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Markus B. Specht
Elena Spaude
Alexandra Kaluza

Kurzintervention bei Insomnie (KI)

Eine Anleitung zur Kurzzeitbehandlung von Ein- und Durchschlafstörungen

 

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2014

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-024187-9

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-024188-6

epub:   ISBN 978-3-17-024189-3

mobi:   ISBN 978-3-17-024190-9

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Inhalt

  1. Bevor Sie anfangen
  2. Vorbemerkungen
  3. Teil 1 – Einführung in das Programm
  4. 1   Grundlagen: »Gesunder« Schlaf
  5. 1.1    Begriffserklärung: Schlaf
  6. 1.2    Schlafforschung – ein historischer Überblick
  7. 1.3    Schlafstadien und Schlafregulation
  8. 1.4    Schlaferfassung
  9. 1.5    Funktion des Schlafs
  10. 2   Grundlegende Kennzeichen des »gestörten« Schlafs
  11. 2.1    Begriffserklärung: Schlafstörung
  12. 2.2    Klassifikation von Schlafstörungen
  13. 3   Wichtige organisch bedingte Schlafstörungen
  14. 3.1    Schlafapnoe-Syndrom
  15. 3.2    Restless-Legs-Syndrom
  16. 3.3    Narkolepsie
  17. 4   Insomnie
  18. 4.1    Definition und Beschreibung der Symptomatik
  19. 4.2    Klassifikation und Diagnostik im Überblick
  20. 4.3    Epidemiologie und Häufigkeitsverteilung
  21. 4.4    Ätiologie
  22. 5   Therapie bei Insomnie
  23. 5.1    Andere Trainingsprogramme
  24. 5.2    Grundlage des Manuals
  25. Teil 2 – Das Manual
  26. 6   Erstkontakt mit dem Patienten
  27. 7   Erste Sitzung: Vermittlung der theoretischen Hintergründe
  28. 8   Zweite Sitzung: Erfahrungsaustausch und Personalisierung der Regeln
  29. 9   Dritte Sitzung: Kontrolle und Motivation
  30. 10 Vierte Sitzung: Kontrolle und Reflexion über Veränderung und Motivation
  31. 11 Literaturliste
  32. 12 Anhang
  33. 12.1    Kontaktbogen KI
  34. 12.2    Teilnahmebestätigung KI
  35. 12.3    Informationsmaterial zur Intervention KI
  36. 12.4    Schlafqualitäts-Fragebogen (PSQI)
  37. 12.5    Insomnie Schweregrad Index (ISI-G)
  38. 12.6    Berliner Fragebogen
  39. 12.7    IRLS Fragebogen
  40. 12.8    ESS-Fragebogen
  41. 12.9    Das erste Schlafprotokoll
  42. 12.10  Das zweite Schlafprotokoll
  43. 12.11  Folienhandouts: Erste Sitzung
  44. 12.12  Fragebogen »Schlafgewohnheiten«
  45. 12.13  Folienhandouts: Zweite Sitzung
  46. 12.14  Folienhandouts: Dritte Sitzung
  47. 12.15  Das dritte Schlafprotokoll
  48. 12.16  Folienhandouts: Vierte Sitzung
  49. 12.17  Das vierte Schlafprotokoll
  50. 12.18  Das Blanko-Schlafprotokoll
  51. 12.19  Feedbackbogen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
  52. 12.20  Abschlußbericht der Kurzintervention bei Insomnie
  53. 13 Onlinematerial
  54. 13.1    Sitzungen
  55. 13.2    Handouts
  56. 13.3    Anhang

Bevor Sie anfangen

 

 

Liebe Leserin, lieber Leser!

Wie Sie wissen, sind Ein- und Durchschlafstörungen die am häufigsten vorkommende Schlafstörung in der Bevölkerung. Doch trotz des oft chronischen Verlaufs suchen nur wenige Betroffene professionelle Hilfe. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach niedrigschwelligen Therapieangeboten. Zusätzlich sind die bereits bestehenden Behandlungsangebote oft sehr zeitintensiv. Deshalb wurde die Kurzintervention bei Insomnie mit dem Ziel entwickelt, ein möglichst einfaches und gleichzeitig effektives Verfahren zur Therapie von Insomnie zur Verfügung zu stellen.

Das vorliegende Manual basiert auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich der Wirksamkeit schlafhygienischer Hinweise und konkreter Maßnahmen. Im Rahmen der bisherigen wissenschaftlichen Untersuchung des Programms zeigte sich, dass es bereits erlebbare und messbare Effekte auf den Schlaf mit sich bringt, wenn die Patientinnen und Patienten lediglich »einfache« Regeln einhalten und befolgen. Vor diesem Hintergrund und dem vergleichsweise geringen Aufwand der Intervention wird es Ihnen selbst möglich sein, in kurzer Zeit bei einer Vielzahl von Betroffenen Veränderungen und Verbesserungen des Schlafs zu erreichen und somit langfristig ihre Tagesbefindlichkeit zu steigern.

An dieser Stelle möchten wir allen bisherigen Teilnehmern der Intervention herzlich für ihre Bereitschaft zur Mitwirkung danken. Durch sie war eine wissenschaftliche Überprüfung der Effektivität unserer Intervention möglich.

Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Wolfgang Hiller und Prof. Dr. h.c. Dr. med. Stephan Volk für ihre Unterstützung. Ein herzlicher Dank geht auch an unsere Familien für ihre Unterstützung.

Wir freuen uns und bedanken uns bei Ihnen als Leserschaft, dass Sie sich für das Manual Kurzintervention bei Insomnie (KI) entschieden haben. Wir wünschen Ihnen ein angenehmes Arbeiten und viel Erfolg mit der Intervention.

 

Mainz im Januar 2014

Markus B. Specht, Elena Spaude und Alexandra Kaluza

Vorbemerkungen

 

 

Die Kurzintervention bei Insomnie (KI) ist ein Trainingsprogramm für Patienten mit akuten oder chronischen Ein- und Durchschlafstörungen, das in der Regel von Diplompsychologen, aber auch von psychologisch entsprechend vorgebildeten Angehörigen anderer Heilberufe durchgeführt werden kann. Durch sachliche Information und praktische Anwendung der besprochenen Inhalte wird eine Verbesserung des Schlafs angestrebt.

Das Training ist zwar für die Behandlung in einer Patientengruppe entwickelt worden; es kann bei Bedarf aber auch problemlos in der Einzelbehandlung angewendet werden. Bei einer Selbstdurchführung sollte vorher durch einen Fachkollegen darauf geachtet werden, dass neben der Insomnie keine weitere relevante psychische oder organische Störung vorliegt.

Die Patientengruppe sollte maximal sechs Personen umfassen, sofern der zeitliche Rahmen eingehalten werden soll. Die vorliegende Form ist eine Weiterentwicklung bisheriger Interventionsprogramme und berücksichtigt insbesondere den Anspruch, in kürzerer Zeit vergleichbare Effekte zu erzielen. Es ist spezifisch auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Insomnien ausgerichtet. Im Vergleich zu bestehenden Interventionen unterscheidet es sich vor allem durch die stark verkürzte Behandlungsdauer und die Fokussierung auf nur vier wesentliche Regeln in Bezug auf das Thema Schlaf. Denn das Training soll für die Betroffenen hauptsächlich Anleitung zur Selbsthilfe sein, sodass die gegebenenfalls parallel dazu stattfindende psychologische oder pharmakologische Therapie durch die Förderung der Eigeninitiative unterstützt wird.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit besteht im Rahmen der Prävention von Ein- und Durchschlafstörungen. So kann die Intervention auch dazu herangezogen werden Wissen um gesunden Schlaf bereits vor dem möglichen Entstehen einer Schlafstörung zu vermitteln, um dadurch das Auftreten einer solchen Insomnie von vornherein zu unterbinden.

Das Training ist nur auf die Behandlung von Schlafstörungen ausgerichtet; andere psychische Störungen, die mit der Schlafstörung in Verbindung stehen, werden dabei nicht behandelt. Hier ist im Einzelfall die Indikation für eine weiterführende psychotherapeutische Behandlung oder gar eine pharmakologische Therapie zu prüfen.

Zur Arbeit mit dem Programm

Nachfolgend finden Sie im ersten Teil zunächst eine Einführung in die medizinischen und psychologischen Grundlagen des gesunden und gestörten Schlafs. Zudem werden Konzepte beschrieben, die teilweise der Erstellung des Programms zugrunde liegen. Im zweiten Teil folgt das eigentliche Manual mit detaillierten Handlungsanleitungen und Materialien für jede der vier Sitzungen der Kurzintervention.

Für die Patienten gibt es zusätzlich Arbeitsmaterialien, mit deren Hilfe die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die während der Gruppensitzungen dargestellten Inhalte zu Hause vertiefen und somit leichter in ihren Alltag integrieren können. Diese Materialien sowie die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auszufüllenden Schlafprotokolle und Fragebögen finden Sie als Anhang am Ende des Manuals und als Onlinematerial auf unserer Homepage http://www.kohlhammer.de. Es ist jeweils im Manual angegeben, wann auf die Materialien zurückgegriffen werden soll.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Patientinnen und Patienten viel Erfolg mit der Kurzintervention bei Insomnie und freuen uns über jede Rückmeldung von Ihnen.

 

 

Teil 1   – Einführung in das Programm

1          Grundlagen: »Gesunder« Schlaf

 

1.1      Begriffserklärung: Schlaf

Das Wort »Schlaf« entstammt dem Altgermanischen und ist in seiner ursprünglichen Herkunft mit »schlapp werden« zu übersetzen (Borbély, 1987, S. 6–7). In der Literatur wird Schlaf als periodisch wiederkehrender, komplexer, hoch organisierter Zustand definiert, der durch unverkennbare Eigenschaften wie eine relative motorische Ruhe, eine verminderte sensorische Reagibilität und Bewusstseinslage gekennzeichnet ist (Fröhlich, 2002; Roehrs, 2000). Vordergründig wird Schlaf als ein der Erholung dienlicher Ruhezustand angesehen, in dem unser Tagesbewusstsein herabgesetzt wird, jedoch jederzeit wieder durch bedeutungsvolle Reize aktiviert werden kann und für unser Leben grundlegend ist (Dorsch, Häcker & Becker-Carus, 2004; Fröhlich, 2002; Roehrs, 2000).

Seit jeher beschäftigt man sich in den verschiedensten Disziplinen mit der Phänomenologie des Schlafs. In der griechischen Mythologie wurde er als Bruder des Todes verstanden, im klassischen Drama »Romeo und Julia« als unglücklicher Scheintod inszeniert, in der Märchenwelt des Dornröschens verflucht und in der Schlafforschung vielseitig untersucht und diskutiert (Borbély, 1987). Bis ins 20. Jahrhundert wurde Schlaf in der Literatur als passiver und monotoner Zustand angesehen, der sich durch ein Abschließen von der Umwelt charakterisiert (Koella, 1988, S. 11–13; Penzel, 2005, S. 7–9). Heute weiß man, dass der Schlaf ein sehr vielseitiges Phänomen und keineswegs nur ein Zustand motorischer Ruhe und fehlender Reaktivität ist. Während die Körpertemperatur, die Atmungs- und Kreislaufaktivität gegenüber dem Wachzustand vermindert sind, kann es zeitgleich zu einem temporären Aktivitätsanstieg kommen, der sich in Augen-, Rumpf-, Gesichts- oder Gliederbewegungen widerspiegelt (Koella, 1988). Die dabei grundlegende Bewusstseinsveränderung bedeutet nicht, dass der Schlafende vollständig gegenüber den Sinnesreizen abgekapselt ist (Koella, 1988). Er ist trotzdem erweckbar und kann nach plötzlichem Erwachen wieder adäquat auf sensorische Reize reagieren, was die enorme adaptive Fähigkeit des Schlafs an äußere und innere Bedingungen veranschaulicht (Koella, 1988, S. 7, 8). Ein abgrenzbares Schlafzentrum konnte bisher jedoch nicht ausfindig gemacht werden, weshalb Schlafforscher davon ausgehen, dass der Wechsel zwischen Schlafen und Wachen, sowie die Zustände Schlaf und Wach selber durch eine Vielzahl neurobiologischer Systeme reguliert wird (Förstl, Hautzinger & Roth, 2006). Der scheinbar passive Ruhezustand ist demnach vielmehr ein dynamisch-periodischer Zustand, in dem wechselseitig sowohl hohe als auch niedrige Aktivitäten innerhalb verschiedener Systeme nebeneinander existieren und systematisch über den Schlafverlauf variieren (Koella, 1988, S. 11–13).

Nahezu alle Definitionen aus der Literatur sprechen dem Schlaf letztlich zwei wesentliche Bedeutungen zu. Einerseits dient er der psychischen bzw. physischen Erholung und beeinflusst unter anderem die alltägliche Leistungsfähigkeit des Menschen, andererseits finden im Schlaf komplexe aktive Verarbeitungsprozesse zum Beispiel zur Gedächtnisbildung und neuronalen Umstrukturierung statt. In der Literatur wird Schlaf immer wieder als unerlässliche, wesentliche Voraussetzung für die menschliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit im Alltag definiert und angesehen (Penzel, 2005). Die hohe Bedeutsamkeit, die ihm zugesprochen wird, zeigt sich unter anderem in der eindrücklichen Dauer, die der menschliche Organismus im schlafenden Zustand verbringt. Rund 27 Jahre eines durchschnittlichen Lebens, das heißt etwa ein Drittel seines Lebens »verschläft« der Mensch (Breuer, 2009; Backhaus & Riemann, 1996; Grewal & Doghramji, 2010). Dabei liegt die durchschnittliche Schlafdauer pro Tag in den westlichen Industrieländern bei etwas über sieben Stunden (Penzel, 2005). Andere Säugetiere brauchen weniger: Zum Beispiel benötigen Pferde nur vier Stunden Schlaf täglich, um sich zu erholen, Giraffen kommen sogar mit nur zwei Stunden Schlaf pro Tag aus (Breuer, 2009). Die Taschenmaus hingegen schläft täglich rund 20 Stunden und braucht demnach ganze 18 Stunden mehr Schlaf als die Giraffe, um erholt zu erwachen (Breuer, 2009). Folglich zählt sie zu den Langschläfern unter den Säugetieren (Breuer, 2009). Unterschiede in der Schlafdauer gibt es auch unter den Menschen. Es gibt Morgen- und Abendtypen, Kurz- und Langschläfer und solche, die regelmäßig einen Mittagsschlaf halten (Hajak & Rüther, 1995). Streng genommen lassen sich demnach kaum allgemeingültige Kriterien zur Definition des normalen Schlafs finden (Hajak & Rüther, 1995). Ein gesicherter Befund ist, dass sich die Schlafdauer mit zunehmendem Alter verändert (Hajak & Rüther, 1995; Penzel, 2005). Ein neugeborenes Baby schläft nach seiner Geburt bis zu 16 Stunden täglich (Penzel, 2005). Die Schlafdauer sowie die Anzahl der Tiefschlafphasen nehmen im Laufe des Säuglings- und Kindesalters jedoch stetig ab (Penzel, 2005). Erst in der Pubertät kommt es erneut zu einer leichten Zunahme der Schlafdauer, bis sich etwa zum 16. Lebensjahr hin die subjektiv ideale Schlafdauer eingependelt hat (Penzel, 2005). Mit weiter zunehmendem Alter jedoch nimmt die Fähigkeit des Körpers ab, Schlaf in ausreichender und erholsamer Menge zu generieren, so dass sich die Schlafdauer im hohen Alter auf einige Stunden reduziert.

Im Folgenden werden nun einige Fakten zum Schlafverhalten der deutschen Bevölkerung vorgestellt. Laut einer Telefonumfrage von Ohayon und Zulley in den Jahren 1997 und 2001 (zitiert nach Meier, 1997–2010) schlafen mehr als zwei Drittel aller Deutschen wochentags zwischen sechs und acht Stunden, 15 % aller Befragten länger als acht Stunden. Am Wochenende steigt der Anteil der Langschläfer (mehr als acht Stunden Schlaf) auf etwa 42 % an. Im Vergleich zur stark variierenden Schlafdauer unterscheiden sich die Zu-Bett-geh-Zeiten wochentags und wochenends mit 22:30 Uhr und 22:45 Uhr nur geringfügig voneinander. Weiterhin zeigt sich unter 14 % der Deutschen ein Trend zum regelmäßigen Mittagsschlaf (Ohayon & Zulley, 1997, 2001 zitiert nach Meier, 1997–2010). Grundsätzlich weisen Frauen im Vergleich zu Männern durchschnittlich einen besseren Schlaf mit höherer Qualität, Dauer und Effizienz sowie kürzerer Einschlafzeit auf (Margraf & Schneider, 2009). Die »gesündeste« Schlafdauer mit der geringsten Sterblichkeitsrate für beide Geschlechter hat man für eine durchschnittliche nächtliche Schlafdauer von sieben Stunden gefunden (Penzel, 2005). Weniger als sechseinhalb und mehr als neun Stunden Schlaf werden deutlich mit erhöhter Krankenzahl und Sterblichkeit assoziiert (Schneider, 2008).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Faszination des Schlafs eine lange Tradition hat, während die Erforschung des Schlafs selbst vergleichsweise jung ist. Erst im 20. Jahrhundert wurden die Fachleute für schlafbedingte Themen sensibilisiert (Schäfer, 2009). Entgegen früherer Annahmen ist der Schlaf ein sehr dynamischer Prozess mit adaptiven Funktionen und wechselseitigen Aktivitätsniveaus im gesamten Organismus. Der Zweck des Schlafs besteht in der Erholung sowie der Aufrechterhaltung der Gesundheit und Funktionsfähigkeit im Alltag. Schlaf folgt keinen einheitlichen Kriterien, sondern ist eine individuelle Größe, die unser Leben zu einem beträchtlichen Anteil beeinflusst.

1.2      Schlafforschung – ein historischer Überblick

Die Schlafforschung ist im Vergleich zu anderen Forschungsgebieten, wie bereits erwähnt, ein noch relativ junges Forschungsfeld, das erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts intensiv exploriert wird. Die Anfänge der medizinischen Schlafforschung sind letztlich zurückzuführen auf die Entwicklung des Elektroenzephalographen (EEG) und die damit verbundene Möglichkeit, die Veränderungen der Hirntätigkeit während des Schlafverlaufes aufzuzeichnen (Images Kap.1.4) (Förstl, Hautzinger & Roth, 2006).

Hans Berger, ein deutscher Neurologe und Psychiater versuchte im Jahre 1929 erstmals, mit Hilfe von Elektroden Hirnströme von der Schädeloberfläche abzuleiten und zu registrieren (Berger, 1929). Berger fixierte die kleinen tellerförmigen Silberplättchen, die mit einer leitenden Paste gefüllt waren, an bestimmte Stellen der Kopfhaut. Über ein dünnes, flexibles Kabel, das an den Elektrodenplättchen angelötet war, registrierte er über ein spezielles Verstärkersystem erstmals elektrische Spannungsunterschiede der Hirnrinden-Nervenzellen. Dabei beobachtete er, dass im Schlafverlauf stets ein charakteristisches Hirnstrombild erscheint (Borbély, 1987; Gold, 2003; Schäfer, 2009). Die Anwendung des EEGs und die damit einhergehenden Möglichkeiten zur Erfassung hirnelektrischer Aktivität publizierte Berger 1929 in seinem Werk Über das Elektroenzephalogramm des Menschen. Mit seiner Erfindung schuf Berger nun die Basis für eine Objektivierung unterschiedlicher Aktivitätszustände des menschlichen Gehirns und ermöglichte somit auch die Differenzierung physiologischer und pathologischer Befunde. In der Neurologie findet das diagnostische Untersuchungsinstrument bis heute Verwendung und wird zur Aufzeichnung der Aktivität und Funktionsfähigkeit von Nervenzellen eingesetzt (siehe hierzu besonders Gold, 2003).

1937 beobachtete die amerikanische Arbeitsgruppe unter Leitung der Physiologen Loomis und Davis, dass sich bei dem im Schlaf aufgezeichneten EEG eigentümliche Wechsel ergaben (dargestellt in Borbély, 1987). Die hirnelektrische Aktivität verlangsamte sich scheinbar mit zunehmender Schlaftiefe, unterdessen erhöhte sich die Schwingungsweite der aufgezeichneten Wellen. Im Einschlafprozess hingegen beobachtete die Arbeitsgruppe ein kleinwelliges, rasches Wellen-Muster. Unter Zuhilfenahme dieser Befunde untergliederten Loomis und seine Mitarbeiter dann den Schlaf systematisch in einzelne Stadien und fertigten ein Inventar an, welches die charakteristischen EEG-Veränderungen beinhaltete (Borbély, 1987; Schäfer, 2009). In den darauffolgenden Jahren blieb die weitere Erforschung angesichts mangelnden Interesses an den Grundlagen und Bedeutungen des EEGs aus (Gold, 2003).

Erst 1953 sollte sich herausstellen, dass das von Loomis veröffentlichte Inventar unvollständig war. Nathaniel Kleitman, ein amerikanischer Physiologe und sein Doktorand, Eugene Aserinsky, entdeckten 1953 eines der paradoxesten und wichtigsten Schlafstadien: das Stadium der schnellen Augenbewegungen (vgl. dazu Backhaus & Riemann, 1996; Borbély, 1987; Schäfer, 2009). Kleitman und Aserinsky konnten bei gesunden Schläfern beobachten, dass alle 90–100 Minuten etwa 10–30-minütige Intervalle auftauchten, die von schnellen Augenbewegungen begleitet waren. Demnach nannten sie das von ihnen entdeckte Phänomen den Rapid-Eye-Movement-Schlaf (REM-Schlaf). Dieses REM-Stadium ließ sich augenfällig von den bis dato identifizierten Stadien unterscheiden und ist neben den schnellen Augenbewegungen durch schnelle Frequenzen im EEG sowie eine Erschlaffung der Muskulatur gekennzeichnet (Gold, 2003).

1957 entdeckten Dement und Kleitman, dass Probanden in 80–90 % aller Fälle von lebhaften Träumen berichteten, wenn man sie aus einer REM-Phase weckte (dargestellt in Backhaus & Riemann, 1996; Koella, 1988). Daraufhin formulierten sie eine neue Nomenklatur zur Schlafstadienbestimmung. Der erheblich höhere Traumanteil in den REM- gegenüber den anderen Schlafphasen weckte in der Folgezeit das Interesse an psychophysiologischen Untersuchungen über die Zusammenhänge von Schlaf, psychischen Prozessen und Schlafstörungen (Backhaus & Riemann, 1996; Gold, 2003).

1967 führte Monroe eine der ersten Arbeiten mit Hilfe polysomnographischer Ableitungen (Images Kap. 1.3) durch und konnte infolgedessen objektiv-typische Merkmale von schlechten Schläfern ermitteln (Gold, 2003). Die Ergebnisse seiner Studie ließen erkennen, dass polysomnographische Dokumentationen der Erfassung von Schlafbeschwerden dienlich sein könnten (Gold, 2003).

1968 publizierten Rechtschaffen und Kales das »Manual of Standardized Terminology, Techniques, and Scoring System of Sleep Stages of Human Subjects«, welches die Kriterien zur Bestimmung der Schlafstadien vereinheitlichen und standardisieren sollte (Koella, 1988; Fröhlich, 2002). 2007 kam es dann durch Iber und Kollegen zu einer vorerst letzten Modifikation der Schlafbestimmungskriterien (siehe hierzu insbesondere Spiegelhalder, Backhaus & Riemann, 2011; Iber, Ancoli-Israel, Chesson & Quan, 2007). Die Bestimmung der Schlafstadien erfolgt seitdem nach den Richtlinien der American Academy of Sleep Medicine (AASM) (Spiegelhalder et al., 2011). Die AASM-Kriterien sind konservativer, basieren jedoch in den wesentlichen Zügen auf dem 1968 von Rechtschaffen und Kales publizierten Manual (Spiegelhalder et al., 2011). Seit 2012 liegt nun, in Form der Version 2.0, auch eine erste erweiterte und überarbeite Version dieser AASM-Richtlinien vor (Berry et al., 2012; 2012a). In dieser neuen Version wurden vor allem die Regeln der Atemerfassung und auswertung überarbeitet (Rodenbeck, 2013).

1975 wurden in Amerika die ersten Schlaflabore eingerichtet. Die im gleichen Jahr gegründete ASDC (Association of Sleep Disorders Centers) setzte sich stark für die Förderung der medizinischen Schlafforschung ein (Gold, 2003).

1987 vereinten sich verschiedene Fachleute in Deutschland der Schlafmedizin zum AKS (Arbeitskreis Klinischer Schlafzentren). Aus dieser Organisation ging 1992 die DGSM (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin) hervor, die sich bis heute für die Förderung und Umsetzung neuester schlafmedizinischer Erkenntnisse einsetzt (Dorsch, Häcker & Becker-Carus, 2004).

1.3      Schlafstadien und Schlafregulation

Unter Verwendung der polysomnographischen Messinstrumente EEG, EOG (Elktrookolugramm) und EMG (Elektromyogramm) werden Gehirnströme, Augenbewegungen und Muskelspannungen in Form von Wellen aufgezeichnet (Backhaus & Riemann, 1996; Schneider, 2008). Die Erhebung physiologischer Messwerte dient der Darstellung einzelner Schlafstadien in ihrer Abfolge und ermöglicht die graphische Darbietung des Schlafprofils in Form eines Hypnogramms, siehe hierzu Abbildung 1 (nach Penzel, 2005). Der gesunde Schlaf eines Erwachsenen lässt sich in drei grundlegende Phasen einteilen: das Wachstadium, den NREM (Nicht-REM)-Schlaf (Leicht- und Tiefschlaf) und in den REM-Schlaf (Zulley, 1993). Im Schlafverlauf kommt es nach überwundenem Wachzustand zu einer stabilen, zyklischen Abfolge des NREM- (Stadien 1–4) und des REM-Schlafs, zwei sehr unterschiedlichen Funktionszuständen des Gehirns mit ausbleibenden oder aktiven Augenbewegungen (hierzu Backhaus & Riemann, 1996; Förstl, Hautzinger & Roth, 2006; Spiegelhalder, Backhaus & Riemann, 2011). Im Folgenden werden nun die Schlafstadien nach den Definitionen von Rechtschaffen und Kales dargestellt (vgl. dazu Rechtschaffen & Kales, 1968).

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Abb. 1: