Cover

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Über den Autor
Ingo Siegner, geboren 1965, lebt in Hannover. Er arbeitete in verschiedenen Berufen, zuletzt bei einem Reiseveranstalter, bevor er sich ganz dem Schreiben und Illustrieren von Kinderbüchern widmete. Bekannt wurde er vor allem durch seine Bücher vom Drachen Kokosnuss.
Bei Beltz & Gelberg erschienen von ihm die Romane Eliot und Isabella und die Abenteuer am Fluss, Eliot und Isabella und die Jagd nach dem Funkelstein, Eliot und Isabella und das Geheimnis des Leuchtturms und Eliot und Isabella im Finsterwald. Dieses Buch ist das erste Abenteuer der beiden unwiderstehlich charmanten Rattenkinder.
Impressum
Dieses Buch ist erhältlich als:
ISBN 978-3-407-74668-9 Print
ISBN 978-3-407-74633-7 E-Book (EPUB)
© 2015 Gulliver
In der Verlagsgruppe Beltz • Weinheim Basel
Werderstraße 10, 69469 Weinheim
Alle Rechte vorbehalten
© 2006 Beltz & Gelberg
Illustration: Ingo Siegner
Lektorat: Barbara Gelberg
Covergestaltung: Ingo Siegner
Einbandtypografie: Diana Lukas-Nülle
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
Weitere Informationen zu unseren Autoren und Titeln finden Sie unter: www.beltz.de

Inhalt

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1. Kapitel
Der große Regen
2. Kapitel
Wally die Wildsau
3. Kapitel
Eier vom Reiher
4. Kapitel
Rattengift!
5. Kapitel
Oskar die Waldmaus
6. Kapitel
Klausgünter die Schlange
7. Kapitel
Das Flussungeheuer
8. Kapitel
Der Geiger Guido Giggelblatt
9. Kapitel
Onkel Theo, die Unterwasserhöhle und der Biberdampfer
10. Kapitel
Ratten über Bord!
11. Kapitel
Endlich in der Stadt
12. Kapitel
Bocky Bockwurst und seine Bande
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Der große Regen
Diese Geschichte beginnt an einem Regentag. Sie könnte auch an einem wunderschönen Sonnentag beginnen, doch dann wäre sie schon gleich wieder zu Ende. Das alles passierte nämlich nur, weil es seit Tagen regnete. Und was für ein Regen das war! Unzählige dicke Tropfen prasselten auf die Dächer der Stadt. Auch auf den Rathausturm, wo Eliot mit seinen Eltern wohnt:
Eliot ist ein kleiner Rattenjunge. Er sitzt gerade gemütlich im Sessel und tut das, was er am liebsten tut – lesen.
Von Zeit zu Zeit schaut Eliot aus dem Fenster. Wie schön ist es in der Stadt. Sogar bei Regen! Nie würde er woanders leben wollen. Schon gar nicht auf dem Land. Brr, dort gibt es noch schrecklichere Tiere als Katzen. Obwohl, manchmal ist es hier in der Stadt auch gefährlich. Eliot denkt an das Rattengift in den Vorratskellern der Menschen, an die gefräßigen Katzen auf den Dächern und in den Hinterhöfen, aber vor allem denkt er an Bocky Bockwurst und seine Rattenbande. Bocky ist berüchtigt wegen seiner Vorliebe für Bockwürste und weil er so gemein ist. Am liebsten vergreifen sich Bocky und seine Gesellen an Schwächeren.
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Einmal wurde Eliot im Park von der Rattenbande überrascht. Er las gerade in einem Buch mit Frühlingsgedichten, als er Bocky schreien hörte: »Die Leseratte! Auf ihn!« Nur mit einem wagemutigen Sprung in den Gully hatte Eliot sich retten können.
Er wusste, dass die Rattenbande die Kanalisation nicht mochte, denn hier, in den dunklen Kanälen unter den Straßen, wohnte Rosi, die große Kanalratte. Rosi ist eine gefürchtete Ratte, doch Eliot ist mit ihr gut befreundet. Rosi liebt es nämlich, wenn Eliot ihr Gedichte vorträgt:
»Ritze Rotze Ringelratz.
Ein Miezeschwein, zwei Grunzekatz.
Mein Großpapa heißt Lali,
der wird des Nachts ganz lila.«*
* Das ist ein Gedicht von dem berühmten Dichter Joachim Ringelnatz.
Aber wenn man mal von Bocky und seiner Bande und den paar anderen Gefahren absieht, ist das Rattenleben in der Stadt herrlich: Es gibt die besten Feinkostläden und wunderbar duftende Bäckereien, es gibt große Büchereien, Galerien, Theater und unzählige andere schöne Dinge.
Eliot beobachtet, wie die Regentropfen auf die Dachziegeln fallen und hinunter in die Regenrinne kullern.
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»Herrjemine, das will wohl gar nicht mehr aufhören«, sagt Eliots Mutter. Sie ist etwas sauertöpfisch, weil sich die Sonne seit drei Wochen nicht mehr blicken lässt. Eliots Mutter ist eine Malerin und ohne Sonne ist eine Malerin nur eine halbe Malerin.
»Ach, Gertrude, deine Sonne wird schon wieder kommen«, sagt Eliots Vater. Er ist ein Schriftsteller und liebt den Regen, denn dann fallen ihm die besten Geschichten ein. »Wisst ihr was?«, sagt er. »Ich mache uns eine heiße Schokolade!«
»Au ja!«, ruft Eliot. Der Vater ist in der ganzen Stadt bekannt für seine köstliche heiße Schokolade.
»Geht nicht«, sagt Eliots Mutter mürrisch. »Wir haben keine Schokolade mehr.«
»Ich hol welche!«, ruft Eliot, klappt das Buch zu und springt auf.
»Aber pass auf, dass du nicht ertrinkst!«, sagt der Vater. »Ich habe gehört, der Fluss ist über die Ufer getreten und in den Gassen steht schon das Wasser.«
»Keine Sorge!«, ruft Eliot und springt die Turmtreppe hinab.
Eliot kennt den Weg zur Schokolaterie auswendig: Über den Marktplatz, in Deckung gehen bei den Papierkörben, zweite Gasse links, dritter Eingang rechts. Schon von weitem duftet es nach Kakao!
Heute laufen viele Menschen aufgeregt durch die Straßen und schleppen große weiße Säcke durch die Gegend. Aha, Sandsäcke, alles klar. Die Menschen bauen eine Mauer aus Sandsäcken, damit der Fluss nicht die Stadt überflutet. Na, soll mir egal sein, denkt Eliot und schleicht schnell in die Schokolaterie hinein. »Am besten«, murmelt er, »stibitze ich eine von den großen Pralinenschachteln. Hm, hier, Grand Marnier. Auswahl de Luxe – klingt doch gut!«
Vorsichtig schleppt Eliot die Schachtel durch den Hinterausgang. Aber was ist hier los? Die Gasse ist voller Wasser! Ratlos bleibt Eliot an der Tür stehen. Da hört er ein Rauschen. Das Rauschen kommt immer näher. Oh nein! Eine Riesenwasserwelle kommt durch die Gasse geschossen! Eliot will zurück in den Laden, doch da steht plötzlich der wütende Schokoladenmeister vor ihm. Im selben Moment wird Eliot von der Welle fortgerissen. Der Rattenjunge schlägt mit Armen und Beinen wild um sich und schnappt nach Luft. »Hilfe!«, schreit er verzweifelt.
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Da kriegt er mit seinen Pfoten etwas Großes zu fassen. Die Pralinenschachtel! Mit aller Kraft hält Eliot sich an der schwimmenden Schachtel fest. Die Strömung aber treibt ihn durch die Gassen, über den Marktplatz und am Rathaus vorbei. Hilflos blickt Eliot zum Rathausturm hoch. Ob seine Eltern ihn sehen können? Doch dann ist er auch schon samt Pralinen im Gewirr der Gassen verschwunden.
Alles ist voller Wasser, es reicht bis zu den Fensterbänken der Häuser und es fließt so schnell, dass Eliot nirgendwo ans Ufer springen kann.
Bald liegt die Stadt hinter ihm. Er treibt mit der Pralinenschachtel mitten auf dem großen Fluss.
Eliot reibt sich die Augen. Hat er richtig gesehen? Vor ihm treibt ein Baumstamm und darauf erkennt er Bocky Bockwurst und seine Rattenbande.
»Heda! Bocky!«, ruft Eliot.
»Oho!«, schreit Bocky. »Eliot die lausige Leseratte!«
»Selber lausig!«, ruft Eliot.
»Ratzenfurz!«, ruft Bocky.
»Rüpelratte!«, ruft Eliot, doch da treibt der Baumstamm mit Bocky und seiner Bande in einen Seitenfluss ab.
»Na warte! Wir sehen uns wieder!«, hört Eliot den gemeinen Bocky noch rufen, bevor er ihn aus den Augen verliert.
»Du kannst ruhig kommen! Ich warte auf dich!«, schreit Eliot wütend, aber er weiß nicht, ob die anderen ihn noch hören.
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Traurig und frierend bleibt Eliot allein auf seiner Pralinenschachtel zurück. Das Wasser zieht ihn immer weiter weg von seiner Stadt. »Leb wohl Mama, leb wohl Papa, leb wohl du schöne Welt!«
Eliot zittert und ihm ist elend zumute. Dann bricht die Nacht herein. Er wird müde und bald ist er unter dem prasselnden Regen eingeschlafen.
Als Eliot aufwacht, wärmt die Sonne sein durchnässtes Fell. Überrascht sieht er sich um. Die Pralinenschachtel ist im Uferschilf hängen geblieben. Überall um ihn herum raschelt und knackt es im Unterholz. Wie unheimlich! Da steigt ein großer Vogel auf. Erschrocken duckt sich der Rattenjunge. Auweia, denkt er, wo bin ich hier nur gelandet?
Plötzlich spürt er, dass jemand ihn beobachtet. Eliot zuckt zusammen und blinzelt verschlafen. Direkt vor ihm steht ein Rattenmädchen. Es guckt ihn aus großen Augen an. Eliot wird ein bisschen rot im Gesicht. Er räuspert sich und sagt: »Ähem, ich bin hier wohl an Land gespült worden.«
»Sieht so aus«, erwidert das Rattenmädchen.
Eliot blickt sich um: »Und, äh, wir sind hier wohl auf dem Lande.«
»Ganz genau«, sagt das Rattenmädchen. »Und du bist eine Stadtratte!«
»Ja, äh, genau, woher weiß du das?«
»Du sitzt auf einer Pralinenschachtel. Landratten ziehen nicht mit Pralinenschachteln durch die Welt«, antwortet das Rattenmädchen. Dann sagt sie: »Ich bin Isabella. Und wer bist du?«
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Wally die Wildsau
»Äh, ich heiße Eliot.«
»Aha, Eliot. Und was hast du da in der Tasche?«
»Och, nur einen Bleistift, einen Schreibblock und einen Gedichtband. Ich schreibe nämlich manchmal Gedichte«, antwortet Eliot verlegen.
»Ach so, eine Leseratte aus der Stadt«, sagt Isabella. »Und die Pralinen, willst du die ganz alleine aufessen?«
»Öhm, die waren eigentlich für meinen Vater gedacht, damit er daraus heiße Schokolade macht. Mein Vater macht die beste heiße Schokolade der Stadt!«
Eliot sieht sich um. »Sag mal, Isabella, weißt du, wie ich in die Stadt zurückfinde?«
»Immer flussaufwärts«, sagt Isabella.
»Ist es weit?«
»Viele Tage.«
Eliots Blick wandert erst zum Fluss und dann wieder zu Isabella.