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Über den Autor
Hinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS und SURVIVOR DOGS.
Impressum
Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich
(ISBN 978-3-407-74667-2)
www.beltz.de
© 2012, 2016 Beltz & Gelberg
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Werderstraße 10, 69469 Weinheim
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© 2008 Working Partners Limited
Die Originalausgabe erschien 2008 u.d.T.
Warriors, Power of Three, Dark River
bei HarperCollins Children’s Books, New York
Aus dem Englischen von Anja Hansen-Schmidt
Lektorat: Susanne Härtel
Neue Rechtschreibung
Einbandgestaltung: © Johannes Wiebel, punchdesign, München
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-74348-0
Für Geof
Besonderen Dank an Kate Cary
Staffel I
In die Wildnis (Bd. 1)
Feuer und Eis (Bd. 2)
Geheimnis des Waldes (Bd. 3)
Vor dem Sturm (Bd. 4)
Gefährliche Spuren (Bd. 5)
Stunde der Finsternis (Bd. 6)
Staffel II – Die neue Prophezeiung
Mitternacht (Bd. 1)
Mondschein (Bd. 2)
Morgenröte (Bd. 3)
Sternenglanz (Bd. 4)
Dämmerung (Bd. 5)
Sonnenuntergang (Bd. 6)
Staffel III – Die Macht der drei
Der geheime Blick (Bd. 1)
Fluss der Finsternis (Bd. 2)
Verbannt (Bd. 3)
Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)
Lange Schatten (Bd. 5)
Sonnenaufgang (Bd. 6)
Staffel IV – Zeichen der Sterne
Der vierte Schüler (Bd. 1)
Fernes Echo (Bd. 2)
Stimmen der Nacht (Bd. 3)
Spur des Mondes (Bd. 4)
Der verschollene Krieger (Bd. 5)
Die letzte Hoffnung (Bd. 6)
Staffel V – Der Ursprung der Clans
Der Sonnenpfad (Bd. 1)
Donnerschlag (Bd. 2)
Der erste Kampf (Bd. 3)
Der leuchtende Stern (Bd. 4)
Der geteilte Wald (Bd. 5)
Special Adventure
Feuersterns Mission
Das Schicksal des WolkenClans
Blausterns Prophezeiung
Streifensterns Bestimmung
Gelbzahns Geheimnis
Short Adventure
Wolkensterns Reise
Distelblatts Geschichte
Die Welt der Clans
Das Gesetz der Krieger
Alle Abenteuer auch als Printausgabe bei Beltz & Gelberg
www.warriorcats.de

DIE HIERARCHIE DER KATZEN

DONNERCLAN  
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Anführer
FEUERSTERN – attraktiver Kater mit rotem Fell
Zweiter
Anführer
BROMBEERKRALLE – dunkelbraun getigerter Kater mit bernsteinfarbenen Augen; Mentor von BEERENPFOTE
Heilerin
BLATTSEE – hellbraun gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen und weißen Pfoten; Mentorin von HÄHERPFOTE
Krieger
(Kater und Kätzinnen ohne Junge)
EICHHORNSCHWEIF – dunkelrote Kätzin mit grünen Augen
BORKENPELZ – dunkelbraun getigerter Kater; Mentor von HASELPFOTE
SANDSTURM – kleine, gelbbraune Kätzin; Mentorin von HONIGPFOTE
WOLKENSCHWEIF – langhaariger, weißer Kater; Mentor von RUSSPFOTE
FARNPELZ – goldbraun getigerter Kater; Mentor von DISTELPFOTE
AMPFERSCHWEIF – schildpattfarbene Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen
DORNENKRALLE – goldbraun getigerter Kater; Mentor von MOHNPFOTE
LICHTHERZ – weiße Kätzin mit goldbraunen Flecken und vernarbtem Gesicht
ASCHENPELZ – hellgrauer Kater mit dunkleren Flecken und dunkelblauen Augen; Mentor von LÖWENPFOTE
SPINNENBEIN – langgliedriger, schwarzer Kater mit bernsteinfarbenen Augen; Mentor von MAUSPFOTE
WEISSFLUG – weiße Kätzin mit grünen Auge
BIRKENFALL — hellbraun gestreifter Kater BACH WO KLEINER FISCH SCHWIMMT (BACH) – braun getigerte Kätzin
STURMPELZ – dunkelgrauer Kater mit bernsteinfarbenen Augen
GRAUSTREIF – langhaariger, grauer Kater
MILLIE – kleine, silbergrau getigerte Kätzin; ehemaliges Hauskätzchen
Schüler
(über sechs Monde alt, in der Ausbildung zum Krieger)
BEERENPFOTE – sandfarbener Kater
HASELPFOTE – kleine, grau-weiße Kätzin
MAUSPFOTE – grau-weißer Kater
RUSSPFOTE – grau getigerte Kätzin
HONIGPFOTE – hellbraun getigerte Kätzin
MOHNPFOTE – schildpattfarbene Kätzin
LÖWENPFOTE – goldgelb getigerter Kater mit bernsteinfarbenen Augen
DISTELPFOTE – schwarze Kätzin mit grünen Augen
HÄHERPFOTE – grau getigerter Kater mit blauen Augen
Königinnen
(Kätzinnen, die Junge erwarten oder aufziehen)
RAUCHFELL – hellgraue Kätzin mit dunkleren Flecken und grünen Augen; Mutter von Eisjunges und Fuchsjunges
MINKA – Kätzin mit langem, cremefarbenem Fell vom Pferdeort
Älteste
(ehemalige Krieger und Königinnen, jetzt im Ruhestand)
LANGSCHWEIF – getigerter Kater mit hellem Fell und schwarzen Streifen; früh im Ruhestand, weil fast blind
MAUSEFELL – kleine, schwarzbraune Kätzin
SCHATTENCLAN  
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Anführer
SCHWARZSTERN – großer, weißer Kater mit riesigen pechschwarzen Pfoten
Zweite
Anführerin
ROSTFELL – dunkle, goldbraune Kätzin
Heiler
KLEINWOLKE – sehr kleiner, getigerter Kater
Krieger
EICHENFELL – kleiner, brauner Kater
ESCHENKRALLE – rotbrauner Kater; Mentor von EFEUPFOTE
RAUCHFUSS – schwarzer Kater; Mentor von EULENPFOTE
Königin
BERNSTEINPELZ – schildpattfarbene Kätzin mit grünen Augen; Mutter von Tigerjunges, Flammenjunges und Lichtjunges
Älteste
ZEDERNHERZ – dunkelgrauer Kater
MOHNBLÜTE – langbeinige, hellbraun gescheckte Kätzin
WINDCLAN  
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Anführer
KURZSTERN – braun gescheckter Kater
Zweite
Anführerin
ASCHENFUSS – graue Kätzin
Heiler
RINDENGESICHT – brauner Kater mit kurzem Schwanz; Mentor von FALKENPFOTE
Krieger
FETZOHR – getigerter Kater; Mentor von HASENPFOTE
KRÄHENFEDER – dunkelrauchgrauer, fast schwarzer Kater mit blauen Augen; Mentor von HEIDEPFOTE
EULENBART – hellbraun getigerter Kater
HELLSCHWEIF – kleine, weiße Kätzin; Mentorin von WINDPFOTE
NACHTWOLKE – schwarze Kätzin
RENNPELZ – goldbrauner Kater mit weißen Pfoten
Königin
GINSTERSCHWEIF – sehr helle grau-weiße Katze mit blauen Augen; Mutter von Igeljunges, Grasjunges und Schwalbenjunges
Älteste
MORGENBLÜTE – schildpattfarbene Kätzin
SPINNENFUSS – dunkelgrau getigerter Kater
FLUSSCLAN  
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Anführerin
LEOPARDENSTERN – ungewöhnlich getupfte, goldfarbene Kätzin
Zweite
Anführerin
NEBELFUSS – dunkelgraue Kätzin mit blauen Augen; Mentorin von TUPFENPFOTE
Heilerin
MOTTENFLÜGEL – schöne, golden gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen; Mentorin von MAULBEERPFOTE
Krieger
SCHWARZKRALLE – rauchschwarzer Kater
FELDZAHN – kleiner, braun getigerter Kater; Mentor von FISCHPFOTE
SCHILFBART – schwarzer Kater; Mentor von SPRINGPFOTE
MOOSPELZ – schildpattfarbene Kätzin mit blauen Augen; Mentorin von KIESELPFOTE
BUCHENPELZ – hellbrauner Kater
KRÄUSELSCHWEIF – dunkelgrau getigerter Kater
Königinnen
GRAUNEBEL – hellgrau getigerte Kätzin; Mutter von Schniefjunges und Malvenjunges
EISFLÜGEL – weiße Katze mit blauen Augen
Älteste
BLEIFUSS – gedrungener, getigerter Kater
SCHWALBENSCHWEIF – dunkelbraun gestreifte Kätzin mit grünen Augen
KIESELBACH – grauer Kater
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PROLOG
Der indigoblaue Himmel dehnte sich über das Moor und bändigte die Kälte der Nacht. Der Wind raschelte im Heidekraut und schickte kleine Wellen über das Gesträuch. Zwischen den niedrigen Büschen strömten katzenhafte Gestalten den Abhang hinab, das Fell glatt gestrichen von der Brise.
Unter ihnen lief eine gescheckte Königin neben einem jungen Kater. »Bist du wirklich schon bereit?«
»Ich bin bereit«, antwortete der Kater. Seine grünen Augen funkelten im Mondlicht.
»Du bist mein Ältester, Fallendes Blatt«, flüsterte die Königin. »Das erste meiner Jungen, das sich dieser Prüfung unterziehen muss.«
»Ich schaffe das schon.«
»Er wurde gut ausgebildet!«, rief eine leise Stimme von hinten.
»Die beste Ausbildung kann eine Weichpfote nicht auf Regen vorbereiten!«, knurrte eine andere.
Fallendes Blatt schaute nach oben. »Aber der Himmel ist klar.«
»Ich kann den Regen im Wind riechen. Glaub mir.«
Beunruhigtes Murmeln breitete sich unter den anderen Katzen aus.
»Der Himmel ist klar!«, beharrte Fallendes Blatt, als er aus einem Flecken Heidekraut heraustrat und stehen blieb. Der Mond schien auf seinen weißgoldenen Pelz und seine Clan-Gefährten drängten sich mit zuckenden Schwänzen um ihn. Vor seinen Vorderpfoten fiel der Hang steil ab. Unzählige Monde lang waren Wind und Regen über das Moorland gepeitscht und hatten die Erde abgetragen, bis der Fels darunter bloß lag, nun eine Wand aus zerklüftetem Gestein inmitten des wogenden Heidekrauts.
»Viel Glück, Weichpfote!«
Fallendes Blatt sprang die Klippe hinab und landete leichtfüßig auf der sandigen Erde.
Seine Mutter kletterte ihm nach. »Pass auf dich auf!«
Fallendes Blatt strich mit der Schnauze über ihre Nase. »Bei Tagesanbruch bin ich zurück«, versprach er.
Vor ihm klaffte ein schwarzer Spalt wie eine Wunde im Fels. Das Fell an seinem Rücken sträubte sich. Er war noch nie im Inneren des Bergs gewesen. Nur auserwählte Katzen durften die Höhlen betreten.
Er tappte hinein und wurde von der Dunkelheit verschluckt. Irgendwo musste es doch ein Licht geben, das ihm den Weg zeigte! Er kämpfte gegen die Angst an, die wie ein gestrandeter Fisch in seiner Brust zappelte.
Der Gang bringt dich zur Höhle, hallte die Stimme seines Mentors in seinem Kopf nach. Lass dich von deinen Schnurrhaaren leiten.
Seine Schnurrhaare zitterten, erspürten die kleinste Berührung und lotsten ihn durch den engen Gang.
Plötzlich schimmerte vor ihm ein schwaches Licht. Der Gang endete in einer Höhle. Ihre gewölbten Wände wurden von trübem Mondlicht beleuchtet, das durch einen Spalt in der Decke drang. Das Rauschen von fließendem Wasser hallte zwischen den Felsen.
Ein Bach? Hier unter der Erde?
Fallendes Blatt starrte auf den Wasserlauf, der den sandigen Boden durchschnitt. Die schwarzen Wellen schimmerten schwach im Dämmerlicht.
»Fallendes Blatt?«
Ein krächzendes Maunzen ließ den jungen Kater zusammenfahren. Er riss die weiße Schnauze herum, um zu sehen, wer da gesprochen hatte. Seine Augen wurden schmal, als er auf einem Felsvorsprung im Mondlicht ein kauerndes Tier entdeckte.
War das Stein?
Der Pelz des Tieres sah aus wie Maulwurfsfell, kahl bis auf ein paar wenige Büschel am Rückgrat, und die blinden Augen wölbten sich wie Eier. Seine langen, gekrümmten Krallen hielten einen glatten Zweig gepackt. Die Rinde war abgeschält worden, und sogar in diesem Dämmerlicht erkannte Fallendes Blatt die Krallenspuren, die sich den Zweig entlangzogen, eine dicht gedrängte Reihe von Kerben, wie Narben auf dem bleichen Holz.
Das musste Stein sein.
»Ich spüre deine Überraschung«, krächzte das blinde Wesen heiser. »Sie durchdringt meinen Pelz wie scharfer Stechginster.«
»Tut … tut mir leid«, entschuldigte sich Fallendes Blatt. »Es ist nur … ich hatte nicht erwartet …«
»Du hattest nicht erwartet, dass eine Katze so hässlich sein könnte.«
Fallendes Blatt erstarrte vor Verlegenheit. Konnte Stein Gedanken lesen?
»Eine Katze braucht Wind und Sonne, damit ihr Fell glänzt, und eine gute Jagd, um ihre Klauen zu stutzen«, fuhr Stein fort, und seine Stimme klang wie ein Stein, der über Fels schabt. »Aber ich muss bei unseren Kriegerahnen bleiben, bei jenen, die ihren Platz unter der Erde eingenommen haben.«
»Und dafür danken wir dir«, murmelte Fallendes Blatt ehrerbietig.
»Du brauchst mir nicht zu danken«, brummte Stein. »Dieses Schicksal war mir vorherbestimmt. Außerdem wirst du vielleicht nicht mehr ganz so viel Dankbarkeit empfinden, wenn deine Weihe beginnt.«
Bei diesen Worten fuhr er mit einer langen Kralle über die Kerben auf dem glatten Ast, die zum Teil von einem zweiter Kratzer durchkreuzt wurden. »Die unversehrten Kerben stehen für die Katzen, die in die Höhlengänge gingen, aber nicht wieder herauskamen.«
Fallendes Blatt starrte auf die dunklen Löcher, die wie Mäuler am Rand der Höhle lauerten. Wenn sie nicht hinaus ins Freie führten, wo endeten sie dann? »Welchen Gang haben sie gewählt?«
Stein schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht helfen. Um eine Scharfkralle zu werden, musst du deinen eigenen Pfad zum Moor finden. Ich kann dich nur mit dem Segen unserer Ahnen auf den Weg schicken.«
»Kannst du mir denn gar keinen Rat geben?«
»Ohne Licht bleiben dir nur deine Instinkte. Folge ihnen – wenn sie dir die Wahrheit sagen, wird dir nichts geschehen.«
»Und wenn sie mir nicht die Wahrheit sagen?«
»Dann wirst du in der Dunkelheit sterben.«
Fallendes Blatt straffte seine Schultern. »Ich werde nicht sterben.«
»Ich hoffe es«, miaute Stein. »Du weißt, dass es dir nicht gestattet ist, in diese Höhle zurückzukehren. Du musst einen Gang finden, der direkt zum Moor führt.« Plötzlich fragte er: »Regnet es?«
Fallendes Blatt erstarrte. Sollte er das Prickeln in der Luft erwähnen, das darauf hindeutete, dass Regen kommen könnte? Nein. Sonst würde Stein ihn nur wieder zurückschicken und ihm befehlen, auf einen anderen Tag zu warten. Er konnte es nicht länger aufschieben, eine Scharfkralle zu werden. Er wollte es jetzt hinter sich bringen.
»Der Himmel ist ganz klar«, versicherte er.
Stein fuhr noch einmal mit der Pfote über die Kerben auf dem Ast. »Dann fang an.«
Fallendes Blatt musterte eine Öffnung unter dem Felsvorsprung des alten Wächters. Der Gang sah größer aus als die anderen und schien leicht anzusteigen. Hinauf zum Moor? Diesen Weg würde er wählen.
Mit klopfendem Herzen sprang er über den Bach und machte sich auf den Weg in die klirrend kalte Dunkelheit.
Beim Morgengrauen werde ich eine Scharfkralle sein. Sein Fell sträubte sich. Hoffe ich.
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1. KAPITEL
Vorsicht!« Löwenpfote schlug mit dem Schwanz. »SchattenClan-Krieger hinter uns!«
Distelpfote wirbelte mit gesträubtem Fell herum. »Die übernehme ich!«
Löwenpfote schaute zu seinem Bruder. »Riechst du was, Häherpfote?«
»Da kommen noch mehr Krieger«, warnte die graue Tigerkatze und seine blinden, blauen Augen waren weit aufgerissen. »Gleich greifen sie an!«
»Wir stellen ihnen einen Hinterhalt, wenn sie durch den Lagerwall kommen!«, befahl Löwenpfote. Er deutete mit dem Kopf auf Distelpfote. »Wirst du mit den drei da fertig?«
»Klar!« Distelpfote rollte sich auf den Rücken und sprang dann wieder auf. Ihre Krallen funkelten in der Nachmittagssonne.
Löwenpfote stürmte los und kauerte sich hinter die stachelige Dornenwand. »Schnell, Häherpfote! Zu mir!«
Häherpfote flitzte zu ihm und sank in die Angriffshaltung. »Sie kommen!«
Ein gestreifter Kater trottete durch den Eingang.
»Jetzt!«, kreischte Löwenpfote und warf sich auf ihn. Häherpfote drängelte sich zwischen die Pfoten des Feindes. Der Eindringling stolperte mit einem überraschten Knurren und kippte um. Sofort war Löwenpfote über ihm.
»Genug!« Eichhornschweifs strenges Miauen hallte über die kleine Lichtung.
Löwenpfote hörte auf, mit den Hinterpfoten auf Brombeerkralles Rücken zu trommeln, und schaute seine Mutter, die durch die Lücke in der Brombeerwand geeilt kam, mit großen Augen an. »Aber wir spielen doch nur, dass der SchattenClan uns angreift!«
Häherpfote blieb vor ihnen stehen. »Wir hätten fast gewonnen!«
Brombeerkralle sprang auf und schüttelte Löwenpfote ab. »Guter Hinterhalt«, schnurrte er. »Aber ihr wisst, dass ihr hier nicht spielen sollt.«
Löwenpfote glitt zu Boden. »Das ist aber der beste Platz, um einen Überraschungsangriff zu üben«, miaute er schmollend. Er schaute sich in dem halb fertigen Bau um, dessen Brombeerwände aus der Seite des Kriegerbaus herausragten. Sobald die Wände ein Dach aus Zweigen bekommen hätten, würde man einen Durchbruch machen, um den alten Bau mit dem neuen zu verbinden.
Distelpfote tappte zu ihnen hinüber und ließ ihre eingebildeten Feinde hinter sich. »Wir stören doch niemand«, wandte sie ein und plusterte zum Schutz vor dem Wind ihr schwarzes Fell auf. Der Sonnenschein der Blattfrische hatte die Kälte aus dem Felsenkessel vertrieben, aber der Nachmittag hatte eine kühle Brise von den Bergen mit sich gebracht, die daran erinnerte, dass die Blattleere noch kaum einen Viertelmond vergangen war.
»Und wenn nun alle Schüler ihre Kampftechniken hier üben?«, wollte Eichhornschweif wissen. »Die Wände würden kaputtgehen und Birkenfalls und Graustreifs harte Arbeit wäre umsonst.«
»Wir müssen den Kriegerbau vergrößern, bevor ihr und die anderen Schüler zu Kriegern ernannt werdet«, fügte Brombeerkralle hinzu. »Er ist jetzt schon überfüllt.«
»Ja, wir haben’s kapiert!« Häherpfote hob das Kinn. Sein Fell war zerzaust und kleine Blattstücke hingen darin.
»Schau dich nur an!« Eichhornschweif leckte Häherpfote rau zwischen den Ohren. »Du hast dich ganz schmutzig gemacht«, schimpfte sie, »dabei wollen wir bald zur Großen Versammlung aufbrechen.«
Löwenpfote begann, sich die Blattreste von der Brust zu lecken, bevor seine Mutter damit anfing.
Häherpfote duckte sich vor Eichhornschweifs Zunge. »Ich kann mich selbst putzen«, beschwerte er sich.
»Lass sie«, sagte Brombeerkralle zu seiner Gefährtin. »Ich bin sicher, dass sie sich fein herausputzen, bevor wir aufbrechen.«
»Natürlich machen wir das«, versprach Löwenpfote. Er wollte auf keinen Fall vor den anderen Clans wie ein Igel aussehen. Es war die erste Große Versammlung, die er und seine Geschwister gemeinsam besuchen würden. »Wir freuen uns schon seit Ewigkeiten drauf. Stimmt’s, Häherpfote?«
Häherpfote schnippte mit dem Schwanz. »Mmh, ja.«
Löwenpfote fuhr seine Krallen aus. Warum hatte Häherpfote nur immer so schlechte Laune? Das war die erste Große Versammlung seines Lebens. Da musste er sich doch darauf freuen. Er hatte die letzten zwei Versammlungen versäumt, einmal als Strafe und einmal, weil er wegen seiner Heilerpflichten im Lager bleiben musste. Löwenpfote kannte seinen Wurfgefährten gut genug, um zu wissen, wie wichtig es ihm war, alles zu tun, was die anderen Katzen taten, trotz seiner Blindheit – und dazu gehörte auch die Teilnahme an den Großen Versammlungen.
»Beeilt euch! Raus hier, bevor Feuerstern euch sieht!«, befahl Eichhornschweif und scheuchte ihre Jungen durch die Lücke in der Wand. »Geht und holt euch was vom Frischbeutehaufen. Ihr habt eine lange Nacht vor euch.«
Löwenpfotes Schwanz stand steil nach oben vor Aufregung bei dem Gedanken an die Große Versammlung. Er konnte den Fichtengeruch der Insel schon fast riechen.
Doch Distelpfotes Augen glänzten besorgt. »Hoffentlich hacken die anderen Clans nicht wieder auf uns herum. Weißt du, ob Millie mitkommt? Vielleicht sollte sie diesmal lieber hierbleiben.«
Als Graustreif vor zwei Monden zum Clan zurückgekehrt war, hatte er seine neue Gefährtin mitgebracht, Millie, eine Hauskatze, die er kennenlernte, als die Zweibeiner ihn gefangen gehalten hatten. Er hatte sie zur Kriegerin ausgebildet und dafür hatte sie ihm bei der Suche nach seinem verlorenen Clan und der langen, gefährlichen Reise zum See geholfen. Wegen ihrer Hauskätzchenherkunft war sie eine leichte Zielscheibe für den Spott der anderen Clans, zumal sie nicht die einzige DonnerClan-Katze war, die gehänselt wurde, weil sie nicht in einem Clan geboren war.
»Millie kann auf sich selbst aufpassen«, sagte Eichhornschweif.
»Außerdem hat sich seit dem Wettkampf die Stimmung wieder etwas beruhigt«, fügte Brombeerkralle hinzu.
»Aber für wie lange?«, miaute Distelpfote. Löwenpfote wusste, dass seine Schwester nicht davon überzeugt war, dass die Versammlung bei Sonnenhoch die Zerwürfnisse zwischen den Clans beseitigt hatte. Die vier Clans waren in friedlichem Wettkampf angetreten und hatten ihre Schüler gegeneinander kämpfen lassen, um damit das wachsende Misstrauen und die zunehmenden Grenzstreitigkeiten einzudämmen. Löwenpfote erinnerte sich allerdings noch aus einem anderen Grund an diesen Tag: Er und der WindClan-Schüler Windpfote waren in einen alten Dachsbau gefallen und fast im Sand erstickt, ehe Häherpfote sie gefunden hatte.
»Immer musst du dir Sorgen machen«, blaffte Häherpfote seine Schwester an. »Du führst dich auf wie eine ängstliche Eule.«
»Die Blattfrische ist gekommen«, wandte Eichhornschweif ein. »Es gibt wieder mehr Beute, die Clans dürften also weniger streitlustig sein.«
Distelpfote schaute Häherpfote an. »Manche Katzen sind auch mit vollem Bauch noch streitlustig!«
»Ruhe.« Eichhornschweif stupste sie mit der Nase an. »Geh und friss.«
»Ich habe nur die Wahrheit gesagt!« Gerade als Distelpfote sich auf den Weg machen wollte, stürmte Häherpfote an ihr vorbei. Sie jaulte auf und schaute ihrem Bruder wütend nach, der schon fast am Heiler-Bau angelangt war. »Er hat mich gezwickt!«
Löwenpfotes Schnurrhaare zuckten. »Du kannst drei Schat-tenClan-Krieger mit einer einzigen Pfote abwehren«, neckte er sie. »Aber ein Kniff von deinem Bruder und du kreischst wie ein Junges.«
Ihr weicher Schwanz schnippte gegen seine Nase. »Du hättest auch gekreischt!«
»Ich habe nicht mehr gekreischt, seit ich die Kinderstube verlassen habe!«
Distelpfote schaute ihn schelmisch an. »Wie wär’s, wenn ich dich mal zwicke? Dann sehen wir ja, wie tapfer du wirklich bist.«
»Da musst du mich erst mal fangen!«
Löwenpfote flitzte davon, Distelpfote stürmte ihm nach. »Hier!« Er hielt am Frischbeutehaufen an und warf Distelpfote eine Maus zu. »Zwick lieber die.«
Der Vollmond zog über den klaren, blauschwarzen Himmel. Vor ihnen ragte die Insel aus dem See und ihre Bäume reckten die dürren Zweige zu den Sternen empor.
Löwenpfote folgte mit Distelpfote seinen Clan-Gefährten über das steinige Ufer. Er schaute noch einmal zu Häherpfote hinüber, der neben Blattsee lief und mit zuckender Nase das unbekannte Gelände erkundete. Gelegentlich streifte Blattsees Flanke gegen die von Häherpfote und lenkte ihn um spitze Steine oder hervorstehende Wurzeln herum.
Sollte er seinen Bruder vor der Baumbrücke warnen? Sie war überraschend rutschig und Löwenpfote wäre bei seiner ersten Überquerung fast hinuntergefallen.
Neben ihm miaute Distelpfote: »Ich freue mich schon darauf, Maulbeerpfote wiederzusehen.«
»Maulbeerpfote?«, wiederholte er abwesend. Es gab nur eine Katze, die Löwenpfote bei der Großen Versammlung zu sehen hoffte: Heidepfote, die hübsche WindClan-Schülerin mit den rauchblauen Augen. Er seufzte leise.
»Woran denkst du?« Distelpfote stupste ihn an. »Du bist ja Monde weit weg.«
»Äh, an Häherpfote«, miaute er schnell. »Ich habe überlegt, ob er es wohl über die Baumbrücke schafft.«
»Lass ihn das lieber nicht hören«, warnte Distelpfote.
Löwenpfote spürte auf einmal kaltes Wasser unter seinen Tatzen. Feuerstern hatte sie an das sumpfige Ufer am Rand des FlussClan-Gebiets geführt, Sandsturm suchte sich hinter ihm ihren Weg. Brombeerkralle und Eichhornschweif wanderten neben Millie und Graustreif, gefolgt von Birkenfall und Borkenpelz, die sich leise unterhielten. Haselpfote lauschte ihrem Mentor, während Beerenpfote hin und her sprang und an den Grasbüscheln schnupperte, als wollte er Beute aufstöbern.
»Das ist FlussClan-Territorium«, zischte Distelpfote, um ihn daran zu erinnern, dass die Jagd auf fremdem Clan-Gebiet verboten war.
»Ich weiß«, entgegnete Beerenpfote. »Aber ich kann doch mal gucken.«
»Solange du nur guckst.«
Graustreif gab ein lautes Schnurren von sich. »Feuerstern?«, rief er. »Es scheint, als würde Distelpfote sich darauf vorbereiten, deine Nachfolgerin zu werden.«
Löwenpfote schaute seine Schwester an. Wollte der graue Krieger ihr auf diese Weise freundlich ans Herz legen, weniger herrisch zu sein?
»Soll sie nur«, schnurrte Feuerstern. »Ich glaube nicht, dass ich mir Sorgen machen muss, bevor sie ein bisschen gewachsen ist.«
»He!« Distelpfote sträubte entrüstet ihr Fell. »Ich hab’s ihm doch nur gesagt!«
Feuerstern blieb zwischen den knorrigen Wurzeln des umgestürzten Baumes stehen, der zwischen Ufer und Insel über das Wasser führte. Offenbar waren WindClan und SchattenClan bereits eingetroffen, denn ihre Gerüche auf der Rinde waren frisch. Löwenpfote spitzte die Ohren. Leises Maunzen drang von der Insel herüber. Sandsturm sprang flink hinauf und schlängelte sich durch die Wurzeln und Äste, bis sie das Inselufer erreichte. Die anderen folgten ihr einer nach dem anderen. Während Distelpfote hinter Haselpfote auf den Baumstamm sprang, blieb Löwenpfote stehen.
»Kommst du nicht, Löwenpfote?«, miaute sie und suchte nach einem sicheren Halt.
»Gleich«, zischte Löwenpfote.
»Er wartet, weil er aufpassen will, dass ich nicht abrutsche«, miaute Häherpfote hinter ihm.
»Es ist nur, weil ich beim ersten Mal fast ins Wasser gefallen wäre«, erklärte Löwenpfote hastig. »Es ist ziemlich schwierig, wenn man nicht weiß, wohin man die Pfoten setzen muss.«
Häherpfote streckte sich zu dem Wurzelgewirr empor und tastete mit den Vorderpfoten nach einem Weg.
»Hier«, miaute Blattsee und sprang an ihm vorbei auf den Stamm. »Es ist nicht sehr hoch.«
Häherpfote hob die Nase und schnupperte, um abzuschätzen, wie weit seine Mentorin entfernt war. Dann schob er sich mit den Hinterbeinen hinauf und hievte sich neben ihr auf den Stamm. Sogleich glitten seine Vorderpfoten unter ihm weg.
Löwenpfotes Herz krampfte sich zusammen, als Häherpfote langsam vom Stamm rutschte. Blattsee eilte zu Hilfe, aber der junge Kater hatte bereits die Krallen in die morsche Rinde geschlagen und sich gefangen. Mit peitschendem Schwanz kämpfte er darum, das Gleichgewicht zu halten, während unter ihm das dunkle Wasser ans Ufer plätscherte. Als Häherpfote langsam an seiner Mentorin vorbeiging und über die Baumbrücke tappte, musste Löwenpfote den Drang unterdrücken, ihm zu helfen. Blattsee kauerte auf dem Stamm, schweigend und mit angespannten Muskeln, bereit, sofort loszuspringen, falls Häherpfote erneut ausrutschen sollte. Einen langsamen Pfotenschritt nach dem anderen tastete sich ihr blinder Schüler über die Brücke.
»Spring hier runter, Häherpfote!«, rief Distelpfote am anderen Ufer. »Der Sand ist ein bisschen weich, aber sonst ist alles frei.«
Häherpfote machte einen Satz und landete unbeholfen am Ufer, rappelte sich aber sofort auf.
Eine Woge der Erleichterung durchströmte Löwenpfote.
»Beeil dich, Löwenpfote!«
Beerenpfote versuchte, sich an ihm vorbeizudrängeln. Löwenpfote sprang auf den Stamm, um ihm den Weg zu versperren, aber Beerenpfote folgte so dichtauf, dass die Baumbrücke wackelte.
»Nun mach schon!«, drängte er.
»Ihr braucht nicht zu hetzen.« Farnpelz’ warnende Stimme erklang eine Schwanzlänge hinter ihnen. Doch Beerenpfote drängelte weiter.
»Du trödelst wie …«
Das Miauen des Schülers wurde plötzlich zu einem lauten Jaulen. Löwenpfote drehte sich um und sah Beerenpfote vom Stamm gleiten.
Farnpelz machte einen Satz und packte Beerenpfote im Genick. Der Schüler zappelte in seinem Maul, schlug mit den Pfoten durch die Luft und kräuselte mit der Spitze seines dicken, hellen Schwanzes den See.
»Halt still«, grunzte Farnpelz durch seine zusammengebissenen Zähne. Die Muskeln des goldenen Kriegers strafften sich unter seinem Fell, während er Beerenpfote zurück auf den Stamm hievte. »Ich sagte doch, du sollst nicht hetzen!«
Löwenpfote blinzelte. Dem SternenClan sei Dank ist mir das nicht passiert! Er drehte sich um und ging weiter über den Stamm, froh, nicht mehr von Beerenpfote bedrängt zu werden. Der frische Geruch des FlussClans zog vom Ufer heran, also war ihre Patrouille vermutlich auf dem Weg zum See. Löwenpfote suchte den Uferstreifen ab, entdeckte aber niemanden.
»Sind alle bereit?«, rief Feuerstern, als er zusammen mit Beerenpfote, Farnpelz und schließlich Aschenpelz auf den Strand sprang.
Die Katzen nickten. Feuerstern schnippte mit dem Schwanz und die Gruppe machte sich auf den Weg zwischen die Bäume.
Löwenpfote sah Distelpfotes schwarzen Pelz im Farnkraut verschwinden. Seine Pfoten kribbelten vor Aufregung, als er sich daranmachte, ihr zu folgen. Doch Häherpfote regte sich nicht und starrte weiter zu den Bäumen hinüber. Ist er nervös?
»Das sind nur Farne«, versicherte Löwenpfote. »Du kannst einfach durchschlüpfen. Die Lichtung ist nicht weit.« Er legte seinen Schwanz an Häherpfotes Flanke und spürte die starken, sehnigen Muskeln seines Bruders.
»Kommt schon, ihr zwei!« Distelpfote kam zurück durch den Farn gestürzt. »Warum trödelt ihr so?«
»Wir planen nur unseren Auftritt.« Häherpfote schnippte mit dem Schwanz und trabte los.
Die trockenen Farnwedel kratzten an Löwenpfotes Nase, während er seinen Wurfgefährten zur Lichtung folgte, aber er spürte schon die weichen, neuen Farnblätter zusammengerollt unter den Pfoten. Frische Blätter für die Blattfrische.
»SchattenClan und WindClan warten auf der Lichtung«, rief Distelpfote über ihre Schulter. »Aber der FlussClan ist noch nicht eingetroffen.«
»Sie sind unterwegs«, miaute Löwenpfote. »Ich habe sie von der Baumbrücke aus gerochen.«
Häherpfote hob die Nase. »Du hast recht.« Seine Schnurrhaare zuckten. »Aber da ist was sonderbar …«
Löwenpfote öffnete das Maul und prüfte noch einmal den frischen Geruch des FlussClans. Er roch so wie immer. »Vielleicht haben sie zu viel Fisch gegessen«, meinte er.
»Kommt, beeilt euch, wir wollen vor ihnen da sein.« Distelpfote trieb sie durch den Farn und hinaus zum Rand der Lichtung.
Als sie ins Freie traten, erstarrte Häherpfote. »Sind immer so viele Katzen hier?«, flüsterte er.
Löwenpfote betrachtete die Krieger, Schüler und Heiler, die sich auf der Lichtung drängten. Für ihn sah es wie eine gewöhnliche Große Versammlung aus. Ob Heidepfote hier ist?
»Hallo! Hauskätzchen!«
Hellschweif, eine Kätzin des WindClans, rannte auf Millie zu. Hellschweifs Schüler Windpfote folgte ihr mit angelegten Ohren. Löwenpfote fuhr die Krallen aus, bereit, seine Clan-Gefährtin zu verteidigen.
»Hallo, Millie!« Hellschweif rieb ihre Nase an Millies Schnauze und schlang den Schwanz um ihren, als wären sie alte Freundinnen.
Löwenpfote zog seine Krallen wieder ein.
»Kennen sie sich?«, staunte Distelpfote.
Löwenpfote wusste es auch nicht.
Windpfote schaute mit großen Augen zu, wie seine Mentorin einen Schritt von Millie zurücktrat und sie freundlich anblinzelte. »Danke für den Hasen, den du uns beim Wettkampf gegeben hast«, schnurrte sie. »Du teilst wie eine Clan-Katze.«
Millie neigte den Kopf. »Es war ein Tag des Teilens«, miaute sie.
»Sieht aus, als hätte der Wettkampf doch etwas Gutes gebracht«, flüsterte Distelpfote Löwenpfote zu.
Fetzohr, ein anderer WindClan-Krieger, musterte Millie jedoch mit schmalen Augen. Offensichtlich missfiel ihm, dass seine Baugefährtin mit einer Hauskatze sprach. Auch Rostfell beobachtete die beiden mit gesträubtem Pelz, ehe sie sich vorbeugte und einem Clan-Gefährten etwas ins Ohr flüsterte.
Windpfote sagte nichts, sondern stapfte einfach davon, weg von seiner Mentorin, und drängte sich durch die überfüllte Lichtung. Beerenpfote und Hasenpfote plauderten mit einigen Schülern aus dem SchattenClan und dem WindClan. Als Windpfote sich zu ihnen gesellte, sah Löwenpfote sich erwartungsvoll um. War Heidepfotes helles, getigertes Fell irgendwo inmitten dieses Pelzgetümmels?
Er entdeckte sie nicht.
»Weshalb bist du so enttäuscht?«, fragte Häherpfote.
Löwenpfote starrte ihn an. »Enttäuscht?« Häherpfote hatte eine geradezu unheimliche Gabe, seine Gefühle zu erraten. »Ich bin nicht enttäuscht!«
»Eine Maus im Moor hätte hören können, wie dein Schwanz auf den Boden geplumpst ist«, miaute Häherpfote.
»Ich habe nur gehofft, jemanden zu treffen«, gab Löwenpfote zu.
Distelpfote spitzte die Ohren. »Heidepfote?«
»Na und? Du willst doch auch unbedingt Maulbeerpfote sehen!«, gab er zurück. Sein Fell sträubte sich wegen ihres vorwurfsvollen Tons.
»Das ist nicht dasselbe.«
»Ist es doch!«, beharrte Löwenpfote. »Wir sind nur Freunde.« Während er sprach, roch er einen angenehm vertrauten Duft. Heidepfote kam über die Lichtung auf ihn zugerannt.
»Löwenpfote! Du bist hier!«
Er spürte, wie sein Herz hüpfte, und schaute nervös hinüber zu Häherpfote. Konnte der seinen Herzschlag ebenfalls hören? Als würde er Beute vergraben, die er später genießen wollte, schob Löwenpfote seine Freude beiseite.
»Hallo, Heidepfote«, miaute er kühl.
»Du klingst aber nicht sehr erfreut, mich zu sehen.« Die Ohren der WindClan-Kätzin zuckten. »Ich habe den ganzen Mond über mein bestes Benehmen gezeigt, damit Krähenfeder mich auf keinen Fall zu Hause lassen kann.«
Löwenpfote bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil er so wenig Freude zeigte. Dann kribbelte Ärger in seinen Pfoten. Warum sollte er sich schuldig fühlen? Sie war nur eine Freundin.
»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, miaute er.
Distelpfote trat vor und berührte Heidepfote mit der Nase. »Der SternenClan hat uns wieder schönes Wetter geschenkt«, miaute sie höflich.
»Ihr habt euren Bruder mitgebracht!« Heidepfotes Augen leuchteten, als sie Häherpfote bemerkte. Eifersucht stieg in Löwenpfote auf. Er wünschte, sie wäre nicht dabei gewesen, als Häherpfote ihn aus dem eingestürzten Dachsbau gerettet hatte.
So war er fast dankbar, als Häherpfote sie wütend anblaffte: »Niemand hat mich gebracht! Ich bin mit meinem Clan gekommen!«
»Natürlich«, miaute Heidepfote sogleich. »Tut mir leid. Ich weiß, du kannst alleine reisen. Es ist nur …«
»Häherpfote!« Blattsees Ruf erlöste Heidepfote. »Komm zu uns!« Sie saß bei Rindengesicht.
Löwenpfote beobachtete, wie Häherpfote sich zu den anderen Heilern durchdrängte. »Mach dir nichts draus«, tröstete er Heidepfote. »Er ist knurrig wie ein Dachs.«
»Wer ist knurrig?«
Löwenpfote fuhr herum. Wer hatte das gesagt? Sein Herz sank, als Windpfote auf sie zukam.
»Du willst deine Zeit doch nicht mit diesen beiden hier verschwenden, oder?« Der schwarzpelzige WindClan-Schüler setzte sich neben Heidepfote. »Efeupfote und Eulenpfote haben Beerenpfote zu einem Wettkampf herausgefordert, wer am höchsten springen kann.« Er leckte sich die Vorderpfote und fuhr sich mit ihr über das Ohr.
»Dann geh doch hin und schau zu«, erwiderte Heidepfote.
»Warum kommst du nicht mit?« Windpfotes Augen funkelten streitlustig.
Löwenpfote hörte ein Rascheln in den Farnen und roch einen vertrauten Geruch. »Der FlussClan ist da«, miaute er.
Distelpfote reckte sich neben ihm auf die Krallenspitzen, sie wollte sehen, wie der FlussClan auf die Lichtung marschierte.
Irgendetwas stimmte nicht. Sie ließen die Schwänze hängen und hatten die Ohren angelegt. Häherpfotes Worte summten in Löwenpfotes Ohren. »Da ist was sonderbar …«
Distelpfote kniff die Augen zusammen. »Leopardenstern sieht nicht sehr fröhlich aus.«
Die golden getigerte Kätzin berührte mit der Schnauze Feuersterns Nase, aber ihr Schwanz zuckte ungeduldig und ihr Blick wanderte über die Lichtung.
»Distelpfote!« Maulbeerpfote löste sich von ihren Clan-Gefährten und eilte herbei, um Distelpfote zu begrüßen. »Ich kann leider nicht bleiben.« Die Heiler-Schülerin des FlussClans war ganz außer Atem. »Ich muss wieder zurück zu Mottenflügel. Aber ich wollte dich wenigstens begrüßen.«
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Distelpfote. »Ich meine, mit deinem Clan. Ihr seht alle ein bisschen …«
In diesem Moment gesellte sich Krähenfeder zu ihnen. Löwenpfotes Schnurrhaare zuckten enttäuscht. Würde er niemals mit Heidepfote allein sein können?
»Heidepfote«, wandte sich der WindClan-Krieger barsch an seine Schülerin. »Warum unterhältst du dich nicht mit den Schülern aus den anderen Clans? Das ist eine gute Gelegenheit, andere Katzen kennenzulernen.« Sein Blick huschte zu Löwenpfote und Distelpfote.
»Komm mit«, drängte Windpfote. »Ich will sehen, ob Efeupfote höher springen kann als Beerenpfote.«
Heidepfote sah Löwenpfote an. »Na gut, ich komme.«
Löwenpfotes Schwanz fegte über die mit Nadeln bedeckte Erde, während Krähenfeder und Windpfote seine Freundin wegführten.
»Alle Clans mögen sich unter dem Angesicht des SternenClans versammeln!«
Schwarzsterns laute Stimme erklang aus der Großen Eiche, wo die vier Anführer nebeneinander auf dem untersten Ast saßen, schwarze Umrisse im Mondlicht. Ihre Augen glühten in der Dunkelheit. Löwenpfote hastete hinter Distelpfote her, die sich zwischen ihre Clan-Gefährten schob und zu Farnpelz setzte. Löwenpfote hockte sich neben Aschenpelz.
»He!«, zischte Distelpfote. »Kopf runter. Ich will auch was sehen.«
Löwenpfote zog den Kopf ein und erkannte plötzlich, dass er mittlerweile größer war als seine Schwester. Wenigstens an Größe hatte er sie während der letzten Monde überholt.
»Der SchattenClan bringt frohe Kunde«, verkündete Schwarzstern. »Bernsteinpelz hat uns drei Junge geboren.«
Alle Katzen maunzten Glückwünsche, am lautesten Eichhornschweif. »Bravo, Bernsteinpelz!«
Schwarzstern fuhr fort: »Sie heißen Flammenjunges, Lichtjunges und Tigerjunges!«
Das Maunzen in den Kehlen der älteren Krieger erstarb, als sie den Namen Tigerjunges hörten. Löwenpfote blinzelte. Wie konnte Tigerstern ihnen immer noch Angst einjagen, wo er doch längst nur noch eine Erinnerung an alte Zeiten und ferne Orte war? Sie waren so abergläubisch wie Eulen!
»Als Bernsteinpelz’ Junge«, flüsterte er Distelpfote zu, »sind sie mit uns verwandt!« Es war ein seltsames Gefühl, Verwandte in einem anderen Clan zu haben. Zum ersten Mal versuchte er sich vorzustellen, was für Gefühle sein Vater gegenüber Bernsteinpelz haben mochte. Sie war Brombeerkralles Schwester und hatte doch ihr Schicksal in einem anderen Clan gefunden. Würde er ihr je im Kampf gegenüberstehen müssen?
»Gibt es sonst noch etwas zu berichten?« Feuersterns Stimme riss Löwenpfote aus seinen Gedanken.
»Habe ich was verpasst?« Löwenpfote drehte sich zu seiner Schwester um. Sie schüttelte den Kopf, aber ihre Augen waren dunkel vor Sorge.
Schwarzstern hatte den Schwanz über seine Vorderpfoten gelegt und sah zufrieden aus. Kurzstern schaute zur Seite, um zu zeigen, dass er nichts zu sagen hatte.
Feuerstern nickte. »Beim DonnerClan ist ebenfalls alles gut.« Er wandte sich an die FlussClan-Anführerin. »Leopardenstern? Du hast uns noch keine Neuigkeiten berichtet.«
»Es gibt nichts zu berichten«, erwiderte sie kurz. »Die Fische kehren zum Seeufer zurück. Die Jagd ist gut. Meinem Clan geht es prächtig.«
»Ich freue mich, das zu hören«, entgegnete Feuerstern.
»Dann ist die Große Versammlung hiermit beendet«, verkündete Leopardenstern.
Die Clans entfernten sich einer nach dem anderen von der Großen Eiche, nachdem ihre Anführer vom Baum gesprungen waren. Löwenpfote streckte sich. Ihm war kalt vom langen Stillsitzen.
Haselpfote stupste ihn mit der Schnauze an. »Drei neue SchattenClan-Katzen!«, miaute sie. »Wir müssen ab jetzt noch härter trainieren!« Dann folgte sie ihren Clan-Kameraden über die Lichtung.
Löwenpfote eilte ihr nach. »Aber sie sind doch nur Junge.«
»Aus Jungen werden Krieger«, mahnte Haselpfote.
Distelpfote schob sich neben ihren Bruder, ihr Fell war gesträubt. »Glaubst du, wir müssen irgendwann mal gegen sie kämpfen?«, flüsterte sie ängstlich.
»Lass uns jetzt nicht von Kämpfen reden.« Eichhornschweif war zu ihnen gestoßen und hatte sie belauscht. »Drei Junge sind ein Segen für jeden Clan.« Sie freute sich sichtlich über die Nachricht.
Blattsee gesellte sich mit Häherpfote zu ihnen. »Als ich sie das letzte Mal sah, habe ich schon bemerkt, dass Bernsteinpelz Junge erwartet.«
Eichhornschweif sah sie überrascht an. »Das hast du gar nicht erzählt.«
»Es stand mir nicht zu, solange ihr Schicksal noch in den Pfoten des SternenClans lag«, antwortete Blattsee.
»Außerdem ging dich das gar nichts an!« Eine barsche Stimme schreckte die Katzen auf.
Löwenpfote drehte sich um und erblickte Eschenkralle, einen goldfarbenen SchattenClan-Krieger, der sie aus schmalen Augen böse musterte. Das ist bestimmt der Vater.
Eichhornschweif erwiderte seinen Blick. »Glückwunsch, Eschenkralle. Du bist gesegnet, drei gesunde Junge zu haben.«
Eschenkralle zog die Oberlippe hoch. »Drei gesunde im Clan geborene Junge«, brummte er.
»Das ist nur ein Segen, wenn sie dem Clan, in den sie hineingeboren wurden, auch treu bleiben«, entgegnete Eichhornschweif zornig.
Eschenkralle stieß ein grollendes Knurren aus, doch da trat Blattsee zwischen die beiden Krieger. »Kein Grund zu streiten.«
»Er hat nur die Wahrheit gesagt.«
Wer war das? Löwenpfotes Kopf schoss herum. Windpfote! Der WindClan-Schüler stand neben seinem Vater.
Krähenfeder schaute Blattsee mit blitzenden Augen an. »Vergiss nicht, Windpfote, der DonnerClan hat eine Vorliebe für gemischtes Blut.«
Blattsee riss den Kopf zurück, als wäre Krähenfeder ihr mit den Krallen über die Schnauze gefahren. Sie drehte sich um und eilte davon.
»Er tut so, als würde mit dem DonnerClan was nicht stimmen!« Löwenpfote fuhr die Krallen aus, doch seine Mutter strich ihm mit dem Schwanz über die Flanke.
»Lass uns gehen, Löwenpfote. Vergiss die Waffenruhe nicht.« Sie drückte sich gegen Löwenpfote und führte ihn weg von Krähenfeder, Windpfote und Eschenkralle.
Löwenpfote warf den drei Katzen noch einen bösen Blick zu. Er wünschte, er könnte die dumme Waffenruhe ignorieren und jedem von ihnen ein Büschel Fell aus dem Pelz fetzen.
»Löwenpfote!« Heidepfote kam angesprungen.
»Was?« Löwenpfote hielt an und blickte ihr entgegen. Auch Eichhornschweif war stehen geblieben.
Heidepfote schaute zu ihr auf. »Darf ich mit Löwenpfote sprechen? Bitte?«
Eichhornschweifs Ohren zuckten, doch sie nickte. »Aber nur kurz.« Sie folgte Blattsee, Distelpfote und Häherpfote in das Farndickicht.
»Bitte, sei nicht böse«, bat Heidepfote. »Krähenfeder ist immer so mürrisch. Das ist eben seine Art. Und Windpfote hält sich jetzt schon für einen Krieger.«
»Aber hast du gehört, was sie über gemischtes Blut im DonnerClan gesagt haben? Sie können es einfach nicht lassen.«
»Sie vielleicht nicht, aber können wir es nicht vergessen?« Heidepfotes Augen glänzten. »Ich habe einen Plan.«
»Um uns an ihnen zu rächen?«
Heidepfotes Augen wurden groß. »Natürlich nicht! Sie sind meine Clan-Gefährten!« Ihr Schwanz schnellte hin und her. »Nein, bei meinem Plan geht es um etwas ganz anderes.«
Löwenpfote legte den Kopf zur Seite. »Und um was?«
»Warum treffen wir uns nicht schon früher, anstatt bis zur nächsten Großen Versammlung zu warten?«
»Früher?«, wiederholte Löwenpfote überrascht. Verstieß es nicht gegen das Gesetz der Krieger, sich ohne Erlaubnis mit Katzen von einem anderen Clan zu treffen?
»Morgen Nacht«, flüsterte sie.
»Aber wie? Wo?«
»Bei der Grenze im Wald. Beim Eibenbaum. Wir können uns davonschleichen, während unsere Clan-Kameraden schlafen.«
»Aber …«
Heidepfotes Schnurrhaare zuckten. »Komm schon! Das wird aufregend. Und wir schaden doch niemandem damit.«
Schuldgefühle und Sorge regten sich in Löwenpfote, aber Heidepfotes blaue Augen funkelten ihn hoffnungsvoll an. Ihr Vorschlag klang lustig. Er könnte ja einfach sagen, er hätte trainiert, nachts Beute zu jagen. Und Heidepfote hatte recht: Sie schadeten niemandem, solange sie keine Beute stahlen oder spionierten. Wenn sie vorsichtig waren, würde keine Katze davon erfahren. Ich werde meinem Clan immer treu ergeben sein und meine Pflichten nicht vernachlässigen.
Er blinzelte Heidepfote an. »Na gut.«
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2. KAPITEL
Distelpfote träumte. Sie rannte durch den Wald, Regen trommelte auf den blätterbedeckten Boden. Vor sich sah sie Maulbeerpfotes gestreiftes Fell zwischen den Bäumen. Die Heiler-Schülerin des FlussClans rannte schnell, immer ein paar Schritte vor ihr.
»Warte auf mich!«, rief Distelpfote. »Ich möchte dich was fragen.«
»Ich sag es dir, wenn du mich eingeholt hast!«, entgegnete Maulbeerpfote.
Distelpfote strengte sich an, ihre Pfoten glitten aus im Matsch, aber Maulbeerpfote blieb immer eine Schwanzlänge außer Reichweite.
»Mit dem FlussClan stimmt doch was nicht, oder?«, jaulte Distelpfote.
»Ich kann dich nicht hören. Der Regen ist zu laut.«
»Sag mir, was los ist!«
Der Regen prasselte noch heftiger herab, klatschte gegen die Blätter und spritzte auf den Boden.
»Maulbeerpfote!«
»Ich kann es dir erst sagen, wenn du mich einholst!«
»Renn nicht so schnell!« Distelpfote kniff unter dem Wolkenbruch die Augen zusammen. »Maulbeerpfote?«
Doch Maulbeerpfote war verschwunden, Distelpfote war allein in dem regennassen Wald.
Sie schlug die Augen auf. Regen klopfte auf das Dach des Baus, suchte sich einen Weg durch das dichte Blattwerk der Eibenzweige und tropfte in die Nester. Distelpfote zitterte und kuschelte sich tiefer in das Moos, aber etwas Nasses drückte sich gegen sie. Löwenpfotes Pelz.
Distelpfote stieß ihn weg. »Geh weg. Dein Fell ist pitschnass.«
Löwenpfote rollte wieder auf ihre Seite.
»Löwenpfote!« Sie kam auf die Pfoten und schaute ihren Bruder an. Morgenlicht drang durch die Zweige, gerade genug, um den Pelzen der schlafenden Katzen Farbe zu verleihen. Löwenpfotes Fell war triefnass, als hätte er die Nacht draußen im Regen verbracht, obwohl er jetzt doch tief und fest schlief. Distelpfote schnupperte misstrauisch an ihm. Vielleicht war er raus zum Schmutzplatz gegangen und dann zurück in den Bau geschlüpft, um weiterzuschlafen.
Sie gähnte und streckte sich, ihr Schwanz zitterte vor Anstrengung. Sie spürte die Kälte bis in die Knochen. Mauspfote, Beerenpfote und Honigpfote schliefen trotz des Regens, doch Mohnpfotes und Haselpfotes Nester waren leer, aber ihr Geruch war frisch. Bestimmt waren sie mit der Morgenpatrouille draußen.
»Distelpfote?« Rußpfote hob den Kopf und blinzelte. »Hat der Regen dich geweckt?«
Distelpfote schüttelte den Kopf. »Das war Löwenpfote«, miaute sie. »Er ist ganz nass.«
»War er bei dem Wetter draußen?« Rußpfote rieb sich die Augen.
»Sieht so aus.« Distelpfotes Fell prickelte vor Neugier. Löwenpfote benahm sich nicht zum ersten Mal so seltsam. Vor wenigen Tagen erst hatte er sie noch vor Sonnenaufgang geweckt, als er zurück in den Bau geschlichen kam. Er behauptete, er sei nur kurz beim Schmutzplatz gewesen, aber sein Pelz hatte nach Blättern gerochen, als wäre er draußen im Wald herumgestreunt. Und dann hatte er noch so unfreundlich geantwortet, als würde sie ihm nachspionieren. Bestimmt führte er etwas im Schilde.
Rußpfotes Bauch knurrte. »Ob schon Frischbeute auf dem Haufen liegt?«
»Vielleicht ist noch was von gestern übrig«, meinte Distelpfote. »Komm, wir sehen nach.«
Sie tastete sich zwischen den Körpern ihrer schlafenden Clan-Gefährten hindurch und schaute aus dem Eingang. Der Frischbeutehaufen war kaum zu erkennen. Der Morgenhimmel war von Wolken verdüstert, und es regnete so heftig, dass aufspritzender Matsch über die Lichtung tanzte.
Rußpfote zwängte sich neben sie. »Komm, wir rennen einfach rüber.«
»Na gut.« Distelpfote kniff die Augen zusammen und flitzte aus dem Bau.
Sturmpelz und Bach kauerten unter der Hochnase und teilten sich unter dem schützenden Felsvorsprung ein Rotkehlchen.
»So ein Wetter ist sogar für den FlussClan zu nass!«, rief Sturmpelz zur Begrüßung.
Distelpfote blieb stehen und blinzelte den Regen aus ihren Augen. »Jetzt weiß ich, wie Fische sich fühlen!«
Rußpfote sauste an ihr vorbei.
»Sitz nicht da wie ein verschreckter Hase, Distelpfote«, drängte Bach. »Such dir einen Unterschlupf!«
Distelpfote rannte Rußpfote hinterher und bremste in einem Schwall sumpfigen Wassers vor dem Frischbeutehaufen, wo ein paar wenige durchnässte Beutestücke dreckverschmiert herumlagen. Sie hob eine mickrige Maus auf und trug sie in den Schutz des Brombeergestrüpps, das neben dem Heiler-Bau wucherte.
»Igitt!« Rußpfote ließ einen triefnassen Zaunkönig zu Boden fallen und schüttelte sich. Distelpfote legte die Ohren an, als die Tropfen auf sie niederprasselten.
»Entschuldige.« Rußpfote kauerte sich hin und riss einen Bissen aus ihrem Vogel. »Schmeckt nach Schlamm!«, miaute sie mit vollem Maul.
Am Eingang des Heiler-Baus zitterten die tropfenden Brombeerranken, Blattsee eilte heraus, ein Bündel Kräuter im Maul. Sie rannte über die Lichtung und verschwand in der Kinderstube.
»Ich hoffe, Eisjunges und Fuchsjunges geht es gut«, miaute Distelpfote.
»Minka hat letzte Nacht geniest«, erzählte Rußpfote. »Ich glaube, sie ist erkältet.«
Distelpfote spähte durch die Brombeerzweige zu dem grauen Himmel empor. »Wir werden uns alle erkälten, wenn dieser Regen nicht bald aufhört. Oder wir bekommen Schwimmpfoten.« Seit der Großen Versammlung war fast ein halber Mond vergangen, und es kam ihr vor, als hätte es seitdem jeden Tag geregnet.