Cover

Adolf Timm
Klaus Hurrelmann

Stark in die Schule

Was Kinder vor der Einschulung brauchen

Grafische Gestaltung: Anneke Goertz

Die Autoren

Adolf Timm war in der Lehrerbildung Schleswig-Holsteins tätig und Schulleiter der Europaschule Timmendorfer Strand. Er hat das Elterntraining Die Gesetze des Schulerfolgs (GdS) entwickelt, das bundesweit in Schulen und Kitas eingesetzt wird. Als Buchautor setzt er sich für eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Eltern, Erziehern und Lehrern ein. Weitere Informationen unter: www.elterntraining-schulerfolg.de

Klaus Hurrelmann ist Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin. Bei Beltz veröffentlichte er zuletzt Wie gerecht ist unsere Welt? Kinder in Deutschland 2013 und (mit Erik Albrecht) Die heimlichen Revolutionäre. Wie die Generation Y unsere Welt verändert.

Impressum

Die Namen der Kinder wurden zum Schutz ihrer Privatsphäre geändert.


Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich:

ISBN 978-3-407-85993-8


Die Grafiken basieren auf Entwürfen von Eva Jermer & Helmut Jermer. Mit weiterführenden Hinweisen haben uns Eva Jermer und Gisela Witte unterstützt. Die einfühlsame Bearbeitung des Manuskripts hat Tarek Münch erledigt. Ihnen gilt unser Dank.


Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen.


www.beltz.de


© 2015 Beltz Verlag, Weinheim und Basel

Lektorat: Tarek Münch

Umschlaggestaltung: www.anjagrimmgestaltung.de (Gestaltung),
www.stephanengelke.de (Beratung)

ISBN 978-3-407-22276-3

Inhalt

Die drei A des Magischen Erziehungsdreiecks

1 Verbünden Sie sich mit der Neugier Ihres Kindes

2  Erkennen Sie die Stärken Ihres Kindes

3  Setzen Sie sich und Ihrem Kind Ziele

4  Öffnen Sie Ihrem Kind Freiräume

5  Schenken Sie Ihrem Kind Herzenswärme

6  Lassen Sie keinen Raum für Beschämung

7  Stärken Sie den Charakter Ihres Kindes

8  Schaffen Sie ein gutes Familienklima

9  Formulieren Sie klare Regeln

Bildung beginnt in der Familie

Quellennachweis

Die drei A des Magischen Erziehungsdreiecks

Wie alle Untersuchungen zeigen, sind Eltern die wichtigsten Bildungsberater ihrer Kinder. Sie wollen das Allerbeste für ihr Kind und legen die Latte der Ansprüche heute, in Zeiten eines unsicheren Arbeitsmarktes, sehr hoch. Aus aktuellen Umfragen geht hervor, dass über 70 Prozent der Eltern für ihr Kind das Abitur als den angestrebten Schulabschluss nennen, ein Wert, der noch nie zuvor eine solche Höhe erreicht hat. Dieser hohe Qualifizierungswunsch, der schon in den ersten Lebensjahren des Kindes artikuliert wird, macht auch deutlich, wie hoch der Druck im gesamten System von Erziehung und Bildung heute ist. Die Eltern müssen diesen Druck aushalten, es wird von ihnen geradezu erwartet, dass sie sich so verhalten, dass ihr Kind den Weg zum Abitur schafft. Und sie selbst bekennen ja auch, dass sie dieses Ziel haben.

In einer solchen Situation sind Unterstützung und Hilfestellung für Mütter und Väter so wichtig wie noch nie. Neben den allgemeinen Unterstützungen durch Elternprogramme brauchen Mütter und Väter ganz gezielte Hilfen im Hinblick auf die Leistungsanforderungen, die sich ihren Kindern heute stellen und die sie als Eltern an ihre Kinder richten. Die gesamte Beziehung zu den Kindern kann unter dem Diktat der Leistungserwartungen leiden, wenn Eltern den Eindruck haben, ihr Kind sei den Anforderungen nicht gewachsen, die sich schon in wenigen Jahren aus gesellschaftlichen und beruflichen Erwartungen ergeben.

Als Grundkonzeption für einen Ansatz der Unterstützung von Eltern habe ich das Modell der »Drei Pädagogischen A« konzipiert. Das Modell soll Eltern helfen, die richtige Balance aus Anerkennung, Anregung und Anleitung zu erreichen und diese drei Pole der Erziehung so eng wie möglich miteinander zu verbinden. Die drei A bilden ein »Magisches Erziehungsdreieck«: Gelingt es Eltern, alle drei Pole zu berücksichtigen und miteinander zu verbinden, dann schaffen sie eine gute Ausgangssituation sowohl für die Erziehung als auch für die Bildung ihrer Kinder.

85993_SBR_Hurrelmann_Abb_026_png.jpg

Anerkennung

Das Kind benötigt sie, weil es Wärme, emotionale Zuwendung und Akzeptanz braucht, um an sich selbst zu glauben. Ein Kind benötigt diese gefühlsmäßige Zuwendung wie Brot und Wasser, um sozial überleben zu können. Doch so eigenartig es klingt: Es darf auch nicht zu viel der Zuwendung sein, wenn ein Kind eine starke Persönlichkeit entwickeln soll. Eine zu enge emotionale Atmosphäre kann problematisch sein, weil Kinder sich von der Liebe und Zuwendung der Eltern erdrückt fühlen und sich nicht selbstständig entfalten können. Anerkennung darf nicht »Anbetung« bedeuten, und Zuwendung darf nicht bedeuten, dass das Kind keinen eigenen Spielraum mehr für persönliche Empfindungen hat. Übertriebene Anerkennung kann die Leistungsmotivation eines Kindes empfindlich beeinträchtigen. Auf die richtige Dosierung der Anerkennung kommt es an. Zu wenig davon ist selbstverständlich auch schädlich: Eine gefühlsmäßig kühle und zurückweisende oder sogar ablehnende Haltung von Eltern kann zu Störungen des Selbstwertgefühls beim Kind führen, und die wirken sich sehr ungünstig auf seine Leistungsfähigkeit aus.

Anregung

Sie braucht das Kind in Gestalt von Rückmeldungen zu dem jeweils erreichten Entwicklungsstand im sozialen und im Leistungsbereich. Diese Rückmeldung dient der Bestätigung und Selbstvergewisserung, zugleich enthält sie Impulse für eine Weiterentwicklung und Verbesserung des Entwicklungsstandes. Ebenso wie die Anerkennung muss auch die Anregung sehr wohldosiert sein. Es kann zu viel und zu wenig davon geben, und diese Abweichungen sind für das Kind nicht förderlich. Sind die Erwartungen an die Weiterentwicklung zu hoch, kann das Kind überfordert werden. Sind sie zu niedrig, wird das Kind unterfordert. Bei einer zu niedrigen Stimulation erhält das Kind auch zu wenige Anstöße für eine höhere Motivation, es fühlt sich in der Regel nicht ernst genug genommen. Bei einer zu hohen Stimulation kann es zu Belastungen und Überforderungen kommen, die im Endeffekt auch das Bild von der eigenen Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen. Es entsteht der Eindruck, den Standards der Eltern nicht gerecht werden zu können und ein Versager zu sein.

Anleitung

Bei der Anleitung geht es um ein der Entwicklung des Kindes und seiner Persönlichkeit gerecht werdendes Ausmaß an klaren Vereinbarungen und Umgangsformen, die Halt und Struktur im Zusammenleben geben. Werden die Umgangsformen von den Erwachsenen in einer unvermittelten Weise kategorisch einfach gesetzt, ohne auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes Rücksicht zu nehmen, so kommt es zu einem autoritären Erziehungsstil, der die kindlichen Bedürfnisse unterdrückt. Werden keine klaren Regeln vereinbart und gibt es auch keine Sanktionen beim Verletzen von Regeln, dann fühlen sich Kinder wie in einem grenzenlosen Raum und suchen nach Halt und Konturen. Ungünstig ist es auch, wenn Eltern und Erzieher je nach Situation und Stimmung zwischen klaren Regelsetzungen mit scharfen Strafen bei Verletzungen und großzügiger Regellosigkeit ohne jede Konsequenz hin und her schwanken. Auch hier zählt wie bei den beiden Polen der Anerkennung und Anregung die goldene Mitte; eine klare und sichere Festlegung von Umgangsformen und Regeln und eine ebenso deutliche Vereinbarung über die Sanktionen bei Verletzungen der Regeln.

Eine Frage der Balance

In diesem Buch nimmt nun Adolf Timm als professioneller Pädagoge mit Erfahrungen in der Schüler-, Lehrer- und Elternbildung eine praktische Umsetzung und detaillierte Ausarbeitung des Magischen Erziehungsdreiecks vor. Ich selbst hatte es als einen theoretischen Entwurf konzipiert, der die Richtung für praktisches pädagogisches Handeln angibt. Adolf Timm nimmt diese Spur auf und stellt ganz konkret die Herausforderungen dar, die sich aus diesem Modell ergeben. Mit vielen Beispielen illustriert er, wie Eltern Einstellungen ausbilden können, um die drei Pole Anerkennung, Anleitung und Anregung in ein Gleichgewicht zueinander zu bringen und sie dann im alltäglichen Erziehungsprozess anzuwenden. Dass alle Kinder und Jugendlichen ihre Potenziale ausschöpfen und ihre Würde geachtet wird, ist dabei seine Leitlinie.

85993_SBR_Hurrelmann_Abb_025_png.jpg

Nur wenn keines der drei A überbetont oder vernachlässigt wird, können sich Sprachfertigkeiten, Grob- und Feinmotorik, Lernfreude und Leistungsbereitschaft, Werte und Tugenden, Selbstkontrolle, Selbstbewusstsein und soziale Fertigkeiten beim Kind angemessen entwickeln. Nicht nur muss die jeweilige Dosierung von Anerkennung, Anleitung und Anregung stimmen, auch das Verhältnis der drei A zueinander muss in Harmonie sein. Mal braucht ein Kind die Komponente Anerkennung etwas stärker als die der Anregung, mal ist es umgekehrt. Mal kommt es besonders auf die Anleitung an, dann müssen die beiden anderen A etwas zurücktreten. Mal steht umgekehrt die Anregung im Vordergrund und die beiden anderen A halten sich zurück. Kurz: Die drei A sollten von den Eltern im Idealfall immer in einer lebendigen Balance gehalten werden, wie die drei Bälle eines Jongleurs, die sich immer in der Luft befinden, um sich kreisen und kunstvolle Figuren bilden. So können Sie Ihr Kind fördern und fordern und legen damit das Fundament, das es für eine gute Entwicklung seiner schulischen Leistungsfähigkeit braucht.

Adolf Timm zeigt, dass nicht nur Intelligenz und Wissen ausschlaggebend für den späteren Erfolg eines Kindes in Schule und Beruf sind, sondern es genauso auf andere Eigenschaften ankommt: Neugier, Selbstwertgefühl, Zielstrebigkeit, Selbstdisziplin und emotionale Kompetenz. Seine Schlussfolgerung lautet: »Unsere Kinder können mehr. Alle wollen lernen. Jeder ist gut in irgendetwas. Dass sie ihre Potenziale ausschöpfen, entscheidet sich weitgehend in der Zeit vor ihrem Eintritt in die Schule.« Dem ist voll zuzustimmen. Als Lernbegleiter ihrer Kinder sind Eltern von der Geburt an bis zum Schulabschluss gefordert.

Die Stärkung der Familie ist daher der Schlüssel zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Familie wird nicht nur durch Geldzuwendungen und steuerliche Entlastungen gestärkt, sondern auch durch die Unterstützung ihrer Erziehungs- und Bildungskompetenzen. Die Kinder selbst wissen das sehr genau. Sie haben ein großes Interesse an kompetenten und einflussreichen und gleichzeitig entspannten Eltern. Sie wünschen sich Mütter und Väter, die im sozialen Umfeld eine sichere Position haben und diese Sicherheit auch in die Familie hineintragen.

Das zeigen auch die im Auftrag der Kinderhilfsorganisation World Vision Deutschland regelmäßig durchgeführten repräsentativen Befragungen von sechs bis elf Jahre alten Kindern und ihren Eltern in Deutschland (World Vision 2007, 2010, 2013). Ihr zentrales Ergebnis: Nichts ist den Kindern unangenehmer, als Eltern zu haben, die selbst verunsichert sind – zum Beispiel durch Arbeitslosigkeit, unzureichende berufliche Qualifikation oder finanzielle Armut. Die befragten Kinder möchten, dass ihre Eltern sich in ihrer Rolle als Mütter und Väter wohl fühlen und mit dieser sicheren inneren Haltung auch an ihre Kinder herantreten. Sie sind – und das ist besonders bemerkenswert – sogar der Auffassung, dass es für sie von Vorteil ist, wenn sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter berufstätig sind. Sie nehmen es in Kauf, dass hierdurch zeitliche Engpässe für die Betreuung in der Familie entstehen. Wichtiger ist ihnen, dass ihre Eltern Selbstbewusstsein und Zuversicht ausstrahlen und sich aus einer solchen Haltung heraus auch um sie als Kinder kümmern.

Kinder wünschen sich zuverlässige und berechenbare Muster

In der World Vision Kinderstudie wurde gezielt danach gefragt, ob die Kinder zufrieden sind mit der Zuwendung und der Zeit, die sie von ihren Eltern empfangen. Das überraschende Ergebnis: Die Kinder von arbeitslosen Eltern zeigen sich eindeutig am unzufriedensten. Obwohl man annehmen kann, dass ihre Eltern eigentlich besonders viel Zeit für ihre Kinder aufbringen können, sind sie mit der Ausgangssituation zu Hause und mit dem Verhalten ihrer Eltern unglücklich. Dagegen schneiden sogar Eltern eindeutig besser ab, die beide in Vollzeit berufstätig sind.1

Dieser Befund zeigt, wie aktiv sich die Kinder in Deutschland heute mit ihrer eigenen Lebenssituation und der ihrer Familie auseinandersetzen. Sie haben erstaunlich klare Vorstellungen, wie ihre Eltern sich verhalten sollten. Sie möchten von ihnen anerkannt und akzeptiert werden, aber zusätzlich auch die notwendigen Hinweise, Anleitungen und angemessenen Herausforderungen und Anregungen erhalten, um ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln. Dafür wünschen sie sich einen sicheren Rahmen, innerhalb dessen sie einen festen und zuverlässigen Platz haben. Wenn die Zeit der Eltern knapp ist, dann möchten sie genau wissen, in welchem Zeitfenster sie unbegrenzten Zugang zu ihnen haben. Wenn die Eltern durch berufliche Anforderungen eingespannt sind, nehmen sie das akzeptierend hin, wollen aber genau wissen, wann und in welcher Weise die Eltern sich ihnen wieder zuwenden. Sie wollen so viel Anerkennung, Anleitung und Anregung wie irgend möglich. Weil sie aber realistisch sehen, dass die Ressourcen der Eltern begrenzt sind, möchten sie die drei A nach zuverlässigen und berechenbaren Mustern abrufen können.

Das lässt sich an einem anderen Befund ablesen. Unzufrieden sind vor allem jene Kinder, deren Eltern sich nie um ihre Hausaufgaben kümmern und ihre schulischen Angelegenheiten nicht regelmäßig begleiten.2 So angenehm es für die Kinder ist, nicht immer ganz engmaschig von den Eltern kontrolliert zu werden, so sehr stört es sie letzten Endes doch, wenn das Interesse der Eltern zeitlich und sozial unvorhersehbar ist und sie nicht wissen, wie sie es einfordern können. Kinder wollen, dass sich ihre Eltern dafür interessieren, was sie freiwillig machen, und auch dafür, was sie in der Schule pflichtgemäß zu tun haben. Mit anderen Worten: Kinder wünschen sich kompetente Eltern, und zwar auch dann, wenn sich diese Kompetenz in steuernden und strukturierenden Eingriffen von Mutter und Vater niederschlägt und Freiheiten damit eingeschränkt werden. Intuitiv haben Kinder ganz offensichtlich ein ausgeprägtes Gefühl dafür, was gut für sie ist und was nicht.

Dieser Befund aus der World Vision Kinderstudie unterstreicht, wie wichtig es für Eltern ist, die eigenen Fähigkeiten zum Erziehen und Bilden zu reflektieren. Das in diesem Buch vorgestellte Programm soll Ihnen dabei helfen. Als Mutter und Vater sind Sie zwar eindeutig die Top-Expertin/der Top-Experte für Ihr Kind, aber von Zeit zu Zeit braucht jeder Fachmann eine gezielte Fortbildung. Die Familie hat sich zur Bildungsinstitution gewandelt, dadurch sind die Eltern von den wichtigsten Erziehern auch zu den wichtigsten »Bildnern« ihrer Kinder aufgestiegen.

Das Erziehungsdreieck schützt die Kindheit

Aber halt – wenn Bildung schon gleich nach der Geburt in der Familie beginnt und richtig organisiert wird, besteht dann nicht die Gefahr, die gesamte Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes vom ersten Lebenstag an einzig und allein unter dem Gesichtspunkt der intellektuellen, kognitiven Entwicklung des Kindes zu instrumentalisieren? Wenn schon im Kleinkindalter und während der Zeit im Kindergarten so intensiv auf die Leistungsfähigkeit eines Kindes geachtet wird, wo bleiben dann die spielerische und zweckfreie Kindheit, das In-den-Tag-Hineinleben, das Träumen, das Versinken in Fantasiewelten?

Diese Fragen stellen sich viele Eltern heute zu Recht. Sie machen sich Sorgen, dass sie unter dem hohen Druck, ihr Kind so früh wie möglich auf einen erfolgreichen Schulabschluss auszurichten – und das ist heute das Abitur –, den gesamten Rest der Persönlichkeitsentwicklung ihres Kindes vernachlässigen könnten.

Sie können unbesorgt sein. Wenn sie mit den folgenden neun Kompetenzen entsprechend dem Erziehungsdreieck umgehen, sind sie vor diesem Risiko geschützt. Durch die Kombination von Anerkennung, Anregung und Anleitung, durch die gleichberechtigte Berücksichtigung aller drei Komponenten, kommt es gerade nicht zu einer Einseitigkeit in der Förderung des Kindes. Die emotionale Komponente der Anerkennung hat das gleiche Gewicht wie die motivierende Komponente der Anregung und die steuernde der Anleitung.

Das Erziehungsdreieck ist ja gerade deswegen »magisch«, weil es eine handwerkliche »pädagogische Zauberkunst« darstellt, die jeder erlernen kann, und am Ende immer ein gutes Ergebnis herauskommt. Die Kunst besteht darin, die unterschiedlichen Impulse für die Persönlichkeits- und Leistungsentwicklung eines Kindes ständig miteinander in ein Gleichgewicht zu bringen. Halten sich Mütter und Väter und halten sich Erzieher und Pädagogen an diese Prinzipien, gehen Erziehung und Bildung Hand in Hand und ist das Übergewicht einer der beiden Prozesse gegenüber dem anderen ausgeschlossen.

Erziehen ist eine Kunst, aber man kann sie wie jede Kunst lernen. Sie ist die Basis für Bildungsprozesse, die ohne eine Bahnung von persönlichen Eigenschaften und ein sicheres Fundament der Bindung gar nicht funktionieren könnten. Bildung von Kindern ist nur möglich, wenn sie sprechen, hören, singen, denken, kalkulieren, kombinieren, fühlen, tasten und riechen können und in der Lage sind, ihren Körper und ihre Person ebenso wie die soziale und die dingliche Umwelt wahrzunehmen. Bildung beginnt von Geburt an in der Familie, ist aber immer eingebunden in eine Erziehung, die auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht. Baut sie auf dem Erziehungsdreieck von Anregung, Anerkennung und Anleitung auf, dann kann sie sich gar nicht von den andern Aspekten der Persönlichkeitsentwicklung abspalten.

Klaus Hurrelmann

1Verbünden Sie sich mit der Neugier Ihres Kindes