Sein Gesicht kannten Millionen Fernsehzuschauer seit Jahrzehnten, seinen Namen kaum jemand. Dann war der Name eines neuen Oscar-Preisträgers weltweit in aller Munde – und die Menschen waren bass erstaunt, als sie sein Gesicht sahen.
Die späte Karriere des Schauspielers Christoph Waltz ist eine der ungewöhnlichsten Erfolgsgeschichten unserer Zeit. Seit den Achtzigern stand der Mann aus Wien immer wieder vor dem großen Durchbruch, musste sich dann aber doch erneut mit Nebenrollen über Wasser halten. Als er 1996 die Hauptrolle in »Die Roy Black Story« übernahm, wurde seine Leistung gefeiert, bekam er Preise und wurde mit Lob überschüttet. Das wiederholte sich wenige Jahre später, als er den Entführer des Industriellensohnes Richard Oetker spielte. Preise, Lob, Anerkennung. Wenig später war das alles vergessen. Christoph Waltz gab einmal mehr den Nebenrollen-Fiesling, den Psychopathen oder Sonderling, mal in »Derrick«, mal bei »Der Alte« oder auch »Kommissar Rex«.
So wäre es womöglich ewig weitergegangen. Wenn nicht ein amerikanischer Regisseur in Berlin nach deutschsprachigen Darstellern gesucht hätte. Quentin Tarantino, das Enfant terrible unter den Hollywood-Regisseuren, schrieb Christoph Waltz die Rolle des SS-Obersts Hans Landa in »Inglourious Basterds« quasi auf den Leib. Waltz machte Landa zu einem Ereignis.
Der Rest ist Geschichte: 2010 der erste Oscar als bester Nebendarsteller, 2013 der zweite Oscar. Dazwischen zahlreiche weitere Filme mit Waltz als Hauptdarsteller inmitten geballter Hollywood-Prominenz. Heute ist der so lang verschmähte und unterschätzte Akteur der einzige echte deutschsprachige Star im internationalen Filmgeschäft. Aus dem Vergessen und einem kargen Alltagsgeschäft an die Weltspitze in wenigen Jahren.
Nun könnte man denken, dass einer, der so lange auf Anerkennung warten musste, sich im Starrummel sonnt und alles dafür tut, um im Gespräch zu bleiben. Doch die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Christoph Waltz nicht nur ein außergewöhnlicher Schauspieler ist, auch als Mensch unterscheidet er sich deutlich von vielen seiner Berufskollegen. Mittlerweile 57 Jahre alt und mit reichlich Lebenserfahrung ausgestattet, hält er wenig davon, Privates in den Medien auszubreiten. Tritt Waltz außerhalb der Dreharbeiten vor Kameras und Mikrofone, dann allein aus dem Grund, um über seine Arbeit zu sprechen.
Es gibt kaum einen anerkannten Weltstar, über dessen Privatleben die Öffentlichkeit so wenig weiß wie über Christoph Waltz. Er spricht nicht nur ungern über Privates – er spricht eigentlich gar nicht darüber. Das Einzige, was er immer wieder über sein Leben als nicht öffentliche Person berichtet, ist, dass ihm der Schutz seiner Privatsphäre heilig ist, dass die Verweigerung entsprechender Auskünfte für ihn fast schon eine Besessenheit darstelle.
Was allerdings etwas übertrieben ist: Christoph Waltz erzählt trotzdem über sein Leben. Nur ist es eben nicht so, dass er die Welt das, was er preisgibt, schön gebündelt an einem einzigen Tag wissen lässt. Will man ihm auf die private Seite folgen, muss man sich auf eine aufreibende Schnipseljagd einstellen. Wer etwas über ihn erfahren möchte, muss also mit ihm ausführlich über seine Rollen oder seine Einstellung zur Schauspielerei reden, um irgendwann auf ein paar beiläufig eingestreute Bemerkungen zu stoßen, die etwas Licht auf den Menschen Waltz werfen. Wer wirklich alles über ihn wissen will, der muss eine gehörige Portion Geduld mitbringen. Am Ende aber lässt sich auch das Geheimnis des Christoph Waltz entschlüsseln. Das Geheimnis eines Mannes, der eigentlich nie Schauspieler werden wollte, am Ende aber gar nicht anders konnte. Der schon in jungen Jahren nach Amerika ging und Hollywood den Rücken kehrte, bevor Hollywood ihn überhaupt bemerkte. Wer etwas tiefer bohrt, wird auch feststellen, dass das ständige und jahrelange Vorbeischrammen am großen Erfolg in Christoph Waltz doch Spuren hinterlassen hat: Der Mensch, der heute so sanft und immer lächelnd in die Kameras schaut, war ein zutiefst enttäuschter Zyniker am Rande der Depressivität, bevor Tarantino ihn davor bewahrte, endgültig in Bitterkeit zu versinken. In einem Punkt allerdings blieb Christoph Waltz unversöhnlich und abschätzig: Er hasst Weihnachten von ganzem Herzen.