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Erfahrung nennt man die Summe aller unserer Irrtümer.

(Thomas Alva Edison, 1847–1931)

Inhalt

Vorwort
Washingtons Joint und Pech von oben – Geschichte
Das Gold im Meer und Mobilfunkmythen – Natur­wissenschaft
Warum Pinguine keine Angst vor Eisbären haben – Tiere
Falsche Palmen veräppeln – Pflanzen und Garten
Warum man dem Salat nicht alles glauben soll – Essen
Tote Milch und Schwefel im Glas – Trinken
Das Hirn im Bauch und der siebte Sinn – Körper und Körperpflege
Nicht für Elise – für Therese! – Kunst und Kultur
Mach mich leer, du begrabener Hund! – Sprache
Nichts los auf der Klobrille – Gesundheit und Medizin
Warum das Universum nicht ins Haus liefert – Religion und Esoterik
Heimspiel auf der feuchten Wiese – Sport und Fitness
In der Fortschrittsfalle? – Technik
Nichts für Spinnen und Frösche – Klima und Wetter
Billig kann ich mir nicht leisten – Geld
Große, kleine und solche Städte, die es gar nicht gibt – Geografie
Erlaubnistatbestandsirrtümer und andere Monster – Rechtsirrtümer
Chaos in der Spülmaschine und das Milbenparadies – Alltägliche Irrtümer
Fast für immer – Liebe und andere Krisen
Nun sind es schon 999 …

Vorwort

Was macht Irrtümer so interessant? Warum lieben wir es, wenn der Boden der Tatsachen unter unseren Füßen zu schwanken beginnt und wir uns auf dünnes Eis begeben müssen?

Eine wenig edelmütige Ursache wird für manchen sicherlich die Schadenfreude sein, das zumindest kurzfristig erhebende Gefühl, jemand anderen bei einem Fehler zu erwischen. »Ha, und du blöder Hund hast gedacht, dass …« möchte dann der für Gehässigkeit zuständige Teil unseres Sprachzentrums formulieren. Im Regelfall siegt allerdings die soziale Kontrolle. Kindliche Neugier spielt beim Thema Irrtum dagegen nur eine sekundäre Rolle, denn es geht ja nicht darum, etwas völlig Neues zu erfahren, sondern im Gegenteil darum, einen bisher für sicher gehaltenen Tatbestand zurechtzurücken.

Die Suche nach Irrtümern ist vielmehr eher ein Ausdruck des lebendigen Intellekts, des suchenden menschlichen Geistes. Der Weg von Faktum 1 (veraltet) zu Faktum 1a (neu und besser begründet) ist eine geistige Auseinandersetzung, ein innerer Diskurs oder auch ein kontrovers geführter Dialog mit einem Mitmenschen. Mental weniger wache Zeitgenossen wollen lieber in ihren eingefahrenen Gewissheiten verharren, doch das aktive Gehirn mit seiner Lust an geistiger Bewegung wird von der zu erwartenden Belohnung angelockt: Ein aufgedeckter Irrtum zieht immer ein angenehmes Aha-Erlebnis nach sich und beinhaltet einen Lernerfolg – Glückshormone hellen den Alltag auf. Im besten Fall wird sogar das eigene Weltbild um ein paar neue Blickwinkel erweitert oder aus einer fragwürdigen Position zurechtgerückt.

Wer allerdings glaubt, mit der Aufdeckung eines Irrtums einen sicheren Hafen erreicht zu haben, wird wiederum enttäuscht. Die Gewissheit von heute ist der Irrtum von morgen. Nur wer ständig weiter in der für sicher gehaltenen Tatsache nach dem Keim eines neuen Irrtums sucht, wird im Gedankenstrom seiner Zeit aktiv mitschwimmen können.

Washingtons Joint und Pech von oben
Geschichte

Ereignisse aus der Vergangenheit unterliegen auf doppelte Weise der Irrtumsgefahr. Auf der einen Seite leiden die Informationen aus unserer Geschichte unter der menschlichen Vergesslichkeit, wenn sie nicht sachgerecht und umfassend dokumentiert sind. Zum anderen erinnert sich die Gattung Mensch lieber selektiv als wissenschaftlich präzise. Über Unangenehmes und Peinlichkeiten wächst das Gras des Vergessens, heroische Taten und sensationelle Ereignisse werden in so überhöhter Form oder derart drastisch überspitzt in die kollektive Erinnerung übernommen, dass man häufig schon bei ganz gewöhnlicher Historie von einem Reich der Sagen und Märchen reden kann. Sie kennen das noch aus dem Unterricht: Geschichte kann ganz schön langweilig sein, und was liegt da näher, als den vielfach eher nüchternen Fakten mit etwas Fantasie ein wenig Schwung zu verleihen, sie in ihrer Unterhaltungsqualität aufzufrischen? Leider bleibt dabei häufig die Wahrheit auf der Strecke …


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Flüssiges Pech stoppte die Angreifer.

Bei der Belagerung einer Burg gossen die Verteidiger flüssiges Pech über ihre Feinde. So zumindest hört man es immer wieder. Wirklich? Pech als »Kampfstoff« wäre viel zu unpraktisch und teuer gewesen. Auch die Verwendung von siedendem Öl, von dem ebenfalls immer wieder zu hören und zu lesen ist, hätte man im Mittelalter als zu verschwenderisch empfunden, war Öl doch ein energiereiches Nahrungsmittel, wichtig bei der Verköstigung der Burgverteidiger und daher viel zu schade, um einfach weggekippt zu werden. Auch wenn die sogenannten Wehrerker oder Wurferker in der Burgmauer heute häufig Pechnasen genannt werden – durch sie warf die Burgbesatzung eher Steine oder schwere Gegenstände auf die Feinde. Auch heißes Wasser kam vermutlich nicht zum Einsatz, da die Trinkwasservorräte auf einer belagerten Burg begrenzt waren.

Burgen hatten im Mittelalter Folterkammern und Verliese.

Als im 18. und 19. Jahrhundert das Mittelalter große nostalgische Mode wurde, dichtete manch begeisterter Geschichtsschreiber den Burgen attraktive Komponenten an. Wie herrlich gruselig ist doch so eine Folterkammer! Welch angenehme Gänsehaut erzeugt die Vorstellung vom armen Gefangenen tief unten im finsteren Verlies! Nur hatten die meisten Burgen und Schlösser gar keine Folterkammer, und auch ein Verlies war eher der Sonderfall. Wie einfallsreich die Menschen im 18. und 19. Jahrhundert mit ihrer Vergangenheit umgingen, belegt auch die Tatsache, dass Burgen in dieser Zeit renoviert und aufgehübscht wurden, zum Beispiel mit ein paar Extra-Türmchen und ein paar zusätzlichen Schießscharten.

Burgen waren heiß umkämpft.

Eigentlich war eine Belagerung der Sonderfall im Leben eines Burgbewohners. Auf einer Burg zu leben machte das Leben etwas einfacher, denn das befestigte Gebäude stellte einen Hort der Sicherheit und Ordnung dar. Einfache Bauern wurden nicht von Räuberbanden überfallen, der Burgherr war Ordnungsmacht und Rechtsprechung in einer Person. Und: Es ging gemächlich zu auf einer Burg. Es wurde weder gekämpft noch gesoffen, und großartige Gelage und prunkvolle Turniere konnte sich der durchschnittliche Burgherr nicht leisten. Heutige Ritterspiele verfälschen das Bild vom Mittelalter. Es war alles ganz anders – ärmlicher, anstrengender, unsicherer und viel weniger sensationell.

Die Weisen aus dem Morgenland waren zu dritt.

Sie stehen in jeder Krippe neben Ochs und Esel beim Jesuskind, und an ihrem Feiertag laufen drei Kinder, als Könige aus dem Morgenland verkleidet, von Tür zu Tür. Die Gebeine der Weisen sollen im Kölner Dom liegen, in einem mit Blattgold, Edelsteinen und Perlen verzierten Schrein, zu dem Gläubige aus aller Welt pilgern. Doch weder ist gesichert, dass die die Weisen aus dem Morgenland Könige waren, noch dass sie zu dritt waren, auch wenn heute immer von Kaspar, Melchior und Balthasar die Rede ist. In der Bibel findet sich keine Aussage darüber. Wir wissen überhaupt sehr wenig über sie, eigentlich nur, dass sie Gold, Weihrauch und Myrrhe als Geschenke mitgebracht haben. Vielleicht schloss man aus der Zahl der Geschenke auf die Anzahl der Überbringer.

Die Heiligen Drei Könige sind in Köln bestattet.

Kaiser Barbarossa holte im zwölften Jahrhundert die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln, was den Ruf der Stadt als heiligen Wallfahrtsort festigte und gutes Geld brachte. Ob es sich wirklich um die Knochen der Weisen aus dem Morgenland handelt, steht nicht fest, denn sie wurden unter Anwendung von Folter beschafft. Der Entstehungszeitpunkt der Stoffe, in denen die Gebeine eingeschlagen sind, wird von Experten auf das zweite bis fünfte Jahrhundert n. Chr. datiert. Das alles deutet nicht auf geschichtlich nachvollziehbare Fakten, sondern auf eine Legende hin.

Im alten China trugen die Männer Zöpfe.

Das männliche China kannte bis zum 17. Jahrhundert den Zopf nicht als alltägliche Frisur. Erst die Eroberung Chinas durch die Mandschu und deren Fremdherrschaft hatte die Einführung des Männerzopfes zur Folge. Die Chinesen begriffen jedoch diese Art, die Haare zu tragen, als Erniedrigung und Demütigung und gaben sie nach der Veränderung der Machtverhältnisse sofort wieder auf. Abbildungen aus der Regierungszeit der Mandschu sorgten aber dafür, dass der zopftragende Chinese für lange Zeit zum Stereotyp wurde.

Die Wikinger trugen Helme mit Hörnern.

Bisher ist es noch keinem Archäologen gelungen, einen Wikingerhelm mit Hörnern an den Seiten auszugraben. Was wir über die Ausstattung der Nordmänner wissen, ist weniger spektakulär: Sie trugen lange Hosen, dazu Jacken oder Bauernkittel. Die Kleidung fertigten die Wikingerfrauen selbst an, meist aus Wolle. Wenn sie auf Seereisen gingen, führten die Wikingermänner als Waffen Äxte und Speere mit sich und schützten sich mit Helmen (ohne Hörner). Sie waren aus Eisen gefertigt und hatten oft einen Nasenschutz. Wikingerfrauen hüllten sich in bodenlange Kleider und schützten sich vor der Witterung mit einer Art Überwurf, der an der Brust mit einer Spange zusammengehalten wurde.

Das Mittelalter war eine finstere Zeit.

Schmutzig, ärmlich und finster – so soll das Mittelalter gewesen sein. Gut, die Städte hatten keine Kanalisation, man konnte an einer Blinddarmentzündung sterben und die abendliche Beleuchtung war kläglich. Doch die Menschen wuschen sich und badeten häufig, wofür in den Städten Badehäuser mit angenehm lockeren Sitten betrieben wurden, während die Landbevölkerung in Flüssen und Seen Abkühlung und Sauberkeit suchte. Ach ja, die Landbevölkerung lebte, wenn auch nicht gerade im Überfluss, wenn man es genau betrachtet ziemlich genau so, wie es sich heute konsequent ökologische Bevölkerungsgruppen wünschen: gesunde Arbeit an der frischen Luft von Sonnenaufgang bis -untergang, Schlaf in baubiologisch perfekten Häusern, Ernährung mit selbst erzeugten Nahrungsmitteln, gewonnen in nicht entfremdeter Arbeit mit den eigenen Händen, stets in Einklang mit Feld und Fluss, Pflanze und Tier.

Die Bauern litten im Mittelalter furchtbar unter dem Zehnt.

Paradiesisch war das Mittelalter nicht, so viel ist klar. Da gab es unter anderem noch die Steuerzahlungen, den furchtbar drückenden Zehnt! Wie der Name schon sagt: Der Zehnt war eine etwa zehnprozentige traditionelle Steuer, die in Form von Geld oder Naturalien gezahlt werden musste. Wenn der Bauer zehn Ferkel aufgezogen oder zehn Säcke Korn geerntet hatte, musste er ein Ferkel oder einen Sack Korn an seinen Lehnsherrn abtreten. Zum Vergleich: Heute liegt die durchschnittliche Belastung durch direkte und indirekte Steuern bei 52 Prozent des Einkommens – auf das Jahr gesehen arbeitet der Durchschnittsbürger bis etwa zum 11. Juli für den Staat, erst dann wandert etwas Geld in seine eigenen Taschen, wie der Bund der Steuerzahler angibt. Finsteres Mittelalter?

Im Mittelalter gab es Hexenverbrennungen.

Über den genauen Zeitraum, den man Mittelalter nennen sollte, streiten sich die Experten. Grob kann man sagen, dass das Mittelalter die Zeit zwischen dem 5. Jahrhundert und dem 15. Jahrhundert n. Chr. umfasst. Und für diese Periode der Geschichte lassen sich keine Dokumente über Hexenprozesse oder -verbrennungen finden. Vielmehr stritt der Klerus die Existenz von Hexen und Hexerei ab – der Glaube an derlei unchristlichen Unfug war verpönt. Es war Papst Innozenz VIII., der im Jahre 1484 mit der »Hexenbulle« den ersten Anstoß für Hexenverfolgungen gab. Mit dieser Schrift bestätigte er die Existenz bösen Zaubers und erlaubte die Bestrafung der Anhänger solchen Aberglaubens, zum Beispiel indem man sie ins Gefängnis warf. Von Verbrennung war auch hier noch keine Rede.

Eine andere Schrift lieferte den Anlass für eine nie da gewesene Massenhysterie, Denunzierungen und furchtbare Körperstrafen: der von Heinrich Krämer, genannt Heinrich Institoris, verfasste Hexenhammer von 1486. Das bis ins 17. Jahrhundert gedruckte Machwerk war dafür verantwortlich, dass die Hexenverfolgung im 17. und 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, also nicht etwa im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit. Während sich etwa zeitgleich die Philosophen mit den Gedanken der Aufklärung befassten, die Vernunft als universelle Urteilsinstanz postulierten und überkommene Denkweisen zu überwinden versuchten, versank ein ganzes Jahrhundert in diesem furchtbaren Wahn.

Napoleon war sehr klein.

Groß und klein – mit den Maßeinheiten war das in der Vergangenheit so eine Sache. Als Napoleons Kammerdiener die Größe des großen Franzosen bestimmte, maß er fünf Fuß, zwei Zoll und drei Linien. Aber auf der Basis welches Einheitensystems? Nach den heute noch in den USA gültigen Maßeinheiten entspräche das einer Größe von 158 Zentimetern – nicht eben Ehrfurcht gebietend groß für einen so bedeutenden Herrscher. Nur muss man wissen, dass der französische Fuß im Gegensatz zum damals verwendeten gleichnamigen Maß in England zwei Zentimeter mehr auf die Messlatte brachte.

Fuß, englisch: 30,48 cm

Fuß, französisch: 32,48 cm

Nach französischem Maßstab gemessen wüchse der große Korse auf immerhin 168,5 Zentimeter. Einige Prominente der Neuzeit sind bzw. waren kleiner: Der russischer Astronom Jurij Gagarin passte mit 157,5 Zentimetern perfekt in seine Raumkapsel, Wladimir Lenin erreichte nur 164 Zentimeter – genau wie Silvio Berlusconi und Norbert Blüm – und Lenins Nachfolger Josef Stalin kam auf 165 Zentimeter. Auch Frankreichs Sarkozy endet oben bei 165 Zentimetern – damit kann er der gleich großen Angela Merkel perfekt in die Augen schauen. Wladimir Putin bringt es auf 170 Zentimeter, Ex-Kanzler Gerhard Schröder immerhin auf 174 Zentimeter.

Zurück zu Napoleon: Zu seiner Zeit war der durchschnittliche Rekrut in der französischen Armee nur knapp über 1,62 Meter groß – Napoleon überragte also sein Fußvolk um einige Zentimeter. Natürlich kümmerte das die verfeindeten Engländer nicht, sie rechneten nach ihrer Maßtabelle den französischen Widersacher klein und behaupteten, Napoleon müsse mit seiner aggressiven Politik seine zwergenhafte Größe kompensieren. Auch der Psychoanalytiker Alfred Adler fiel auf dieses Gerede herein. Er benannte die Persönlichkeitsstörung von kleinen Menschen mit großem Geltungsbedürfnis »Napoleon-Komplex«.

Keuschheitsgürtel schützten vor dem Fremdgehen.

Es ist äußerst fraglich, ob die Kreuzritter ihre Frauen wirklich mit solchen metallenen Folterwerkzeugen quälten. Ein derartiges »Kleidungsstück« hätte, dauerhaft getragen, zu einem hygienischen Super-Gau im Urogenitalbereich und möglicherweise zum Ableben der Trägerin geführt. Der in manchen Schriften über das Mittelalter immer wieder erwähnte Unterleibsschutz aus Eisen und Leder könnte auch ein antikes Sexspielzeug gewesen oder zur Bestrafung von Unsittlichkeit oder zum Eintreiben der Steuern von Prostituierten verwendet worden sein. Belege für eine massenhafte Verbreitung dieses Sittsamkeitswerkzeuges wurden nicht gefunden. Viele Ausstellungsstücke, die in Museen gezeigt werden, erwiesen sich als Fälschungen aus dem 19. Jahrhundert, in dem die Vorstellung von einem angenehm schaurigen, finsteren Mittelalter sehr beliebt war. Ähnlich wie bei den Folterwerkzeugen schuf man Anschauungsmaterial nach eigenen Vorstellungen, wo keine historisch belegten Exponate zu finden waren.

Außer Obama hat kein amerikanischer Präsident Haschisch geraucht.

Barack Obama, Präsident Nummer 44 der Vereinigten Staaten von Amerika, rauchte in seiner Jugend auf Hawaii Marihuana und machte auch Erfahrungen mit Kokain. So viel ist bekannt. Aber er war nicht der einzige Präsident, der rauschhafte Erfahrungen machte: Hanf spielt eine besondere Rolle in der amerikanischen Geschichte, und die Freunde der Legalisierung von Haschisch hören die folgenden Geschichten über kiffende Präsidenten mit Begeisterung: Gleich mehrere von ihnen sollen es getan haben, und ja, sogar der erste und sicher einer der bedeutendsten amerikanischen Präsidenten soll Cannabis geraucht haben: George Washington. Gut, vielleicht tat er es, um seine Zahnschmerzen zu bekämpfen. Washington baute auf seiner Farm in größerem Stil Hanf an und propagierte den Anbau für die wirtschaftliche Nutzung; Hanf wurde in den USA lange Zeit als Nutzpflanze kultiviert. Man gewann aus der Pflanze unter anderem Fasern, Öle und Papier. Nicht nur die amerikanische Unabhängigkeitserklärung, auch Gutenbergs Bibel wurde auf Hanfpapier gedruckt. Opium oder Heroin waren in diesen Tagen übrigens ebenfalls im Umlauf und wurden gesellschaftlich nicht sanktioniert, sondern medizinisch genutzt – allerdings oft in völliger Unkenntnis der Gefahren der verwendeten Stoffe. Dass George Washington allerdings regelmäßig zum Joint griff, ist nirgendwo belegt.

Als Präsidenten mit Drogenerfahrungen nennen Geschichtskundige und die historische Gerüchteküche: Präsident Nummer 43, George W. Bush. Dieser rauchte in seiner Jugend Marihuana und machte auch Erfahrungen mit Kokain. Nummer 42, Bill Clinton, gestand Marihuana-Experimente in Großbritannien ein und soll auch gewürzte Brownies konsumiert haben. Nummer 35, John F. Kennedy, bekämpfte seine heftigen Rückenschmerzen mit Marihuana, wie in einer Biografie berichtet wird. Nummer 16, Abraham Lincoln, soll eine Pfeife voller süßem Hanf besonders in Verbindung mit dem Spiel auf seiner Hohner-Harmonika sehr geschätzt haben, wobei besagtes Instrument erst nach seinem Tod in die USA eingeführt wurde – und da wohl irgendwer etwas zu viel süßen Rauch ins Hirn bekommen haben muss. Präsident Nummer 14 hingegen, Franklin Pierce, ein Mann des Militärs, liebte es, im mexikanisch-amerikanischen Krieg gemeinsam mit seinen Truppen einen durchzuziehen. Pierce schrieb nach Hause, das Marihuana sei »die einzig gute Sache an diesem Krieg«. Nummer 12, Zachary Taylor, einer seiner Vorgänger im Amt und ebenfalls Militär, tat es ihm ebenso gleich wie Nummer 7, Andrew Jackson, der mit seinen Soldaten Rauchopfer brachte, in jenen Tagen offenbar eine schöne militärische Tradition. Nummer 5, James Monroe, soll schon als Botschafter in Frankreich geraucht und diese Angewohnheit bis zu seinem Tode beibehalten haben. Nummer 3, Thomas Jefferson, baute zu wirtschaftlichen Zwecken Hanf an und schmuggelte Samen besonders gehaltvoller Sorten von China nach Amerika, wie man aus gewöhnlich gut eingenebelten Kreisen erfahren kann.

Die Römer gingen zum Erbrechen ins Vomitorium.

Über die Essgewohnheiten der »alten Römer« kursieren die wildesten Legenden, in denen Nachtigallenzungen und Pfauenfedern vorkommen. Letztere sollen benutzt worden sein, um nach einem allzu üppigen Mahl gewolltes Erbrechen herbeizuführen, damit der ebenso schlaue wie dekadente Schlemmer den Magen von Neuem mit Delikatessen füllen konnte. In dieses Bild passt ein eigens für die Magenentleerung eingerichteter Raum namens Vomitorium recht gut, denn schließlich wollten die Gäste ja nicht dem Gastgeber an der gemeinsamen Tafel etwas vork…

Also erhob sich der römische Orgiengast von seinem Lotterlager und begab sich in besagten Raum. So könnte es gewesen sein – war es aber nicht. Kein Archäologe konnte ein solches dem Brechreiz dienendes Kabinett finden, und sei es auch ein noch so kleines. Ein Vomitorium gab es aber tatsächlich. Darunter verstanden die Römer den Eingangsbereich in einem Theater oder Zirkus. Für den Schauspieler auf der Bühne oder den Gladiator in der Arena sah es so aus, als würden die hereinströmenden Zuschauer vom Vomitorium ausgespuckt. Allerdings wirft diese Bezeichnung die Frage auf, was die römischen Tragödiendichter oder die Kämpfer im Zirkus von ihrem Publikum hielten …

Es gibt sieben Weltwunder.

Hier verhält es sich wie überall: Es kommt auf die Perspektive an. Beginnend in der Antike, wurden immer neue Weltwunder-Listen aufgestellt, die sich zum Teil überschnitten, aber auch mit jeder Revision eine neue Anzahl von Weltwundern hervorbrachten. Die sieben Weltwunder der Antike waren:

Da etliche Weltwunder im Laufe ihrer Geschichte zerstört wurden, unternahm man immer wieder Versuche, neue Weltwunder in die Listen zu befördern. Der letzte Stand der Dinge ist eine in einer Fernsehshow entstandene Liste der »Sieben neuen Weltwunder«, in der kein einziges der alten Weltwunder mehr einen Platz gefunden hat:

Darüber hinaus gibt es weitere Weltwunder-Listen. Die eine stellt eine Auswahl der Weltwunder der Natur dar, eine weitere befasst sich mit den Weltwundern der Architektur. Fest steht: Man kann sich nur wundern, aber sieben sind es nicht.

Kolumbus hat Amerika entdeckt.

Christoph Kolumbus (1451–1506) gilt als Entdecker der neuen Welt, obwohl er eigentlich einen neuen Seeweg nach Indien finden wollte. Als das Jahr seiner Entdeckung gilt 1492. Seine ersten drei Reisen führten ihn nur auf die Großen Antillen, erst auf seiner vierten Reise hat er am 14. August 1502 in Honduras amerikanisches Festland betreten.

Ihm zuvorgekommen war der italienische Seefahrer Giovanni Caboto, der 1497 weiter nördlich, irgendwo zwischen Neufundland und Labrador, auf dem amerikanischen Festland landete, den Ort seiner Entdeckung aber für China hielt.

Doch lange vor Caboto und Kolumbus waren bereits Menschen aus Europa in Nordamerika angekommen. Leiff Eriksson, Sohn Eriks des Roten, landete im Jahre 992 auf Neufundland und gründete eine Wikinger-Siedlung. Vor ihm soll Bjarni Herjúlfsson rettenden amerikanischen Boden aufgesucht haben, als er im Jahre 985 mit seinem Schiff nach Grönland segeln wollte und in Seenot geriet. Er verlor die Orientierung und landete an der amerikanischen Küste. So jedenfalls berichtet es die isländische Grænlendinga saga.

Entdeckt haben diesen großen Kontinent aber auch die Wikinger nicht. Es wird über Phönizier, Chinesen, Araber, Ägypter und frühe Entdecker anderer Herkunft spekuliert, ohne dass es handfeste Beweise für ihre Existenz gibt. Die ersten Menschen kamen wahrscheinlich vor mehr als 12 000 Jahren zu Fuß über die Beringsee von Sibirien nach Alaska, Jäger und Sammler der Steinzeit. Oder vielleicht waren Inselbewohner aus Ozeanien die ersten Siedler, die vor 15 000 Jahren die südliche Pazifikküste Südamerikas erreichten.

Die Chinesische Mauer wurde nie überwunden.

Dieser Satz war lange richtig. Mit dem Bau erster Befestigungsbauten wurde 700 v. Chr. begonnen, in der Qin-Dynastie im dritten Jahrhundert v. Chr. zu Zeiten des ersten chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi wurde die Mauer gegen Angriffe nördlicher Reitervölker verstärkt. Qin Shihuangdi war übrigens der Kaiser, zu dessen Ehren die berühmte Terrakotta-Armee geschaffen wurde.

Die Chinesische Mauer konnte über viele Jahrhunderte und etliche Dynastien zahlreiche Angreifer wirksam aufhalten. Gegen die Angriffe weniger starker Feinde mag sie geholfen haben – gegen die Mongolen nicht. Das Reiterheer des mongolischen Feldherrn Dschingis Khan, 150 000 bis 200 000 Mann stark, überrannte die Chinesische Mauer oder durchbrach sie an einer der schwächeren Stellen. Um das Jahr 1214, immerhin 1300 Jahre nach dem Beginn des Mauerbaus, standen die Mongolen vor den Toren der Hauptstadt Peking. Zwar machten sie den besiegten Chinesen zunächst ein Friedensangebot, doch schon ein Jahr später plünderten die Mongolen die Hauptstadt und die Schatzkammern der Jin-Dynastie.

Die Titanic war auf Rekordfahrt für das »Blaue Band«.

Das »Blaue Band« war zu Zeiten der Titanic eine inoffizielle Auszeichnung für die schnellste Atlantiküberquerung. Die Liste der Träger dieser Auszeichnung begann 1838 mit der Sirius und der Great Western, die den Ozean mit durchschnittlich acht Knoten Geschwindigkeit durchquerten. Die Schiffe, die zu Zeiten der Titanic den Rekord hielten, erreichten im Schnitt bereits 24 bis 26 Knoten. Einmal abgesehen davon, dass es verantwortungslos gewesen wäre, in dieser Meereszone voller Eisberge noch schneller zu fahren: Die Titanic hatte auch von ihrer Leistung her keine Chance, den Rekord für die Atlantiküberquerung zu brechen. Das am 14. April 1912 auf so tragische Weise untergegangene Schiff verfügte über Maschinen mit 58 000 PS und war damit kaum schneller als mit 21 Knoten, also etwa 39 Kilometern pro Stunde, unterwegs. Für das »Blaue Band« hätte diese Leistung auch unter günstigen Bedingungen nicht gereicht. Inhaberin des Rekords war damals die von 25 Dampfkesseln und sechs Turbinen angetriebene, 78 000 PS starke Mauretania, die mühelos 26 Knoten Reisegeschwindigkeit erreichte und in der Spitze 28 Knoten schnell sein konnte. Ihre Passagiere hätten New York einen Tag früher erreicht als die der Titanic, von denen die meisten aber, wie wir ja wissen, ohnehin eine fatale Reiseunterbrechung erleben mussten …

Die Idee, dass die Titanic auf ihrer Jungfernfahrt auf der Jagd nach dem »Blauen Band« gewesen war, entstammt wohl einem deutschen Propagandafilm aus dem Jahr 1943, der antibritische Ressentiments schüren sollte. Die Inhaltsangabe in Kurzform: Korrupter britischer Reeder kurz vor der Pleite setzt das Leben aller Passagiere aufs Spiel, um dem Konkurs zu entkommen.

Das Römische Reich ging unter, weil die Römer aus Bleigefäßen tranken.

Ein amerikanischer Medizin-Historiker setzte die Idee in die Welt. Dr. S. C. Gilfillan aus Santa Monica in Kalifornien gelangte Mitte der 1960er-Jahre zu der Erkenntnis: Es war das Schwermetall Blei, das die römische Elite in Bedrängnis und letztlich zum Aussterben brachte. Irgendwann wurde es im alten Rom sozusagen Lifestyle, seinen Wein aus Bleigefäßen zu trinken. Weil die Weinsorten, die angeboten wurden, meist sauer schmeckten, hatten die Bleigefäße eine angenehme Nebenwirkung: Wenn man sauren Wein einfüllte, bildete sich im Gefäß mit der Zeit Bleiacetat, sogenannter Bleizucker, eine Verbindung, die süß schmeckt – aber leider auf Dauer zu einer Bleivergiftung führt. Hinzu kam, dass man in Bleitöpfen kochte und auch das ganz gewöhnliche Trinkwasser im Römischen Reich mit Bleiverbindungen verunreinigt war, wie man aus Untersuchungen an einem römischen Hafenbecken schlussfolgern könnte.

Was die Römer nicht wussten: Schon winzige Mengen Blei im Körper können zu Verdauungsstörungen, Blutarmut, Gelenkschmerzen und im extremen Fall sogar zu Lähmungen, Verlust des Augenlichts und schweren psychischen Störungen führen. Außerdem hat eine chronische Bleivergiftung Folgen für die Fortpflanzungsfähigkeit, vor allem von Frauen. Unfruchtbarkeit, aber auch Früh- oder Totgeburten könnten sich im alten Rom gehäuft haben. Ohne Schadstoffbelastung lebte man also nicht im alten Rom, aber dass diese Vergiftung der altrömischen Weintrinker und Schlemmer mit Blei allein zum Niedergang ganzer Dynastien und eines Weltreiches geführt hat, muss angezweifelt werden.

Wir trinken übrigens heute aus Plastikgefäßen, die Weichmacher enthalten, ziemlich schädliche Stoffe, die unsere Fruchtbarkeit beeinflussen. Offenbar haben wir von den Römern nicht viel gelernt.

Die Gallier lebten wie Asterix und Obelix.

Die Druiden schnitten Misteln, richtig. Aber Rezepte für wunderbar wirksame Zaubertränke, wie sie Asterix und seinen Gallierstamm erfreuen, sind nicht überliefert. Schon möglich, dass Asterix 48 v. Chr. dank eines Zaubertranks Olympiasieger wurde. Doch in einer Siegerliste wird er nicht geführt und der Hochsprung gehörte nicht zu den olympischen Disziplinen. Auch sonst hakt es, was die historische Genauigkeit des gezeichneten Gallierlebens angeht. Blau-weiß gestreifte Hosen gehörten nicht zu Galliens Mode. Die Herren trugen Hosenträger, aber keine Gürtel, und Zöpfe steckten auch nicht unter ihren Helmen. Die Schweizer schmolzen sicher keine große Mengen Käse, denn das Fondue sollte noch eineinhalb Jahrtausende auf sich warten lassen. Der Schmied der Comic-Gallier hämmert auf einem modernen Amboss, die Flagge der Piraten, der Jolly Roger, wurde erst um das Jahr 1700 erfunden und auch sonst greift die Geschichte häufig auf Zukünftiges zu: Kartoffeln gab es frühestens um das Jahr 1800 in Gallien, maschinengepresste Strohballen und Bücher lieferte erst die ferne Zukunft …

Die Ägypter haben das Papier erfunden.

Es waren die Ägypter, die schon früh einen beschreibbaren Stoff aus den Blättern der Papyruspflanze herstellten. Die Erfindung des Papiers, wie wir es heute kennen, kommt allerdings aus China. Sie wird einem kaiserlichen Beamten namens Cai Lun zugeschrieben und kann auf etwa 200 v. Chr. datiert werden. Fasern und Faserreste wurden zerstampft, gekocht und gewässert. Die einzelnen Blätter Papier wurden mit einem Sieb aus dem Sud abgeschöpft, danach getrocknet und durch Pressen oder Glätten nachbearbeitet. Das chinesische Papier hatte eine Vorderseite und eine raue Siebseite. In Europa schrieben vor allem Mönche in den Klöstern noch lange Zeit auf Pergament, das aus gegerbten Tierhäuten hergestellt wurde. Sie waren jedenfalls nicht die Erfinder des Papiers. In Italien begann die Herstellung von Papier aus Stofffasern im Jahre 1276, in Deutschland um 1389.

Die allerersten Hersteller von Papier waren die Wespen. Sie bauen ihre Nester aus einer Art Papier aus gekauten Holzfasern. Die Menschen kamen erst 1843 auf die Idee, es den Insekten nachzutun und Papier aus Holzschliff (fein zerriebenen Holzfasern) zu gewinnen. Heute wird Papier je nach Verwendungszweck aus einem Gemisch aus Holzfasern, Textilfasern, Altpapier und anderen Zusätzen hergestellt.

Der Tag hatte schon immer 24 Stunden.

In grauer Vorzeit war der Tag keinesfalls in Stunden eingeteilt. Unsere sehr frühen Vorfahren lebten nach dem Rhythmus der Natur – Sonnenaufgang, Sonnenhöchststand, Sonnenuntergang. Ihr Tag war der lichte Tag, im Sommer länger, im Winter kürzer, aber jeweils gefolgt von der dunklen Nacht.

Die Aufteilung des Tages in 24 Stunden verdanken wir den Babyloniern. Sie rechneten zuerst in Doppelstunden, die sie im Laufe ihrer Geschichte immer weiter aufteilten. Sie verwendeten außer dem Dezimalsystem (Zahlensystem auf Basis der Zahl 10) auch das Hexadezimalsystem (Zahlensystem auf Basis der Zahl 6). So kam es zu den 24 Stunden: Aus zunächst sechs Doppelstunden am Tag und sechs Doppelstunden in der Nacht wurden zweimal zwölf Stunden für Tag und Nacht und schließlich 24 Stunden für den ganzen Tag. Der römische Tag hatte ebenfalls zwölf Stunden – gefolgt von zwölf Stunden Nacht. Eigentlich ist die Einteilung des Tages in 24 Stunden völlig willkürlich. Man könnte den Tag genauso in 144 Stunden zu zehn Minuten oder 72 Stunden zu 20 Minuten oder in 15 Stunden zu je 96 Minuten zerlegen.

Ein Franzose machte den ersten Fallschirmsprung.

Der Franzose Louis-Sébastien Lenormand sprang 1783 in Montpellier vom Turm des dortigen Observatoriums. Ein selbst konstruierter Fallschirm ließ ihn unversehrt landen. Damit begann die Geschichte des modernen Fallschirms. Ein weiterer Franzose, André-Jaques Garnerin, sprang am 12. Oktober 1797 als erster Mensch aus einem Wasserstoffballon. Er fiel 400 Meter in die Tiefe und landete in einem Pariser Park. Diese europäischen Pioniere wussten allerdings nicht, dass der Fallschirm bereits eine längere Vergangenheit hatte: Vor ihnen sollen bereits im 14. Jahrhundert chinesische Artisten von Türmen gesprungen sein, wobei große Schirme ihren Sturz auffingen.