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Eleonore Stump
Georg Gasser
Johannes Grössl (Hrsg.)

Göttliches Vorherwissen und menschliche Freiheit

Beiträge aus der aktuellen analytischen Religionsphilosophie

Verlag W. Kohlhammer

Gedruckt mit Unterstützung der

Templeton Foundation (Grant #15571, „Analytic Theology“) und der

Propter Homines Stiftung.

1. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-024154-1

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-024155-8

epub:    ISBN 978-3-17-024156-5

mobi:    ISBN 978-3-17-024157-2

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Danksagung

Dieser Band versammelt Schlüsseltexte aus der analytischen Religionsphilosophie zum Thema „Göttliches Vorherwissen und menschliche Freiheit“. Die Texte stammen aus der Diskussion der letzten fünf Jahrzehnte und sind bis auf zwei Beiträge zum ersten Mal in deutscher Sprache zugänglich. Wir hoffen, dadurch interessierten Studierenden der Philosophie und Theologie den Zugang zu dieser komplexen und spannenden Debatte zu erleichtern.

Dieser Sammelband ist unter Mithilfe zahlreicher Personen und Institutionen entstanden, denen wir zu großem Dank verpflichtet sind: Erstens den sehr gewissenhaften Übersetzerinnen Dr. Anita Renusch, Dipl.-Dolm. Dipl.-Theol. Juliane Eckstein und Dipl.-Theol. Katharina Ebner, M.A., ohne welche die Realisierung dieses Projekts aufgrund des hohen Übersetzungsaufwands wohl nur schwer für die Herausgeber durchführbar gewesen wäre; dann Dr. Anita Renusch, Mag. Daniel Saudek und Barbara Tautz, M.A., die zahlreiche Beiträge korrekturgelesen und Verbesserungsvorschläge für die Übersetzungen eingebracht haben; und schließlich Mag. Monika Datterl, die die Beiträge den Verlagsvorgaben entsprechend mit großer Geduld bearbeitet hat.

Bei Prof. John Martin Fischer bedanken wir uns dafür, dass er bei der Auswahl der Texte behilflich war und uns durch seinen positiven Zuspruch bekräftigt hat, dieses Projekt in Angriff zu nehmen, und zuletzt bei Herrn Florian Specker vom Kohlhammer Verlag für das Engagement und die unkomplizierte Betreuung dieses Buchprojekts.

Wir möchten auch unseren Geldgebern danken. Georg Gasser und Johannes Grössl wurden während der Erstellung des Textbuches im Rahmen des Analytic Theology Projekts von der John Templeton Foundation unterstützt. Das Analytic Theology Projekt kam zudem für die Copyright-Kosten und einen großzügigen Druckkostenzuschuss auf. Besonderer Dank gebührt zudem der Propter Homines Stiftung, die für einen erheblichen Anteil der Übersetzungskosten aufgekommen ist.

 

Georg Gasser, Johannes Grössl und Eleonore Stump

Innsbruck, im Januar 2015

Inhalt

  1. Eleonore Stump
  2. Vorwort
  3. Georg Gasser und Johannes Grössl
  4. Anstatt einer Einleitung: Ein Dialog über Gottes Allwissenheit und menschliche Freiheit
  5. Der Ockhamismus
  6. Nelson Pike
  7. Göttliche Allwissenheit und freies Handeln
  8. Marilyn McCord Adams
  9. Ist die Existenz Gottes eine „harte“ Tatsache?
  10. John Martin Fischer
  11. Freiheit und Vorherwissen
  12. Alvin Plantinga
  13. Über Ockhams Ausweg
  14. Der Eternalismus
  15. Eleonore Stump und Norman Kretzmann
  16. Ewigkeit
  17. David Widerker
  18. Ein Problem für die Ewigkeitslösung
  19. Linda Zagzebski
  20. Ewigkeit und Fatalismus
  21. Der Molinismus und der Thomismus
  22. Thomas Flint
  23. Die Molinistische Vorsehungslehre
  24. Robert Merrihew Adams
  25. Ein anti-molinistisches Argument
  26. William Hasker
  27. Ein neues anti-molinistisches Argument
  28. Robert Koons
  29. Zweifache Akteurschaft: ein Thomistisches Modell von Vorsehung und menschlicher Freiheit
  30. Der Offene Theismus
  31. John R. Lucas
  32. Die Verwundbarkeit Gottes
  33. Richard Swinburne
  34. Allwissenheit
  35. Eleonore Stump
  36. Die Offenheit Gottes: Ewigkeit und Freier Wille
  37.  
  38. Grundlagen der Übersetzungen

Vorwort*

Die abendländische Geistesgeschichte kann ein reiches Erbe an religionsphilosophischen und fundamentaltheologischen Arbeiten vorweisen. Diejenigen, die diese Gedanken hervorgebracht haben, kamen von unterschiedlichen Kontinenten und aus unterschiedlichen Kulturen. Sie waren in verschiedenen philosophischen Traditionen beheimatet und benutzten eine Vielzahl von Sprachen. Ihre Leistung zeichnet sich durch große philosophische Präzision und Raffinesse aus. Das Studium dieser Tradition eröffnet tiefe Einblicke in die Natur der menschlichen Existenz und in die Dinge, die Menschen ein gutes Leben ermöglichen.

In den vergangen rund 50 Jahren gab es unter den analytischen Philosophen der englischsprachigen Welt ein Wiederaufleben des Interesses an Religionsphilosophie. Damit verbunden war das Bemühen, sich wieder vermehrt mit diesem großen Erbe zu beschäftigen. Das Ergebnis waren nicht nur historische Arbeiten, die von umsichtiger Gelehrsamkeit zeugen, sondern auch gekonnte philosophische Weiterentwicklungen dieser Tradition. Die von der analytischen Philosophie entwickelten Werkzeuge, die sich auch in anderen Bereichen der Philosophie als hilfreich herausgestellt haben, wurden auf viele Themen angewandt, die das religiöse Denken betreffen.

In der Anfangszeit der zeitgenössischen Wiederaneignung dieses westlichen Erbes schreckten Philosophen davor zurück, sich zu weit von säkularen Themen zu entfernen. Aber die Ergiebigkeit der Religionsphilosophie in analytischen Kreisen führte schnell zur Überwindung dieser selbst auferlegten Grenzen. Inzwischen diskutieren analytische Philosophen zahlreiche Themen, die typischerweise von Theologen bearbeitet wurden, wie Gebet, Prophetie oder Gnade und Heil, um nur einige Punkte zu nennen. Sogar Bereiche, die gemeinhin als speziell christlich-theologisch gewertet wurden, wie Inkarnation oder Erlösung, werden von analytischen Philosophen mit Klarheit und Tiefe behandelt.

Anfangs waren Theologen gegenüber dieser Entwicklung nicht nur skeptisch, sondern oftmals auch feindlich eingestellt, da sie diese als Eindringen der Philosophen in theologisches Gebiet betrachteten. Theologen neigten dazu, sich – durchaus nicht ganz ungerechtfertigt – zu beschweren, dass analytische Philosophen Diskussionen oder Entwicklungen nicht kennen, welche unter Theologen bereits allgemein anerkannt sind; der Vorwurf lautete, dass analytische Religionsphilosophie oft mit einem sehr eingeschränkten historischen Bewusstsein betrieben würde. Die Philosophen kritisierten natürlich auch die Theologen und meinten, dass etliche Theologen die in der abendländischen Tradition verankerte Fähigkeit verloren hätten, im Blick auf theologische Inhalte sorgfältig zu argumentieren; außerdem hätten sie einen beträchtlichen Teil der philosophisch exzellenten Gedankengänge der abendländischen Theologie vergessen.

So kam es eine Zeitlang zu der etwas skurrilen Situation, dass sich einige analytische Philosophen mit philosophisch anspruchsvollen theologischen Diskussionen beschäftigten, von denen einige Theologen der Meinung waren, dass sie gar nicht angetastet, oder zumindest den Theologen überlassen werden sollten.

Aber in den letzten Jahren wurde die Grenze zwischen Philosophie und Theologie mehr und mehr geöffnet, und zwar zum Vorteil beider Disziplinen, die ursprünglich diese Grenzlinien gezogen hatten. Wo es einst nur die analytische Philosophie gegeben hatte, die sich scheinbar unbefugt an theologischen Themen bediente, sowie die Theologie, die keine Hilfe von (analytisch gesinnten) Philosophen annehmen wollte, da gibt es jetzt eine gewinnbringende Zusammenarbeit von analytischer Philosophie und systematischer Theologie; dieser neue Trend wird manchmal auch „analytische Theologie“ genannt.

Als Ergebnis nutzen Theologen und Philosophen nun ihre Expertise gemeinsam, sowohl in der historischen als auch in der zeitgenössischen Behandlung von Themen, die naturgemäß philosophisch und theologisch sind – wie es in der westlichen intellektuellen Tradition auch von jeher gedacht war. Schließlich wurden ja auch Denker wie Augustinus und Thomas von Aquin sowohl von der Theologie als auch von der Philosophie vereinnahmt. Und die Auseinandersetzung darüber, ob z. B. Thomas von Aquin nun eigentlich als Philosoph oder als Theologe zu gelten habe, scheint für keine der Disziplinen von Vorteil zu sein. Weil sich Philosophie und Theologie so vieles teilen, ist es besser, dass sie sich auch überlappen anstatt darüber zu streiten, wie man sie genau auseinanderhalten könne.

Die „analytische Theologie“ ist ein Ergebnis dieser neuen kooperativen Einstellung zwischen den Fächern und verspricht einen hohen Ertrag. Der Trend hin zur analytischen Theologie wurde gerade auch im deutschen Sprachraum deutlich. Die deutschsprachige Geistesgeschichte hat bekanntlich ihre eigene, reiche Tradition, und zwar nicht nur in der Theologie, sondern auch in der Philosophie. Diesbezüglich ist zu betonen: Obwohl die analytische Philosophie manchmal der kontinentalen Philosophie gegenübergestellt und kontinentale Philosophie manchmal mit den Lehren deutscher Philosophen wie Hegel und Heidegger gleichgesetzt wird, sollte man nicht vergessen, dass zumindest einige Stammväter der analytischen Philosophie deutschsprachige Philosophen gewesen sind: Frege und Wittgenstein sind zwei offensichtliche Beispiele. Daher sollte die analytische Philosophie nicht als fremdes „Importgut“ gesehen werden, das von außen in den deutschen Kulturraum eingedrungen ist; vielmehr handelt es sich eigentlich um eine Rückkehr zu dem, was auch Teil der deutschsprachigen Tradition erwachsen ist.

Aus diesen und zweifellos auch anderen Gründen verlief die Verflechtung deutscher theologischer Ansätze mit der analytischen Philosophie und deren Aneignung des westlichen theologischen Erbes innerhalb der letzten Jahre rasch. Das Ergebnis ist oftmals eine Art Chimäre: Forschungsgruppen, die aus analytischen englischsprachigen Philosophen und kontinental geprägten deutschen Theologen zusammengesetzt sind. Der lebendige Austausch in den Konferenzen, Aufsätzen und Büchern dieser ungewohnten Verbündeten ist für alle Seiten anregend.

Zu diesen neuen Entwicklungen trägt der vorliegende Sammelband bei. Ein Themenbereich, der die Philosophie und Theologie seit langer Zeit belebt, ist Gottes Vorherwissen, das Wesen der Zeit und der menschliche freie Wille. In den letzten Jahrzehnten sind diese Themen und die daraus hervorgehenden Fragen wieder stärker aufgetaucht und wurden Gegenstand einer komplexen Diskussion unter analytischen Philosophen: Wenn Gott zukünftige kontingente Sachverhalte kennt, sind dann in der Zukunft frei gewollte menschliche Handlungen überhaupt möglich? Welche Vorstellungen der Zeit und ihres Vergehens werden durch Gottes Vorherwissen vorausgesetzt? Und wie genau ist Gottes Verhältnis zur Zeit zu bestimmen? Existiert er innerhalb oder außerhalb der Zeit?

Diese Fragen mögen sehr abstrakt klingen, sind aber tatsächlich religiös ungemein bedeutsam. Betrachten wir nur einmal die Frage, ob Gott in der Zeit existiert oder nicht. Wenn er nicht in der Zeit ist, kann er dann zu den in der Zeit existierenden Menschen eine Beziehung einnehmen? Wenn zum Beispiel ein geliebter Freund letztes Jahr gestorben ist und ich nun ohne ihn weiterleben muss, kann Gott mich dann in meiner Trauer trösten, wenn es für ihn keine Zeit, und dadurch auch keine Vergangenheit, kein letztes Jahr gibt? Welche Bedeutung hätten Verlusterlebnisse, die uns die Zeit bringt, für einen zeitlosen Gott? Analog gedacht: Könnte Gott meine Ängste für die Zukunft mit mir teilen, wenn es für ihn gar keine Zukunft gibt?

Tatsächlich besitzt die philosophische Theologie westlicher Tradition faszinierende Antworten auf solche Fragen. Beispielsweise wurde dafür argumentiert, dass ein zeitloser Gott einer menschlichen Person viel näher kommen kann als es ein zeitliches Wesen jemals vermag. Weil Gott in einer andauernden Gegenwart lebt, ist jede zeitliche Gegenwart immer mit Gott. Gott muss sich nicht an meine Kindheit erinnern oder mein Alter voraussehen. Im ein- und demselben ewigen Jetzt ist Gott anwesend, mit mir zu jeder Zeit meines Lebens zu persönlichem Austausch bereit. Ungefähr so habe ich in meinen eigenen Beiträgen argumentiert. Eine Übersetzung des ursprünglichen Artikels, den ich gemeinsam mit meinem Freund und Mentor Norman Kretzmann vor etlicher Zeit verfasst habe, findet sich ebenso in diesem Band wie mein neuester Versuch, die Natur von Vorsehung und der Ewigkeit Gottes zu erklären.

Dieser Band skizziert die zentralen Umrisse der gesamten neueren Diskussion über Gottes Vorherwissen und zukünftige freie Handlungen. Die ausgewählten Aufsätze beinhaltet viele Werke, die mittlerweile als klassische Darstellungen der verschiedenen Standpunkte zu diesem Thema angesehen werden. Wie diese Sammlung zeigt, gab es durchaus beträchtlichen Fortschritt im Verständnis der Thematik. Wir haben zwar noch keinen Konsens über den richtigen Zugang dazu erreicht, aber wir haben bestimmte inadäquate und kurzsichtige Ansichten ausschließen können, die einst unser Verständnis geprägt haben. Zum Beispiel kann meines Erachtens die Ansicht, dass Gottes Ewigkeit sein Eingehen auf menschliche Belange gänzlich ausschließt, nicht mehr länger aufrechterhalten werden.

Der nächste hilfreiche Schritt, so denke ich, wäre, dass die analytische Theologie diese sehr metaphysisch-spekulative Diskussion in einen Dialog mit jener Theologie bringt, die Gott als personal im eigentlichen Sinne und an personalen Beziehungen mit Menschen sehr interessiert betrachtet. Diese zwei Denkrichtungen über Gott – die metaphysische und die personale – haben sich im neueren Denken weitgehend voneinander losgelöst; dies war aber nicht immer so. Beispielsweise hat Thomas von Aquin, einer der größten Verteidiger der Idee der Ewigkeit Gottes, auch angenommen, dass Gott jeder gläubigen Person innewohnt, und zwar in einer unmittelbar persönlichen Weise, die Liebe, Freude und Frieden mit sich bringt. So sagt Thomas:

[…] Gott selbst ist die Liebe. Deshalb heißt es in Röm 5,5: „Die Liebe Gottes ist in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt ist.“ Auf die Gottesliebe folgt aber mit Notwendigkeit Freude, denn jeder Liebende freut sich über die Verbindung mit dem Geliebten. Die Gottesliebe aber hat Gott, den sie liebt, immer gegenwärtig […]. Darum ist die Freude eine Folge der Gottesliebe. Und die Vollendung dieser Freude ist der Friede […], weil unsere Wünsche gänzlich zur Ruhe kommen [im einen Gott]. (STh I-II q. 70 a. 3)

Durch die Übersetzung dieser Aufsätze ins Deutsche eröffnet dieses Buch einem breiten deutschsprachigen Leserkreis die Diskussion um Gottes Vorherwissen und Gottes Ewigkeit. Es liegt nun eine gute Basis vor, um sich mit dieser Debatte auseinanderzusetzen und sie im interdisziplinären Projekt der analytischen Theologie weiterzuentwickeln. Übersetzungen dieser Art stellen einen gewaltigen Dienst für die Wissenschaft dar, auch wenn die zur Übersetzungsarbeit dazugehörige Kreativität und wissenschaftliche Kompetenz oft genug ungewürdigt bleibt. Im Hinblick darauf lässt sich daran erinnern, dass Boethius‘ größter Beitrag zur westlichen Philosophie und Theologie nicht unbedingt seine eigene Schrift, der Trost der Philosophie, war, sondern die Entwicklung eines philosophischen Vokabulars, das es ermöglichte, das griechische Denken des Aristoteles lateinischen Denkern näherzubringen. Wenn Boethius der Schulmeister des Westens ist, wie man ihn manchmal nennt, so ist dies deswegen der Fall, weil er durch seine Übersetzungen griechischer Texte einen Prozess ins Leben rief, der es lateinischen Philosophen und Theologen ermöglichte, ihre eigenen einflussreichen Beiträge in diesen Disziplinen hervorzubringen. Die Übersetzungen im vorliegenden Band tragen zur Philosophie und Theologie nach Boethius‘ Vorbild bei.

Ich fühle mich geehrt, Teil dieses Projektes zur analytischen Theologie sein zu dürfen und bin hoch erfreut, dass meine Arbeit in diesem Buch erscheint. Ich freue mich darauf, zu sehen, in welcher Weise die deutsche analytische Theologie diese Diskussion weiterführt und sie im Lichte der deutschen philosophischen und theologischen Traditionen formt und prägt.

St. Louis, Missouri, im Januar 2015

Eleonore Stump

*     Übersetzung: Johannes Grössl.

Anstatt einer Einleitung: Ein Dialog über Gottes Allwissenheit und menschliche Freiheit

Georg Gasser und Johannes Grössl

Protagonisten: Peter, der Skeptiker; Wilhelm, der Ockhamist; Ludwig, der Molinist; Anselm, der Eternalist; Thomas, der Thomist; Richard, der Offene Theist; Eva und Hans, zwei Philosophiestudierende

[Nach der Sommerpause treffen sich Hans und Eva zufällig in der Cafeteria der philosophischen Fakultät und trinken zusammen einen Kaffee. Nachdem sie sich über den Verlauf der Sommerferien ausgetauscht haben, wirft Hans plötzlich diese Frage in den Raum: „Glaubst Du, dass Gott schon vor den Sommerferien gewusst hat, dass wir uns heute hier treffen werden?“ Eva schaut anfangs leicht irritiert, aber dann entwickelt sich ein Dialog, in den bald auch schon die Freunde von Hans und Eva hineingezogen werden.]

Eva Deine Frage ist also, ob Gott denn alles wissen kann.

Hans Ja, genau. Ich meine, klar, Gott weiß unheimlich viel, viel mehr als jeder Mensch sich auch nur vorstellen kann, aber alles? Kann Gott wirklich alles wissen?

Eva Über diese Frage habe ich mir noch nie eingehender Gedanken gemacht. Aber wieso sollte Gott nicht alles wissen können? Wenn Gott so etwas wie das ist, über das hinaus etwas Größeres nicht gedacht werden kann, dann lässt sich in Bezug auf Gott so etwas wie eine Maximalforderung stellen, oder? So nach der Art: Wenn x Gott ist und x die Eigenschaft F zukommt, dann muss x F maximal zukommen, d. h. F darf x nicht nur ein wenig oder meinetwegen auch sehr viel zukommen, sondern x muss F in einem umfassenden Sinn besitzen. Es darf sozusagen nicht nur kein anderes Wesen geben, das F in einem größeren Umfang als Gott besitzt, sondern es darf gar nichts von F geben, das x nicht besitzen würde. Angenommen F steht für Wissen, so bedeutet das: Gott muss nicht nur mehr wissen als alle anderen möglicherweise oder wirklich existierenden Wesen, sondern Gott muss alles wissen, was es zu wissen gibt. Es darf gar kein Wissen geben, das nicht von Gott gewusst wird.

Hans: An so was habe ich auch schon gedacht. Und zuerst fand ich diesen Vorschlag ja auch ganz gut. Aber ich habe im letzten Semester ja dieses Seminar über Willensfreiheit besucht. Und dann ist mir folgende Frage gekommen: Wenn ich wirklich frei bin und mich zu einem bestimmten Zeitpunkt frei entscheiden kann, so oder anders zu handeln, und diese alternativen Handlungsmöglichkeiten nicht irgendwie vor der Entscheidung durch meinen Charakter, meine inneren Zustände, einen mir unbewussten Zwang, die Naturgesetze oder was weiß ich was bereits festgelegt war, wie kann Gott dann diese meine freie Entscheidung vorherwissen? Wie kann es sein, dass Gott weiß und schon immer wusste, was ich morgen aus freien Stücken tun werde? Angenommen, ich würde Gott jetzt fragen, ob ich morgen um 9:00 Uhr in die Vorlesung gehen werde oder nicht und er würde mir darauf mit einem klaren und deutlichen „Ja“ antworten, wäre ich dann noch frei, es mir morgen um 8:59 Uhr anders zu überlegen? Irgendwie habe ich den Eindruck, dass mir diese Möglichkeit nicht mehr offensteht. Und wenn ich tatsächlich die Möglichkeit hätte, mich anders zu entscheiden und die Vorlesung zu schwänzen, würde ich dann nicht Gottes heutiges Urteil falsch werden lassen? Aber wie soll das gehen? Wie soll ich vergängliche arme kleine Kreatur in der Lage sein zu bewirken, dass sich das Urteil eines unendlich großen mächtigen und weisen Wesens als falsch herausstellt? Könnte ich tatsächlich Gottes Allwissenheit aufheben, bzw. noch radikaler formuliert: Wenn Gott, wie du vorhin gemeint hast, notwendigerweise Allwissenheit zukommt, könnte ich dann die Ursache dafür sein, dass ein Wesen nicht mehr allwissend und damit nicht mehr Gott ist? Das erscheint mir als absurd!

Eva O Mann! Ich hätte doch wissen müssen, dass es mit dir wieder ziemlich kompliziert wird. Was soll ich jetzt sagen? Deine Gedanken scheinen mir einleuchtend zu sein. Aber ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Sind viele Philosophen einfach falsch gelegen, wenn diese Gott Allwissenheit zugesprochen und trotzdem menschliche Freiheit verteidigt haben? Auf dein Problem werden Philosophen und Theologen in früheren Zeiten ja auch schon gestoßen sein und sie werden dann vermutlich nicht einfach stur an der Allwissenheitslehre festgehalten haben, weil sich das so gehört hat. Ich bin mir sicher, dass es da eine Reihe von Lösungsansätzen gibt, welche die Vereinbarkeit von Gottes Allwissen und menschlicher Freiheit aufzeigen können oder dies zumindest ernsthaft versuchen.

Hans Zum Glück gibt es in unserem Freundeskreis viele Philosophen und Theologen. Und sie sind von der Sorte, dass sie auf jedes Problem eine Antwort haben. Sie könnten uns sicher weiterhelfen.

Eva Dann lass uns sehen, ob wir einige von ihnen finden.

Hans Du hilfst mir beim Finden einer Antwort? Super! Allein würd ich das wohl nicht machen, aber zu zweit macht’s ja Spaß. Lass uns zuerst zu Peter gehen. Der ist um eine gute Antwort nie verlegen. Wobei ich mich korrigieren muss: Wie ich Peter kenne, hat er keine direkte Antwort auf das Problem, sondern er wird uns vielmehr erklären, dass das Problem eigentlich gar nicht existiert…

[Eva und Hans machen sich auf den Weg. Peter, der Skeptiker, wohnt nur einen Block von der Fakultät entfernt. Er ist von scheuer Natur und lebt meistens in seiner kleinen Wohnung eingeschlossen mit vielen dicken Wälzern. Sein fast abgeschlossenes Philosophiestudium hat er sein lassen und schreibt jetzt an seiner Promotion in Theologie. Eva und Hans klingeln. Nach einiger Zeit macht Peter auf…]

Peter Hallo ihr zwei! Was macht ihr denn hier?

[Eva und Hans drängen sich in das schmale Arbeitszimmer von Peter. Überall Bücher und Zettel. Peter setzt sich, vergisst aber ganz den beiden auch einen Sessel anzubieten. Sie schauen sich etwas unsicher an, bis Eva etwas schüchtern meint.]

Eva Wir müssen dich was fragen. Kannst du uns sagen, wie es sein kann, dass Gott weiß, was wir morgen tun, und wir trotzdem frei sind?

Peter Ihr müsst aufpassen, wie ihr diese Frage formuliert. Falsch formulierte Fragen machen Knoten im Hirn und, was noch schlimmer ist, sie führen zu den falschen Antworten. So wie du die Frage vorgebracht hast, Eva, scheint mir die Frage falsch formuliert zu sein. Und hier ist die Antwort warum: du nimmst an, dass du vom Wissen über die Welt auf ein Wissen über Gott schließen kannst. Aber Gott ist nicht Teil der Welt. In der Welt findest du kein Wissen, das du auf Gott anwenden könntest. Insofern kannst du stricto sensu nichts von Gott wissen, und daher kannst du von Gott auch nichts über die Welt ableiten. Wenn du dir also die Frage stellst, ob Gott unfehlbar wissen kann, was ich morgen tun werde, und ein solches Wissen in Konflikt mit meiner Freiheit steht, dann tust du so, als ob du von Gott irgendein Wissen über die Welt ableiten könntest. Mit dieser Annahme irrst du aber bereits.

Hans Verstehe ich dich richtig, wenn du behauptest, dass wir gar nichts über Gott aussagen können, da wir kein Wissen über ihn haben?

Peter Gott ist unbegreiflich. Aber erinnere dich an die Analogielehre. Die meisten Philosophen und Theologen waren und sind der Ansicht, dass wir zumindest auf analoge Weise über Gott sprechen können. Dabei ist aber im Auge zu behalten, dass die Unähnlichkeit analoger Aussagen über Gott größer als ihre Ähnlichkeit ist, wie das 4. Laterankonzil im fernen Jahr 1215 bereits festgelegt hat. Ich möchte daher betonen, dass wir auf keinen Fall die Welt und Gott unter einen Begriff fallen lassen können.

Eva Und was ist mit dem Begriff „Existenz“?

Peter Nach Kant ist Existenz gar kein Prädikat. Vielleicht hat Kant darin Recht. Wenn Existenz aber ein Prädikat ist, dann auf jeden Fall ein besonderes Prädikat und ich bin davon überzeugt, dass Gott nicht in derselben Weise wie endliche Dinge existiert. Demzufolge kann auch Existenz in Bezug auf Gott nur analog ausgesagt werden.

Eva Das heißt, wenn ich von Gottes Allwissenheit spreche, so darf ich diese nicht so verstehen, als ob Gott wahre Sachverhalte als wahre Sachverhalte kennt?

[Peter gestikuliert und seine Stimme wird schriller. Eva und Hans merken, dass sie seine Geduld strapazieren…Er wird immer ein wenig ungeduldig, wenn man seine Theorien nicht überzeugend findet.]

Peter Gott ist nicht nur unbegreiflich, er ist auch unübertrefflich. Wir können daher alles Positive von ihm aussagen; somit auch, dass er alles weiß. Aber wie soeben dargelegt, dürfen wir dies nicht so verstehen, als ob wir logisch von einer solchen Aussage eine Erkenntnis über die Welt ableiten könnten.

Hans Damit ich dich richtig verstehe: Wenn ein Mensch als Teil der Welt vollständiges Wissen über die Zukunft hätte, also so eine Art Laplace’scher Dämon wäre, dann würde dies Freiheit ausschließen. Aber wenn Gott ein solches Wissen hat, so schließt dies Freiheit deswegen nicht aus, weil er eben nicht Teil der Welt ist bzw. mit der Welt vergleichbar ist und damit sein Wissen etwas vollständig anderes ist als menschliches Wissen?

Peter Ja. So könnte man es ungefähr ausdrücken. Ich würde präzisieren: Gottes Wissen ist nicht vollständig anders, da sonst eine analoge Redeweise ja verunmöglicht wäre. Es ist hinreichend anders, sodass von seinem Wissen eben nicht irgendwelche Schlüsse auf die Offenheit oder Geschlossenheit der Zukunft und die menschliche Freiheit gezogen werden können, und damit tritt dein Problem eben nicht auf.

[Peter springt vom Sessel auf. Die beiden merken, dass sie jetzt gehen sollten.]

Hans Danke, Peter. Das hilft uns vorerst weiter. Wir wünschen Dir noch einen schönen Tag.

[Wieder auf der Straße blickt Eva Hans etwas ratlos an.]

Eva Nun bin ich verwirrt. Peters Aussagen kann ich schon irgendwie nachvollziehen. Es besteht ja immer die Gefahr, Gott am Ende zu sehr anthropomorph zu zeichnen als eine Art Super- oder Übermensch. Ein vorsichtiger Sprachgebrauch in der Gotteslehre baut solchen Fehldeutungen und Missverständnissen vor. Die Analogielehre wurde ja nicht aus Jux und Tollerei entwickelt. Und doch beschleicht mich auch das Gefühl, dass er sich herausredet. Ich kann mir, ehrlich gesagt, unter Gottes Wissen gar nichts vorstellen, wenn es nicht mit der Erkenntnis wahrer Sachverhalte auf eine solche Weise zu tun hat, wie auch wir wahre Sachverhalte kennen. Wenn ich Gott Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen würde, könnte ich ihn dann gar nicht fragen, ob er jetzt weiß, was du morgen tun wirst? Würde er mir dann nur sagen, dass ich eine verwirrte Frage gestellt habe, die er so gar nicht beantworten könnte?

Hans Mir geht es durchaus ähnlich. Ferner scheint mir, dass von wissenschaftlicher Theologie nicht mehr viel übrig bleibt, wenn man diesen Weg einschlägt. Vor allem verstehe ich das Konzept der Analogie und der Unbegreiflichkeit nicht wirklich. Mir ist ja klar, dass kein Mensch Gott jemals umfassend begreifen oder gar durchschauen kann. Aber kann ich nicht trotzdem wahre Aussagen über Gott treffen, auch Aussagen, deren Inhalt ich nachvollziehen kann, weil jeder Begriff klar definiert ist? Und wenn ich das tun kann, kann ich solche Aussagen nicht in einen logischen Zusammenhang mit anderen Aussagen bringen – sprich – Ableitungen vollziehen? Zum Beispiel: Wenn Theologen immer wieder davon sprechen, dass „Gott die Liebe sei“ oder dass „Gott wie liebende Eltern sei“ so verstehe ich, dass solche Aussagen nicht direkt auf Gott übertragen werden können. Aber wollen wir mit solchen Aussagen nicht trotzdem behaupten, dass die Art und Weise, wie sich liebende Eltern um ihre Kinder kümmern, uns zu verstehen hilft, wie Gott sich um seine Schöpfung sorgt? Anders ausgedrückt: Solche Aussagen implizieren Annahmen wie, dass Gott sich uns gegenüber nicht gleichgültig verhält, dass Gott unser Schicksal nahe geht, dass Gott möchte, dass wir nicht unnötigerweise leiden usw. Denn was sonst sollte ein Ausdruck wie „liebende Eltern“ bedeuten? Wenn ich all dies in Bezug auf Gott nicht sagen kann, dann weiß ich auch gar nicht, was Theologen meinen, wenn sie von Gott sagen, er sei die Liebe oder wie liebende Eltern. Einige Philosophen und Theologen meinen zwar, dass wir uns hier nicht irgendwelche Vorschriften von Seiten der Logik oder begrifflicher Definitionen machen lassen dürfen, weil Gott über der Logik stehe. Doch auf einen solchen Diskurs will ich mich gar nicht einlassen: Wenn theologische Behauptungen nicht mehr logischen Gesetzen unterworfen sind, dann wird der Glaube am Ende doch zur Spielwiese von Irrationalismen! Das wäre doch Wasser auf die Mühlen der Atheisten, die behaupten, dass Glaube einfach nur irrational sei und mit der Vernunft nichts zu tun habe.

Eva Wir wollen Peter eine solche radikale Position nicht in die Schuhe schieben, aber wir stimmen darin überein, dass hier noch einiger Klärungsbedarf besteht. Die Rede von Gott sollte idealerweise gegenüber anderen wissenschaftlichen Disziplinen anschlussfähig bleiben. Hierfür dürfte der Abstand zwischen Gott und Welt wohl nicht zu groß veranschlagt werden oder gar in einem Bruch münden. Deshalb hoffen wir mal, doch noch ein paar inhaltlich gehaltvollere Antworten auf unser Problem zu bekommen. Gehen wir zu Wilhelm, der ist doch so ein Logik-Freak und wohnt hier gleich mal um die Ecke.

[Wilhelm, der Ockhamist, ist Philosophiestudent. Hochgewachsen, hager, mit einem spartanischen Lebensstil. Er ist für seine Sparsamkeit, die mehr oder weniger fließend in Geiz übergeht, bekannt. Hans und Eva wollen soeben klingeln, als Wilhelm die Haustür öffnet.]

Wilhelm Hey! So früh schon auf? Ich wette, ihr wollt zu mir.

Eva Stimmt. Wir wollten Dich was fragen. Aber wie es scheint, bist du in Eile.

Wilhelm Nein, nein, gar nicht. Ich wollte mir nur schnell ein Frühstück besorgen. Aber ihr könnt mich ja begleiten und mir einen Kaffee spendieren. Und ich beantworte dafür eure Frage.

Hans Du bist wohl ganz der Alte geblieben. Ok, dein Angebot steht. Also, Eva und ich zerbrechen uns den Kopf über folgende Frage: Wie kann es sein, dass Gott weiß, was ich morgen tun werde – sagen wir um 9:00 Uhr in die Vorlesung gehen oder nicht – und ich trotzdem frei bin?

Wilhelm Gut dass ihr zu mir kommt. Mit dieser Frage beschäftige ich mich schon lange und ich habe eine recht einfache Antwort darauf. Gottes heutiges Wissen über das, was du morgen tust, hängt von dem ab, was du morgen tust. Wenn du morgen freiwillig in die Vorlesung gehst, dann weiß Gott dies heute schon, weil du eben morgen in die Vorlesung gehst.

Eva Sein Wissen bestimmt also nicht unser Handeln?

Wilhelm Um Gottes Willen – nein! Du musst dir das so vorstellen: Wenn du morgen in die Vorlesung gehst, weiß Gott heute, dass du morgen genau das tun wirst, und wenn du morgen nicht in die Vorlesung gehst, dann weiß Gott heute, dass du morgen eben nicht in die Vorlesung gehst.

Eva Du behauptest also, dass Gottes Wissen über unser zukünftiges Tun davon abhängt, wozu wir uns frei zu tun entscheiden? Ist das nicht eine seltsame Form der Abhängigkeit? Irgendwie so eine Art rückwärtsgerichtete Verursachung, weil ja meine zukünftigen freien Handlungen Gottes jetziges Wissen darüber bestimmen.

Wilhelm Diese Frage der Abhängigkeit ist in der Tat schwierig. Du hast das aber schon richtig gesehen. Meine Theorie besagt, dass du durch dein Tun den Inhalt von Gottes Wissen bestimmst, und zwar rückwirkend. Vorsichtig bin ich allerdings mit dem Gebrauch des Begriffs der Verursachung. Vielleicht sollten wir hier eher nicht von einer kausalen Verbindung sprechen, denn ich glaube, dass eine Wirkung nicht vor ihrer Ursache geschehen kann. Vielleicht ist es besser von Supervenienz oder explanatorischer Abhängigkeit zu sprechen. Um ehrlich zu sein, ich bin mir nicht sicher. An diesem Problem arbeite ich noch. Aber entscheidend ist, was du sagtest: Sein Wissen bestimmt nicht dein Tun. Vielmehr bestimmt dein Tun sein Wissen.

[Wilhelm spricht den letzten Satz langsam und bestimmt. So als wollte er die Wichtigkeit seiner These nochmals unterstreichen, um Eva und Hans davon zu überzeugen. Aber Hans lässt sich davon nicht beirren.]

Hans Nochmals: Gott weiß heute, was ich morgen tue, und mein morgiges Tun bestimmt sein heutiges Wissen.

Wilhelm Korrekt. Du kannst dir das so vorstellen: Dein Handeln ist ontologisch grundlegend und Gottes Wissen darüber folgt daraus – wie auch immer diese Folge-Beziehung auszubuchstabieren ist. Wenn Gott also heute weiß, was du morgen tun wirst, so erscheint es mir sinnvoll – nennen wir es einfach mal – zwischen ontologischer und zeitlicher Priorität zu unterscheiden. Ontologisch ist dein Handeln prioritär, wenngleich Gottes Wissen darüber zeitlich vorgeordnet ist. Das mag vielleicht ein wenig seltsam klingen, aber bei näherer Betrachtung widerspricht es eigentlich gar nicht unseren sonstigen Einsichten. Wir nehmen sonst ja auch an, dass zuerst eine Handlung zu erfolgen hat und ein entsprechendes Wissen darüber bzw. der Wahrheitswert einer entsprechenden Proposition, die dieses Wissen ausdrückt, darauf folgt. In unserer Welt gehen ontologische und zeitliche Priorität normalerweise Hand in Hand, aber warum sollte dies so sein müssen?

Hans Ich muss mir diesen Gedanken erst durch den Kopf gehen lassen. Aber ad hoc habe ich eine Frage dazu: Wenn Gottes Wissen über mein Tun bereits heute existiert, müsste dann mein morgiges Tun nicht ebenfalls schon heute irgendwie existieren? Wie lässt sich sonst von einer Abhängigkeit göttlichen Wissens von meinem Tun sprechen?

Wilhelm Im eigentlichen Sinn existiert dein morgiges Tun nicht schon heute, sondern erst morgen. Aber du triffst da natürlich einen zentralen Punkt: Um einen bestimmenden Einfluss auf das Heute zu haben, muss die Zukunft in irgendeiner Weise bereits existieren, denn die Behauptung, dass etwas, das nicht existiert, einen Einfluss ausüben kann, scheint keinen rechten Sinn zu machen.

Hans Aber wenn die Zukunft bereits existiert, in welcher Weise auch immer, dann hab ich doch nicht mehr die Macht, sie mitzubestimmen?

Wilhelm Doch, in der von mir vorher dargelegten Weise. Wenn eben angenommen wird, dass zeitliche und ontologische Priorität nicht notwendigerweise Hand in Hand gehen müssen.

[Eva konnte der Diskussion nicht mehr so richtig folgen. Sie bleibt stehen und denkt kurz nach, um ihre Frage zu formulieren.]

Eva Ich bin mir nicht ganz sicher, ob meine Frage Sinn macht. Aber egal, ich frag mal einfach. Kann mir nach Deiner Theorie Gott eigentlich jederzeit die Zukunft mitteilen?

[Wilhelm kratzt sich kurz am Hinterkopf und geht langsam weiter. Das Cafe ist schon in Reichweite und sein Magen knurrt.]

Wilhelm Ja und nein. Natürlich kann dir Gott die Zukunft in den Fällen mitteilen, in denen du keine Macht darüber hast, das Gegenteil von dem herbeizuführen, was Gott dir mitgeteilt hat. Vielleicht kann er dir sogar sagen, was du morgen aus freiem Willen tun wirst – aber natürlich nur wenn er weiß, dass du es auch noch freiwillig tun wirst, wenn dir Gott eben dies mitteilt. In jedem Fall muss aber das Prinzip gewahrt bleiben, dass Gottes Wissen von der Zukunft von deinen freien Handlungen in der Zukunft abhängt. Sein Wissen darüber, was du morgen freiwillig tun wirst, ist also kein Wissen „simpliciter“.

Eva Die bisherige Diskussion scheint mir irgendwie darauf hinauszulaufen, dass es zwei Arten von vergangenen Tatsachen gibt. Die Tatsache, dass Gott gestern wusste, dass ich morgen A tun werde, hat ja irgendwie eine komplexe Struktur, die erst durch mein morgiges Tun abgeschlossen wird. Das war ja auch der Punkt der Frage nach der Existenz zukünftiger Sachverhalte. Ich spreche jetzt mal der Einfachheit halber von harten und weichen Tatsachen. Harte Tatsachen sind abgeschlossen; da gibt es keine möglichen Änderungen mehr und die weiß Gott daher, wie du es genannt hast, „simpliciter“. Etwa die Tatsache „Cäsar ist 44 v. Chr. ermordet worden.“ Die Sache ist abgeschlossen. Daran gibt es nichts mehr zu rütteln. Weiche Tatsachen sind hingegen in der Vergangenheit angesiedelt, aber nicht nur, da sie auch einen Zukunftsaspekt wie meine morgige freie Entscheidung enthalten. Die Tatsache, dass Gott gestern etwas wusste, ist zwar in der Vergangenheit, aber das, worauf sich sein Wissen bezieht, ist noch nicht vergangen, sondern in der Zukunft. Damit haben wir durch unsere freien Entscheidungen eine gewisse Kontrolle über diese Tatsache ohne dass wir uns zur These versteigen müssten, dass wir die Macht hätten, die Vergangenheit als solche abändern zu können. Deswegen kann ich sagen, dass Gott zwar weiß, was ich morgen tun werde und trotzdem bleibt meine Freiheit erhalten, weil wenn ich mich morgen anders entscheiden würde, dann hätte Gott ein anderes Wissen als dasjenige, das er jetzt hat.

Wilhelm So meine ich das. Besser hätte ich es kaum sagen können!

[Sie betreten das Cafe und reihen sich in die Menschenschlange ein.]

Eva Also kann mir Gott nicht unabhängig von meiner freien morgigen Entscheidung sagen, wie ich mich morgen entscheiden werde? Ich meine, er kann nicht so etwas sagen wie „Ich weiß, dass du morgen freiwillig A tun wirst“, sondern er kann nur so etwas sagen wie „Ich weiß, dass du morgen freiwillig A tun wirst, weil du morgen freiwillig A tun wirst.“

Wilhelm So in etwa würde ich das sehen. Denn sonst würden wir in einen logischen Zirkel kommen.

Hans Der logische Zirkel besteht wahrscheinlich darin, dass ich aufgrund von Gottes Vorhersage meiner zukünftigen freien Handlung anders handeln und damit seine Vorhersage falsch mache könnte, was wiederum dazu führen würde, dass er ein anderes Wissen hätte und mir das erstgenannte nicht mitteilen könnte, weshalb ich wiederum die ursprünglich geplante Tat vornehmen würde, und so weiter.

Wilhelm Genau. Wir begegnen einem ähnlichen Problem wie bei Zeitreisen und dem dabei häufig genannten Großvaterparadoxon. Das dürftet ihr ja kennen. Das Paradoxon besagt, dass Zeitreisen mit der Möglichkeit, die Vergangenheit zu ändern, in logische Widersprüche führen. Denn wie soll ich in der Lage sein, in die Vergangenheit zu reisen und dort meinen noch jungen Großvater zu töten, wenn dieser doch eine notwendige Voraussetzung für die Zeugung meines Vaters ist und somit auch dafür, dass ich überhaupt existiere?

Eva Das macht Sinn. Aber das bedeutet auch, Gott kennt die Zukunft, ist aber unfähig, sie jemanden mitzuteilen. Kann Gott denn dieses Wissen für die eigenen Entscheidungen nützen?

Wilhelm Du meinst, dass Gott zum Beispiel jemanden für eine erst in der Zukunft begangene Sünde jetzt schon bestraft oder ein Gebet erhört noch bevor es ausgesprochen wird? Nein, das geht natürlich auch nicht. Denn solche Reaktionen würden ja die Umstände ändern, die erst zu den genannten zukünftigen Handlungen führen. Dafür bräuchte Gott eine meines Erachtens unmögliche Form des Wissens. Soweit ich weiß, ist Ludwig da anderer Meinung als ich. Er glaubt, dass es eine solche Form des Wissens gibt. So, jetzt werde ich mir aber erst mal was Süßes besorgen. Ich komm ja gleich dran. Der Mensch lebt nicht vom Wort allein … Aber wir können gerne ein andermal weiterdiskutieren. Ich habe euch ja nur die Grundzüge meiner Theorie erklären können.

Hans Ja, gerne. Aber vorerst genügt uns das vollkommen. Auf jeden Fall vielen Dank für deine Zeit und lass dir den Kaffee schmecken.

[Hans und Eva verlassen das Cafe. Sie schlendern etwas gedankenverloren die Straße entlang. Die Sache wird nicht einfacher, sondern komplizierter. Aber Wilhelms Tipp zu Ludwig zu gehen ist gut. Ludwig studiert ebenfalls Philosophie und wohnt mit Anselm, einem Kommilitonen, zusammen. Die beiden führen oft hitzige Diskussionen und sind selten einer Meinung, aber sonst gute Freunde.]

Eva Für einen Moment dachte ich, dass ich Wilhelms Theorie überzeugend finde. Aber dieses Gefühl ist schon wieder verpufft. Irgendwie kommt mir nämlich schon vor, dass Gottes gestriges Wissen über mein morgiges Handeln eine Tatsache ist, die klar und deutlich in der Vergangenheit angesiedelt ist. Der Inhalt dieses Wissen muss sich zwar noch erfüllen, aber das erscheint mir jetzt eher als ein nebensächlicher zeitlicher Aspekt. Was zählt, ist die Tatsache, dass Gott dieses Wissen hat und Gott ja das Attribut der Unfehlbarkeit zugeschrieben wird. Das, was er gestern wusste, war unfehlbar wahr. Die Aussichten für meinen persönlichen Handlungsspielraum erscheinen mir da, gelinde ausgedrückt, dürftig. Zudem sind mir einige andere Aspekte dieser Theorie noch nicht wirklich klar: Welchen ontologischen Status hat die Zukunft? Wie kommt Gott zu seinem Wissen über unsere zukünftigen freien Handlungen? Was für eine Verbindung herrscht zwischen Gottes Wissen und den zukünftigen freien Handlungen?

Hans Ja, das sind eine ganze Reihe an offenen Fragen. Und dann ist es schon auch seltsam, wenn Gott mit diesem Wissen nichts anfangen kann. So ein Gott erscheint mir ein wenig schizophren. Einerseits hat der das Wissen, andererseits auch wieder nicht. Aber es ist eine gute Idee, Ludwig zu fragen. Mal schauen, was er dazu zu sagen hat. Vielleicht bringt er ja etwas Licht in die Bestimmung der Art dieses mysteriösen göttlichen Wissens.

Eva Ich kenne Ludwig und Anselm gar nicht. Da bin ich schon mal gespannt.

[Vor der WG von Ludwig, dem Molinisten, und Anselms, dem Eternalisten, angelangt, holen die beiden tief Luft. Sie sind schon gespannt, was sie jetzt erwarten wird. Die Türglocke surrt. Im ersten Stock öffnet sich ein Fenster und Ludwig steckt den Kopf raus.]

Hans Hallo Ludwig. Alles ok? Hättest du kurz Zeit? Wir waren grad mit Wilhelm unterwegs und er schickt uns zu dir, weil wir uns mit einer philosophischen Frage rumschlagen.

Ludwig Wilhelm schickt euch zu mir? Was für eine Ehre! Wo wir doch nicht immer einer Meinung sind … Ich mach euch auf, eine Minute bitte.

[Ludwig ist ein sehr zuvorkommender geselliger Typ. Er ist sportlich, aber etwas blass und trägt einen wohlfrisierten kleinen Spitzbart. Die WG befindet sich im ersten Stock. Ludwig stellt sich gleich bei Eva vor, dann führt er beide in die Küche und bietet ihnen Tee und Kekse an.]

Eva Wie kann es sein, dass Gott weiß, was wir morgen tun, und wir trotzdem frei sind?

Ludwig Was für eine Frage! Gott weiß das natürlich und sogar noch viel mehr als nur das. Und du bist trotzdem frei.

Hans Wilhelm meinte, Gottes Wissen sei von den freien Handlungen der Geschöpfe abhängig.

Ludwig Unmöglich! Aber typisch Wilhelm. Hält hartnäckig an etwas fest, obwohl es hinten und vorne nicht zusammenpasst. Wie oft habe ich schon mit ihm diese Frage diskutiert. Aber da hast du keine Chance – er sieht die Einwände durchaus, aber bleibt trotzdem am Ende stur bei seiner Theorie. Schau, es dürfte doch relativ einfach sein einzusehen, dass Gott in keiner Hinsicht von irgendetwas Geschöpflichem abhängig sein kann. Was wäre denn dann mit seiner Vollkommenheit, seiner Einfachheit, seiner Unabhängigkeit, seiner Unveränderbarkeit? Ließe sich ja alles nicht mehr aufrechterhalten. Eine Bankrotterklärung der traditionellen Gotteslehre wäre das – nichts anderes!

Eva Sein Wissen ist also nicht irgendwie von uns abhängig? Aber wie löst du dann das logische Problem? Wenn Gottes Wissen nicht von uns abhängt, dann hat niemand eine Macht über Gottes Wissen. Und weil Gott notwendigerweise unfehlbar ist, gilt doch auch, dass, wenn Gott weiß, dass ich morgen um 9:00 Uhr in die Vorlesung gehe, ich morgen auch um 9:00 Uhr dies tun werde. Folgt daraus nicht, dass niemand eine Macht darüber hat – auch ich nicht! –, dass ich morgen um 9:00 Uhr in die Vorlesung gehe? Dann wäre ja meine zukünftige Handlung determiniert und nicht mehr frei.

Ludwig Die Gültigkeit dieses logischen Schlusses ist umstritten. Bereits Boethius meinte, er sei nicht richtig. Unumstritten ist hingegen, dass Gott nicht etwas wissen kann, was nicht der Fall ist. Das geht einfach mit dem Begriff des Wissens einher. Es gilt somit notwendigerweise: Wenn Gott weiß, dass p der Fall ist, dann ist p der Fall. Aber Boethius ist der Ansicht, dass daraus nicht folgt, dass p notwendigerweise der Fall ist. Ersteres wird oft eine hypothetische Notwendigkeit, letzteres eine absolute Notwendigkeit genannt, und diese beiden Formen der Notwendigkeit sind zu unterscheiden. Wichtig ist im Auge zu behalten, dass Gott dieses Wissen um deine freie Handlung nicht selbst bestimmt. Es handelt sich weder um sogenanntes „Freies Wissen“, also solches Wissen, das Gott durch einen freien Willensakt selbst festlegt, noch um „Natürliches Wissen“, also solches Wissen, das logisch notwendig ist, wie z. B. Wissen über logische und mathematische Wahrheiten.

Hans Was für eine Art von Wissen ist es dann?

Ludwig Das ist etwas kompliziert. Gottes Vorherwissen ergibt sich aus der Schnittmenge seines freien Wissens über die Rahmenbedingungen derjenigen Welt, die er zu erschaffen beschließt, und des sogenannten „Mittleren Wissens“, das ist Gottes Wissen über alle Entscheidungen, die mögliche Personen in möglichen Welten treffen würden.

[Eva nippt an ihrer Tasse Tee, knabbert an einem Keks und denkt sich, dass Ludwig eigentlich ein gut aussehender Typ ist. Dies steigert ihre Aufmerksamkeit für das Gespräch und sie will ihn mit ihrer Frage ein wenig beeindrucken.]

Eva Hat das Mittlere Wissen mit den berühmt-berüchtigten kontrafaktischen Freiheitskonditionalen zu tun?

Ludwig Um ganz genau zu sein, kontra- und präfaktisch. Denn manche dieser Konditionale treten ja durch Gottes Schöpfungsentscheidung auch tatsächlich ein wie zum Beispiel: “Wenn Ludwig am heutigen Tag gefragt werden würde, ob er glaubt, dass Gottes Vorherwissen mit menschlicher Freiheit vereinbar ist, würde er dies bejahen.” Andere Konditionale treten hingegen nicht ein, da die mögliche Welt, in welcher sie eintreten würden, von Gott, aus welchen Gründen auch immer, nicht geschaffen worden ist.

Hans Aber woher hat Gott den dieses mysteriöse Mittlere Wissen? Von sich selbst hat er es nicht, denn es ist ja nicht Freies Wissen. Es ist auch kein a priori-Wissen. Von seinen Geschöpfen kann er es auch nicht haben, da diese ja gar nicht existieren, sondern vielmehr erst durch Gottes Inanspruchnahme des Mittleren Wissens geschaffen werden. Was begründet also die Annahme dieser Art von Wissen?

Ludwig Ich glaube, es macht einfach Sinn, dieses Mittlere Wissen anzunehmen, wenn man Gottes Allwissenheit und menschliche Freiheit verteidigen will. Wenn es freie Geschöpfe gibt und Gott als allmächtiger, allwissender und allweiser Schöpfer aus einer Vielzahl von Welten eine zu realisieren entscheidet, so stellt sich die Frage, worauf diese Entscheidung gründet. Und meine Antwort lautet: Sie gründet wesentlich darauf, dass Gott vor der Schöpfung alle möglichen Schöpfungsverläufe im Hinblick auf seine Schöpfungsziele hin durchgespielt hat und hierfür ist es für Gott entscheidend zu wissen, wie sich freie Geschöpfe in den jeweiligen Situationen, in denen sie sich wiederfinden, frei zu verhalten entscheiden. Ohne das Wissen über jede freie Entscheidung eines jeden freien Geschöpf unter allen möglichen Umständen, würde Gott einfach bei der Schöpfung ein nicht näher kalkulierbares Risiko eingehen. Die Schöpfung wäre ein einziges Vabanquespiel. Und diese nicht plausible Annahme schließe ich durch meine Theorie des Mittleren Wissens aus.

Eva Diesen Punkt kann ich nachvollziehen. Aber wenn es diese prä- und kontrafaktischen Freiheitskonditionale tatsächlich gibt und es sich dabei nicht nur um irgendwelche Wahrscheinlichkeitsüberlegungen handelt, wie jemand mit einem gewissen Charakter, spezifischen Einstellungen, mentalen Zuständen usw. in bestimmten Umständen vermutlich handeln würde, dann stelle ich mir einfach die Frage, worin Gottes Wissen gründet. Müssen diese durch das Mittlere Wissen abgebildeten Sachverhalte nicht irgendwie bereits existieren? Und sind sie dann nicht festgelegt, da ja nicht von Wahrscheinlichkeiten gesprochen wird, sondern von Wissen? Schließlich frage ich mich, wie diese Freiheitskonditionale bereits „irgendwie“ existieren sollen, wenn es sich um kontingente Sachverhalte handelt und die Geschöpfe, welche für das Eintreten oder Nicht-Eintreten dieser Sachverhalte verantwortlich sind, gar nicht existieren?

Hans Ich finde diese Position auch rätselhaft. Deine Begründungsfrage lässt sich auch noch von anderer Seite beleuchten. Wenn wir nicht existieren, aber es wahre und falsche Freiheitskonditionale gibt, so bedeutet dies auch, dass wir keine Macht über sie haben – selbst wenn Gott diese nicht festlegt. Wie du angemerkt hast, setzen Freiheitskonditionale freie Entscheidungsträger voraus, aber diese scheint es nicht zu geben. Oder gibt es etwa irgendwelche Essenzen von uns, die gleichewig mit Gott existieren, um ihm sein Wissen über unsere möglichen freien Entscheidungen geben zu können? Dies scheint mir ein Ausweg zu sein, aber soweit ich sehe, befindet er sich nicht auf dem Pfad der Rechtgläubigkeit. Und diese ist Ludwig doch sehr wichtig, wie er selbst betont hat.

Eva Zudem handelt es sich dann nicht mehr um Mittleres Wissen im eigentlichen Sinn, weil sich unsere seit Ewigkeit existierenden Essenzen ja bereits entschieden hätten und damit die Entscheidung im „hic et nunc“