Eifeltrauma-Cover.

Vom gleichen Autor im Machandel Verlag erschienen:


Mordinstinkt (Leseprobe)


Prolog


11. März 2011


Gerd Brauer hasste Regen. Dieses aggressive Prasseln konnte ihn wahnsinnig machen. Noch mehr hasste er den Wind, der scharf und eisig über den Sportplatz hinter dem weitläufigen Steingebäude pfiff, dort, wo er jahrelang Volleyball gespielt hatte. Finster starrte er in den Hof, wo gerade der Anstaltsbus hielt. Häftlinge stiegen ein und aus. Zweimal täglich kam dieser Bus, reine Routine, nichts Besonderes. Die Neuen kletterten etwas unsicher aus der Seitentür, während der kräftige Atem des Windes an ihren dünnen Uniformen zerrte. Er konnte sehen wie sie froren, die Freigänger.

Seit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die unbefristete Verlängerung der Sicherungsver­wahrung für rechtswidrig erklärt hatte, waren viele Insassen nach und nach entlassen worden. Jene Häftlinge, die man vor 1998 verurteilt hatte. Hauptsächlich harmlose Typen, aber letztendlich auch Kaliber, die brave Bürger lieber bis in alle Ewigkeit hinter Anstaltsmauern gesehen hätten.

Gerd Brauer hoffte, dass das Gerücht stimmte, das seit ei­nigen Tagen auf seiner Station die Runde machte. Er sollte ebenfalls entlassen werden. Die Gutachter, deren Aussage bei der richterlichen Entscheidung oft den Ausschlag gab, hatten das Vorliegen einer schweren psychischen Störung verneint. Darüber hinaus habe sich sein Aggressionspotenzial im Laufe der Jahre abgeschliffen, so dass keine Gefährdung mehr von ihm ausginge. Das war das Resümee, welches die Gutachter in ihrem Bericht gezogen hatten. Na, und die mussten es ja wissen.

Ungeduldig rutschte er auf dem Stuhl im Vorzimmer des Direktors hin und her, während er auf seinen Betreuer warte­te. Becker war seinem Ruf, das bestmögliche für seine Schützlinge herauszuholen, gerecht geworden. Der Mann war jeden Cent wert gewesen, den er in ihn investiert hatte. Dafür war seine Eigentumswohnung drauf gegangen, aber scheiß egal. Wozu brauchte er noch eine Wohnung in der Ei­fel? Offiziell würde er dort nie wieder auftauchen. Ein fester Wohnsitz wäre für seine Pläne ohnehin nur kontraproduktiv.

„Brauer?“ Direktor Heidtmann kam zur Tür herein. Einen Moment lang stellte er sich vor, den Direktor nur mit einer coolen Augenbewegung zu grüßen, wie er es einmal in ei­nem Film gesehen hatte. Aber Cool sein war jetzt wohl eher nicht angebracht. Er setzte ein freundliches Lächeln auf und sagte artig: „Guten Tag“.

„Sie wissen, warum sie hier sind?“ Heidtmann wollte gera­de mit seiner üblichen wohlwollend-väterlichen Ansprache beginnen, als es an der Flurtür klopfte. Er wandte sich um.

„Einen Moment bitte, ich bin gleich wieder da ...“

Die Tür fiel unangenehm laut ins Schloss. Gerd Brauer lehnte sich auf dem harten Stuhl zurück und fragte sich, was da draußen los sein mochte.

Schreie. Schnelle Schritte, die auf dem gefliesten Boden hallten. Weitere Schreie. Dann herrschte Stille.

Er lächelte. Hatte da jemand einen Ausbruchsversuch un­ternommen? Er selbst hatte mehr als einmal daran gedacht, sich aber letztendlich in sein Schicksal gefügt. Er atmete tief durch. Und nun sollte wirklich alles vorbei sein? Nach all den langen Jahren hinter diesen Mauern hier sollte er wirklich entlassen werden? Er konnte es nicht wirklich glauben. Gerade ging ihm die Frage durch den Kopf, was er mit seiner Freiheit anfangen würde, als die Tür aufflog und ein junger Mann ins Zimmer gestoßen wurde.

„Ein bisschen Gesellschaft für dich“, verkündete der Pfleger, der einen penibel sauberen Kittel trug, und wies auf einen Stuhl an der Wand. Der Neuankömmling nahm wortlos Platz.

„Waren Sie schon mal hier?“, fragte der Neue nach einer Weile. Brauer brummte ein wortkarges „Ja“. Er war schon ei­nige Male im Büro des Direktors gewesen. Meistens war es dabei um eine Zimmerverlegung gegangen, oder, wie in den letzten Monaten, um die Sicherungsverwahrung. Natürlich hatte er in den letzten Jahren immer mal wieder einen An­trag gestellt, aber bisher war eine Entlassung immer abge­lehnt worden.

„Weswegen bist du hier?“ fragte er den Neuen.

„Ich habe meine Eltern umgebracht“, sagte der fast teil­nahmslos.„Ich musste es tun, verstehen Sie?“

Aber sicher verstand er. Wieder so ein armer Spinner, den sie sich hier zurechtbiegen würden.

„Und Sie?“, fragte der andere nach einer kleinen Pause.

„Ich bin hier, weil ich jetzt endlich entlassen werden soll.“

Der junge Mann überlegte kurz und fragte dann: „Weswe­gen hat man Sie denn hier rein gesteckt?“

„Beziehungsprobleme.“

Der andere nickte, doch sein fragender Blick signalisierte, dass er nicht verstand.

„Na ja, sie behaupten ich hätte ein Mädel misshandelt und getötet. Ich wurde wegen eines Sexualmordes verurteilt. Aber das ist alles Schwachsinn! Sie war mein Mädel, verstehst du? Sie hat freiwillig mitgemacht.“

Er sah sie plötzlich in Gedanken vor sich, wie sie nackt vor ihm gestanden, sich geschmeichelt gefühlt hatte. Seine Kom­plimente über ihren Körper hatten ihre Wirkung nicht ver­fehlt. In diesem Moment hatte er unauffällig ein Nylonseil hervor gezogen, es blitzschnell um ihre Handgelenke ge­schlungen und sie am Kopfende des Bettes festgebunden. Ihr Blick hatte ihn irritiert. Er hatte sie beruhigt, ihr weisge­macht, er wolle ihr etwas Geheimnisvolles zeigen. Dabei hat­te er sich längst auf ihre Füße konzentriert, den richtigen Moment abgepasst, sie ebenfalls anzubinden. Das hatte sie weniger gemocht. Ihn hatte das angestachelt. Er war vom Bett heruntergeklettert und hatte sie aus verschiedenen Posi­tionen lüstern betrachtet. Er hatte sich Zeit gelassen. „Per­fekt“, hatte er nach einer ganzen Weile freudig erregt gerufen und dabei seine Finger auf ihre Genitalien gelegt. Ihr Versuch zurückzuweichen war natürlich erfolglos gewesen.

„Mach mich sofort los, du Schwein“, hatte sie ihn angegif­tet. Ihn! Der erste Schlag hatte völlig ausgereicht, um sie aus der Fassung zu bringen.

„Du bist ja total verrückt“, hatte sie gejault. Der panische Ausdruck ihrer Augen hatte dann einen inneren Schalter in ihm umgelegt. Immer wieder hatte er zugeschlagen, bis er sie verfehlt und sich die Hand am Bettrahmen verletzt hatte.

„Stillhalten, du dumme Kuh“, hatte er sie angebrüllt und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf seine Finger gestarrt.

„Du hast alles vermasselt.“

Er hatte ihre Kopf an den Haaren hochgerissen, ihr einen gezielten Schlag in den Nacken verpasst. Alle Dämme waren gebrochen. Er hatte nur noch die uneingeschränkte Macht, diese nagende Erregung gespürt, ihr elendes Wimmern ge­hört. Er hätte nicht sagen können, wie lange er auf sie einge­schlagen hatte. Mit dem Messer, das er immer bei sich trug, hatte er ihrem Leben dann ein Ende gesetzt, ihr die Kehle durchgeschnitten. Nur leider war es viel zu schnell vorbei ge­wesen.

Mit dem Gedanken an das viele Blut tauchte er wieder auf. Der Geruch machte ihn auch jetzt noch wahnsinnig, Jahre danach. Das Bild der schweigenden Toten war in ihm, wie gerade gemacht. Wie hübsch sie ausgesehen hatte, nachdem sie endlich still gewesen war. Vielleicht hätte er nicht so lan­ge neben ihr liegen bleiben sollen. Es war ihm richtiggehend schwer gefallen, sie in eine Decke gewickelt im Wald abzule­gen.

Ja, so war es gewesen damals, und genauso hatte er es im­mer wieder den Psychologen erzählt, die ihn betreuten und ihm nun bescheinigten, dass eine Wiederholungstat ausge­schlossen sei. Man würde ihn also wieder auf die Menschheit loslassen. Und eine Idee, was er mit seiner wieder gewonne­nen Freiheit anfangen würde, hatte er bereits.

1. Kapitel



Am Freitag den 21. März wurde Gerd Brauer entlassen. Bevor sich das große Stahltor öffnete, bekam er sein persönliches Hab und Gut sowie etwas Kleingeld ausgehändigt. Dann war er in Freiheit. Fast kam es ihm wie ein Wunder vor, auch wenn es hier draußen niemand gab, der auf ihn wartete oder gekommen war, um ihn abzuholen. Und trotzdem traf ihn seine Entlassung nicht unvorbereitet. Seit der positiven Nachricht des Direktors hatte er intensiv überlegt, wohin er gehen, beziehungsweise was er mit seinem neuen Leben anfangen würde. Zurück in die Eifel wollte er nicht. Auf ein­mal war ihm Bad Neuenahr in den Sinn gekommen. Der Name klang gut, irgendwie nach Spielcasino und reichen Da­men. Aber Bad Neuenahr war auch nicht gerade billig. Er würde sich etwas einfallen lassen müssen. Darin war er gut. Er besaß eine lebendige Fantasie.

Also war er mit seinem schwarzen Seesack in ein Taxi ge­stiegen und hatte sich direkt in das Zentrum von Bad Neue­nahr chauffieren lassen. Sein Ziel war das Carpe Diem, ein Café-Bistro in der Telegrafenstraße, von dem man ihm er­zählt hatte. Wann hatte er zum letzten Mal einen ordentlichen Cappuccino getrunken? Er konnte sich kaum noch daran er­innern. Etwas verlegen betrat er das Café, fand einen Fenster­platz und setzte sich. Die Bedienung kam und fragte nach seinen Wünschen. Sie trug einen kurzen Rock und hatte schöne Beine. Als er seinen Blick hob, bemerkte er ihre süße Stupsnase.

Na, die wär was für den Anfang, dachte er und bestellte sich das langersehnte Getränk. Er beobachtete die Menschen draußen auf der Straße. Sie nahmen keinerlei Notiz von ihm und eilten an seinem Fenster vorbei.

Wie komme ich jetzt bloß an eine geeignete Unterkunft?, dachte er.

Am Südhang, dort wo die feinen Klinken lagen, gab es eine Menge Appartementhäuser. Zum Teil handelte es sich um Ferienappartements, allerdings wohnte hier auch das Krankenhauspersonal. Er hatte mal eine Zeit gehabt, als er auf junge Krankenschwestern stand. Das hatte ihm Gelegen­heit genug gegeben, zu merken, dass man dort ziemlich an­onym agieren konnte. Die Idee war gar nicht schlecht. Er blieb noch einen Augenblick vor dem Fenster sitzen und schlürfte genüsslich seinen Cappuccino. Danach zahlte er und verließ das Café.

Er schlenderte durch die Innenstadt und sah sich die Aus­lagen der Geschäfte an. Alles war so verdammt teuer gewor­den, oder war es der Euro, an den er sich erst noch gewöh­nen musste? Immerhin hatte es zu jener Zeit, als man ihn verknackt hatte, noch die gute, alte D-Mark gegeben. Über die kleine Ahrbrücke gelangte er zum Kurpark von Bad Neue­nahr. Mehrere Plakate dort priesen eine Heinz-Erhard-Imitati­on für den Abend an. Man versprach den Leuten ein sehr un­terhaltsames Programm. Er lachte. Mal was anderes. Viel­leicht schaue ich mir den Typen sogar an.

Gegenüber vom Kurpark lag der Steigenberger Hof mit dem ehrwürdigen Spielcasino. Was für ein Ambiente! Ein kurzes Stück danach, nur wenig den Berg hinaus, sah er be­reits die Hinweisschilder und Parkrichtlinien der Kliniken vor sich. Dahinter lagen die Appartementhäuser. Lässig ging er daran vorbei und prüfte unauffällig die Eingangstüren. Wenn ich wenigstens etwas für ein, zwei Nächte finden könnte, dachte er. Das würde mir schon verdammt weiterhelfen.

Haus Nummer 1 und 3 waren verschlossen, aber bei der Nummer 5 hatte er Glück. Die Eingangstür war nur ange­lehnt. Er sah sich um, aber niemand achtete auf ihn, als er eintrat.

Zuerst die Briefkästen überprüfen, befahl er sich selbst, und genau das tat er auch.

Bingo! Im dritten Stock war ein Briefkasten vollgestopft mit Briefen und Werbung! Das sah ganz nach der Post von mehreren Tagen aus. Vermutlich war der Bewohner verreist, oder er lag sogar in einer der Kliniken.

Brauer schaute auf das kleine Schild mit dem Namen Kon­rad Hendges. Das war einfach zu merken. Und da war noch eine brauchbare Information. An der Tür, die zum Keller führte, hing der Reinigungsplan des Treppenhauses. Herr Hendges war erst in der kommenden Woche dran. Das passte ihm gut!

Er stieg in den Aufzug und fuhr hinauf in den dritten Stock. Hier gab es drei Appartements. Er fand das Klingel­schild mit dem Namen Hendges. Wie gut, dass wir hier in Deutschland sind. Hier hat wenigstens noch alles seine Ord­nung.

Die Tür aufzubekommen war schwieriger, als er es sich zu­nächst vorgestellt hatte. Ich darf keine unnötigen Geräusche verursachen, hämmerte er sich immer wieder ein, während er mit ungeduldigen Fingern an dem Schloss her­umhantierte. Schließlich sprang die Tür auf. Die kleine Me­tallkette war nun wirklich überhaupt kein Hindernis mehr für ihn. Er betrat die Wohnung und schaute sich um.

An den Wänden hingen Fotos. Sie zeigten einen Mann in den Fünfzigern. Einige davon waren irgendwo in den Bergen aufgenommen worden. Anscheinend besaß er einen älteren, knallroten Audi 80. Mehrere Fotos zeigten ihn mit solch ei­nem Wagen. Fotos, die Frau und Kinder zeigten, fand er kei­ne.

Volltreffer! Das hätte besser gar nicht passen können. Hier werde ich mich ungestört ein paar Tage einquartieren können. Mensch, hab ich vielleicht ein Glück. Jetzt noch schnell ein paar Dinge einkaufen, und dann mach ich´s mir so richtig gemütlich. Mensch, ein Appartement für mich ganz allein, ich kann´s noch gar nicht richtig glauben. Ver­gnügt schob er die Kette vor, steckte etwas Papier zwischen Schloss und Türrahmen und drückte die Tür zu. Sachte nur, auf keinen Fall fest. So würde er sie nachher ganz leicht wie­der aufbekommen. Er summte eine Melodie und ging hin­über zum Edeka. Der kleine Supermarkt befand sich in ei­nem Mini-Center, direkt neben der Ahrtal-Klinik, und beher­bergte unter anderem einen DM-Markt, eine Dönerbude und eine Eisdiele.

Als er wieder zurückkam, fühlte er sich schon fast wie zu Hause. Pfeifend packte er die Tüten vom Supermarkt aus und räumte seine Einkäufe ein. Das neue Türschloss sowie mehrere Bierflaschen ließ er gleich auf dem Küchentisch ste­hen. Er war rundum mit sich zufrieden. Dieses Appartement war ganz nach seinem Geschmack und die erste Bleibe seit Jahren, die er ganz für sich alleine hatte. Sicher, es war nicht sehr groß, aber mehr als die wenigen Möbelstücke, mit de­nen es eingerichtet war, brauchte er auch nicht. Er hatte sowieso nur eine Schlafstelle mit Bad gewollt. Ein eigenes Bad, das war ihm sehr wichtig, nachdem er jahrelang die Aus­dünste der anderen hatte erdulden müssen. Dass dieses Ap­partement auch noch über eine kleine Küche verfügte, war zusätzliches Glück. Natürlich nichts Dauerhaftes, aber er musste ja auch nur für eine Weile untertauchen, bis er sich eine neue Identität verschafft hatte.

Zunächst allerdings, musste er sich noch um ein paar Din­ge kümmern. Dazu gehörten an erster Stelle seine roten Haa­re. Die musste er unbedingt loswerden. Rote Haare waren viel zu auffällig. Im DM-Markt hatte er sich ein Haarfärbemit­tel in mittelbrauner Farbe besorgt. Jetzt würde er sich erst einmal die Haare färben.

Er öffnete eine der Bierflasche, nahm einen kräftigen Schluck, dann stellte er sie zu den anderen in den Kühl­schrank. Die Wohnung war das Tüpfelchen auf dem i, aber auch sonst war Bad Neuenahr für seine Bedürfnisse genau das richtige. Zum einen lag die Stadt nur wenige Kilometer südwestlich von Oberwinter. Damit wohnte er nahe genug, um die Leute im Yachthafen beobachten zu können, aber weit genug entfernt von seinem alten Leben in der Vulkanei­fel. Es war sehr unwahrscheinlich, dass man ihn hier erken­nen würde. Die roten Haare mussten trotzdem verschwin­den.

Er erinnerte sich an den kleinen Stadt-Bahnhof. Bereits zu seiner Zeit hatte es dort Lebensmittelgeschäfte, schummrige Bars und eine Reihe gemütlicher Kneipen gegeben. Wenn sich dort nicht allzu viel verändert hatte, würde er sich in den Kneipen ohne Schwierigkeiten unbemerkt unter die Gäs­te mischen können. Wie das lief, wusste er. Innerhalb einer Woche würde er irgendwo Stammgast sein und dann würde niemand danach fragen, woher er kam, oder was er in Bad Neuenahr zu suchen hatte. Er wäre einfach nur ein Gast, so wie all die anderen auch. Was seinen Lebensunterhalt anging, nun, er würde sich hier und da nützlich machen, vor allem im Yachthafen am Rhein. Mit Booten kannte er sich aus. Er überlegte, ob er zuerst etwas essen sollte, entschied sich je­doch dagegen. Seine Haare waren wichtiger. Zuerst würde er sie färben, dann würde er essen. Draußen ging eine Horde schnatternder Mittvierzigerinnen vorbei. Er sah ihnen durch das Fenster nach. Sie steuerten geradewegs auf eine Kneipe schräg gegenüber zu. Das war durchaus nichts Ungewöhnli­ches. Das Ahrtal gehörte zu den bevorzugten Wochenendzie­len unzähliger Kegelklubs, die nicht bis Bad Hönningen wei­terfahren wollten. Wann bin ich zum letzten Mal mit einer Frau zusammen gewesen?, fragte er sich. Das musste vor langer, langer Zeit in der Eifel gewesen sein.

Aber vielleicht war ja schon heute die Nacht der Nächte? Er begann wieder zu pfeifen und eilte mit dem Haarfärbemit­tel ins Badezimmer. Warum auch nicht? Die heutige Nacht konnte tatsächlich die Nacht seines Lebens werden.

Zwei Stunden später war nicht nur das Türschloss ausge­tauscht, sondern auch sein neues Aussehen fertig. Er stand vor dem Spiegel im Badezimmer und begutachtete das Er­gebnis. Seine Haare waren jetzt mittelbraun. Es stand ihm gut, wie er fand. Und seine Figur war immer noch ganz an­sehnlich. Tja, der Anstaltsport war manchmal doch zu etwas nützlich. Wie ein Eifel-Hinterwäldler wirkte er jedenfalls nicht mehr. Im Gegenteil, sein Spiegelbild kam ihm sogar fast südländisch vor. Und die Frauen standen doch auf solche Typen, oder etwa nicht?


Wenige Stunden später schlenderte er in das Nachtcafé Apfelbaum und setzte sich in die Nähe zweier Damen, die Cocktails tranken und in ein Gespräch vertieft waren. Wäh­rend er sich ein Bier bestellte, hörte er sie miteinander schwatzen.

„Und da habe ich ihm gesagt, den alten Kahn bekommst du doch nie und nimmer mehr flott ...“

„Bin ganz deiner Meinung, Melanie.“ Die andere Frau nickte heftig mit dem Kopf. „Adrian und seine Flausen.“

„Und wie läuft es so bei dir, Andrea?“

„Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Ich meine, ich habe einen Job, der mir Spaß macht, ein eigenes Auto, eine eigene Wohnung und brauche eigentlich niemanden der mir Vorschriften macht.“ Sie warf ihre blonden Haare über die Schultern und inhalierte den Rauch ihrer Zigarette.

„Leo, machst du Andrea noch einen Cuba Libre auf meine Rechnung?“, rief ihre Begleiterin dem Wirt zu.

„Kommt sofort“, erwiderte der Wirt, der gerade ein Bier zapfte und es auf den Tresen stellte.

Während der Wirt ein Glas polierte, trank Brauer einen Schluck und tat so, als verfolge er die Quizsendung im Fern­seher links oben über der Bar. Dort wurde gerade die nächs­te Frage eingeblendet.

Auch die beiden Damen drehten sich zum Fernseher hin.

„Das wär’s doch“, sagte Brauer zum Wirt und achtete streng darauf, dass er den beiden Damen nicht zu viel Auf­merksamkeit schenkte. „Mal eben so ’ne Million gewinnen. Glauben Sie, er schafft es?“

„Keine Ahnung. Ist noch zu früh, um etwas zu sagen.“ Der Wirt blickte einen Moment lang ebenfalls auf den Bildschirm, dann wandte er sich wieder seinem Gast zu.

„Noch ein Bier?“

„Gern. Und für die Damen ebenfalls ein Getränk!“

„Oh, das ist aber nett von ihnen, vielen Dank“, sagte Mela­nie.

„Kein Problem, wenn wir uns schon zusammen das Quiz ansehen, nicht wahr?“ Zum ersten Mal drehte er sich zu ih­nen um und lächelte ungezwungen.

„Genau. Auf die Million“, sagte Andrea und beugte sich leicht vor, um ihn besser in Augenschein nehmen zu können.

„So eine Menge Kohle.“ Sie kicherte.

„Schscht!“ Melanie flüsterte ihr etwas ins Ohr.

„Wie heißen sie eigentlich?“ fragte Andrea ihren spendier­freudigen Gönner.

Er zögerte einen Moment. Dann erinnerte er sich an den Namen, den er sich zurechtgelegt hatte.

„Konrad. Konrad Hendges. Conny für meine Freunde.“

„Hey Conny, was, glauben Sie, wird er mit der Million ma­chen, falls er gewinnt?“

„Sei doch still, Andrea. Er bekommt ja einen ganz falschen Eindruck von dir.“

„Warum, nur weil mich die Vorstellung einer Million ...“

„Andrea, Schluss jetzt!“ Melanie lachte ein wenig verlegen.„Sie müssen ihr Verhalten entschuldigen Konrad. Meine Freundin redet gern und manchmal auch ein bisschen viel.“

„Wie wär’s mit einem Snack für Zwischendurch?“, fragte er und gab dem Wirt ein Zeichen. Dieser zeigte auf hübsch an­gerichtete Teller mit kleinen mundgerechten Frikadellen, Kä­sehäppchen und Antipasti in einer Vitrine.

„Gern“, ließ Andrea verlauten, während Melanie gleichzeitig ein „Ist doch nicht nötig!“ hervorbrachte.

Er orderte einen Teller. „Ich lade sie ein, meine Damen. Feiern wir meinen ersten Tag in Bad Neuenahr.“

„Oh, sie sind neu in der Stadt?“, fragte Melanie neugierig.

„Heute Morgen angekommen.“

„Und woher kommen sie?“

Konrad überlegte. Jetzt bloß keinen Fehler machen.

„Aus Frankfurt.“

Er wusste nicht, warum ihm gerade diese Großstadt einge­fallen war, aber es klang gut.

„Oh, von wo denn genau? Meine Mutter lebt auch in Frankfurt. In Zeilsheim“, sagte Melanie. Er überging ihre Fra­ge.

„Sehen Sie mal. Jetzt hat er schon zehntausend Euro ge­wonnen.“ Konrad hob sein Glas.

„Prost auf die nächsten zehntausend.“

„Prost“, erwiderten die Frauen.

Fünf Quizfragen weiter wusste er alles über Andrea, was er wissen wollte:


1. Sie lebte allein.

2. Sie hatte keine Familie in der Stadt.

3. Sie besaß eine eigene Boutique.

4. Sie hatte sich gerade von ihrem Freund getrennt.

5. Sie besaß kein gesundes Misstrauen

6. Sie war schüchtern, obwohl sie den Mund ganz schön

voll nahm.

7. Sie war genau der Typ Frau den er gesucht hatte.


Natürlich würde er vorsichtig vorgehen. Heute Abend würde er nur den großen Kavalier spielen. Er würde einen guten Moment abpassen und Andrea zu einem Date einla­den. Vielleicht ins Theater oder zu einem schönen Essen. Ir­gendetwas, das Eindruck hinterlassen würde. Er musste sich Zeit lassen, durfte sich nicht verzetteln. Zu ihrem Date würde er sie von zu Hause abholen und dort auch wieder abliefern. Er hatte sich im Griff, wenn es notwendig war, er würde nicht mit in ihre Wohnung gehen. Er musste auf Nummer Si­cher gehen. Warten, bis er Stammkunde im Apfelbaum war, kein Fremder mehr, kein Einzelgänger. Das Wichtigste war seine neue Identität. Sie würde es ihm ermöglichen, seinen Zielen nachzugehen, ohne Verdacht zu erregen. Und dann würde er Informationen verbreiten, die man in Bad Neue­nahr und Umgebung akzeptieren musste.



Peter Splitt



Eifel-Trauma



Yin-Yang


Machandel Verlag

Charlotte Erpenbeck

Cover-Bildquelle: Margaret M. Stewart /www.shutterstock.com

Haselünne

2015

ISBN 978-3-939727-97-2

 

PROLOG

 

Sie war nicht gerade das, was man eine Schönheit nennen konnte. Die hellblonden Haare hingen ihr in fettigen Strähnen wirr ins Gesicht. An ihrer Kleidung klebte Schmutz aus getrockneter Erde und Laub. Eigentlich bot sie keinen Anblick, der einen Mann auch nur irgendwie dazu reizen konnte, sie näher zu betrachten. Aber wenn man die Strähnen aus dem Gesicht wischte, sahen einen schöne, leuchtende hellblaue Augen an, zwischen denen die Nase eher ein wenig zu klein wirkte. Der wohlgeformte Mund war jetzt verzerrt und offenbarte ein paar volle Lippen, die vor Unsicherheit zitterten.

Der junge Mann wischte das Blut ab, das dem Mädchen aus dem Haar über die rechte Schläfe sickerte, die Wange hinunterlief und dann einen roten Faden auf ihrem Hals bildete. Warum musste sie sich auch so anstellen, diese blöde Kuh. Sie hatte doch genau gewusst, was er von ihr wollte, als er sie gefragt hatte, ob sie mit ihm in den Wald ginge. Und diesmal wollte er es ganz besonders genießen.

Langsam, die Finger schon am Hosenbund, suchte er einen geeigneten Platz, wo er ungestört und einigermaßen bequem mit der Kleinen weitermachen konnte, als er plötzlich etwas sah, das ihn stutzig machte.

Erde. Und zwar frische Erde, in einem Quadrat von etwa zwei Metern. Wie bei einer Grabung ausgehoben und anschließend wieder festgetreten und geglättet, lag sie über den Waldboden verteilt. So etwas konnte weder von einem Hasen noch von einem Fuchs stammen. Hier war eindeutig von Menschenhand gegraben worden, das war für ihn ganz klar. Aber warum sollte jemand in einem einsamen Waldstück, dazu noch im dicht verzweigten Dickicht, eine Grube ausheben? Das hier wirkte sehr merkwürdig, um nicht zu sagen, gefährlich. Mit einem Mal verspürte er keinen Drang mehr, sich die Hose aufzuknöpfen. Seine ganze Vorfreude war wie weggeblasen. Was sollte er tun? Zurück rennen und jemanden alarmieren? Aber dann müsste er die Anwesenheit des Mädchens und ihre blauen Flecken und die Platzwunde erklären. Die Leute im Dorf würden über ihn reden, so wie sie es immer taten, und seine Mutter würde furchtbar böse auf ihn sein. Also beschloss er, lieber selber nachzuschauen.

Vorsichtig, mit gespitzten Ohren und klopfendem Herzen, ging er weiter, das nun noch mehr verängstigte Mädchen, das seine veränderte Stimmung falsch interpretierte, mit festem Griff hinter sich herziehend. Zum Glück hatte er ein Taschenmesser bei sich. Ein kleines, rotes, aufklappbares Ding, mit stumpfer Klinge, das ihm einmal sein Vater geschenkt hatte. So ein Messer ist immer gut, mein Junge, hatte er vor langer Zeit zu ihm gesagt. Damit kannst du schneiden, schrauben und Dosen öffnen. Verliere es nicht, es könnte sogar einmal dein Leben retten. Wenn sein Vater damals gewusst hätte, wozu er das Messer wirklich gebrauchte …

Also holte er das väterliche Taschenmesser aus seiner Jackentasche, klappte die kleine Klinge auf und stocherte damit in der verstreuten Erde. In der Mitte war eine Vertiefung. Sie schien die Struktur eines Grabens zu haben. Sie war mit Blättern und Farnen bedeckt worden. Mit seinem Fuß schob er das Grünzeug etwas beiseite und starrte in die Vertiefung. Zuerst sah er nicht viel. Da war nur eine Anhäufung von trockenen Zweigen. Geheuer war ihm die Sache trotzdem irgendwie nicht. Das hier gehörte nicht in einen Wald. Was ist das für ein Erdloch, aus dem es feucht-schimmelig und streng riecht?, dachte er.

Dann wurde ihm klar, dass diese Zweige etwas verdecken sollten … was immer sich auch darunter befinden mochte … und seine Finger krallten sich fester um den Griff des Taschenmessers. Allerdings kam er sich mit dem Ding doch ziemlich lächerlich vor. Das Mädchen hielt er nach wie vor mit seiner linken Hand an den Handgelenken fest, aber wie sollte er jetzt diese verdorrten Äste beiseiteschaffen? Also steckte er das Messer wieder ein und zog mit der freien rechten Hand an den Zweigen. Das Mädchen hinter ihm stieß einen lauten Schrei aus. Ein schmutziges Etwas lugte aus dem Reisig hervor. Voller Angst zerrte das Mädchen an seinem Arm, wollte sich losreißen, doch der junge Mann hielt es eisern fest.

Er starrte auf seinen Fund, halb erschrocken, halb fasziniert. Es war eine skelettierte Hand, die an einem langen Unterarmknochen hing. Nur der Unterarmknochen, nichts weiter. Das Teil musste schon eine Weile hier gelegen haben, denn von Fleischresten war so gut wie nichts mehr vorhanden. Aber wozu dann die frisch ausgehobene Erde?

Ein paar Knochen brachten ihn nicht gleich aus der Fassung, ganz im Gegensatz zu der Kleinen, die jetzt haltlos zu schluchzen begann. Er kannte so etwas von den vielfachen Untersuchungen und Beobachtungen her, die er an Tieren durchgeführt hatte. Es war nur einfach Wut, die er empfand, weil ihm jemand ganz gewaltig in seine Pläne gepfuscht und ihm somit die ganze Vorfreude genommen hatte. Was zum Teufel sollte er jetzt bloß mit der Kleinen anfangen, die ihn mit laufender Nase und aus weit aufgerissenen Augen halb hysterisch anstarrte?

Sichtlich genervt blickte er auf die blassen Knochen. Ein verirrter Sonnenstrahl ließ etwas aufschimmern. Er bückte sich leicht nach vorn, um besser hinschauen zu können. Die Glieder einer feinen Kette schlängelten sich über die skelettierte Hand. Er streckte schon die Hand aus, zögerte dann aber. Irgendwie war dies doch nicht dasselbe wie ein präpariertes Tier. Der junge Mann suchte nach etwas, womit er die Kette abstreifen konnte. Über ihm hing ein dünner Zweig. Den brach er ab und berührte damit vorsichtig die Knochen. Es gelang ihm nicht gleich. Beim dritten Versuch allerdings hatte er die Kette abgestreift. Als er sie hochhob, entdeckte er an ihrem unteren Ende so etwas wie ein Medaillon. Er schob mit dem Daumen die anhaftende Erde beiseite und betrachtete es näher. Es war ein Taijitu, jenes schwarz-weiße Symbol für Yin und Yang. Ohne weiter darüber nachzudenken, steckte er das Schmuckstück in seine Hosentasche und zog das verstörte Mädchen mit sich aus dem Wald.

 

 


Erstes Kapitel

 

27. Mai 2013

 

Die meisten Bewohner des gemütlichen Eifelstädtchens Bad Münstereifel überfiel ein überschwängliches Gefühl von Erleichterung, wenn sie in ihren Heimatort zurückkehrten. Das lag an der Tatsache, dass ihr heiß geliebter Heimatort abseits der großen Hauptverkehrsadern des Rhein-Main Gebietes lag. Menschen aus der Großstadt mochten Bad Münstereifel als einen Ort am Ende der Welt bezeichnen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten, die Einwohner jedoch gaben ihrer ländlichen Idylle den Vorzug vor den Betonsiedlungen in Köln oder Frankfurt. Sie liebten ihre Stadttore, die Burg, die antiken Häuser und genügend interessante Einkaufsmöglichkeiten gab es auch, wie die Touristen gerne bestätigten.

Roger Peters war nach Bad Münstereifel gefahren, um das neue City Outlet zu besuchen. Wohlwollend vermerkte er, dass hier intelligente Städteplaner am Werk gewesen waren. Sie hatten die Markenshops in die historische Altstadt integriert und bewusst drauf verzichtet, ein anonymes Center irgendwo auf eine grüne Wiese am Stadtrand zu setzen.

Er hatte die Geschäfte gemäß der Wunschliste seiner Freundin Edith abgeklappert, war jetzt müde und wollte auf dem schnellsten Weg zurück nach Köttelbach. Das heißt, einen Einkauf hatte er noch zu erledigen. Edith wollte mehrere Knäuel von einer bestimmten Strickwolle, die es nur in dem kleinen Handarbeitsladen in Blankenheim gab. Also dann, nichts wie hin, nach Blankenheim.

Er zwängte sich hinter das Lenkrad seines kleinen, offenen Sportwagens, setzte den Blinker und fuhr in Richtung Heisterbacher Tor davon. Am Orchheimer Tor bog er in die Trierer-Straße ein und erreichte gerade den Kreisel vor der Bundesstraße, als ein roter Traktor mit Anhänger plötzlich von der Seite her auf ihn zugerollt kam. Fluchend stieg Roger in die Eisen. Welcher Volltrottel von einem Sonntagsfahrer übte hier Verkehrshindernis? Na, dem würde er ein paar Takte zu sagen haben.

Aber die Schimpftirade erstickte im Keim. Aus der Fahrerkabine grinste ihn ein wohlbekanntes Gesicht an: Herbert Hase aus Kelberg. Der Bauer griff nach der Kappe, die er immer auf seinem Kopf trug, und winkte ihm erfreut entgegen. Roger parkte den MG am Seitenrand, sprang lässig über die Fahrertür und ging auf den Trecker zu. Was in aller Welt hatte Herbert ausgerechnet hier in Bad Münstereifel zu suchen?

Er war dem alten Kauz zum ersten Mal begegnet, als er vor drei Jahren in die Eifel kam, um seine neue Flamme Edith zu besuchen. Da hatte ihn Herbert vom Straßenrand aufgegabelt und auf seinem Trecker mit nach Kelberg-Köttelbach genommen, wo Edith wohnte. Und seitdem waren sie quasi Nachbarn. Herbert war ein lebenslustiger Bursche, der gerne einen über den Durst trank und stets für einen ausgiebigen Plausch zu haben war.

„Kann man denn keinen Schritt tun, ohne dass du einem über den Weg läufst? Du hättest mit deiner Mühle beinahe meinen Roadster plattgefahren“, begrüßte Roger den Eifelbauern.

„Hi, Roger“, grüßte Herbert zurück. „Du weißt doch: Ist der Roadster platt wie ´n Teller, war der Traktor wieder schneller.“

Er lachte herzhaft. Roger fand seinen Kommentar weniger lustig. Er betrachtete das Treckergespann. Sein Blick fiel auf den Anhänger, der mit einer großen, wasserdichten Plane überzogen war.

„Was ziehst du da eigentlich hinter dir her?“, fragte er.

„Das ist ein Lastzug, was? Ich hab mir gerade `ne Ladung Zuckerrüben abgeholt. War ein echtes Schnäppchen. Deshalb bin ich auch extra hier raus gefahren. Der alte Lohmann wollte die Dinger einfach nur loswerden, und mir helfen sie, mit meinen Viechern über den Winter zu kommen. Komm doch nachher noch auf einen Schluck bei mir vorbei. Ich habe einen neuen Obstbrand da!“

Dabei kniff er vielsagend ein Auge zu. Roger grinste vor sich hin, wusste er doch, dass Herbert heimlich Schnaps brannte. Und der war nicht von schlechten Eltern. Der Kater allerdings auch nicht, den man hinterher bekam.

„Ich komme gern später noch bei dir vorbei, Herbert, aber zuerst muss ich nach Blankenheim, was für Edith besorgen. Wir sehen uns, bis später.“

„Alles Roger, Roger.“ Herbert grinste und schwang sich wieder auf seinen Trecker, während Roger zusah, dass er die Kurve kratzte. Wenn man Herbert zu viel Zeit gab, quatschte der einen buchstäblich fest.

Das vertagte er lieber auf nach dem Einkauf. Ganz ohne würde er wohl nicht davonkommen, so etwas nannte man Nachbarschaftspflege. Auch wenn Herbert gewaltig nerven konnte, zumindest erfuhr man bei ihm immer den neusten Klatsch aus dem Dorf.