Controlling zusätzlich den Auf- und Ausbau von Organisationsstrukturen begleiten, die die Abstimmung von Planungs-, Kontroll- und Informationsversorgungssystem unterstützen. Darüber hinaus sieht er die Notwendigkeit, auch die Beziehungen des Personalführungssystems zum Planungs-, Kontroll-, Informations- und Organisationssystem zu berücksichtigen und rückt damit die Implementierung von Anreizsystemen in den Fokus der Controlling-Aktivitäten (Küpper 2008). Die Kritik dieses umfassenden koordinationsorientierten Ansatzes wird vor allem mit einer mangelnden Abgrenzbarkeit gegenüber der Unternehmungsführung und einer mangelnden Übereinstimmung mit der beobachtbaren Controlling-Realität beschrieben (Winter 2007; Pietsch 2003). Empirische Untersuchungen belegen eine Fokussierung der Controlling-Aktivitäten auf die Planung, Kontrolle und Informationsversorgung. Die Praxis folgt damit der engen Horváth´schen Sichtweise bzw. Horváth folgt in seiner Konzeption der Praxis. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Controlling ein Subsystem der Führung ist, »das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems unterstützt.« (Horváth 2011, S. 129).

Ergebnisorientiert bedeutet den Schwerpunkt auf die Koordination der Formalziele wie Ergebnisverbesserung und Kostensenkung zu legen. Aufgrund des Zusammenhangs zwischen Formal- und Sachzielen wird durch diese Ausrichtung selbstverständlich auch die Sachzielkoordination bewirkt. Durch seine Priorisierung auf die Werteziele grenzt Horváth jedoch die Aufgaben des Controllings von denen des Managements stärker ab, da die Unternehmungsführung sich im Gegensatz zum Controlling auf sämtliche Zielkategorien konzentrieren muss (Horváth 2011).

Die Begriffe »Systembildung« und »Systemkoppelung« bringen zum Ausdruck, dass die Tätigkeit des Koordinierens zum einen durch die Gestaltung eines Systems und zum anderen durch systeminterne Abstimmungen erfolgen kann.

Systembildende Koordination bedeutet, dass das Controlling Strukturen schaffen muss, damit Planung, Kontrolle und Informationsversorgung stattfinden kann und keine Koordinationsprobleme auftreten. Die gestalterische Aufgabe des Controllings bezieht sich daher in Bezug auf das Planungs- und Kontrollsystem (ebd.)

•  auf die Bestimmung der wertmäßigen Planungsaufgaben (Budgetierung),

•  auf die Zuordnung der Planungsaufgaben zu den Aufgabenträgern und das Festlegen von Regeln zum Planungsprozess sowie

•  auf die Bestimmung der Techniken und Methoden, mit denen der Planungs- und Kontrollprozess unterstützt werden soll (Kostenrechnung, Kennzahlen, Berichtswesen usw.).

In Bezug auf das Informationsversorgungssystem geht es bei der Systembildung u. a. um die Gestaltung des Rechnungswesens und Berichtswesens oder die Implementierung von Kennzahlensystemen wie z. B. ROI, Balanced Scorecard. Da das Planungs- und Kontrollsystem von diesen Informationen »lebt«, ist das Informationsversorgungssystem entsprechend den Planungs- und Kontrollanforderungen auszurichten (ebd.).

Die systemkoppelnde Koordination ist notwendig, wenn es im betrieblichen Alltag zu Störungen bei der Planung, Kontrolle und Informationsversorgung kommt und kurzfristig reagiert werden muss, z. B. wenn Planungstermine nicht eingehalten werden oder der Informationsfluss nicht reibungslos verläuft. Kann eine Soll-Ist-Abweichung relativ leicht korrigiert werden, handelt es sich um einen Anpassungsvorgang innerhalb des bestehenden Systems. Ist die Abweichung sehr groß, sind auch strukturelle Änderungen im Sinne einer systembildenden Koordination vorzunehmen (ebd.).

Von den hier beschriebenen Planungsmanagementaufgaben gedanklich zu trennen ist die inhaltliche Komponente der Planung, die nicht dem Controlling obliegt, sondern dem Management.

Obwohl die (engen) koordinationsorientierten Ansätze wichtige Impulse für das Controlling setzen, wird auch hier kritisiert, dass sie keine klare Abgrenzung von übergeordneten Führungsaufgaben zulassen. Die Koordination stellt einen Aspekt dar, der bei allen Führungshandlungen zu berücksichtigen ist (Winter 2007). Daran anknüpfend haben sich neuere Konzeptionen entwickelt. Bei diesen »modernen« Ansätzen wird der Koordinationsaspekt nicht verworfen, sondern in eine andere Art und Weise konzeptionalisiert (Schaefer 2008).

1.2.2.3    Rationalitätsorientiertes Controlling

Weber und Schäffer (1999) zeigen mit ihrer rationalitätsorientierten Controlling-Konzeption Parallelen zu den koordinationsorientierten Ansätzen auf. Koordinationsobjekt mit dem Schwerpunkt auf die Sicherung der Rationalitätist in Webers modifiziertem Ansatz jedoch nicht das Führungssystem, sondern der Führungsprozess (Weber und Schäffer 1999; vgl. auch Becker 2003 sowie Weber 2004). Die Autoren verstehen unter Sicherstellung von Führungsrationalität das »Ausbalancieren des Spannungsverhältnisses von Intuition und Reflexion in den einzelnen Phasen des Führungszyklus« (Weber und Schäffer 1999, S. 205). Sie sehen die Funktion des Controllings darin, das optimale Verhältnis reflexiver und intuitiver Führung herzustellen (Weber und Schäffer 1999).

Rationalität liegt vor, wenn ein gegebener Zweck über die effiziente Verwendung von Mitteln realisiert werden kann (Weber und Schäffer 1999). Rationalitätsdefizite entstehen dann, wenn die Unternehmungsführung nicht zielkonform handelt (»Wollen«) – z. B. um einen persönlichen Vorteil zu erlangen – oder aufgrund von fehlendem fachlichen Wissen oder Kapazitäten nicht in der Lage ist, rational zu entscheiden (»Wissen«). Dem Controlling kommt aufgrund seines Fach- und Methodenwissens die Aufgabe zu, diese Einschränkungen in den einzelnen Phasen des Führungszyklus kontextabhängig zu erkennen und zu beseitigen. Es soll die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass das Management trotz vorhandener Defizite im Sinne der Unternehmung handelt. Kontextabhängig bedeutet, dass die Sicherstellungsfunktion unterschiedliche Formen annehmen kann (Weber und Schäffer 1999):

•  Liegt der Engpass rationaler Führung im fehlenden Wissen (methodisch oder inhaltlich), kommt der Informationsversorgungsfunktion im Sinne der informationsorientierten Controlling-Konzeptionen eine große Bedeutung für die Sicherstellung der Führungsrationalität zu.

•  Ist der Engpass rationaler Führung eher darin begründet, dass die notwendige Abstimmung der Teilsysteme der Unternehmungsführung aufgrund komplexer Rahmenbedingungen und Strukturen nicht bewältigt werden kann, gilt entsprechendes für die koordinationsorientierten Ansätze.

Bei dieser Sichtweise stellen die unterschiedlichen informations- und koordinationsorientierten Controlling-Verständnisse somit verschiedene Facetten der Rationalitätssicherung der Unternehmungsführung dar, die Weber als eine Art »Qualitätsmanagement in der Führung« (Hoffjan 2009, S. 4) auffasst.

Damit hängt die Aufgabenzuordnung des Controllings bei der rationalitätsorientierten Konzeption von der Situation oder vereinfacht ausgedrückt von den Eigenschaften des Managements ab. Nach Weber sind dem Controller hierbei jene delegierbaren Führungsaufgaben zu übertragen, die die Manager aus Kapazitäts-, Effektivitäts- und Effizienzgründen nicht wahrnehmen können (Weber 2002). Unterschieden werden:

•  Entlastungsaufgaben: Vom Management delegierte Aufgaben, die das Controlling durch seine Spezialisierung »wirtschaftlicher« erfüllen kann (z. B. Übernahme des Berichtswesens, Organisation des Planungsprozesses, Durchführung von Abweichungsanalysen).

•  Ergänzungsaufgaben: Aufgaben, die die Führungsaktivitäten des Managements mittels speziellen Methoden-, Fach- und Erfahrungswissens auf ihre Zweckmäßigkeit reaktiv überprüfen (z. B. Überprüfung vorliegender Pläne). Des Weiteren aktiv den Einsatz von geeigneten Mitteln vorschlagen und durchsetzen (z. B. Einführung eines neuen Kostenrechnungssystems zur Verbesserung der Lenkungsfähigkeit).

•  Begrenzungsaufgaben: Maßnahmen, die opportunistisches Verhalten verhindern und kooperatives Handeln fördern, um Managementfehler zu minimieren.

Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, benötigt das Controlling neben fachlichem Know-how psychologisches Wissen. Nur so kann es das Verhalten der Entscheidungsträger verstehen und darauf angemessen reagieren (Hirsch et al. 2008). Nach der Controlling-Auffassung von Weber und seinem Forscherteam müssen verhaltensorientierte Erkenntnisse immer dann eingebunden werden, wenn das Modell des homo oeconomicus mit seinen rationalen Annahmen an seine Grenzen stößt und eine optimale Entscheidungswahl nicht möglich ist. Gleichzeitig weisen Weber et al. jedoch auch darauf hin, dass man bei der Analyse und Lösung von Controlling-Problemen nicht leichtfertig und schnell ökonomische Grundannahmen beiseiteschieben darf, sondern nur dann, wenn sich das traditionelle Modell nicht eignet (Hirsch et al. 2008).

Kritisiert wird an diesem Controlling-Ansatz vor allem, dass Rationalitätssicherung keine eigenständige Führungsfunktion darstellt, sondern dass in den (Wirtschafts-)Wissenschaften allgemein Rationalität angestrebt wird (Winter 2007).

1.2.2.4    Reflexionsorientiertes Controlling

Ausgehend von der Kritik, dass die rationalitätsorientierte Controlling-Konzeption nicht präzise genug ist, entwickelten Pietsch und Scherm (2001) ein Aussagesystem zu einem reflexionsorientierten Controlling. Neben der Koordination und Informationsversorgung sehen sie die Reflexion als wesentliche Aufgaben des Controllings an (Pietsch und Scherm 2001; vgl. auch Pietsch 2003). Unter Reflexion verstehen sie das Überdenken von selektierten Handlungen. Diese Funktion wird von den Führungskräften nicht hinreichend abgedeckt und soll daher durch das Controlling übernommen werden. Damit einher geht eine kritische Beurteilung von Entscheidungen durch abweichungsorientierte Reflexion bzw. Kontrolle. Reflexionsorientiertes Controlling impliziert auch eine perspektivenorientierte Reflexion, was bedeutet, dass das Controlling neue Muster der Problemlösung aufzeigen soll. Darüber hinaus ist die Führungsunterstützung der Reflexion durch eine entsprechende Informationsversorgung zu gewährleisten (Winter 2007).

Schönbohm (2005) betont in seinem Ansatz »Reflexives Controlling«, dass im Zusammenhang mit der Reflexion eine Offenheit gegenüber anderen Perspektiven gegeben sein muss, »ohne sich von ihnen gefangen nehmen zu lassen« (Schönbohm 2005, S. 45). Becker bemüht sich um eine organisationstheoretische Fundierung des Controllings in Anlehnung an die Strukturationstheorie nach Giddens (1984). Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Konzeptionen zielt er in seinem deskriptiven Ansatz nicht darauf ab, einen klaren »Controlling-Kern« zu erarbeiten und Handlungsempfehlungen abzuleiten, sondern er will die Controlling-Praxis (Anwendungsbedingungen und Wirkungen von Controlling-Instrumenten) beschreiben und erklären (Becker 2003; vgl. auch Winter 2007).

Kritisiert wird, dass die reflexionsorientierten Konzeptionen nur einen begrenzten Neuigkeitsgehalt mit sich tragen, da Reflexion im Grunde eine erweiterte Kontrollfunktion ist. Reflexion ist Bestandteil aller Führungshandlungen, Controlling findet sich eher in der Führungsunterstützung als in der Führung wieder (Winter 2007; Pietsch 2003).

1.2.2.5    Kognitionsorientiertes Controlling

Die kognitionsorientierte Controlling-Konzeption nach Lingnau sieht das beschränkte Wissen und Können der Entscheidungsträger als Ausgangspunkt zur Erklärung von Funktionen, Institutionen und Instrumenten des Controllings (Lingnau, 2004). Grundlage des Controllings ist die kognititive Psychologie, die das menschliche Denken im weitesten Sinne betrachtet.

Im Mittelpunkt der Controlling-Konzeption stehen die Prozesse zur Lösung von Problemen (Entscheidungsprozesse). Unterstellt wird, dass Manager über eine bestimmte Expertise verfügen und mit Hilfe ihres bereichsspezifischen Wissens (primäres Wissen) bestimmte Probleme lösen können. Gleichzeitig besteht jedoch aufgrund kognitiver Beschränkungen in Bezug auf andere Bereiche bei den Entscheidungsträgern ein Mangel an Wissen (sekundäres Wissen). Aufgabe des Controllers ist es, diese Wissenslücken zu füllen und zum Beispiel mit Hilfe von standardisierten Verfahrensweisen die Effizienz des Problemlösungsprozesses zu erhöhen (Jonen 2008; Winter 2007). Die Aufgabenableitung erfolgt dabei im Gegensatz zu den meisten anderen Konzeptionen nicht funktional, sondern aus institutioneller Sicht (Jonen 2008), was bedeutet, dass die Controlling-Funktion einer bestimmten Stelle zugeordnet wird (Winter 2007). Für diese Sichtweise spricht als Beweis die Ausdifferenzierung des Controllings in Bindestrich bzw. Bereichscontrolling-Themenkomplexe (Winter 2007). Um den unterschiedlichen Anforderungen an eine Führungsunterstützung gerecht zu werden, haben sich in der Praxis mit dem Krankenhaus-Controlling, Personal-Controlling, Finanz-Controlling, Medizin-Controlling, Qualitäts-Controlling, Risiko-Controlling, Marketing-Controlling usw. funktionsbereichsspezifische Controlling-Varianten herausgebildet (Preißner 2008).

Die Kritik an der kognitionsorientierten Konzeption besteht in einer vorrangig institutionellen Sichtweise, die Abgrenzung zu Stabsfunktionen ist schwierig. Der Ansatz läuft auf eine entscheidungsorientierte Informations- und Methodenversorgung hinaus (Winter 2007; Pietsch 2003).

1.2.2.6    Verhaltensorientiertes Controlling

Gilt in den angelsächsischen Ländern die Forschung zum verhaltensorientierten Controlling schon lange als etabliert, befindet sie sich in Deutschland noch in den Anfängen (Hirsch et al. 2008; Lange und Schaefer 2008). Eine etablierte Konzeption sucht man zum verhaltensorientierten Controlling vergebens. Alle Abhandlungen dazu (z. B. Wielpütz 1996; Hoffjan 1997; Heide 2001) sind kein methodologisch reflektierter Vorschlag für eine Integration verhaltenswissenschaftlicher Ansätze in eine ökonomisch fundierte Controlling-Konzeption (Hirsch et al. 2008). Dies verwundert nicht, weil das verhaltensorientierte Controlling als integrierter Ansatz zu verstehen ist und damit eine Erweiterung des traditionellen entscheidungsorientierten Ansatzes darstellt. Es ist »diejenige betriebswirtschaftliche Funktion im Unternehmenskontext, die Motivationsprobleme und kognitive Entscheidungsanomalien der Führung identifiziert und reduziert.« (Hirsch 2007, S. 267).