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alberto@rivaverlag.de
 
Originalausgabe
1. Auflage 2014
© 2014 by riva Verlag,
ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
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Redaktion: Caroline Kazianka
Umschlaggestaltung: TUBEONE NETWORKS
Umschlagabbildung: Burak Cayci / BCN DESIGN
Fotografien im Innenteil: privat, facebook.com.realalbertoson
Layout: Maria Wittek
Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern

ISBN Print 978-3-86883-226-6
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86413-740-2
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86413-741-9
 
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
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www.muenchner-verlagsgruppe.de
 




Allen, die ich getroffen habe.
Jeder Einzelne hat seinen Teil zu dieser Geschichte beigetragen.

Ein besonderer Dank an Filippo Cataldo,
der mir geholfen hat, meine Gedanken zu ordnen und
diese Geschichte niederzuschreiben.

Inhalt

 

Titel
Impressum
Danksagung
Inhalt
Prolog

1. Showdown in Miami
2. Mädchen klarmachen leicht gemacht (muss ja kein potenzielles Pornostarlet sein)
3. Der Schwarze auf dem Dorf
4. Mein Grundgerüst
5. Chicken Wings à la Alberto
6. Beatbox und das erste Video
7. Chicken Wings essen leicht gemacht
8. Das Supertalent
9. Wissen macht Karrieren – doch Enttäuschung gehört dazu
10. Al’s Tipp: 14 Stunden zocken, wie geht das?

Bildteil

11. Das Leben ist ein Fahrstuhl. Freunde, Familie und Buddys
12. Umzugstipps
13. Das Leben ist wie GTA
14. Ich will doch nur spielen
15. Meine Kinder
16. The L-Words
17. Von YouTubern und YouTube
18. Meine Tattoos
19. Setze Trends und rede darüber: Hamburger Hänger und Sieef
20. Showbiz süß-sauer


Prolog

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Schreiben auch, stellt euch vor.

2005 habe ich mein erstes Video auf YouTube hochgeladen, ich bin sozusagen YouTuber der ersten Stunde – wobei ich damals keine Ahnung hatte, was das eigentlich ist.

Irgendjemand hatte mir von dieser neuen Plattform erzählt und ich habe aus einer Laune heraus eines meiner Beatbox-Videos hochgeladen, mich aber nicht weiter darum gekümmert. Ungefähr ein Jahr später habe ich dann mal wieder draufgeschaut – das Ding war durch die Decke gegangen.

In Windeseile habe ich damals meinen Albertoson-Kanal zusammengestöpselt, der Grundstein war gelegt! Habe ich mich damals bewusst dafür entschieden, mich selbst zum Protagonisten meiner Videos, meinen Namen und mein Gesicht öffentlich zu machen? Ja, unbedingt! Hatte ich eine Ahnung, was das für Konsequenzen haben würde für mich? Überhaupt nicht!

Ich habe in den letzten acht Jahren mehr als 1000 Videos gemacht, die rund 230 Millionen Mal angeklickt wurden, fast 1,3 Millionen Menschen haben meinen Kanal abonniert. Dazu kommen noch ­viele ­Videos auf meinen Nebenkanälen (realalbertoson, playalbertoson, sportalbertoson), die auch jeweils um die 100 000 Abonnenten haben, und seit einiger Zeit lade ich auch auf Facebook kurze Videos hoch. Ich habe mich beim Beatboxen gefilmt, beim Daddeln, beim Sport, beim Chicken-Wings-Essen. Ich habe Sitcoms und Web-Soaps produziert, manche so stumpf, dass ich sie sogar »Schlechte Sitcom« genannt habe, manche so gut, dass ich richtig stolz auf sie bin. Ich habe vor der Kamera teils absurde Wetteinsätze eingelöst, einen Wahlwerbespot für die Bundesregierung gedreht, manchmal spielen sogar meine Familienangehörigen in meinen Videos mit. Mein Privatleben ist öffentlich. Oder scheint es nur so?

Natürlich glauben die Leute, alles von mir zu wissen, mich zu kennen. Aber kennt ihr mich wirklich? Kenne ich mich wirklich? Mein ganzes Leben lang wollte ich frei sein, meine Kreativität ausleben, machen, worauf ich Lust habe. Ich wollte nicht ins Fernsehen, weil ich mich nicht verstellen, meine Gedanken ungefiltert zeigen wollte. Aber ich mache im Gegenzug Werbung für Produkte und verkaufe mich auf andere Art. Ich will ein Imperium aufbauen, aber nur mit meinen Ideen, ungefiltert und 100 Prozent Alberto. Ohne Rücksicht nehmen zu müssen auf das, was man die Regeln des Geschäfts nennt. Aber bin ich wirklich frei? Ich kann nicht am Rhein spazieren gehen, ohne erkannt zu werden. Ich kann nicht einfach so in der Stadt unterwegs sein, ohne dass die Kids »Alberto! Alberto! Alberto!« schreien. Die Menschen halten mich für Alberto, für die Figur, die ich erschaffen habe. Erschaffen für sie und natürlich auch für mich.

Ich bin Alberto, ich bin Al aus meiner Show Hey Al, aber sie sind nicht ich. Oder nicht nur. Ich bin keine 30 und habe fünf Kinder. Ich habe in den USA und China gelebt. Ich war als Kind schon beim Psychologen. Meine Eltern haben mich rausgeschmissen, da war ich noch ein Teenie. Mit 16 habe ich in meiner eigenen Bude gelebt, ich war lange in einer Art Sekte, wäre fast Polizist geworden und habe mich mit einem Bein schon als Soldat in Afghanistan gesehen. Ich stand mit 50 Cent, Timbaland und Pharrell Williams auf der Bühne, Nicole ­Scherzinger hat mich auf ihre Geburtstagsparty eingeladen. Ich habe eine Weltreise gemacht und bin in Neuseeland 14 Stunden lang nur Taxi gefahren. Ich habe nebenbei ein neues Wort erfunden und Pornos gedreht (hinter der Kamera, HINTER der Kamera!) und musste deswegen zeitweise aus den USA fliehen.

Die ganze Zeit über habe ich Videos gedreht und mein Leben auch auf Facebook ausgebreitet. Aber Dinge, die mir wirklich wichtig sind, habe ich immer versucht von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Man kennt mich von YouTube und Facebook, das muss reichen. Gleichzeitig habe ich so viele Geschichten erzählt, dass ich teilweise schon selbst nicht mehr wusste, was Fiktion, was Realität war. Ich habe mich mit fast allen überworfen, denen ich etwas bedeute, die mir etwas bedeutet haben, habe Freundschaften aufgegeben, Frauen schlecht behandelt, nur weil ich niemandem vertrauen kann. Aber ich spüre immer mehr, dass es an der Zeit ist, ein paar Dinge wieder geradezurücken, die Wahrheit zu erzählen. Die Wahrheit über Alberto, die Wahrheit über mich. Ich weiß, was ich kann, was ich will, was ich erreichen möchte. Oder ist es das, was Alberto kann, will und erreichen möchte? Ich schreibe dieses Buch für alle, die sich für mich, für YouTube, fürs Beatboxen, für Comedy interessieren. Aber ich schreibe dieses Buch auch für mich. Mein Name ist Albert Martin Trovato und ich mache Limonade aus Zitronen.


1. Showdown in Miami

»30 000 Dollar, sonst …« Er muss den Satz gar nicht beenden, die Forderung ist ausgesprochen, Widerstand zwecklos, jede weitere Diskussion erübrigt sich. Erst recht, wenn du ein paar Tage vorher in Hamburg eine SMS auf dein deutsches Handy bekommen hast: »Du kannst dein ganzes Leben weglaufen. Aber wenn ich will, werde ich dich finden. Überall!« Erst recht, wenn der Absender unfassbar viel Geld hat und der Boss des Nigerianer-Clans von Chicago ist. Erst recht, wenn er sauer auf dich ist, weil du sein Mädchen verarscht hast. Es reicht ja schon, dass er das glaubt.

30 000 Dollar! Und das nur, weil wir ein bisschen Spaß haben, Kohle machen, bei den ganz Großen mitspielen wollten.

30 000 Dollar! Weil Lightskin es nie für nötig gehalten hatte, die Mädchen diese verdammten Waiver unterschreiben zu lassen, die Verzichts- und Einverständniserklärungen, dass sie freiwillig bei den Filmen mitmachen würden. Wie oft hatte ich ihm diese Sache erklärt. Wie oft hatte ich ihm gesagt, dass er auf mich hören sollte. Aber hey, ich war ja nur der Filmstudent aus Deutschland und er der große Produzent. Sieef! Scheiße! Jetzt sieht er mal, was er davon hat.

Es ist die Nacht vor Thanksgiving 2012, auf dem Platz vor dem Wet Willie’s in South Beach ist noch mehr los als sonst. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Leute gehen laut redend rein in den Laden, andere torkeln laut lachend wieder heraus. Alle haben einen Riesenspaß, selbst die Polizisten, die sich an der Ecke die Beine in den Bauch stehen, wirken beschwingt. Es fehlen nur ein paar Donuts in ihren Händen, dann wäre das Klischee perfekt. Vor dem großen Truthahnfressen am nächsten Tag wollen die Leute noch mal ausgehen, ein paar Cocktails im Wet Willie’s nehmen, in dieser beliebten Bar mit Filialen im ganzen Süden der USA. Ich trinke ja keinen Alkohol, aber gerade könnte ich durchaus einen Schnaps vertragen. Oder besser noch zehn.

Inmitten der ganzen Feiermeute: wir. Also meine Jungs und ich auf der einen Seite, den Eingang zur Bar schräg hinter uns im Rücken, ein paar Meter weiter, uns gegenüber, die anderen. Joanna, daneben ihr Freund, den ich mal in Chicago kennengelernt habe, lange bevor er Joanna überhaupt kannte. Er hatte eine Party geschmissen, eine der vielen Partys, die ich in den USA besucht habe. Ein netter Typ eigentlich. Mit übertrieben viel Cash, das er in der ganzen Bude zur Schau stellte, doch das machen Leute mit zu viel Cash ja gerne. Aber der Typ war alles in allem sehr zuvorkommend und interessiert gewesen. Wir hatten uns kurz unterhalten, er hatte mich über Deutschland ausgefragt, wir hatten sogar über ein paar meiner Witze gelacht. Allerdings war schon damals klar, dass man sich lieber nicht mit ihm anlegen sollte. Heute wünsche ich mir, ich hätte ihn nie kennengelernt. Oder besser noch: Er hätte Joanna nie kennengelernt, die blöde Kuh. Was erzählt sie ihm auch für einen Scheiß? Wir haben sie nie verarscht. Im Gegenteil: Sie hatte viel Spaß beim Dreh und wir haben ihr pünktlich ihre volle Gage bezahlt. Was erzählt sie ihm für einen Mist – und wieso glaubt er ihr? Na ja, er ist verliebt in die Bitch, und wenn man verliebt ist, macht man eben komische Sachen. Aber diese Situation ist echt übertrieben: Hinter den beiden stehen noch zehn superbreite Farbige, auch sie haben ihre unfreundlichsten Gesichter aufgesetzt. Sie sitzen am längeren Hebel, eindeutig. »30 000 Dollar, sonst …«

Wir drei, Lightskin, Jeff und ich, haben ebenfalls Verstärkung dabei. Lightskin hat seine am gefährlichsten aussehenden Freunde nach Miami gelotst. So stehen wir da, drei Jungs mit unserer kleinen Armee ­hinter uns, Joanna und ihr Freund uns gegenüber mit ihrer Armee hinter sich. 22 so finster wie möglich dreinblickende Schwarze inmitten der Feierarmee vor dem Wet Willie’s in der Nacht vor Thanksgiving.

Haben die anderen Knarren dabei und würden sie sie auch benutzen? Ich weiß nur, ich habe keine. Natürlich nicht. Die einzigen Eisen, die ich besitze, sind die Spielzeugpistolen aus meinen Videos – denen jedes Kind aus 100 Meter Entfernung ansieht, dass sie nicht echt sind. Es war meine Idee, sich vor dem Wet Willie’s zu treffen, weil dort immer viele Polizisten rumhängen – konnte ja keiner ahnen, dass sie ausgerechnet heute so beschwingt-gelangweilt aussehen, dass ich mich ganz bestimmt totlachen würde über sie, wenn ich mir gerade nicht ins Hemd machen würde. Ich war überzeugt, dass niemand auf die Idee kommen würde, ausgerechnet hier eine Schießerei anzufangen. Zumindest war ich das vor ein paar Tagen in Hamburg, als wir das Treffen arrangiert haben.

Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich sehe mich schon inmitten eines Mexican standoffs wie in einem Film von Quentin Tarantino: diese ausweglosen Szenen, wenn sich ein paar Gangster gegenseitig – und am besten über Kreuz – mit ihren entsicherten Knarren bedrohen und allen Beteiligten klar ist, dass alle sterben würden, sobald einer schießt. Darum schießt dann meistens doch keiner. Doch bei uns gäbe es einen Ausweg, einen sehr einfachen sogar: weil einer eben keine Pistole dabeihat und daher auf jeden Fall als Erster umgenietet werden würde. Schön blöd nur, dass ich der Kerl ohne Waffe bin.

30 000 Dollar! Und alles nur wegen der paar Pornos.

 

Ich habe Lightskin im Fitnessstudio kennengelernt, als ich recht spontan nach L. A. gezogen war. Ein paar Tage zuvor hatte mich im Fitnessstudio ein richtig breit gebauter Schwarzer angesprochen. Der Laden war in Studio City, einem der besseren Stadtviertel von L. A., nördlich der Hollywood Hills. In Studio City leben viele Schauspieler, denen Beverly Hills und Hollywood zu versnobt oder zu teuer sind. In meinem Fitnessstudio haben damals viele Darsteller aus Nickelodeon-Serien trainiert. Also nicht die ganz großen Stars, aber schon Leute, die man gekannt hat und die auf der Straße erkannt wurden.

Jedenfalls sprach mich eines Tages, ich war gerade am Pumpen, dieser Typ an. So, wie es oft passiert in Kalifornien. Doch dieses Mal ging das Gespräch in eine etwas komische Richtung.

»Hey, ich hab dich schon ein paarmal hier gesehen, alles klar?«

»Ja, alles klar.«

»Bist du im Geschäft?«

»In welchem Geschäft?«

»Bist du nicht der Cousin von Justin Slayer?«

Er hatte mich verwechselt. Natürlich hatte ich von Justin Slayer gehört und wusste, dass er früher in Pornos mitgespielt hatte und mittlerweile einer der erfolgreichsten Pornoregisseure war. Aber ich hatte nichts mit ihm zu tun und ihn auch nie kennengelernt.

»Nee, nee, ich mach keine Pornos.«

»Ach so, wirklich nicht? Okay, alles klar, man sieht sich.«

Zwei Tage später war ich wieder im Studio, und auch der Typ war dort. Er saß mit einem helleren Schwarzen zusammen, die in den USA »Lightskin« genannt werden. Der Typ zeigte auf mich. »Da, da ist er. Schau mal, der sieht doch aus wie der Cousin von Justin Slayer.«

Lightskin, wie ich ihn hier nennen werde, lachte, stand auf und kam zu mir. Er war fast so groß wie ich, hatte einen guten Körper, ohne übertrieben viele Muskeln zu haben, dazu wache Augen in einem fein geschnittenen Gesicht. Kurz: Er war eine Erscheinung, einer dieser Menschen, die sich dir einprägen, noch bevor sie den Mund aufgemacht haben. Wir unterhielten uns ein bisschen, und plötzlich fragte er: »Willst du nicht mal in einem Porno mitspielen?« Ich war zuerst ein wenig überrascht, aber dann fand ich die Frage eigentlich ganz cool. Ich war damals ein ziemlich großer Pornofan, und ehrlich gesagt, hatte ich mich schon ein paarmal gefragt, wie das so wäre als Darsteller, ob man noch Spaß am Sex haben konnte, wenn man auf Kommando ranmusste. Trotzdem sagte ich zu dem Pornoproduzenten: »Danke fürs Angebot. Aber ich kann keine Pornos drehen. Weißt du, ich mache in Deutschland Videos auf YouTube, ich bin mehr so der Familienmensch. Jugendfrei und so.«

Wir unterhielten uns noch kurz über sein und mein Videobusiness und am Ende gab er mir seine Karte.

»Schön, mit dir gesprochen zu haben, Al! Wenn du irgendwelche Probleme hast oder es dir doch anders überlegst, dann ruf mich an.«

»Ja, cool, Bruder. Take care, see you.«

Zwei Monate später war ich mal wieder in Las Vegas. Wer in L. A. irgendetwas mit Film macht oder sonst wie im Showbiz ist, kommt immer mal wieder nach Vegas. Drei Stunden entfernt, viel kleiner und übersichtlicher, Las Vegas ist für Leute aus L. A. immer so etwas wie der Ort für unerwartete Familientreffen. Ich war also gerade in einem Club, da klopfte mir plötzlich einer auf den Rücken – Lightskin.

»Hey, wie geht’s? Schön, dich wiederzusehen. Alles klar? Was machen die Videos? Denk dran, wenn was ist, ich bin für dich da, mein deutscher Freund.«

Das typische Gettogelaber, aber Lightskin war mir sympathisch, ich mochte ihn. Und er hatte ohnehin nicht vor, mich in Ruhe zu lassen. »Al, komm, sei mein Gast. Ich will dir was zeigen.« Dann führte er mich zu seinem Tisch, an dem fünf oder sechs ziemlich heiße Mädchen und ein paar Typen saßen. Die Jungs kannte ich nicht, doch die Mädels erkannte ich natürlich sofort. Es war so ein Moment, in dem du einfach nur »Sieeef, Digga« denken kannst. Alexis Texas saß da. Cherokee. Naomi Bangs. Und ein paar andere Pornostars, deren Werk ich nur zu gut kannte. Ich muss sogar zugeben, dass mich eine von ihnen nur ein paar Stunden zuvor mit all ihrer Pracht vom Bildschirm meines Laptops gegrüßt hatte. Und jetzt stellte Lightskin sie mir vor – Zufälle gibt’s.

»Hi, ich bin Al. Ich kenn dich.« –

»Du kennst mich?«

»Ja, ich kenn dich sogar ziemlich gut.«

So lief das, ganz einfach und locker, plötzlich kannte ich Pornostars persönlich und freundete mich mit einigen sogar an. Aber mit dem Geschäft hatte ich immer noch nichts zu tun. Die YouTube-Shows. Mein Image. Meine Fans. Mein Studium.

Als ich ein paar Monate nach der Begegnung in Las Vegas Vicky besuchte, eine Freundin aus Texas, fiel mir in einem Club ein wunderhübsches Mädchen auf. Ich steh ja auf Girls, die einen etwas größeren Hintern und etwas breitere Hüften haben. Und Texas ist genau für solche schwarzen Frauen bekannt. Ich sprach das Mädchen also an. In Amerika läuft es oft so, dass man als Erstes nach seinem Beruf gefragt wird, selbst bei einem versuchten Aufriss. »Was machst du so?« Ich hatte mir damals angewöhnt, darauf einfach »Ich mache Videos im Internet« zu antworten. Ich wollte nicht immer erklären müssen, dass ich in Deutschland einer der bekannteren YouTuber war. In Amerika kannte mich schließlich keiner, da war ich einfach nur Al, the german guy. Also sagte ich zu dem Mädchen: »Ich studiere in L. A. und mache Videos im Internet.«

»Du machst Videos im Internet? Damit verdienst du dein Geld?«

»Ja!«

»Kann ich mein Geld auch mit Videos im Internet verdienen?«

»Äh, klar, jeder kann das.«

»Hör mal, Al, kann ich in deinen Videos mitspielen?«

»Wohl kaum, du sprichst ja kein Deutsch.«

»Deutsch? Moment, was für Videos machst du denn?«

»Äh, YouTube.«

»Ach so, du machst YouTube-Videos? Keine Pornos?«

»Äh, nein, keine Pornos. Wieso, würdest du in Pornos mitspielen wollen?«

»Ja.«

»Und du würdest auch in meinen Pornos mitspielen?«

»Klar.«

Ich war sprachlos, echt – ungefähr 2,34 Sekunden lang. Pornos! ­Alter, was war los mit den Leuten? Sah ich wirklich aus wie einer aus dem Pornogeschäft? Sollte ich vielleicht mal über meinen Kleidungsstil nachdenken? Ohne weiter darüber nachzugrübeln, entschuldigte ich mich kurz bei dem Mädchen, ging aus dem Club und rief Lightskin an.

»Bruder, ich hab hier ein Mädchen, das Pornos drehen will. Hammerfrau! Hammerarsch! Und ein supersweetes Gesicht, ich sag’s dir. Sweet und versaut, dir würde es die Schuhe ausziehen. Interesse?«

»Klar, Bruder, hast du ein Foto von ihr?«

Natürlich nicht – ich Amateur. Also wieder rein in den Club, sie um Erlaubnis gefragt, mit meinem Handy ein Foto gemacht und an Light­skin geschickt. Es dauerte keine 30 Sekunden, dann klingelte mein Telefon. »Okay, okay, okay. Sehr gut. Sie soll ins Valley kommen, ich buch ihr einen Flug. Sie bekommt 1000 Dollar für ein paar Stunden Arbeit. Für die Vermittlung zahl ich dir 2000 Dollar, okay?«

»Äh, cool. Nein, Moment. Zahl mir 1500 Dollar und einen Flug. Ich wäre gern dabei!«

Jetzt war ich doch ein wenig nervös, ich kannte Lightskin ja kaum, hatte ihn nur zweimal gesehen in meinem Leben, und dieses Geschäft lief irgendwie fast zu einfach und reibungslos. Ich wollte also sichergehen, dass dem Mädchen nichts passierte. Das war ich meinem Gewissen irgendwie schuldig. Darüber, dass ich jetzt so etwas wie ein Agent für Pornostarlets war, habe ich gar nicht nachgedacht.

Am nächsten Tag flogen wir nach L. A., alles lief total unkompliziert. Wir trafen uns mit Lightskin und dem Darsteller. Das Mädchen und er verstanden sich auf Anhieb gut, daher verflüchtigte sich meine Nervosität allmählich, schließlich bot ich an, ein bisschen beim Dreh zu helfen und das Video dann auch zu schneiden. War das letztlich nicht das, was ich sowieso schon die ganze Zeit machte? Ich verdiente mein Geld seit Jahren mit Internetvideos, studierte an der Uni Film und Animation. Und ob du jetzt einen lustigen YouTube-Clip drehst und schneidest oder einen Porno, macht eigentlich keinen Unterschied. Oder? Eben! So begann meine Karriere im Pornogeschäft, so wurde ich zum Pornodarstellercaster. Das Geschäft lief richtig gut. Ich reiste durch die USA, sprach in Clubs, Restaurants oder auf der Straße Mädchen an und organisierte die Flüge nach L. A. Lightskin kümmerte sich um den Rest, um die Organisation, die, nun ja, Drehbücher, um Produktion und Vertrieb der Videos. Für jedes Mädchen, das ich vermittelte, bekam ich ein paar große Scheine, in kürzester Zeit verdiente ich so mehr als mit den YouTube-Videos. Manchmal half ich den Jungs noch beim Schneiden der Filme. Ein paarmal schärfte ich Lightskin ein, auch ja an die Einwilligungserklärungen zu denken, fragte aber letztlich nicht weiter nach. Schließlich war er der Produzent. Er hatte die Firma. Er war der Profi. Ich war nur der Scout. So dachte ich zumindest. Außerdem musste ich ja auch meine YouTube-Videos machen. Meine Fans in Deutschland warteten auf die neuen Folgen von Hey Al, der Familie Bert und auf meine Videospielvideos. Von meinem Nebenjob durften die YouTuber natürlich nichts mitkriegen, denn YouTube ist – völlig zu Recht – sexfreie Zone. Und Al war in Frauendingen eher ein naiver Trottel. Meine Videos waren zu der Zeit zudem noch komplett jugendfrei, sicher, manchmal streifte ich die Gürtellinie, aber ich blieb immer über ihr. Wobei ich aber zugeben muss, dass es mir damals hin und wieder schwerfiel, meine Klappe zu halten. Einige Male machte ich in den Videos kleine Anspielungen auf meine Nebenbeschäftigung. Bei Hey Al #30 – Ein guter Schwimmer antworte ich auf die Frage »Hey Al, wie kann man ganz schnell ganz viel Geld machen?«: »Mach doch einfach einen Sandwichladen auf!«


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http://youtu.be/gE41VezxLvs


Was damit wohl gemeint war? Hmmmm.

Nach dem Ende meines Studiums im Frühjahr 2012 war ich in Texas geblieben, aber aus dem Pornogeschäft ausgestiegen. Meine YouTube-Videos, die mehr und mehr angeklickt wurden, produzierte ich jedoch weiter. Mein Leben war großartig, muss ich ganz ehrlich sagen. Von mir aus hätte es ewig so weitergehen können. Doch dann rief Joanna an.

Ich wusste sofort, wer sie war. Joanna aus Chicago. Nigerianerin. In Amerika heißt es: Leg dich ja nicht mit Jamaikanern, Haitianern oder Nigerianern an, die verstehen keinen Spaß. Und zum Spaßen aufgelegt war Joanna gerade auch überhaupt nicht. »Nehmt den Film mit mir aus dem Netz! Sofort!« Ich wusste eigentlich gar nicht, was ihr Problem war. Joanna hatte ihre Kohle bekommen, der Clip war absolut in Ordnung gewesen, wir hatten schon deutlich billigere Filmchen gemacht. »Joanna, was ist los? Du wolltest das Video doch unbedingt machen. Und das Geld hast du auch genommen.«

»Nehmt ihn raus. Mein neuer Freund darf ihn nicht sehen. Nehmt … ihn … raus!«

»Joanna, hör mal …« –

»NEHMT IHN RAUS! AUSSERDEM HABT IHR MICH DAZU GEZWUNGEN.«

Eine Spur weniger dramatisch ging’s wohl nicht. Trotzdem: Alter!!! Der Vorwurf war hart, scheißegal, dass sie log. Ich war mit einem ­Studentenvisum in die USA gereist, meine Arbeitsgenehmigung war noch nicht unbefristet, eine Anklage wegen illegaler Pornografie, Erpressung oder was auch immer konnte ich jetzt absolut nicht gebrauchen. Aber wir hatten doch die Waiver. Hatten wir doch, oder?

Und dann war da noch ihr Freund, dieser Gangsta-Boss. Meine Gedanken spielten Flipper. Scheiße, scheiße, scheiße! Ach, was kann der mir schon? Der sitzt in Chicago, ich bin in Dallas. Außerdem: Soll Joanna doch einfach die Klappe halten. Gezwungen – so ein Unsinn.

Da meine Cousine damals gerade zu Besuch war, beruhigte ich mich schnell wieder und nahm später noch ein YouTube-Video auf. Um Joanna würde ich mich danach kümmern. Irgendwann. Ich verdrängte den Anruf.

 

»Bruder, du musst raus aus den Staaten. Sofort! Die Nigerianer wollten mich kidnappen, aber ich bin abgehauen, doch als Nächstes bist du dran. Hau ab! Sofort!«

Ich saß im Auto, als Lightskin anrief. Gerade hatte ich meine Cousine zum Flughafen gebracht und war auf dem Rückweg noch kurz beim Sport gewesen. Lightskin klang seltsam weit weg und wirklich aufgeregt. Eigentlich ist er ein ziemlich gefährlicher Kerl, und wenn der Angst hat, muss es wirklich ernst sein.

»Alter, wo bist du?«

»In Afrika. Nimm einen Ratschlag an von einem Bruder, Al. Beweg deinen Arsch zum Flughafen und flieg nach Deutschland.« –

»Warte, warte, warte! Afrika???? Wann, bitte, waren die Typen denn bei dir?«

»Vorgestern. Die kommen sicher als Nächstes zu dir oder Jeff. Hau ab!«

Vorgestern? VORGESTERN! Und das sagt er mir erst jetzt? Der Typ hatte Nerven! Doch Moment: Jeff war der Typ gewesen, mit dem Joanna in ihrem Video zugange gewesen war. Wieder Gedankenflipper: Auf den waren sie bestimmt noch schlechter zu sprechen als auf mich. Ich versuchte mich zu beruhigen. Wurde ich verfolgt? Ich schaute in den Rückspiegel. Nichts. Die ganze Fahrt nach Hause blickte ich mehr in den Rückspiegel und nach links und rechts als auf die Straße. Zu Hause angekommen, kam mir der Hausmeister entgegen und meinte: »Al, da haben ein paar Leute nach dir gefragt …«

Ich schaltete sofort auf Autopilot um, habe gar nicht mehr nachgedacht, nur noch funktioniert. Tasche. Packen. Flughafen. Ticket. Ticket? Moment, der Typ wusste, dass ich aus Hamburg war. Also am Ticketschalter Trick 17, so richtig versieeft: »Den nächsten Flug nach Paris, bitte!«

In Charles de Gaulle angekommen, machte ich auf der Straße ein Video, lud es sofort auf YouTube hoch. Ich wusste, dass der Typ ein bisschen Französisch sprach, also sagte ich: »Oui, oui, salut! Hahaha. Je suis à Paris. Höhöhö. Ich leb jetzt hier.«

Ziemlich armselig, ich weiß, aber damals kam ich mir sehr klug vor. Dann flog ich nach Hamburg weiter. Heim. Einfach nur nach Hause. Ruhe!

Joanna und ihr Macker konnten mich mal. Aus den Augen, aus dem Sinn. Auch dass mein Auto am Flughafen stand und ich meine Wohnung in Texas weiterbezahlen musste, verdrängte ich, so gut es ging. Meinen Eltern und Freunden erzählte ich nur, dass ich ein paar Dinge organisieren müsste in Hamburg für die Agentur, wegen der Videos, und ich nicht genau wüsste, wie lange das dauern würde. Den Jungs in der Agentur sagte ich, dass ich ein bisschen Heimweh nach Deutschland gehabt hätte und mal wieder ein paar Videos in Hamburg drehen wollte.

 

Wochen später: »Du kannst dein ganzes Leben weglaufen. Aber wenn ich will, werde ich dich finden. Überall!« Die SMS. Es dauerte ein paar Tage, bis ich Lightskin endlich am Telefon hatte: »Ich kann so nicht leben. Wir müssen das klären mit den Nigerianern. Mein ganzes Leben ist noch in den USA, mein Auto steht da, ich zahle sogar noch die Miete für meine Wohnung.«

Als ob ich damals keine anderen Sorgen gehabt hätte!

»30 000 Dollar, sonst …« Die Drohung steht im Raum, sie schwebt über uns, senkt sich bedrohlich. Wieso schreitet die Polizei eigentlich nicht ein? Sehen wir etwa nicht gefährlich aus, so wie wir hier stehen? Lightskin schaut uns an. Jeff. Mich. Wir nicken und zahlen. Natürlich erst, nachdem wir allen Geldautomaten in der Nähe einen Besuch abgestattet haben. Tolle Gangsta sind wir! Gehen zum Tag der Abrechnung und haben nicht mal Geld dabei.

Lightskin überreicht Joanna schließlich das Geldbündel. Sie lächelt triumphierend und ihr Freund wendet sich mir zu: »Ich hab nichts gegen dich, mein deutscher Freund. Du bist ein lustiger Kerl. Du bist smart und hast diese Sache klären wollen. Das respektiere ich. Aber komm niemals wieder nach Chicago. Ihr drei habt ab sofort Chicagoverbot. Und glaubt mir, ich würde es sofort erfahren, sobald ihr einen Fuß in meine Stadt setzt.«


2. Mädchen klarmachen leicht gemacht (muss ja kein potenzielles Pornostarlet sein)

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Ja, Leute, ob ihr’s glaubt oder nicht, aber ich bin wirklich ein Spätzünder, das erste Mädchen habe ich geküsst, als ich schon 18 war. Dann dafür umso öfter – und umso mehr. Als ich in den Staaten war, habe ich jedes Mädchen eigentlich immer mit derselben Masche klargemacht. Sobald ich mich dazu überwunden hatte, sie anzusprechen, meinte ich: »Hey, darf ich dich was fragen?«


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Alle, die dann nicht sofort das Weite gesucht oder sich auf dem Absatz umgedreht haben, bekamen dann das zu hören: »Willst du meine Frau werden?«

Wenn sie gelacht haben, war der Rest ein Kinderspiel, ganz einfach. »Nee, nee, Spaß. Hi, ich bin Al, alles klar?«

Wenn ihnen mein Akzent aufgefallen war, hatte ich sie.

»Woher kommst du?«

»Deutschland.«

»Oh, echt? Glaub ich nicht …«

Interesse wecken, gepflegten Small Talk führen – und schon kannst du – vielleicht – überall landen. Vor allem mit ihr.

Es geht einfach darum, locker zu sein, nicht groß darüber nachzudenken, welche Wirkung man haben könnte. Einfach loslegen! Zugegeben, das ist jetzt nicht der ausgeklügeltste oder weiseste Ratschlag von allen, aber mehr kann ich euch nicht sagen. Bei mir funktioniert das. Es ist das Al-Prinzip für jede Gelegenheit.

Wobei, eine Sache hätte ich noch, auch auf die Gefahr hin, dass viele Mädchen, die mich mal näher kennengelernt haben, innerlich ganz schön kochen dürften, wenn sie das jetzt lesen: Ich habe oft auch die Prinzessinenmasche gebracht.

Prinzessin, das Wort ist echt verhurt bei mir. Ich habe eigentlich alle meine Exfreundinnen immer »Prinzessin« genannt. Auch zu meiner Frau sage ich es. Aber nicht nur: Wie oft habe ich zu Mädchen, die ich eigentlich gar nicht kannte, »Du bist für mich eine Prinzessin« gesagt? Auf diesen Satz können zwei Reaktionen folgen. Entweder das Mädchen lacht dich aus und ignoriert dich dann (geht auch ohne Lachen) oder sie tut überrascht und sagt etwas wie: »Oh, danke schön, findest du? Aber warum?«

Dann musst du schnell sein: »Weißt du, es gibt viele Frauen, die wirklich hübsch sind. Aber die haben meistens einen Scheißcharakter oder sind eingebildet. Dann gibt es Frauen, die einen richtig coolen Charakter haben, aber das sind meistens nicht die hübschesten. Aber eine Prinzessin ist richtig hübsch und hat einen tollen Charakter. Ich will nicht sagen, dass du die einzige Prinzessin auf der Welt bist, aber es gibt sehr, sehr wenige und sie sind schwer zu finden. Und du bist die erste Prinzessin, die ich je getroffen habe.«

Ja, das hat immer ganz gut gezogen bei den Mädchen. Furchtbares Gelaber, ich weiß. Aber effektiv. Tja, und jetzt muss ich mir ja sowieso eine neue Masche überlegen. Eines weiß ich aber, diesen Satz, den ich kürzlich mal gelesen habe, werde ich sicher nie sagen. »Deine Lippen sind wie Rotwein und ich würde mich jetzt gerne betrinken!«