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Buch

Die Liebe zwischen Mann und Frau ist wie ein Match. Zu Beginn einer Beziehung, frisch verliebt, steht den Partnern ein großes Spielfeld zur Verfügung. Beglückt folgt man dem anregenden Austausch, ist entzückt vom berauschenden Zusammenspiel. Könnte es nur immer so weitergehen …

Aber der Alltag sorgt dafür, dass die Bälle irgendwann nicht mehr so freundlich hin- und hergehen. Kränkungen und Missverständnisse bestimmen das Spiel. Sie entstehen, weil Frauen zu wenig von Männern wissen. Und umgekehrt.

Julia Onken und Mathias Jung liefern sich in diesem Buch selbst einen Schlagabtausch über die bekannten Paarprobleme – und schildern sie aus ihrer geschlechtsspezifischen Sicht. Damit erhöhen sie die Einsicht und das Verständnis füreinander und helfen Paaren, die Gefühle und Gedanken des Partners besser zu verstehen. So eröffnen sich völlig neue Perspektiven für ein lustvolles Miteinander.

Autorin

Julia Onken, geboren 1942, arbeitet als Psychologin und Therapeutin. Sie ist Gründerin und Leiterin des »Frauenseminars Bodensee« und leitet seit vielen Jahren Aus- und Weiterbildungskurse sowie Paarseminare. Sie ist die Autorin mehrerer Bestseller. Sie lebt am Bodensee in der Schweiz.

Dr. Mathias Jung, geboren 1941, ist Gestalttherapeut und Autor zahlreicher Bücher aus dem Bereich Philosophie, Lebenshilfe und Gesundheit.

Von Julia Onken außerdem bei Mosaik bei Goldmann

Spiegelbilder (16999)

Julia Onken · Mathias Jung

Liebes-Pingpong

Was Mann und Frau voneinander lernen können

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Alle Ratschläge in diesem Buch wurden von den Autoren und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autoren beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage

Vollständige Taschenbuchausgabe Dezember 2010

Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

© 2007 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

FK · Herstellung: IH

ISBN 978-3-641-03669-0

www.mosaik-goldmann.de

Pingpong!

Die Beziehung zwischen Frau und Mann gleicht einem Tennisspiel. Wenn die Liebe groß ist, steht den beiden Spielern ein weiträumiges Spielfeld zur Verfügung. Verliebte folgen beglückt dem reizvollen Austausch, dabei bilden erprobte Regeln den Rahmen für das aufregende Spiel von Angriff und List, Nähe und Distanz, Niederlage und Sieg. Nach einer schweißtreibenden Partie zwischen den Spielern steht die Freude über das schöne Match, die Anerkennung und die Versöhnung im Händedruck über das Netz. Die Verheißung auf Revanche stiftet ein Gleichgewicht zwischen den ebenbürtigen Spielern.

Die Beziehung kann aber auch einem verbissenen Match ähneln. Frau und Mann kennen nichts mehr als Dominanz, Macht und Sieg auf der kleinen Platte. Die Strategie ist auf beiden Seiten immer die gleiche: aggressiv, gnadenlos, asymmetrisch eskalierend. Es gibt kein Leben mehr jenseits dieses Kampffeldes. Das ewige Pingpong von Aggression und Konterschlag ist enervierend. Wir Männer und Frauen sind Meister dieses Gefühlsmassakers.

Dass es Frauen und Männer gibt, ist einer der verrücktesten Einfälle von Mutter Natur: Entsprechend kompliziert ist die Liebe. Im positiven Fall stellt das »Spiel« zwischen den Geschlechtern die Suchbewegung der Liebe dar. Häufiger jedoch kommt es zu einem verletzenden Gegeneinander statt zu einem lustvollen Miteinander. Doch liegt das wirklich in der Natur der Sache?

Die meisten Kränkungen, die sich Männer und Frauen gegenseitig in Beziehungen zufügen, erfolgen deshalb, weil sie zu wenig übereinander wissen. Da wir beide seit Jahrzehnten in der Psychotherapie tätig sind und täglich mit Männern und Frauen arbeiten, denen die Liebe in der Partnerschaft abhanden zu kommen droht, haben wir für dieses Buch die Themenbereiche herausgefiltert, die im Umgang mit dem anderen Geschlecht am häufigsten zu Missverständnissen führen.

Wir sind davon überzeugt: Wenn wir mehr voneinander wissen, wird es uns gelingen, die andere Denkart nicht mehr als Angriff, sondern als Ausdruck der geschlechtsspezifischen Ausrichtung zu erleben. Etwas flapsiger ausgedrückt: Wir möchten aus dem wechselnden Blickwinkel einer Frau und eines Mannes – gleichsam in einem Onken/Jung-Pingpong – zeigen, was Frauen und Männer voneinander wissen müssen: um sich besser zu verstehen und um mehr Freude miteinander zu haben.

Wir können das Spiel der Liebe bei allem Lustgewinn nicht ernst genug nehmen – vor allem, wenn wir diesen Gewinn auf Dauer anstreben. Es will immer wieder besprochen, korrigiert, von Missverständnissen befreit und auf wechselnden Feldern und mit wachsender Erfahrung gespielt werden. Das ist es, was wir Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen mit einem prägnanten Wort bezeichnen: Liebesarbeit.

Vielleicht ist die Liebe auch ein Jahrzehnte währendes Theaterspiel. Dann sollten wir uns das Wort des Menschenkenners und Regisseurs Federico Fellini zu Herzen nehmen: »Die Ehe ist ein Spielplan mit gleichbleibendem Repertoire. Folglich sollte man wenigstens die Inszenierung ändern.«

Wir haben uns daher erlaubt, auch die komödiantischen Aspekte des Beziehungsspiels aufzuzeigen. »Humor ist der Knopf«, sagt Christian Morgenstern, »der verhindert, dass uns der Kragen platzt.« Vielleicht sollten wir Frauen und Männer öfters über unsere Dummheiten in den Liebesdingen lachen, statt uns zu meucheln. Spannungen dürfen sein.

So haben auch wir beide in unserer Auseinandersetzung mit diesen Themen oft herzlich lachen können. Zuweilen waren wir aber auch betroffen, wenn wir in die Welt des anderen Geschlechts Einblick erhielten und damit die Verletzlichkeit kennenlernten. Darüber hinaus haben wir viel voneinander gelernt. Wir wünschen uns, dass es Ihnen, unseren Lesern und Leserinnen, ebenso ergeht.

Julia Onken, Mathias Jung

Die Krone der Schöpfung – eine (schwierige) Liebeserklärung an den Mann

Der Mann muss seinen Kopf nicht bedecken, denn er ist Abbild und Abglanz Gottes. Doch die Frau ist der Abglanz des Mannes. Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern sie von ihm. Und er ist nicht ihretwegen erschaffen worden, sondern umgekehrt.

Apostel Paulus, 1. Korintherbrief 11,7–8

Der alte Mann liegt im Sterben, um einem anderen, neuen Platz zu machen, der vor unseren Augen entsteht und von dem man noch kaum die Konturen erahnt.

Elisabeth Badinter, Die Identität des Mannes (1992)

Du siehst schon an den beiden Zitaten, liebe Julia, die Sache mit dem Mann ist kompliziert. Der alte Mann ist tot, es lebe der neue Mann! Doch wo ist er zu sehen?

Männer gelten dem psychologischen Stereotyp nach als aggressiv, aktiv, autoritär, dominierend, entschlossen, erobernd, innovativ, konkurrierend, kraftvoll, kühn, mutig, selbstbehauptend und selbstsicher, aber auch dickköpfig, gefühlsarm, gewalttätig, großspurig, überheblich, uneinfühlsam und streitlustig. In der Presse kommen die Männer seit Jahren immer schlechter weg. So zeigte eine Fotomontage in einer Zeitung vier Abfallcontainer mit folgenden Aufschriften: »Papier«, »Braunglas«, »Weißglas« »Männer«.

Frauen dagegen werden beschrieben als abhängig, brav, emotional, geduldig, intuitiv, liebevoll, passiv, reizbar, sanft, sensibel, unehrgeizig, unterwürfig, unentschlossen, unlogisch und zärtlich, aber auch gehässig, geheimniskrämerisch, launig, oberflächlich, raffiniert, unzuverlässig, wankelmütig und weinerlich. Aus diesen widersprüchlichen femininen Attributen ergeben sich wiederum die Lobpreisungen und Schmähreden auf die Frau. Die Schauspielerin ZsaZsa Gabor meint: »Auch Gott lernt dazu. Man merkt das an den Verbesserungen bei der Erschaffung der Frau gegenüber der des Mannes.«

Ich bin gerne ein Mann. Ich liebe die leidenschaftliche Werkhingabe des Mannes. Ob ein Mann eine Blockhütte zimmert, das Badezimmer kachelt, mit dem Paragleiter fliegt, seiner Tochter das Schlittschuhlaufen beibringt, eine wissenschaftliche Arbeit schreibt, Leichtathletik betreibt, ein Lagerfeuer entfacht oder Überstunden bei einem Projekt seines Betriebes leistet – er tut es mit einer innigen Werkhingabe und stürmischen Verve, dass es eine Wonne ist. Er mault dabei nicht und ist nicht wehleidig, sondern gibt energetisch seine letzten Kraftreserven her.

Ich merke das sogar bei meinen Selbsterfahrungsgruppen. Frauengruppen sind nicht so belastbar. Frauen rennen ständig auf die Toilette, fordern mehr Pausen und sind zu einer therapeutischen Arbeit in den späten Abendstunden schwerer zu begeistern. Wenn Männer sich für eine Männergruppe entscheiden – und das fällt den meisten immer noch verdammt schwer –, dann krempeln sie die Ärmel hoch, lassen, wenn es denn sein muss, auch ihre Gefühle explodieren. Sie ackern bis kurz vor Mitternacht im Therapieraum daran, ihren Seelenmüll endlich zu entsorgen. Anschließend trinken sie noch einen Absacker und treten am anderen Morgen fröhlich und energiegeladen wieder zur Fortführung ihrer Seelenreise an.

Männer können herrlich verspielte kleine Jungen sein. Sie finden sich zusammen zu gemeinsamen Projekten vom Hausbau bis zum Marathonlauf. Sie sind in der Beziehung weniger nachtragend als Frauen. Sie besitzen nicht das grausame weibliche Elefantengedächtnis. Zwar verzeiht eine Frau vieles, aber sie erinnert den Mann doch penetrant häufig daran, dass sie ihm verziehen hat. Ich mag an Männern, dass sie meist unverblümt und geradeheraus sind, weniger intrigieren und zicken als Frauen. Ich liebe ihre körperliche Kraft und, verzeih, liebe Julia, bockhafte Sinnlichkeit, weil sie Ausdruck ihrer phallischen Lebensfreude ist. Besonders schätze ich die handwerkliche und die intellektuelle Neugier vieler Männer. Sie lesen Zeitungen, informieren sich über das Fernsehen und engagieren sich politisch, was vielen Frauen mit ihrer undifferenzierten Politikfeindschaft abgeht. Kurz, ich liebe die Energie der Männer. Was in ihnen an Begeisterungsfähigkeit, Charme, Einfühlungsgabe, Phantasie und Zärtlichkeit steckt, das beweisen sie, wenn sie voller Leidenschaft um eine Frau werben; leider degenerieren sie später oft zu erotischen Sozialfällen.

Ich habe einige Jahre das Düsseldorfer Männerbüro geleitet. In dieser Zeit begann ich, mich mit tieferem Bewusstsein um den Mann in seiner Schwäche zu sorgen. Ich liebe ihn seitdem, wie man ein krankes Kind liebt. Denn der Mann ist nicht das »starke Geschlecht«. Da mag der konservative christliche Propagandist Paulus noch so viel vom männlichen Heiligenschein reden, der Mann repräsentiert längst das »schwache Geschlecht«.

Das Magazin der spiegel (36/2001) analysierte bereits vor Jahren unter dem Titel Das zerbrechliche Geschlecht die fatale menschliche und medizinische Situation des Mannes. Er stirbt nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden inzwischen mit durchschnittlich fünfundsiebzig Jahren, fast sechs Jahre früher als die Frau. der spiegel registrierte: »Jenseits des fünfzigsten Lebensjahres fangen die jahrelangen chronisch ungesunden ›typisch männlichen‹ Verhaltensweisen an, sich auszuwirken. Denn während Frauen pfleglicher mit ihrem Körper umgehen, ernähren sich Männer im Ganzen ungesünder und sind im Durchschnitt durch alle Altersklassen hinweg dicker. Männer rauchen mehr und gehen seltener zur Vorsorge … Überrepräsentiert im Vergleich zu Frauen sind Mörder, Totschläger, Selbstmörder, Alkoholiker, Unfalltote, allgemeine Kriminelle.« Der Spiegel fragte: »Was läuft falsch im Seelenleben des Mannes?«

Tatsächlich sind bereits die männlichen Embryos und die Föten weniger widerstandsfähig als die weiblichen. Noch im ersten Lebensjahr ist die Säuglingssterblichkeit bei Jungen höher als bei Mädchen. Später ist die Gewalt an den Schulen die Gewalt der Jungen, nicht die der Mädchen. Jungen haben größere disziplinarische Schwierigkeiten in der Schule und in der Familie. Umgekehrt ist die Generation der »Alpha-Mädchen« angekommen: Eine neue Generation von Frauen überholt derzeit die Männer – in der Schule und auch im Studium. Das Fehlverhalten und die Selbstgefährdung der Männer setzen sich im erwachsenen Leben fort. Der Züricher Psychiatrieprofessor Jules Angst untersucht in einer Langzeitstudie seit 1979 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte sechshundert Frauen und Männer. In der Altersgruppe von zwanzig bis vierzig Jahren ermittelte er folgende Unterschiede zwischen Frauen und Männern: »Bei Depressionen, Angststörungen, Panikattacken oder Phobien sind die Frauen überproportional oft vertreten. Bei Suchtkrankheiten sind dagegen die Männer eindeutig überrepräsentiert. Alkohol oder Drogen tauchen bei Männern drei Mal häufiger auf als bei Frauen. Und auch die Persönlichkeitsstörungen und sozialen Störungen, die sich häufig in Gewalttätigkeit äußern, sind eindeutig ein Männerproblem.«

Männliche Aggression wendet sich nicht zuletzt gegen sich selbst. Frauen unternehmen nach der Züricher Studie drei Mal so viel Suizidversuche als Männer, aber doppelt so viele Männer wie Frauen bringen sich tatsächlich um. Auch die Methoden der Selbsttötung unterscheiden sich gravierend: Frauen schlucken Tabletten, Männer erschießen sich, stürzen sich aus dem Fenster oder erhängen sich. Der Psychiater Angst schlussfolgert: »Darin zeigt sich die größere Zerstörungsbereitschaft des Mannes, auch gegen sich selbst. Um sich umzubringen, braucht man eine gewisse Aggression: Aggressive Männer machen auch eher schwere Verkehrsunfälle. Ich habe viele Motorradfahrer gesehen, die hatten Oberschenkelfrakturen, Nervenschädigungen, drei, vier, fünf Gehirnerschütterungen und hatten immer noch nicht genug. Das sind diese selbstschädigenden Tendenzen beim Mann. Und sehr viele Selbstmörder, das kann Ihnen jeder Gerichtsmediziner sagen, haben Alkohol im Blut. Würden sie in der Ausnüchterungszelle landen statt auf dem Hochhausdach – manche hätten sicher noch ein langes Leben vor sich.«

Männer verbergen sich hinter der Fassade ihrer Großspurigkeit. Der Alkohol ist die favorisierte Droge, um ihre Schwäche nicht zu spüren. Der Schweizer Wissenschaftler analysiert: »Alkohol wird von Männern außerordentlich häufig konsumiert, um mit Stress oder Angst fertig zu werden. Schätzungsweise hinter jedem dritten Alkoholiker verbirgt sich ein depressiver Mann. Der Wunsch, nichts mehr spüren zu müssen, sich zu betäuben, erhöht die Suchtbereitschaft. Aber Alkoholkonsum wird auch in den Männerbünden erlernt. Dort geht es darum zu zeigen, dass man schmerztolerant ist, sein Leiden nicht offenbart. Stattdessen machen sie ihre Initiationsriten, suchen Kompensation, zum Beispiel im Sport, und dann gehen sie noch ins Wirtshaus und trinken mit den Kameraden … Männer haben eine stärkere Tendenz zum Verdrängen.«

Jules Angst erkennt die Ambivalenz des Mannes: »Das männliche Geschlecht ist das verletzliche. (…) Die Männer haben eine höhere Sterblichkeit, höhere Unfallgefährdung durch ihre Risikobereitschaft.« Der Wissenschaftler betont jedoch: »Aber ihre Aggression hat schließlich auch positive Seiten: Man wagt etwas, begibt sich auf Neuland, geht auf Entdeckungen und Eroberungen. In der Stammesgeschichte der Menschheit hat das eine große Rolle gespielt.«

Das Katastrophenbild des Mannes wird in den letzten Jahren gemildert. Es ist unverkennbar, dass sich viele Männer zunehmend im Aufbruch und Umbruch befinden. Ich merke das in meiner psychotherapeutischen Praxis vor allem daran, dass immer mehr Männer meine Angebote zur Lebensberatung annehmen und nach Männergruppen fragen. Man kann in diesem Zusammenhang jedoch nicht von den Männern sprechen. Den Mann gibt es nicht.

Die Männer trennen sich in der Frage der Geschlechterdemokratie und Emanzipation in zwei große Lager: das Großbürgertum und die Männer der Unterschichten. Einerseits wehren sie sich zähneknirschend gegen die Veränderung der Geschlechterrollen, ohne die soziale und psychologische Neupositionierung der Frauen allerdings grundsätzlich aufhalten zu können. Die Männer der Mittelschicht andererseits sind liiert mit emanzipierten, berufs- und bildungsstarken Frauen. Sie öffnen sich – mit vielen Widersprüchen – der Gleichberechtigung. Der Männerforscher Walter Hollstein macht dies in seinem Buch Potent werden an sechs Veränderungen fest:

  1. »Das Frauenbild der Männer hat sich demokratisiert; Frauen werden als gleichwertig und gleichberechtigt angesehen. Eine Mehrheit von Männern begrüßt inzwischen die Frauenemanzipation.
  2. Die klassische Doppelmoral der Männer, sich Freiheiten zu nehmen, die sie ihren Frauen nicht zu geben bereit sind, gehört verflossenen Zeiten an.
  3. Zunehmend erkennen Männer die Verengung unserer Männerrolle und versuchen, sie – zumindest privat – zu erweitern. Männer geben an, gefühlvoller, kooperativer und demokratischer geworden zu sein.
  4. Väter beteiligen sich stärker an der Kindererziehung. Allerdings beschränken sie sich hier auf die angenehmen Tätigkeiten des Spielens, Erzählens und Wanderns und meiden Pflege, Ernähren und Sauberhalten.
  5. Männer unter vierzig Jahren sind autark geworden; sie können putzen, kochen, waschen und sogar nähen. Freilich nutzen sie im gemeinsamen Haushalt nur einen Bruchteil ihrer Fähigkeiten.
  6. Eine Minderheit von Männern versucht in Männerfreundschaften, Männergruppen und Männerzentren eine neue Männerwelt ohne Feindschaft und Angst aufzubauen.«

Mit dem Mann als der »Krone der Schöpfung« sieht es also nicht rosig aus. Man darf den »neuen Mann«, der sich aus der Mittelschicht vom Facharbeiter bis zum Akademiker rekrutiert, quantitativ und qualitativ nicht überschätzen. Hollstein hält unerbittlich fest: »Veränderte oder neue Männlichkeit repräsentiert noch immer nur eine Minderheitenposition, die zirka ein knappes Viertel der männlichen Bevölkerung ausmacht. Die reaktionäre Fraktion derer, die sich vehement und zum Teil mit Gewalt gegen Fortschritte in der Geschlechterfrage stellen, ist nahezu genauso groß. Die große Mehrheit der männlichen Bevölkerung versucht weiterhin, die Problematik von Frauenbewegung, Männerveränderung und zukünftiger Geschlechterdemokratie zu verdrängen.«

Wo es den Männern gut geht, geht es ihnen auf Kosten der Frauen gut. Frauen sind zum Beispiel häufig gleich oder sogar höher qualifiziert als Männer, haben aber schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, gleichgültig, ob sie Arbeiterinnen oder Akademikerinnen sind. In einer führenden deutschen Drogeriekette zum Beispiel besteht das Verkaufspersonal zu hundert Prozent aus Frauen. In der Verkaufsleitung sind sie in der Unterzahl, in der Direktion gibt es keine einzige Frau. Über drei Viertel der Frauen arbeiten in Teilzeitstellung ohne Aufstiegschancen, kein einziger Mann arbeitet Teilzeit.

Oder nehmen wir die Gerichte: An den Amtsgerichten sind (Stand 2004) fünfunddreißig Prozent Richterinnen, an den Landgerichten zweiunddreißig Prozent, an den Oberlandesgerichten vierundzwanzig Prozent, am Bundesgerichtshof achtzehn Prozent. In den führenden deutschen Anwaltskanzleien liegt der Frauenanteil unter den Partnern der Sozietät, also den Mitinhabern, unter zehn Prozent. In der Wirtschaft besetzen Frauen elf Prozent der Führungspositionen im mittleren Management und nackte fünf Prozent im Topmanagement.

Frank Schirrmacher, einer der Herausgeber der konservativen faz, hat für das Fernsehen eine weibliche Machtübernahme aufgemacht. Er spricht von der Männerdämmerung angesichts der stattlichen Anzahl kluger Moderatorinnen und Fernsehansagerinnen. Tatsächlich haben die Frauen zwar den Bildschirm prominent erobert, nicht aber die Chefsessel. Bei der ard gibt es eine Chefredakteurin und eine Intendantin, eine von jeweils elf!

»Was sind wir Männer doch für’n lustiger Verein«, sang Heinz Rühmann. Na ja. Wenn Männer in ihrer Mehrheit nach Art ihres lustigen Vereins so weitermachen und Frauen sich diese Blaubartmanieren gefallen lassen und die Scheidungslawine und die Zahl der Scheidungskinder immer größer werden, verkommt das Ballspiel der Liebe zum Pingpong des enttäuschten Geschlechterhasses. Hass ist enttäuschte Liebe.

Der Philosoph und Theologe Paul Tillich mahnte: »Jeder, der ernstlich nachdenkt, muss sich drei grundlegende Fragen stellen und seine Antwort darauf finden. Erstens: Was stimmt nicht mit uns? Was fehlt den Männern? Was ist mit den Frauen nicht in Ordnung? In welcher Hinsicht sind wir entfremdet? Was ist unsere Krankheit, unsere Un-Rast? Zweitens: Wie wären wir, wenn wir geheilt und ganz wären? Wenn wir uns verwirklicht hätten? Wenn wir unser Potenzial erfüllt hätten? Drittens: Wie kommen wir aus unserer Gebrochenheit zur Ganzheit? Wodurch können wir heil werden?«

Tja, liebe Julia, jetzt bist Du dran: Was ist mit den Frauen nicht in Ordnung?