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GSA – German Speakers Association
Nikolaus B. Enkelmann (Hrsg.)

Die besten Ideen
für erfolgreiche
Rhetorik

Erfolgreiche Speaker verraten ihre besten Konzepte und geben Impulse für die Praxis

Unter Mitarbeit von Dr. Petra Begemann, Bücher für Wirtschaft + Management (Projektleitung)

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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http//dnb.d-nb.de abrufbar.

Programmleitung: Ute Flockenhaus, GABAL Verlag

Lektorat: Claudia Lange, Renningen | www.bookpartner.de

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

© 2011 GABAL Verlag, Offenbach

©2014 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2011 erschienenen Buchtitel „Die besten Ideen für erfolgreiche Rhetorik“ herausgegeben von Nikolaus B. Enkelmann, ©2011 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-238-0
ISBN epub: 978-3-86200-953-4

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

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Inhalt

Geleitwort

Vorwort

René Borbonus

Was Steve Jobs und Cicero gemeinsam haben

Gerriet Danz

Präsentieren mit der Kraft der zwei Hirne

Martina Dressel

Ideen überzeugend verkaufen

Claudia E. Enkelmann

Was Barack Obama so faszinierend macht und was wir von ihm lernen können

Michael Erlat

Wortmacht – zur Psychologie motivierender Rede

Stéphane Etrillard

Moderne Gesprächsrhetorik für souveräne Persönlichkeiten

Arno Fischbacher

In fünf Schritten zur lebendigen Rednerstimme

Monika Heilmann

Wenn zwei sich nicht streiten

Katja Kerschgens

Köpfe brauchen Bilder

Ilona Lindenau

Der Kundenflüsterer – Gekonnt flirten statt bloß kommunizieren

Michael Moesslang

Juwel statt Kiesel – So werden Sie professionell authentisch

Carl Naughton / Gertrud Kemper

Behalten statt Abschalten – Wie Sie mit visueller Rhetorik 87 Prozent mehr Wissen vermitteln können

Heike Neidhardt

Machen Sie’s spannend! – Sieben Tipps für fesselnde Vorträge

Stephan Peters

In fünf Schritten zu klarer Kommunikation – Ein Rhetorik-Schnellkurs!

Susanne Petz

Werden Sie persönlich!

Imre Márton Reményi

Beherrschen Sie Ihr Thema – und nicht umgekehrt!

Volker Römermann

Auf der Klaviatur der Verhandlungs- und Manipulationstechniken spielen

Wolfgang Ronzal

Begeisternd vortragen, mitreißend reden – 15 Tipps

Sven Sander

Schlagfertigkeit ist eine Königsdisziplin

Thomas Skipwith

Legen Sie Ihre Messlatte höher

Fleur Sakura Wöss

Mit Zen zum gelassenen Redner

Gabriele Zienterra

Wie Worte wirken … können!

Geleitwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

»Nicht jeder, der hämmert und klopft, ist auch ein Schmied«, sagt man in Ägypten. Und nicht jeder, der eine Bühne betritt, ist auch ein guter Redner. Die 22 Expertinnen und Experten, die Ihnen in diesem Band ihre besten Ideen verraten, haben es in der Kunst des Redeschmiedens bereits zur Meisterschaft gebracht. Sie sind Mitglieder der German Speakers Association (GSA), dem führenden Berufsverband für Trainer, Referenten und Coachs im deutschsprachigen Raum. Unter der Federführung von Nikolaus B. Enkelmann, Mitglied der German Speakers Hall of Fame, widmen sie sich der Frage: Wie fessele ich mein Publikum?

Band 2 der GSA Top Speakers Edition spannt einen weiten Bogen von der richtigen Einstimmung und Vorbereitung über den Einsatz von Bildern und Storys bis zum eigentlichen Auftritt. Ich bin überzeugt, dass wir damit den Erfolg des ersten Bandes der GSA Edition – Die besten Ideen für eine starke Persönlichkeit – wiederholen werden: Er war binnen weniger Monate ausverkauft. Lassen Sie sich also wieder verblüffen und anregen! Mein besonderer Dank gilt Nikolaus B. Enkelmann, unserem Verlagspartner GABAL sowie allen beteiligten Speakern, die hier ihre besten Konzepte verraten.

Prof. Dr. Lothar Seiwert

Präsident der German Speakers Association (GSA),

Certified Speaking Professional (CSP) und

Mitglied der German Speakers Hall of Fame (GSA HoF)

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

wahrscheinlich haben Sie zu diesem Buch gegriffen, weil Sie ahnen, dass die Rhetorik das unterschätzte Geheimnis des Erfolges ist. Aus diesem Grund bitte ich Sie, dieses Buch nicht wie einen Roman von vorne nach hinten durchzulesen. Studieren Sie es so gründlich wie möglich, um selbst rhetorisch noch brillanter zu werden und so leichter all Ihre großen Ziele zu erreichen! Zuerst studieren Sie das Inhaltsverzeichnis und suchen diejenigen Kapitel heraus, die Ihnen sofort großen Nutzen bringen, dann arbeiten Sie sich weiter voran: So kommen Sie Schritt für Schritt durch dieses wertvolle Buch.

Das nachfolgende Zitat sollten Sie, lieber Leser, täglich beachten:

»Das Wort verändert den Menschen, der es spricht,

und den, der es hört.«

Sie erkennen darin eine wertvolle Grundidee. Dieses Buch liefert Ihnen eine Fülle von Anregungen und Erkenntnissen dazu, die Sie täglich nutzen können.

Erleben Sie selbst die vielen, spannenden Facetten der Rhetorik. Eine davon, die mich seit Jahrzehnten fasziniert, ist die Macht der Stimme. Wie glücklich sind Eltern, wenn sie zum ersten Mal nach der Geburt die Stimme ihres Kindes hören! Die Stimme bringt es an den Tag: Da sie im Inneren des Menschen entsteht, zeigt sie ganz deutlich, wie es dort aussieht. Die Stimme des Menschen ist seine hörbare Körpersprache. Darum hat der ängstliche Mensch eine ängstliche Stimme, der vorsichtige Mensch eine vorsichtige Stimme, der mutige Mensch eine mutige Stimme. Die Stimme bringt es an den Tag.

Eine meiner Grundüberzeugungen lautet deshalb: »Ein Mensch, der an seiner Stimme arbeitet, arbeitet an dem Kern seiner Persönlichkeit. Ein Mensch, der seine Stimme verändert, verändert die Grundstruktur seiner Persönlichkeit.« George Bernard Shaw besuchte noch mit über 90 Jahren ein Rhetorik-Seminar und vielleicht kennen Sie aus dem Musical My Fair Lady das großartige Zitat: »Kann denn die Menschen niemand lehren, wie man spricht? Die Sprache macht den Menschen, die Herkunft tut es nicht.«

Stellen Sie sich vor, Sie rufen einen Freund in New York an. Sie sehen ihn nicht, Sie hören nur seine Stimme. Es dauert keine Minute und Sie wissen, in welch einer Stimmung er ist. Sie erkennen die Bedeutung der Stimme als Erfolgsgrundlage. Und ich bin sicher, dass Sie die nachfolgende Überzeugung nach dem Studium dieses Buches teilen werden: Sie können Ihren Intellekt nicht übertragen. Was wir aber immer übertragen, sind unsere Gefühle. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich alle Menschen, die sich für die Rhetorik interessieren, zunächst einmal an die eigene Stimme gewöhnen und lernen, die eigene Stimme wie ein wertvolles Instrument einzusetzen.

Ich möchte Sie deshalb motivieren, Ihre Reden aufzunehmen und immer wieder selbst anzuhören. Daraus entsteht ein positiver Wachstumsreiz. Sie verlieren die Angst vor Ihrer eigenen Stimme und es kommt früher oder später zu einer positiven Identifikation. Diese Methode hat den zusätzlichen Vorteil, dass man seine Fortschritte objektiv kontrollieren kann. Wirkliche Bildung und Persönlichkeit gehen von innen nach außen. Harmonie wirkt von innen nach außen und die Harmonisierung der Töne wirkt auf das Innere zurück. Inneres und Äußeres stehen in einer Wechselwirkung. Wie formuliert es Professor Higgins in Pygmalion: »Das ist das atemberaubendste Experiment, das ich jemals durchgeführt habe. Einem Menschen seine hässliche Sprache nehmen und ihm eine neue Sprache schenken, heißt, ihm eine neue Persönlichkeit geben.«

Sie erkennen, lieber Leser: Durch die Möglichkeit des klingenden Wortes entsteht die Magie der Sprache.

Dieses wertvolle Buch, geschrieben von den besten Experten im Bereich der Rhetorik, bietet tausendfache Anregungen und wird Ihnen helfen, noch wirksamer und noch erfolgreicher zu werden.

Ihr Nikolaus B. Enkelmann

www.enkelmann.de

image RENÉ BORBONUS

Was Steve Jobs und Cicero gemeinsam haben

Mehr als 2000 Jahre trennen diese beiden Männer, und doch könnten sie gemeinsam eine Rhetorikschule eröffnen: der Star unter den Rednern des antiken Roms, Marcus Tullius Cicero, und der Star unter den CEOs dieser Tage, Steve Jobs. Der Apple-Gründer versteht es, jeden seiner Auftritte zum Ereignis zu machen. Und der römische Konsul, Philosoph und Jurist war schon zu Lebzeiten für seine Ansprachen berühmt. Wie lautet ihr Rezept für eine perfekte Rede?

Ob Sie Ihrem Team nach einem erfolgreichen Projekt nur schnell ein paar Dankesworte aussprechen wollen oder einen halbstündigen Vortrag planen: Wann immer Sie in der Öffentlichkeit den Mund öffnen, halten Sie eine Rede. Und wann immer Sie eine Rede halten, sollten Sie sich gründlich vorbereiten. Ich kann Ihnen versichern: Der Aufwand lohnt sich. Denn jede Redesituation stellt Sie in den Mittelpunkt des Geschehens und führt dazu, dass Ihre Umwelt Ihre Fähigkeiten als Führungspersönlichkeit und Motivator beurteilt. Wie meistern Sie diese Aufgabe mit Bravour?

Die drei Ansprüche an eine Rede

Cicero erlangte durch seine Ansprachen ans römische Volk, im Senat und als Verteidiger vor Gericht große Berühmtheit. Sein Erfolgsrezept? »So stützt sich die ganze Kunst der Rede auf drei zur Überredung taugliche Mittel, indem wir zuerst die Wahrheit dessen, was wir verteidigen, erweisen, dann die Zuneigung der Zuhörer gewinnen, endlich ihre Gemüter in die Stimmung, die jedes Mal der Gegenstand der Rede verlangt, versetzen sollen«, schreibt er in seinem Traktat Über den Redner (De oratore). Kurz gefasst: Eine gute Rede soll die Zuhörer informieren (docere = unterrichten), unterhalten (delectare = erfreuen) und bewegen (movere).

Vom Einschläfern steht nichts bei Cicero, und doch ist das genau die Wirkung zahlloser Präsentationen und Vorträge heute. Der Grund: Viele Redner konzentrieren sich aufs Dozieren, sammeln bis zur letzten Minute Charts und basteln Tortendiagramme. Wie sie ihr Publikum mitreißen und unterhalten wollen, spielt bei der Vorbereitung kaum eine Rolle. Doch auch das verlangt Grübeln im Vorfeld, wie die perfekt inszenierten Auftritte von Steve Jobs zeigen. Selbst die größten Redner waren sich nicht zu schade dafür, auch die kürzesten Reden gründlich zu präparieren. Winston Churchill, britischer Staatsmann, Literaturnobelpreisträger und ebenfalls ein begnadeter Redner, sagte einmal: »Am meisten Vorbereitung kosten mich immer meine spontan gehaltenen, improvisierten Reden.«

Eine Rede soll informieren

Die nüchternen Fakten sind nicht alles bei einer Rede, haben Sie eben gelesen. Doch ohne fundierte Inhalte ist alles nichts. Worum geht es genau? Und was davon ist für Ihre Zielgruppe interessant und relevant? Kurz: Welche Botschaft soll bei Ihrem Publikum ankommen? Die meisten Redner überfrachten ihren Vortrag mit Zahlen und Details. Sie überschätzen, wie viele Informationen ihre Zuhörer tatsächlich aufnehmen können.

Machen Sie die Probe aufs Exempel und fragen Sie nach einer der üblichen Firmenpräsentationen in der Kaffeepause ein paar Zuhörer, was sie vom eben gehörten Vortrag behalten haben. Sie werden erschüttert sein, wie wenig es häufig ist und wie weit die Meinungen über die Kernaussage auseinandergehen. Es geht förmlich zu wie früher beim Stille-Post-Spiel auf dem Kindergeburtstag! Weniger ist also mehr, oder um mit Tucholsky zu sprechen: »Wat jestrichen is, kann nich’ durchfallen.«

7-38-55 ??: Die Substanz entscheidet!

Überlegen Sie, was Sie sagen wollen und mit welchen Worten Sie es sagen wollen. Finden Sie die besten, die überzeugendsten, die wirksamsten Formulierungen für Ihre Inhalte! Denn es wird höchste Zeit, mit einem verbreiteten Irrglauben aufzuräumen: der These, dass unsere Worte nur 7 Prozent unserer Wirkung ausmachen, unsere Stimme aber 38 Prozent und Körpersprache und Mimik satte 55 Prozent. Kommunikationstrainer predigen das seit Jahrzehnten. Würde es stimmen und der Effekt einer Rede wäre zu 93 Prozent von nichtverbalen Faktoren abhängig, wäre es nahezu egal, was wir sagen, wenn wir dabei nur mit sonorer Stimme ein überzeugendes Gesicht machen. Der Siegeszug der 7-38-55-Regel ist ein Treppenwitz der Wissenschaftsgeschichte: Vor über 40 Jahren machte der US-Psychologe Albert Mehrabian ein Experiment, in dem er der Frage nachging, worauf Menschen achten, wenn ihnen ihr Gegenüber Auskunft gibt über seine Gefühle und Einstellungen. Beispiel: Sie haben sich mit Ihrem Partner gestritten und wollen die Funkstille mit der Frage »Bist du mir noch böse?« beenden. Da achten Sie in der Tat mit Argusaugen darauf, ob Mimik und Tonfall zum »Nein« der Antwort passen! (Männer wissen genau, wovon ich rede, und ich vermute, Frauen auch …) Aber Hand aufs Herz: Hören Sie in derselben »Habtachtstellung« zu, wenn der Vertrieb seine Zahlen präsentiert? Oder die Entwicklungsabteilung das neueste Produkt? Ohne Substanz ist der Vortragende zum Scheitern verurteilt. Mehrabian selbst ist verblüfft, wie hartnäckig sich die irreführende Vereinfachung seiner Forschungsergebnisse hält, erzählte er mir einmal.

Eine Rede soll bewegen und berühren

Denken Sie bitte einen Moment nach: Welche berühmte Rede fällt Ihnen spontan ein? John F. Kennedys »Ich bin ein Berliner«? Martin Luther Kings »I have a dream«? Roman Herzogs »Ruck«-Rede? Oder Barack Obamas »Yes, we can!«? Wunderbare Beispiele für die Macht des Wortes (von wegen 7 Prozent!!) und gleichzeitig Beispiele dafür, wie es Rednern gelingt, die Herzen ihrer Zuhörer zu erreichen. Der zuverlässigste Weg in die Köpfe und damit ins Langzeitgedächtnis ihrer Zuhörer führt über deren Herzen. Cicero wusste das, Steve Jobs ist sich dessen bewusst, und auch Barack Obama versteht es meisterhaft, Menschen zu (be-)rühren, etwa in seiner Trauerrede nach dem Amoklauf in Tucson, wo neben anderen Besuchern der Bürgersprechstunde vor einem Supermarkt auch ein neunjähriges Mädchen erschossen wurde. »Wenn es im Himmel Pfützen gibt, dann springt Christina jetzt darin herum«, sagte der US-Präsident. Was uns zu Tränen rührt oder zum Lachen bringt, vergessen wir so schnell nicht.

Wie schaffen Sie es, dass Ihre Worte nicht vorbeirauschen, sondern ihr Ziel erreichen und beispielsweise Zustimmung, Betroffenheit, Begeisterung auslösen? Zum einen, indem Sie sich selbst Emotionen erlauben und je nach Anlass Ihre tiefe Überzeugung, Betroffenheit oder Begeisterung mitschwingen lassen. Gefühle sind ansteckend, deswegen müssen wir mitlachen, wenn andere losprusten, und im Kino weinen, wenn es tragisch endet (okay – nicht alle von uns, aber doch sehr viele). Und selbst wenn die große Geste und das Pathos nicht Ihre Sache sind, wird man Ihnen anmerken, ob Sie von einem neuen Produkt oder vom Verkaufserfolg des letzten Jahres wirklich begeistert sind oder nicht.

Kurze Sätze und klare Worte sind eine gute Voraussetzung, Menschen zu bewegen. Eine andere sind Bilder und Metaphern statt abstrakter Lehrbuchformulierungen. Denken Sie an Franz Münteferings »Heuschrecken« für Investmentgesellschaften, Helmut Kohls Vorwurf, Deutschland sei ein »kollektiver Freizeitpark«, an »Herdprämie« oder »Klimakiller«. Ein drittes und wichtiges Mittel sind gute Geschichten. Werden Sie zum Geschichtensammler! Eine gute Geschichte kann zentrale Thesen illustrieren, auflockern oder unterhalten. Ich erinnere mich an ein Seminar zum Thema Service, an dem ich vor über zehn Jahren teilgenommen habe. Das Allermeiste der zweitägigen Veranstaltung habe ich inzwischen vergessen, doch die Kernbotschaft weiß ich heute noch: Werden Sie zum »Double Bagger«! Will sagen: Tun Sie etwas mehr für Ihre Kunden als die anderen! Der Referent illustrierte das am Beispiel der Kasse in einem US-Supermarkt, wo eine Servicekraft die Waren in Papiertüten packt. Dort gibt es »Single Bagger«, die ungerührt mit Tomaten und Keksen beginnen und anschließend noch einige schwere Konservendosen obendrauf packen – mit dem Ergebnis, dass die Tüte womöglich reißt und dass man auf jeden Fall mit Tomatenmatsch und Kekskrümeln zu Hause ankommt. Und es gibt »Double Bagger«, die zwei Tüten ineinanderstellen und dann sorgfältig die schweren Waren zuunterst einpacken.

Eine Rede soll unterhalten

Manche Reden sind ungefähr so unterhaltsam wie der jährliche Steuerbescheid oder die Gebrauchsanweisung für die neue Waschmaschine: Man ist froh, wenn man durch ist. Wie können Sie es besser machen? Über Storys, Metaphern und Bilder haben wir schon gesprochen, auch sie steigern natürlich den Unterhaltungswert. Ein anderes Mittel sind Demonstrationen, und zwar besser live als per Videoeinspielung! Der eben erwähnte Verkaufsexperte erzählte seine Double-Bagger-Geschichte nicht nur: Er begann sein Seminar, indem er die Waren vor den Augen seines Publikums auf einen Tisch schüttete. Damit hatte er schon einmal die Aufmerksamkeit aller gewonnen, denn Menschen sind nun einmal neugierig. Anschließend packte er selbst als Single und als Double Bagger, während er erzählte.

Apropos Neugier: Alles, was die Wissbegierde Ihrer Zuhörer anstachelt, macht Ihre Rede unterhaltsam. Besonders gut gelingt das, indem Sie ein Informationsdefizit schaffen, also etwas Interessantes ankündigen, aber noch nicht verraten. »Heute geht es darum, wie die Börse wirklich tickt« ist ein Beispiel, Woody Allens Filmtitel »Was Sie schon immer über Sex wissen wollten …« ein anderes. Knüpfen Sie an die Lebenswelt der Zuhörer an, wenn Sie ihre Aufmerksamkeit gewinnen wollen, etwa mit einer Frage ins Publikum. Ein Redner eröffnete das Thema »Umwelt und Klima« gleich mit fünf Fragen: »Wer von Ihnen ist mit dem Auto angereist? Bitte mal kurz die Hand heben!« – »Wer von Ihnen besitzt eine Miles & More-Karte?« – »Wer fährt seine Kinder mehrmals pro Woche zum Reiten, zum Ballett, zum Musikunterricht usw.?« – »Wer verbringt seinen Urlaub im Ausland?« – »Und wer ist dafür, dass die Chinesen mehr für den Klimaschutz tun?«

Die perfekte Umsetzung: Jobs’ 11-Punkte-Programm

Wer es dem Apple-Chef gleichmachen möchte, orientiert sich künftig an den 11 USPs seiner Vortragskunst. Sie greifen nämlich nicht nur, wenn es am Rednerpult um Innovationen wie iPod, iPhone und Co. geht. Auch abstrakten Ideen und Otto-Normal-Produkten verhilft das 11-Punkte-Programm zu einem grundsoliden Vortragserfolg.

1. Kernbotschaft

Steve Jobs beginnt keine Präsentation, ohne ihre Kernbotschaft vorab bekannt zu geben. Bei der Einführung des MacBook Air beispielsweise – Apples bisher dünnstem Laptop – startete er seinen Vortrag mit den vielversprechenden Worten: »There is something in the air today.« Auf diese Weise gibt der Apple-Chef seinen Zuhörern nicht nur von Anfang an einen roten Faden vor, der es ihnen leichter macht, seinen Ausführungen zu folgen. Mehr noch: Indem Jobs diesen einen Satz immer wieder in seinen Vortrag einbindet, stellt er sicher, dass die wichtigste Aussage unvergesslich bleibt. Den »Trick« kennen Sie bereits: Wir halten ein Informationsdefizit nur schwer aus. Wenn am Anfang eines Vortrags eine Einleitung steht wie »Heute erfahren Sie, wie …«, dann freuen wir uns auf die Antwort und spitzen die Ohren. So funktionieren nicht nur erfolgreiche Fortsetzungsserien, sondern auch gute Vorträge.

2. Mit Begeisterung anstecken

Von seinen Produkten ist der Konzernchef nicht nur überzeugt, sondern begeistert. Während andere Redner häufig in einen steifen und monotonen Vortragsmodus verfallen, steckt Jobs sein Publikum mit seinem eigenen Wow-Gefühl regelrecht an. Über Adjektive sowie eine lebhafte Gestik und Mimik zeigt er, dass ihn das Vorgestellte selbst fesselt. Die Folge: Indem Jobs selbst Enthusiasmus für das demonstriert, was er seinen Zuhörern vorstellt, wirkt das Produkt umso interessanter. Übrigens: Auch seine Stimmlage passt der CEO an die Spannungsmomente seiner Präsentation an, sodass sein Publikum regelrecht mitfiebert. Noch dazu trifft man ihn selten bis nie hinter einem Rednerpult an. Der Grund: Begeisterung braucht Kontakt, denn nur so springt der Funke über.

3. Nichts geht über eine klare Gliederung

Viele Redner machen den Fehler, die Inhalte ihrer Präsentation nur lose aneinanderzureihen. Oft fehlt eine logische Struktur, und ist doch eine Gliederung vorhanden, ist sie nicht selten so verschachtelt, dass die Zuhörer ihr nicht folgen können und aus dem Vortrag gedanklich aussteigen. Jobs vermeidet dieses Gliederungschaos und setzt auf überdeutliche Unterteilungen: »Es gibt 4 Dinge, über die ich heute mit Ihnen sprechen möchte«, macht er zur Eröffnung einer typischen Mac-World-Rede klar, zählt die Punkte ganz deutlich auf und schließt jeden Abschnitt, sobald er beendet ist, ausdrücklich ab: »Das war die zweite Sache, die ich mit Ihnen besprechen wollte. Punkt 3 dreht sich um iTunes.« Der Vorteil: Einfache Aufzählungen und klare Unterteilungen liebt das menschliche Gehirn, da es durch sie Informationen leichter verarbeitet – und behält.

4. Aus sachlich wird bildlich

Wie oft werden Präsentationen von Umsatzzahlen, Statistiken & Co. beherrscht und wie oft kann das Publikum nichts damit anfangen. Greifbarer und verständlicher wird das nackte Ziffern- und Fakteneinerlei, wenn man es wie Jobs in Bilder kleidet. Zwar spricht auch er davon, dass Apple vier Millionen iPhones verkauft, doch nicht, ohne die Zahl in einen Kontext einzubetten. Jobs Trick: Vergleiche ziehen und Relationen schaffen. Vier Millionen iPhones – »Das sind 20 000 iPhones am Tag«, erklärt er, und um die Menge noch nachvollziehbarer zu machen, veranschaulicht er sie durch einen kurzen Exkurs in den US-Markt, in dem Apples neues Handy hohe Wellen schlägt. Durch den Kontext erst erhält die Zahl im Kopf des Publikums einen echten Wert und wird bedeutungsvoll. Wirkungsvoll ist auch ein Anwenden von Zahlen auf die Zuhörer im Raum, nach dem Muster: »Das bedeutet, bis 2020 wird jeder Vierte von uns hier im Saal …«

5. Zum Geschichtenerzähler werden

Neben nüchternen Fakten lassen sich jedoch auch andere Inhalte, die an sich nicht gerade spektakulär oder erstaunlich sind, durchaus spannend präsentieren. Diesen Kniff beherrscht »Storyteller« Jobs, der solche Informationen oft in illustre Geschichten verpackt, besser als kaum jemand sonst. Der Effekt: Eine Story macht nicht nur neugierig, sie spricht den Zuhörer auch unmittelbar emotional an, weil er das Erzählte sofort vor dem inneren Auge visualisiert und mit eigenen Erlebnissen abgleicht. Es entsteht also ein persönlicher Bezug zur Rede, und genau hier liegt das Geheimnis einer guten Geschichte. Sie sorgt für echte Begeisterung und stellt sicher, dass jede Botschaft, die über eine Story vermittelt wird, nachhaltig im Kopf des Zuhörers haften bleibt. Auch das Apple-Oberhaupt nimmt seine Zuhörer daher nur zu gern mit auf die Reise seiner eigenen Erlebnisse und lässt sie direkt an diesen Erfahrungen teilhaben. Gewürzt mit ein wenig Humor und vor allem mit einem persönlichen Fazit beziehungsweise einer »Moral der Geschicht’« am Ende verwandelt er jedes Thema in eine persönliche und vor allem emotionale Angelegenheit, die niemanden kaltlässt.

6. Slides entrümpeln

Eine Aussage pro PowerPoint-Folie! Dieses Rezept hat sich beim Apple-Chef über Jahre hinweg bewährt und ist mittlerweile zum Markenzeichen seiner Präsentationen avanciert. Statt Unmengen an Bulletpoints ist auf seinen Slides häufig kaum mehr als ein einziger Satz oder ein einziges Bild zu sehen. Warum? Während mit Inhalt überfrachtete Folien vom Vortrag ablenken und den Zuhörer oft überfordern, setzt eine einzelne Grafik das Gesagte wirkungsvoll in Szene und sorgt dafür, dass es beim Publikum haften bleibt. Geht es daher um ein bestimmtes Produkt, ist auf dem entsprechenden Slide nur dieses Produkt abgebildet. Dadurch kommt der Vortragsprofi zwar oft auf über 100 Folien pro Vortrag, kann sich aber sicher sein, dass das Wenige darauf deutlich besser in Erinnerung bleibt. Fazit: Für die richtige Anzahl an Slides darf es keine präzise Empfehlung geben, denn wenn ein Vortrag aus drei schlechten Folien besteht, sind es drei Folien zu viel. Wenn er aus 100 guten Folien besteht, sind auch 100 Folien voll in Ordnung.

7. Vorteile verkaufen

Ein aufmerksames Publikum ist eine Seltenheit. Studien belegen, dass ganze 44 Prozent aller Präsentationen von ihren Zuhörern als langweilig empfunden werden, weitere 40 Prozent halten sie sogar für einschläfernd. Jobs Gegenmittel: Seinem Publikum verkauft er Vorteile statt Produkte. Oder anders ausgedrückt: Er sorgt dafür, dass das Publikum von Anfang an weiß, warum sich das Zuhören lohnt. Den iPod Nano beispielsweise präsentiert Jobs der Mac-Gemeinde nicht etwa als neuen MP3-Player, sondern schon mit den ersten Worten als das, was er seinem Besitzer konkret bringt – nämlich »1000 songs in a pocket – impossibly small«. Die Folge: Die Zielgruppe fühlt sich emotional angesprochen und ist daher besonders motiviert, auch dem restlichen Vortrag aufmerksam zu folgen. Ein Tipp für die Praxis: Den jeweiligen Vorteil sollten Redner stets auf die individuellen Interessen des Publikums münzen. Denn während sich Chefs, Investoren & Co. eher über vielversprechende Zahlen, Daten und Fakten eines Neuprodukts gewinnen lassen, ist ein potenzieller Großkunde womöglich eher an seinem praktischen Nutzen interessiert.

8. Für Unterhaltung sorgen

Würde der Begriff des Infotainment noch nicht existieren, hätte höchstwahrscheinlich Steve Jobs ihn erfunden, denn seine Vorträge sind vor allem eines: eine grandiose Show mit enormem Unterhaltungswert. Die Zutaten des Business-Entertainers: Videoclips, Live-Demonstrationen und Auftritte von hochkarätigen Gästen, die aus jeder simplen Präsentation ein echtes Spektakel machen und das Publikum in Atem halten.

9. Lässigkeit braucht Übung

Ein Millionenpublikum schaut auf einen einzigen Mann, der vor einer zwölf mal fünf Meter großen Leinwand steht. Und trotzdem wirkt dieser Mann alles andere als angespannt. Ohne jede Hektik wechselt Jobs zwischen den Slides und strahlt beim Vortragen eine angenehme Ruhe aus. Und wer hätte es gedacht: Genau diese Ruhe ist es, die den Geschäftsmann zum Überzeugungskünstler macht. Denn indem Jobs seine Rede betont lässig hält, wirkt er seiner Sache besonders sicher und dadurch umso professioneller und glaubwürdiger. Und je entspannter der Redner, desto entspannter ist auch das Publikum. Doch ein zwangloser Vortrag kommt nicht von ungefähr. Unverkrampft und überzeugend ist am Rednerpult nur, wer vorher eisern geübt hat. Idealerweise spricht man wie Jobs die Präsentation mehrfach durch und hält sie zur Probe vor einem Bekannten. Ein Tipp: Erst wenn Karteikarten, Spickzettel & Co. überflüssig werden und die Übergänge wie aus dem Effeff klappen, nähert man sich dem Jobs’schen Redetalent. Übrigens: Der Apple-Chef wirft vorab immer auch einen Blick auf die Technik, um Vorführeffekte während seiner Präsentation zu vermeiden.

10. Nie aus der Ruhe bringen lassen

Ein Film, der sich nicht abspielen lässt, oder ein Beamer, der streikt – diese oder andere unvorhergesehene Zwischenfälle lassen sich nie zu 100 Prozent vermeiden und sind außerdem kein Weltuntergang. Viel wichtiger als die Anstrengung, jegliches Pannenrisiko im Vorfeld auszumerzen, ist dagegen ein souveräner Umgang mit Missgeschicken à la Steve Jobs. Seine Strategie: Kurz darüber lachen, keine große Sache draus machen und einfach fortfahren. Die Folge: Niemand wird sich an das kleine Malheur erinnern, denn misst der Vortragende dieser Sache keine große Bedeutung zu, wird es auch das Publikum nicht tun.

11. Einen unvergesslichen Schluss bereiten

Ein gut unterhaltenes und aufmerksames Publikum ist das eine – was jedoch das Besondere ist, das eine Präsentation von Steve Jobs von anderen unterscheidet, ist ein unvergesslicher Moment. Das absolute Highlight beziehungsweise der Showdown eines Vortrags, der sich jedem Zuhörer im Gedächtnis verankert. Am stärksten wirkt ein solcher »Gänsehautmoment« logischerweise zum Schluss, als krönendes Finale eines mitreißenden Auftritts. Ein Jobs-Beispiel: Am Ende des alljährlichen Macworld-Vortrags, der sich vor allem um die Ankündigung des neuen MacBook Air drehte, zog der Apple-Chef das ultradünne Notebook aus einem A4-Briefumschlag und präsentierte so die neueste Innovation dem staunenden Publikum, das dieses Bild wohl nie vergessen wird.

Perfekte Reden sind das Ergebnis cleverer Strategien und guter Vorbereitung. Jobs’ Charisma beruht nicht nur auf seiner Spürnase für »coole« Produkte, sondern auch darauf, dass er bei öffentlichen Vorträgen nichts dem Zufall überlässt – mit dem Ergebnis, dass ein krankheitsbedingter Ausfall des Apple-CEO Milliardenverluste an der Börse einspielt. Lernen Sie also von den Allerbesten: Probieren Sie aus, was Steve Jobs groß gemacht hat, am besten gleich bei Ihrem nächsten Vortrag – und kommen Sie gut an!

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René Borbonus

zählt zu den führenden Experten für Kommunikation im deutschsprachigen Raum. Ob im prominent besetzten Training, ob im Coaching von Vertretern der Wirtschaft oder Bundestagsabgeordneten, ob bei Vorträgen oder Lehraufträgen an renommierten Universitäten: Praxisnah und unterhaltsam vermittelt er rhetorische Fähigkeiten, die alles andere als verstaubt sind.

image www.rene-borbonus.de

image GERRIET DANZ

Präsentieren mit der Kraft der zwei Hirne

Vielleicht sind Sie gerade überrascht. Zwei Hirne? Waren es nicht zwei Herzen, die für ein bekanntes Stärkungsmittel Werbung machten? Absolut richtig. Aber genau darum soll es in diesem Artikel gehen. Um Unvorhergesehenes, Überraschendes, Inspirierendes. Um Präsentationen, die wirken, weil sie anders und kreativ sind. Und so zur Verbindung zwischen dem Hirn des Präsentators und dem Hirn des Zuhörers werden. Außerdem geht es um die Frage, wie Werbung und eine Kreativitätstechnik namens KREATORIK© dabei helfen können, Kopf, Bauch und Seele des Publikums zu erreichen. Also sozusagen um die Anatomie kreativer Präsentationen.

Kennen Sie Ihren Articulationes interphalangiales distales? Er befindet sich gerade auf dieser Seite und hilft Ihnen, das Buch festzuhalten. Es ist Ihr Daumenendgelenk gleich unterhalb des Daumennagels. Dieses Gelenk ist bei Präsentationen häufig das einzige Körperteil, das sich bewegt – in regelmäßigem Rhythmus auf und ab, um auf einer Fernbedienung mit kurzem Druck das nächste Slide aufzurufen. Und das passiert oft – täglich rund 30 Millionen Mal werden weltweit Beamer angeworfen –, heute und morgen und übermorgen und …

Auch bei den Zuschauern gerät dadurch etwas körperlich in Bewegung: nämlich die Palpebra superior. Dies ist der lateinische Fachbegriff für das Augenlid, das nach unten fällt und dort bleibt – akutes Publikumswachkoma durch die im Halbschatten stattfindende Beamerpräsentation. Im Ernst: Es gibt kaum eine bessere Narkose als eine exzessive Slideshow – das hat eine Fülle wissenschaftlicher Studien längst bewiesen, wird aber allen Erkenntnissen zum Trotz jeden Tag millionenfach ignoriert. Zum Nachteil derer, die für ihre Vorträge Aufwand betreiben, sich alle Mühe geben, die gerne punkten wollen – aber mangels Alternative zum Gewohnten greifen: die Präsentatoren.

Von akuter Langeweile zu chronischem Frust

PowerPoint an sich ist nicht das Übel! Gefährlich ist die Art, wie damit umgegangen wird. Nämlich exzessiv – und nicht gehirngerecht. Wer den Beamer anknipst, knipst sich häufig selber aus, wer beamt, beamt sich persönlich aus der Wahrnehmung des Publikums, stellt sich in den Schatten seiner Präsentation. Lenkt das Publikum mit häufig kaum zu überschauenden Folien von sich selbst ab. Ich erlebe auf Konferenzen, Kongressen und auch in meinen Seminaren so oft, dass ausgewiesene Fachleute, die etwas zu sagen haben oder etwas zu sagen hätten, wirken, als seien sie nur die Vorführer ihrer eigenen Folien. Weil sie inaktiv im Seitenaus ihrer Präsentation stehen und eben nur ihr Daumenendgelenk bewegen. Sobald die gleichen Menschen weniger Folien oder gar keine zeigen, sich stattdessen selbst in die Mitte stellen, dort aktiv und kreativ werden, wirken sie wie das, was sie tatsächlich sind – und wofür sie auch bezahlt werden: Experten, Meinungsführer, Mentoren für ihre Kollegen und Mitarbeiter, für ihr Publikum.

Mein Tipp lautet: Setzen Sie so wenig Folien wie möglich ein – im Optimalfall gar keine. Was Sie sagen, müssen Sie nicht auch noch an die Wand schreiben! Nutzen Sie Folien ausschließlich, wenn Sie Ihre Inhalte notwendigerweise bebildern wollen. Genau so, wie dieses Medium bei seiner Erfindung vor über 20 Jahren gemeint war: Als Unterstützung, um Bilder zu zeigen. Und eben nicht als Teleprompter. Der Erfolg wird sein, dass Sie sich allein schon durchs Weglassen unterscheiden und im Einheitsbrei der Vorträge deshalb positiv auffallen werden.

40 Assistenzärzte. 300 Professoren. 4 Minuten

Neulich hatte ich die Aufgabe, eine junge Assistenzärztin zu coachen. Gerade im ersten Berufsjahr, hatte sie es geschafft, vor 300 Professoren an einer Universitätsklinik einen Vortrag halten zu dürfen. Dafür hatte sie vorher einen Auswahlprozess durchlaufen müssen – eine Art Doktorencasting also. Gemeinsam mit 39 anderen jungen Ärzten stand sie jetzt vor der Aufgabe, einen kurzen Vortrag von jeweils nur vier Minuten vorzubereiten – und hatte so etwas vorher noch nie gemacht. Entsprechend bedenklich sah es kardiologisch um sie aus, als wir uns trafen: Es klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Vor allem ängstigte sie die Tatsache, vor 300 Professoren, genannt: Koryphäen, den berühmten »Halbgöttern in Weiß«, zu präsentieren. Eine Angst, die aus meiner Sicht durchaus nachvollziehbar ist, wenn man erstens so jung ist, zweitens noch nicht so häufig präsentiert hat und drittens womöglich der 37. Präsentator in Reihe ist, den sich die Herren Professoren anschauen dürfen – anschauen müssen!

Ich ließ die junge Dame präsentieren und fand meine Erwartungen bestätigt. Sie hielt ihren Vortrag so, wie man es häufig sieht: Möglichst viele Charts zeigen, auf denen möglichst viel geschrieben steht, an der Seite im Dunkeln stehen und in einem Ton vortragen, den man von den Ärzten aus der TV-Serie »Emergency Room« kennt, die in einem Notfall hektisch und näselnd ihre Diagnose in ein Diktafon sprechen. Nach der Präsentation habe ich ihr zwei Möglichkeiten aufgezeigt: Exakt so zu präsentieren, um nicht aufzufallen – weder positiv noch negativ. Oder eine einzigartige Chance zu nutzen: Nicht eine von 40 zu sein, sondern die Einzige von 40 zu sein, die einen wohltuenden Unterschied macht, indem sie den medizinischen Fakten ein Gesicht gibt und eine Story – also die Geschichte eines Patienten – erzählt, ganz ohne Folien und mit dem natürlichen Charme, den der liebe Gott ihr mitgegeben hat.

Eine Woche nach ihrem Auftritt bekam ich eine SMS von ihr: »Alles super gelaufen. Die haben sogar gelächelt. Bin von zwei Professoren angesprochen worden, an einem Forschungsprojekt teilzunehmen!« So anders ist das Feedback, so anders sind die Reaktionen, wenn man die Dinge anders macht.

Wie Meister Proper Sie zum Meister macht

Es gibt zwei Disziplinen, die aus ihrem Wesen heraus immer gehirngerecht kommunizieren müssen, wollen sie erfolgreich sein: Werbung und Marketing. Nach meiner Ansicht ist jede Präsentation ein Stück Werbung – Werbung für ein Konzept, eine Lösung, ein Unternehmen, eine Abteilung und sogar für den Präsentator selbst. Denn wer eine überzeugende, inspirierende Präsentation hält, wird auf seinem Karrierekonto garantiert Pluspunkte gutgeschrieben bekommen. Wenn also Vorträge gleich Werbung sind, müssen auch die Techniken aus Werbung und Marketing auf Präsentationen übertragbar sein. Was einen Werbespot zu einem überraschenden und funktionierenden Werbespot macht, sollte demnach auch vorne auf dem Podium beim Vortrag erfolgreich nutzbar sein.

Fünf von einem Dutzend Werbetechniken, die ich in meinen Seminaren und Coachings nutzbar mache, möchte ich Ihnen gern vorstellen. Dabei analysiere ich Beispiele aus der Werbung und zeige auf, wie man diese Techniken übertragen und auf dem Podium, auf der Bühne, bei Vorträgen und Präsentationen nutzen kann.

1. Werbespots fürs geistige Auge

Menschen lieben Geschichten. Das liegt sicher daran, dass wir von Kindesbeinen an gewohnt sind, Geschichten zu hören und uns in ihnen zu verlieren. Erst auf Großmutters Schoß, irgendwann im Kinosessel und später in Unternehmen – dort nennt man es dann Gerüchteküche oder Flurfunk. Auch die Werbung arbeitet mit Geschichten. Unzählige Werbestudien haben bewiesen, dass in Storys verpackte Inhalte viel besser verstanden, vom Hirn verarbeitet und dort verankert werden als die puren, nackten, rationalen Fakten dieser Inhalte. Erinnern Sie sich an die Werbung von IKEA, in der pünktlich zum sogenannten Knut-Tag die Weihnachtsbäume aus den Fenstern geworfen werden, um Platz zu machen für neue Möbel? Oder waren Sie vielleicht schon einmal in Lynchburg / Tennessee zu Gast, in dieser kleinen Destillery, in der Menschen mit viel Ruhe und Bedacht Whiskey herstellen – liebevoll eingefangen in den Werbespots von Jack Daniels? Legendär sind auch die »G’schichten« aus dem Paulaner-Garten, bei dem wir immer wieder neu erfahren, wie die Bayern charmant und bierselig mit alltäglichen Situationen umgehen.

Die Macht dieser Geschichten ist begründet in unser aller Entwicklung: Kommunikationsexperten sind sich heute sicher, dass ein soziales Miteinander nur möglich ist, indem wir uns Geschichten erzählen. Auch in der Politik, wo Geschichten erzählt werden, die sich manchmal als Märchen entpuppen. Erinnern Sie sich noch an das Kanzlerduell Schröder / Stoiber im Jahr 2002? Während Edmund Stoiber die Arbeitslosenquote des Ruhrgebiets bis hinters Komma genau aufsagen konnte, erzählte Gerhard Schröder die Geschichte eines Langzeitarbeitslosen mit vier Kindern aus Dortmund, der keine Chance auf einen neuen Job hat. Was glauben Sie: Was funktioniert besser? Was ist überzeugender? Storytelling ist eines der wichtigsten Instrumente, um die Aufmerksamkeit von Menschen zu erregen. Eine Geschichte zu hören ist fürs Hirn zwar nicht so eindrücklich wie das echte Live-Erlebnis, aber es ist die nächstbeste Alternative.

In gleicher Weise können auch Präsentatoren Geschichten erzählen – als eine Art Mini-Werbespot in ihrem Vortrag. Die stärkste Variante ist immer die Story, die man selbst erlebt hat. Ein gutes Beispiel habe ich kürzlich bei einer Molekularbiologin erlebt, die über individuelle, personalisierte Medikamente sprach. Denn Medikamente sind häufig nicht wirksam, weil sie der genetischen Programmierung des Patienten nicht entsprechen. Die Biologin zückte ein Foto ihrer Tochter, zeigte es dem Publikum und dachte in ihrem Vortrag laut darüber nach, ob ihr Kind möglicherweise ähnliche Unverträglichkeiten wie sie selbst habe und wie die Pharmaindustrie darauf reagieren müsse. Auf diese Weise startete die Dame auf eine sehr persönliche Weise in ein hochkomplexes wissenschaftliches Thema und hatte die Aufmerksamkeit aller Zuhörer ab Sekunde eins zu 100 Prozent auf ihrer Seite.

2. Vorsprung durch Nachrichten

Neulich in Berlin: Zur Eröffnung der Fashion Week warb ein Gartenbaumarkt damit, dem eigenen Garten doch auch einmal ein neues (Blüten-)Kleid zu spendieren. Dieses Beispiel zeigt, dass sich Werbekampagnen von aktuellen Ereignissen inspirieren lassen. Dieses Prinzip können Sie auch in Präsentationen nutzen. Neulich in den News: Ein britischer Abgeordneter hat im Unterhaus während seiner Rede für Furore gesorgt. Nicht durch seine ungewöhnlichen politischen Ansichten, sondern durch eine eher ungewollte Unterbrechung. Während höchst kontrovers über die Zuschüsse für Studenten debattiert wurde, machte sich seine Krawatte selbstständig. Es handelte sich dabei um eine Musikkrawatte mit einem eingebauten Chip, der ein fröhliches Liedlein spielte, verstärkt durch die Mikrofonanlage des Hauses. Mit dieser Meldung, die ich morgens im Hotel beim Frühstück aus der Zeitung herausgerissen hatte, begann ich einen Vortrag über die Wirkung von Präsentationen und verwies darauf, dass es durchaus bessere Möglichkeiten gibt, für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Sie sehen: News kann man nutzen, man sollte sie sogar nutzen. Denn Neuigkeiten wirken auf unser Hirn so stark, dass der Umgang damit juristisch extrem reglementiert ist. Ich habe einmal meinen Anwalt dazu befragt: In manchen Branchen darf man nach drei Monaten schon nicht mehr behaupten, dass etwas neu ist – so stark wirken Neuigkeiten auf unser Hirn!

3. Im Vergleich besser

Metaphern sind bildhafte Vergleiche. Und die erlebt man in der Werbung ständig. Zum Beispiel, wenn ein Kinderdessert so wertvoll wie ein kleines Steak ist oder Waschmittel einen Pullover schäfchenweich machen. Metaphern sind seit Jahrtausenden eine der wirkungsvollsten Kommunikationstechniken. Immer wird etwas Neues, Unbekanntes, Erklärungsbedürftiges mit Bekanntem, längst Gelerntem verglichen. Ergebnis: Selbst komplexe Inhalte werden leicht verstanden und verankert. Warum dies nicht auch in Präsentationen nutzen? Indem Sie zum Beispiel Ihre gesamte Präsentation in eine Segel-Metapher-Welt betten. Sie reden von einer Crew, von jemandem, der das Steuer in der Hand hält, davon, dass man Segel setzen muss, um weiterzukommen. Aber Vorsicht: Bleiben Sie bei einer Bildwelt! Wechseln Sie nicht in der Mitte Ihres Vortrags in die Fußballwelt, um kurz vor dem Finale in die Kochwelt und dann noch ins Formel-1-Lager zu segeln. Das sorgt für einen Hirn-Orkan und verwirrt das Publikum mehr, als dass es Ihnen hilft.

4. 3D – neue Dimensionen fürs Überzeugen

Kürzlich erreichte mich der Werbebrief eines Business-Networks, das mir – symbolisch für die vielen Kontakte, die ich über dieses Netz wohl knüpfen kann – kleine Zitronenkerne in einem Tütchen schickte. Die Saat würde aufgehen, so das Versprechen des Dienstleisters, wenn ich die Kerne denn einpflanzte. Ich habe mich da nicht angemeldet, aber: Dieser Brief ist mir wenigstens in der Vielzahl der Werbesendungen aufgefallen und ich habe ihn durchgelesen. Weil ich es witzig, ungewöhnlich und kreativ fand, wie hier mit einer Botschaft symbolisch umgegangen wird. Da wird eine Metapher aus der zweiten in die dritte Dimension geholt – und schon entsteht eine Art visueller Magneteffekt und auch ein Spieltrieb. Dreidimensionale Objekte funktionieren auch perfekt in Präsentationen, wenn man diese Gegenstände hochhält und sie dem Publikum zeigt. Wie EU-Kommissarin Neelie Kroes, die in einer Pressekonferenz die Milliardenstrafe für einen Chiphersteller wegen angeblichen Missbrauchs seiner Marktdominanz verkündete und zur Unterstützung ihrer Botschaft medienwirksam eine Hauptplatine – ein Computerbauteil – hochhielt.

5. Willkommen zur Demo!

Vielleicht erinnern Sie sich an den Werbespot für einen Kinderjoghurt, in dem der Kalziumzusatz auf kreative Weise demonstriert wurde. Da wurde ein Knochen aus weißen Legosteinen gebaut, und ein letzter Baustein wurde eingesetzt, um diesen Knochen zu vervollständigen. Auf diesem Legostein war das Wort »Kalzium« zu lesen. Dies ist eine klassische Werbe-Demonstration, die der Zielgruppe einen hochkomplexen