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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 Verlag Anton Pustet
Bergstraße 12
5020 Salzburg
Sämtliche Rechte vorbehalten.

Illustrationen: Stefan Kahlhammer
Titelillustration: © Konstanttin 2012, mit Genehmigung von Shutterstock.com

Grafik, Satz und Produktion: Tanja Kühnel
Lektorat: Martina Schneider

eISBN 978-3-7025-8004-9
ISBN 978-3-7025-0684-1

www.pustet.at

Die zwölf Raunächte zwischen Weihnachten und Dreikönigstag sind heilig, geheimnisvoll, traumhaft oder gar gefährlich!? Es gibt darüber viel überliefertes Wissen, Bräuche, Rituale und Aberglauben.

Nina Stögmüller erzählt nicht nur Raunachtsmärchen, sondern gibt auch Auskunft, was man allgemein unter den „Raunächten“ versteht. Über die Dauer, die Herkunft und über die verschiedenen Namen und Raunachtsgestalten wird berichtet, aber auch über die besondere Zeitqualität dieser Nächte, von der wir modernen Menschen auch heute noch profitieren können.

Mit traumhaften Illustrationen von Stefan Kahlhammer.

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Foto: Robert Versic

Nina Stögmüller

geboren 1972, lebt in Linz. Die begeisterte Schreiberin und Buchautorin arbeitet seit 19 Jahren im Pressebereich. 1999 wurde sie leitende Redakteurin im OÖ. Landespressedienst. 2005 wechselte sie in die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Oberösterreichischen Landesmuseen. Seit 2008 ist Nina Stögmüller Pressesprecherin der VKB-Bank und leitet hier den Bereich Presse & PR. Sie schreibt neben Märchen und Kurzgeschichten auch Gedichte.

Nina Stögmüller

Raunächte erzählen

Ein Lese- und Märchenbuch zu den zwölf heiligen Nächten im Jahr

Für Mama, Papa und Robert

Inhaltsverzeichnis

Raunächte erzählen

Einführung

Wie Sie dieses Buch verwenden können

Raunächte – viele Namen für eine besondere Zeit

Die Entstehung der Raunächte

Wie die Raunächte auf die Welt kamen

Brauchtum

Raunachtsgestalten

Bräuche rund um die Frau Percht

Perchten

Die Wilde Jagd

Die drei Bethen und die Heiligen Drei Madln

Die Nornen

Bräuche, Orakel, Rituale

Liebesorakel am Thomastag

Weihnachtsorakel

Weihnachtsbräuche

Tag der Unschuldigen Kinder

Alle Räder sollen stillstehen

Räuchern

Lärmbräuche

Silvester und Neujahrstag

Perath-Nacht

Dreikönigstag

Wintersonnenwende

Der lange Winter

Das Gespräch mit der Sonne

Die Lichthelferin

Die erste Raunacht erzählt.

24/25. Dezember: Weihnachten

Das perfekte Weihnachtsgeschenk

Die vertauschten Geschenke

Der krumme Tannenbaum

Bitte keine Geschenke!

Der große Wunsch

Die zweite Raunacht erzählt.

25./26. Dezember: Stefanitag

Die gehorteten Geschenke

Die geliehenen Eltern

Die Weihnachtswunschfee

Weihnachten im Kühlschrank

Das Mädchen und der Mond

Die dritte Raunacht erzählt.

26./27. Dezember

Der Besuch der Großmutter

Der Korb ist voll

Die ewige Münze

Die Geschenkedeuterin

Die vierte Raunacht erzählt.

27./28. Dezember: Tag der „Unschuldigen Kinder“

Das geteilte Leid

Die lange Nase

Die drei Nornen

Die fünfte Raunacht erzählt.

28./29. Dezember

Der Jammerlappen

Körpersprache

Der Herzschmerz-Zahn

Die sechste Raunacht erzählt.

29./30. Dezember

Der Glücksbringer

Schweinchen Glück

Die Glücksfee

Die siebte Raunacht erzählt.

30./31. Dezember: Silvestertag

Der weise Mann und der König

Der Jahresrückblick

Silvesterabend einmal anders

Die achte Raunacht erzählt.

31. Dezember/1. Jänner: Neujahrstag

Die Wilde Jagd

Die Wunschfee

Gutes neues Jahr!

Das Silvester-SMS

Die neunte Raunacht erzählt.

1./2. Jänner

Die große Chance

Wichtel Edeke und der Sportmuffel

Die Geschichte von der ängstlichen Glühbirne

Die zehnte Raunacht erzählt.

2./3. Jänner

Frau Holle

Die perfekte Welt

Der alte Spiegel

Die elfte Raunacht erzählt.

3./4. Jänner

Der Dankes-Schreiber

Die gute Frau

Der Liebeszauber

Die zwölfte Raunacht erzählt.

4./5. Jänner

Frau Percht geht um

Der Besuch der Frau Percht

Von einem, der auszog, Frau Percht zu suchen

Schlussbemerkung

Biografie

Literaturliste

Raunächte erzählen

Es war einmal … ein Märchenbuch, das wollte geschrieben werden.

Über die Raunächte gibt es (noch) nicht viel an Literatur, dafür umso mehr überliefertes Wissen, Bräuche, Rituale und Aberglauben. Ich habe mich intensiv mit der Thematik der Raunächte beschäftigt. Mein persönlicher Zugang ist ein sehr praktischer geworden. Ich möchte meinen Leserinnen und Lesern die Möglichkeit geben, diese besondere Zeit im Jahr individuell zu nutzen, um sich selbst eine kleine Auszeit zu gönnen. Zur Ruhe kommen: wann, wenn nicht in der Zeit am Ende des einen und am Beginn des anderen Jahres, wann, wenn nicht in den Raunächten?

Unsere „grauen“ Vorfahren hatten noch nicht die Möglichkeit, die kalte, dunkle Winterzeit mit Zentralheizung und elektrischem Licht zu verbringen. Überlebensängste plagten sie in dieser finsteren Zeit und alles kreiste rund um die Fragen: Wann wird es endlich wieder wärmer und heller? Wann werden die Tage wieder länger? Die Menschen waren den Naturgewalten ausgeliefert und versuchten mit allen Mitteln, Mutter Erde und Vater Himmel zu beschwören, um sie milde zu stimmen und sich selbst ein bisschen Hoffnung und Mut zu machen. In der Zeit der Raunächte entstanden dadurch viele Bräuche, Rituale und sehr viel Aberglaube. In meinem Buch möchte ich bewusst nicht zu stark auf den Aberglauben eingehen, da dieser oftmals mit Angst und Schrecken verbunden ist.

Ich habe versucht, die Zeit der Raunächte aus heutiger Sicht zu beleuchten. Das Wissen über die Raunächte in den Anfangskapiteln des Buches soll eine Vorstellung davon vermitteln, was man allgemein unter den Raunächten versteht. Jeder Raunacht ist außerdem ein eigenes Kapitel gewidmet und für jede Raunacht habe ich eigene Märchen verfasst. Dieses Buch soll einen ganz persönlichen Zugang zu den Raunächten ermöglichen. Wie können wir modernen Menschen heute noch von dieser Zeit profitieren?

Sich an der Natur zu orientieren, war noch nie verkehrt. Die Natur hält inne, sogar die Sonne steht für ein paar Tage scheinbar still. Wir können bewusst zurück- beziehungsweise abschalten. „Slow down“ unterm Christbaum – vielleicht bald schon ein neuer Trend?

In der Zeit der Raunächte ist die Zeitqualität eine ganz besondere. Diese Zeit wartet auf uns. Jahr für Jahr. Wenn wir versuchen, die Raunächte wieder bewusst(er) zu erleben, und dabei auf unsere Sehnsüchte, Wünsche und Träume achten, dann können kleine Wunder geschehen.

In der Ruhe liegt die Kraft – Kraft, um das alte Jahr noch einmal zu betrachten und sich auf das neue Jahr vorzubereiten. Eine Zeit zum Innehalten, für eine Bestandsaufnahme, einen Ausblick auf das Kommende. Neue Einsichten, Ideen, Lösungen, Visionen und Erkenntnisse kommen möglicherweise zum Vorschein und bereichern dadurch unser Leben.

Wir haben heute so viele Möglichkeiten, uns unterhalten zu lassen, und vergessen manchmal dabei das Einfachste: die Ruhephasen, die wir uns selbst gestatten sollten und die es uns erlauben, zu uns selbst zurückzufinden, zu unseren Wünschen, zu unseren Wurzeln und zu unseren Qualitäten.

Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Zeit beim Lesen und viel Inspiration für Ihre ganz persönlichen Raunächte!

Ihre Nina Stögmüller

Einführung

Wenn die Tage kürzer werden und es draußen finster und kalt ist, dann zieht sich auch die Natur zurück. Sie hält still, sammelt ihre Kräfte in der Ruhephase des Winters, um schon bald wieder neu zu erwachen. Wir Menschen haben es verlernt, im Rhythmus der Natur zu leben. Der Advent heißt zwar die „Stille Zeit“, doch werden diese Wochen meist umso hektischer gelebt, weil neben Beruf und Familie jetzt auch noch das Weihnachtsfest vor der Tür steht.

Vielleicht schaffen wir es nicht gerade vor Weihnachten, aber dafür nach dem Fest der Feste, einmal in uns zu gehen und die besondere Zeitqualität der Raunächte zu nutzen und zu erleben. Seit jeher gelten diese zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönigstag als heilige Zeit, die für die Menschen besonders wertvoll ist.

Viele Menschen nehmen Urlaub zwischen Weihnachten und Neujahr, manchmal vielleicht sogar bis zum Dreikönigstag am 6. Jänner. Die freie Zeit kann sinnvoll dafür genutzt werden, um bewusst innezuhalten, Altes loszulassen und sich Neuem zu öffnen.

Jahresrückblick und Jahresvorschau sind in diesen Tagen eine gute Möglichkeit, das alte Jahr Revue passieren zu lassen und sich und die eigene Umgebung zum Beispiel durch Räuchern stimmungsvoll auf das neue Jahr vorzubereiten.

Von unseren Vorfahren wurden die Raunächte stets für Orakel genutzt. Die Tage und Nächte wurden zur Deutung des kommenden Jahres herangezogen. Die Menschen beobachteten das Wetter, ob es Streit gab, wer zu Besuch kam oder wie das Essen schmeckte. Es gibt auch die Vorstellung, dass die Träume der Raunächte im neuen Jahr in Erfüllung gehen. Jede Raunacht steht für einen „traumhaften“ Monat im neuen Jahr.

Wie Sie dieses Buch verwenden können

Sie können dieses Buch einfach nur lesen.

Sie können dieses Buch lesen und sich inspirieren lassen.

Sie können dieses Buch lesen, sich inspirieren lassen, innehalten und die Zeitqualität der Raunächte für sich nutzen.

Sie können mit diesem Buch bewusst arbeiten. Jede Raunacht steht für einen Monat im neuen Jahr. Ihre Träume erlauben Ihnen möglicherweise einen Blick in das neue Jahr.

Aus alten Überlieferungen ist bekannt, dass in den Raunächten die Tore in die Traumwelt besonders weit offenstehen. Was wir in den Raunächten träumen, kann uns die Richtung für das kommende Jahr weisen und uns als Orientierungshilfe dienen. Auch wenn Sie nicht dazu neigen, sich Ihre Träume zu merken, können Sie die Zeitqualität der Raunächte nutzen, sich bewusst auf das neue Jahr einzustimmen. Lassen Sie sich auf die Raunächte ein, achten Sie auf Besonderheiten während dieser zwölf Nächte und elf Tage.

Die erste Raunacht beginnt in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember und dauert von Mitternacht bis Mitternacht. Sie steht für den Monat Jänner des kommenden Jahres, die zweite Raunacht betrifft den Februar und so fort. Sollten Sie Interesse an Raunachtsorakeln haben, empfehle ich Ihnen, ein Raunächtetagebuch zu führen. Schreiben Sie alles auf, was sich in den Raunächten ereignet, auch die kleinen Dinge können von Bedeutung sein. Gleichzeitig können Sie in Ihrem Raunächtetagebuch einen Jahresrückblick vornehmen und sich jeden Monat des vergangenen Jahres noch einmal bewusst machen: Was war gut, was war schlecht? Mit wem habe ich Zeit verbracht? War es ein schönes Jahr?

Vor dem Schlafengehen können Sie sich mit den Raunachtsmärchen auf eine „traumhafte“ Nacht einstimmen.

Machen wir es wie unsere Vorfahren, betrachten wir diese elf Tage und zwölf Nächte als heilige Zeit. Denn wenn wir uns bewusst auf die Raunächte einlassen, dann können wir in dieser Zeit Kraft und Energie tanken und uns damit besonders gut auf das bevorstehende Jahr vorbereiten.

Raunächte – viele Namen für eine besondere Zeit

Es gibt viele Namen für die Raunächte, wie zum Beispiel Zwölfnächte, Weihenächte, Glöckelnächte oder Rauchnächte.

Eine „haarige“ Zeit

Die wörtliche Herkunft der Raunacht geht wohl auf die Bedeutung des mittelhochdeutschen Wortes „rüch“ für „haarig“ zurück. Das lässt auf die Tierfelle schließen, die in dieser Zeit bei Umzügen zur Vertreibung von bösen Geistern verwendet wurden und die uns von den Perchten bekannt sind. Das Wort „Rauware“ ist in der Kürschnerei noch immer für Tierfelle gebräuchlich. Die Raunächte stehen weiters in Verbindung mit Ritualen rund um das Nutzvieh. Auch die Vorstellung der Verwandlung zwischen dem Tier- und Menschenreich wird in Zusammenhang mit der „haarigen“ Bedeutung der Raunächte gebracht.

Die „raunenden“ Nächte

Einen weiteren Bezug gibt es zu dem Wort „raunen“. Deshalb werden die Raunächte auch als „Lostage“ bezeichnet, denn „Losen“ bedeutet genaues Hinhören. Die Lostage gaben Auskunft über die Ernte, das Wetter und den Jahresverlauf. Die raunenden Nächte weisen uns darauf hin, still zu werden in der Zeit um den Jahreswechsel und zu lauschen.

Rauchnächte

Die Raunächte lassen sich aber auch auf den Brauch des Räucherns zurückführen. Es wurden vor allem im ländlichen Bereich die Höfe und Stallungen geräuchert, um böse Geister abzuwenden und um Segen zu bitten.

Glöckelnächte

Der Begriff „Glöckelnächte“ leitet sich vom Brauchtum des Glockenläutens während der Raunächte ab. Das Läuten der Kirchenglocken sollte das Böse fernhalten. Auch die Perchten sind mit Glocken und Schellen ausgestattet, um den Winter auszutreiben und den Frühling „einzuläuten“.

Eine „raue“ Zeit

Das Wort „rau“ bedeutet auch, dass die Witterung zu dieser Zeit besonders unfreundlich sein kann. Winterstürme und eisige Kälte ließen die Menschen gerne in ihren Behausungen bleiben, um vor den Naturgewalten Schutz zu suchen.

Die Entstehung der Raunächte

Wo haben die Raunächte eigentlich ihren Ursprung? Wo kommen sie her?

Es ist anzunehmen, dass die Raunächte durch die Beobachtung des Jahreskreises der Erde entstanden sind. Die Menschen feierten seit jeher den magischen Zeitpunkt, wenn die längste Nacht des Jahres vorbei war und das Licht begann, sich wieder über die Dunkelheit zu erheben.

Schriftliche Aufzeichnungen gibt es kaum, das meiste Wissen rund um die Raunächte wurde mündlich tradiert. Überlieferungen zufolge haben die Raunächte germanische und keltische Wurzeln und bringen am Ende des Jahres das Sonnenjahr mit dem Mondjahr wieder in Einklang. Insgesamt kann man nicht mit Sicherheit sagen, wie lange die Tradition der Raunächte schon besteht.

Die Raunächte vereinen Mond- und Sonnenjahr

Die Erde bewegt sich in 365 Tagen um die Sonne. Der Mondumlauf um die Erde dauert nur 354 Tage. Zieht man das Mondjahr vom Sonnenjahr ab, bleiben genau elf Tage bzw. zwölf Nächte übrig: die Raunächte. Diese gleichen quasi den Unterschied zwischen dem Mondjahr und dem Sonnenjahr wieder aus. Im Volksmund ist diese Zeitdifferenz auch als „Zwölften“ bekannt.

Viele Bräuche und Riten in den Raunächten galten als heidnisch. Jedoch konnten die christlichen Kirchenväter ihren Schäfchen die Gebräuche rund um die Raunächte nicht ganz abgewöhnen. Schon die Tatsache, dass mit Weihnachten eines der wichtigsten kirchlichen Feste in diese von jeher für die Menschen heilige Zeit fällt, zeigt, dass die Raunächte auch das Kirchenjahr prägen.

Vonseiten der Kirche wurden die Raunächte zwischen 25. Dezember und 6. Jänner anberaumt. Es gibt aber auch andere Berechnungssysteme, die die zwölf heiligen Nächte bereits am 21. Dezember, zur Zeit der Wintersonnenwende, beginnen lassen.

In den meisten Gegenden fangen die Raunächte aber in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember an. Diese Nacht wird vielerorts auch als „Mutternacht“ bezeichnet. Die jahrtausendealten Wurzeln dieser heiligen Nacht gingen schließlich in die heutige Tradition der Christnacht über. In vorchristlicher Zeit hatte die Mutternacht vor allem mit der Muttergöttin Percht zu tun, die als Symbol des Kampfes zwischen Dunkelheit und Licht galt. Die am weitesten verbreitete Zeitspanne der Raunächte ist von der Nacht des 24. Dezember bis zum 6. Jänner, dem Dreikönigstag, der ursprünglich auch als „Perchttag“ bezeichnet wurde.

Mancherorts spricht man von vier Raunächten, von zwei „foasten“ (feisten) vom 24. auf den 25. Dezember sowie vom 5. auf den 6. Jänner – weiters von zwei „mageren“ vom 21. auf den 22. Dezember sowie vom 31. Dezember auf den 1. Jänner.

Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für die Raunächte, aber viele verschiedene Überlieferungen, die die Zahl der Raunächte in verschiedenen Gebieten zwischen drei und zwölf variieren lassen. Die Raunächte bezeichnen jedoch immer die Übergangszeit, in der das alte Jahr ausklingt und das neue Jahr beginnt.

Zeit zum Innehalten

Egal ob die Raunächte bereits am 21. Dezember beginnen oder erst zu Weihnachten – jeder Mensch hat in dieser Zeit die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen und sich neu auszurichten, das alte Jahr noch einmal zu betrachten und einen Ausblick auf das kommende Jahr zu wagen. Grundsätzlich war es Brauch, in den Raunächten nur die nötigsten Arbeiten zu verrichten. In der Ruhe liegt die Kraft. Die Natur nutzt diese Bewegungslosigkeit, um sich auf das Frühjahr vorzubereiten. Auch wenn es so aussieht, als würde die Zeit stillstehen, passieren gerade in der „natürlichen“ Ruhephase der Erde die wichtigsten Vorbereitungen auf das neue Jahr. Die Pflanzen fangen langsam wieder an zu erwachen und zu keimen, und die Bäume sammeln Kraft, um bald wieder auszutreiben.

image Wie die Raunächte auf die Welt kamen image

Es war einmal … ein Planet namens Erde. Die Natur der Erde war gut organisiert, alles lief nach einem harmonischen Plan. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Menschen auf die Erde kamen. Irgendwie schafften sie es, immer wieder für Unordnung zu sorgen, sich selbst die Köpfe einzuschlagen und bei ihren Handlungen nicht an die Zukunft zu denken.

Ein besonders beherzter Engel wurde aus diesem Grund eines Tages beim lieben Gott vorstellig: „Allmächtiger, das kann nicht so weitergehen mit den Menschen auf der Erde! Sie haben einfach keine Ahnung, was sie tun. Sie leben gegen ihre Natur und zerstören sich und den wunderschönen Planeten! Was können wir nur dagegen unternehmen?“

Gott überlegte und hatte folgende Idee: „Mein lieber Engel, ich danke dir für deine Anregung! Ich glaube, mir ist da etwas eingefallen, wie wir den Menschen helfen können. Du weißt ja, in der Zeit zwischen dem Ende des alten und dem Anfang des neuen Jahres sind die Himmelsschleusen in Richtung Erde weiter geöffnet als sonst. Das ist die Zeit, in der die Erde gereinigt und auf das neue Jahr vorbereitet wird. Diese Zeit können auch die Menschen dafür nutzen, ihre Seelen zu reinigen und sich wieder neu zu orientieren. In dieser Zeit können sie eine Ahnung davon bekommen, worum es wirklich auf der Welt geht, in dieser heiligen Zeit können sie selbst wieder heil werden.“

Der Engel war begeistert, als er hörte, dass rund um den Jahreswechsel noch mehr Engel, Feen und Elfen auf die Erde gesandt werden sollten, um mit den Menschen gemeinsam an ihrem Seelenheil zu arbeiten. Über Träume, Intuition und Bewusstsein sollten die Himmelswesen mit den Menschen in Verbindung treten und somit zu einer Verbesserung der Welt-Seelenlage beitragen.

Die Raunächte waren geboren – die Zeit, in der Himmel und Erde noch mehr miteinander in Verbindung stehen als sonst. Über die Jahrhunderte wurden die verschiedensten Bräuche und Riten überliefert, doch eines blieb immer gleich: Die spezielle Zeitqualität lädt alle Menschen dazu ein, diese besondere Zeit im Jahr auch besonders zu nutzen. Elf Tage und zwölf Nächte, die uns die Möglichkeit bieten, bewusst innezuhalten, Altes loszulassen, Neues zu erahnen und den persönlichen Lebensweg neu auszurichten. Die Raunächte sind die alljährlichen Weihnachtsgeschenke Gottes an die Menschheit. Es steht uns frei, diese Geschenke anzunehmen, sie auszupacken und die Inhalte sinnvoll für uns zu nutzen.

Brauchtum

Rund um die Raunächte haben sich viele Rituale und Bräuche entwickelt. Die Menschen haben seit jeher versucht, in dieser Zeit in die Zukunft zu schauen und sich gleichzeitig durch Ritualhandlungen vor bösen Geistern zu schützen.

Es gibt viele Raunachtsbräuche und Regeln, die vor allem mündlich überliefert wurden und dadurch lebendig geblieben sind. Das Verbot, über den Jahreswechsel Wäsche aufzuhängen, ist wohl eine der bekanntesten Raunachtsregeln. Die Raunächte waren auch immer eine Zeit, in der die (Spinn-)Räder stillstehen sollten. Und den Rädern sollten es auch die Menschen gleichtun. Einmal im Jahr stand das Nichtstun auf dem Programm – eine Zeit, in der nicht viel gearbeitet werden sollte.

Raunachtsgestalten

Die Mutter der Raunächte – Frau Percht

Eine der wichtigsten Figuren in der Zeit der Raunächte ist Frau Percht. Sie ist eine Urgestalt, die ursprünglich auch als Muttergöttin verehrt wurde. Frau Percht zieht in der gesamten Zeit der Raunächte durchs Land, um die Leute zu prüfen, zu belohnen, aber auch, um sie zu maßregeln. In der letzten Raunacht hat sie ihre hohe Zeit, weshalb die Raunacht vom 5. auf den 6. Jänner als „Perchtnacht“ bezeichnet wird. In dieser Nacht geht Frau Percht besonders häufig um. Die Perchtnacht gilt auch als Abschluss der Raunächte.

Das Wort „Percht“ leitet sich vom mittelhochdeutschen Wort „perath“ ab, was so viel heißt wie „hell“ oder „glänzend“. Die Percht steht also wörtlich für „die Glänzende“ und kann damit auch in Verbindung mit dem Fest des Lichts, der „Epiphanie“ (Erscheinung des Herrn) am 6. Jänner gebracht werden. Das Wort „Epiphanie“ kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Erscheinung“, die sichtbare Ankunft einer Gottheit. Schon im alten Ägypten war dieses Fest als Geburtstagsfest des Sonnengottes Aion bekannt. Der 6. Jänner wird auch als „Perchttag“ bezeichnet.

Frau Percht hat viele Namen, die regional unterschiedlich sind. Im Ausseerland heißt sie zum Beispiel Berigl oder Pinggalpercht im Zillertal. In der Oststeiermark kommt das Rauweib, die Pudelfrau, Pudlmuatta, Zamperin oder Sampa. Sampa, Stampa oder Zamperin sagt man auch in Niederösterreich. Das Burgenland kennt Frau Percht unter dem Namen Lutzl, Kärnten unter Bechtrababa oder einfach nur Baba. Berschtln bzw. Perschtln sagt man dagegen im Unterinntal.

Frau Berchta, Percht, Perath … wahrscheinlich gibt es noch mehr Bezeichnungen für diese Raunachtsgestalt. Eine weitere „Verwandtschaft“ besteht zwischen Frau Percht und Frau Holle, denn die beiden Figuren haben dieselben Wurzeln.

Die Frau Percht ist ein wichtiges Symbol der Raunächte und galt früher als die Muttergöttin schlechthin. Ein weiterer Name der Frau Percht, der den Aspekt der Muttergöttin besonders gut ausdrückt, ist „Bärmutter“. Der Begriff spielt nicht nur auf die Bärin an, sondern vor allem auch auf die Gebärmutter. Frau Percht bringt Jahr für Jahr in den Raunächten das Licht zurück auf die Welt und wird auch als die „Gebärende des Lichts“ bezeichnet.

Frau Percht steht für Leben und Tod – Hell und Dunkel – Licht und Schatten

Die Percht hat immer zwei Seiten, die schöne, Licht bringende Gestalt geht einher mit der dunklen, den Tod symbolisierenden Macht. Die Percht repräsentiert gleichsam Geburt und Tod als Erdkräfte und steht in den Raunächten für den Übergang, für den Wandel vom Alten zum Neuen. Veränderungen wurden von den Menschen seit jeher als bedrohlich empfunden, doch trägt jeder Umbruch auch eine Chance in sich.

Die Schönpercht und die Schiachpercht erwachsen ursprünglich aus derselben Figur. Die zwei Seiten der Frau Percht symbolisieren Hell und Dunkel, Licht und Schatten, Gut und Böse, das Schöne und das Hässliche. Frau Percht ist ganzheitlich, sie trägt die Aspekte des Lebens und des Sterbens in sich. Die schönen und hässlichen Masken der Perchtenumzüge versinnbildlichen dies und machen die uralten Wurzeln für uns Menschen heute noch sichtbar.

Frau Percht hat viele Gesichter

Frau Percht wird immer wieder als Seelenführerin bezeichnet. In ihrer Obhut befinden sich die Seelen der ungetauft gestorbenen Kinder. Aber auch als Schreckensgestalt ist Frau Percht bekannt.

Der kontrollierende Aspekt der Frau Percht hat einen tieferen Sinn: Sie kommt, um die Menschen zu prüfen, ob das alte Jahr gut abgeschlossen wurde und ob das neue Jahr gut angefangen hat, ob alles ins Reine gebracht wurde oder ob es noch „offene Rechnungen“ aus dem Vorjahr gibt.

Viele Gruselgeschichten ranken sich um die Gestalt der Frau Percht. So gab es früher die Vorstellung, dass Frau Percht in den Raunächten in die Häuser kam, um nachzusehen, ob auch alles schön sauber und ordentlich war. Und wehe, sie fand Unordnung und Schmutz vor, dann schlitzte sie den schlampigen Hausfrauen den Bauch auf und stopfte ihnen den hauseigenen Unrat hinein.

So viel zu einem der vielen Schauermärchen der damaligen Zeit.

„Wenn du nicht brav bist, dann nimmt dich die Frau Percht in ihrem Buckelkorb mit!“ So wurde die Figur der Frau Percht zunehmend dämonisiert und von ihren ursprünglichen Wurzeln weit entfernt. Die lichtvolle Glücksbringerin, die von den Menschen verehrt wurde, wurde immer mehr zur Schreckensgestalt verzerrt.

Bräuche rund um die Frau Percht

Perchtmilch

Ihren Höhepunkt erlebt Frau Percht in der Perchtnacht, in der Nacht vom 5. auf den 6. Jänner. Zu diesem Datum gibt es vielerorts eindrucksvolle Perchtenumzüge. Die Gestalten in wilden Masken und zotteligen Fellen sollen mithelfen, die dunkle Macht – den Winter – zu vertreiben und die Fruchtbarkeit – den Frühling – wieder ins Land zu holen.

Vielerorts wird in der Perchtnacht auf Bauernhöfen die „Perchtmilch“ bereitgestellt. Am nächsten Tag, also am 6. Jänner, sollen die Bewohner und auch die Tiere des Hofes von dieser Milch trinken. Die Perchtmilch soll Segen und Fruchtbarkeit für das neue Jahr bringen. Heute wird diese Milch auch als „Dreikönigsmilch“ bezeichnet.

Perchtensprung

Beim Brauch des Perchtensprungs treffen sich Frauen am Abend des 5. Jänner, um über ein offenes Feuer zu springen. Sinnbildlich verbrennen sie mit dem Perchtenfeuer alles Alte und Verbrauchte und drücken mit dem Sprung die Bereitschaft für Veränderung und Neues aus. Mit dem Perchtensprung bringen sie symbolisch neue Energien in ihr Leben. Frau Percht soll Kraft geben für das neue Jahr.

Perchtenbesuch

Am Abend des 5. Jänner zieht Frau Percht mit ihrem Gefolge, den Perchten, umher, um die Häuser der Menschen aufzusuchen. Nur die Frau Percht wird eingelassen, mit ihrem Besen kehrt sie das Unglück hinaus, begleitet von dem Spruch: „Glück hinein, Unglück hinaus, die Percht kommt ins Haus.“

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Perchten

Den Abschluss der Raunächte bildet in vielen ländlichen Gegenden der „Perchtenabend“ am 5. Jänner. Die Perchten sind das ungestüme Gefolge der Frau Percht und sollen mit ihrem wilden Gehabe böse Geister – und damit verbunden die Dunkelheit – vertreiben. Wichtige Hilfsmittel sind dabei große Kuhglocken, Schellen und Rasseln mit lautem Klang. Das wilde Treiben der Perchten galt seit jeher als Glücks- und Fruchtbarkeitsritual. Frau Percht dient auch als Namensgeberin für die Perchten.

Die Perchten-Verkleidungen

Perchten sind in Schaf- oder Ziegenfelle gekleidet, sie tragen Holzmasken aus Zirben- oder Lindenholz, auf denen Steinbock-, Ziegenbock- oder Widderhörner thronen. „Bewaffnet“ sind die Perchten mit einem Kuh- bzw. Pferdeschweif. Teilen die Perchten Schläge aus, so sollen diese Glück und Fruchtbarkeit bringen.