Cover

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Über den Autor
Hinter dem Namen Erin Hunter verbergen sich gleich mehrere Autorinnen: Während Victoria Holmes meistens die Ideen für die Geschichten hat und das gesamte Geschehen im Auge behält, bringen Cherith Baldry, Kate Cary und Tui Sutherland die Abenteuer der KatzenClans zu Papier.
Ebenfalls aus der Feder dieses erfolgreichen Autorinnenteams stammt die Bärenfantasy-Reihe SEEKERS.
Die Abenteuer der SURVIVOR DOGS schreiben Gillian Philip und Inbali Iserless.
Impressum
Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich
(ISBN 978-3-407-74597-2)
www.beltz.de
© 2012, 2015 Beltz & Gelberg
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Werderstr. 10, 69469 Weinheim
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© 2006 Working Partners Limited
Die Originalausgabe erschien 2006 u.d.T.
Warriors, The New Prophecy, Twilight
bei HarperCollins Children’s Books, New York
Aus dem Englischen von Klaus Weimann
Lektorat: Susanne Härtel
Neue Rechtschreibung
Einbandgestaltung: © Johannes Wiebel, punchdesign, München
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-74285-8
Besonderer Dank an Cherith Baldry
Staffel I
In die Wildnis (Bd.1)
Feuer und Eis (Bd. 2)
Geheimnis des Waldes (Bd. 3)
Vor dem Sturm (Bd. 4)
Gefährliche Spuren (Bd. 5)
Stunde der Finsternis (Bd. 6)
Staffel II – Die neue Prophezeiung
Mitternacht (Bd. 1)
Mondschein (Bd. 2)
Morgenröte (Bd. 3)
Sternenglanz (Bd. 4)
Dämmerung (Bd. 5)
Sonnenuntergang (Bd. 6)
Staffel III – Die Macht der drei
Der geheime Blick (Bd. 1)
Fluss der Finsternis (Bd. 2)
Verbannt (Bd. 3)
Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)
Lange Schatten (Bd. 5)
Sonnenaufgang (Bd. 6)
Staffel IV – Zeichen der Sterne
Der vierte Schüler (Bd. 1)
Fernes Echo (Bd. 2)
Stimmen der Nacht (Bd. 3)
Spur des Mondes (Bd. 4)
Der verschollene Krieger (Bd. 5)
Die letzte Hoffnung (Bd. 6)
Staffel V – Der Ursprung der Clans
Der Sonnenpfad (Bd. 1)
Special Adventure
Feuersterns Mission
Das Schicksal des WolkenClans
Blausterns Prophezeiung
Streifensterns Bestimmung
Gelbzahns Geheimnis
Short Adventure
Wolkensterns Reise
Die Welt der Clans
Das Gesetz der Krieger
Alle Abenteuer auch als E-Books bei Beltz&Gelberg
www.warriorcats.de

DIE HIERARCHIE DER KATZEN

DONNERCLAN  
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Anführer
FEUERSTERN – attraktiver Kater mit feuerfarbenem Fell
Zweiter
Anführer
GRAUSTREIF – langhaariger, grauer Kater
Heilerin
RUSSPELZ – dunkelgraue Kätzin; Mentorin von BLATTSEE – hellbraun gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen und weißen Pfoten
Krieger
(Kater und Kätzinnen ohne Junge)
BORKENPELZ – dunkelbraun getigerter Kater
SANDSTURM – kleine, gelbbraune Kätzin
WOLKENSCHWEIF – langhaariger, weißer Kater
FARNPELZ – goldbraun getigerter Kater; Mentor von WEISSPFOTE
DORNENKRALLE – goldbraun getigerter Kater
LICHTHERZ – weiße Kätzin mit goldbraunen Flecken und vernarbtem Gesicht
BROMBEERKRALLE – dunkelbraun getigerter Kater mit bernsteinfarbenen Augen
ASCHENPELZ – hellgrauer Kater mit dunkleren Flecken und dunkelblauen Augen
REGENPELZ – dunkelgrauer Kater mit blauen Augen
SCHLAMMFELL – hellgrauer Kater mit bernsteinfarbenen Augen
EICHHORNSCHWEIF – dunkelrote Kätzin mit grünen Augen
SPINNENBEIN – langgliedriger, schwarzer Kater mit bernsteinfarbenen Augen
Schüler
(über sechs Monde alt, in der Ausbildung zum Krieger)
WEISSPFOTE – weiße Kätzin mit grünen Augen
Königinnen
(Kätzinnen, die Junge erwarten oder aufziehen)
RAUCHFELL – hellgraue Kätzin mit dunkleren Flecken und grünen Augen
AMPFERSCHWEIF – schildpattfarbene Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen
Älteste
(ehemalige Krieger und Königinnen, jetzt im Ruhestand)
GOLDBLÜTE – Kätzin mit hellem, goldbraunem Fell
LANGSCHWEIF – Kater mit hellem Fell und schwarzen Streifen; früh im Ruhestand, weil fast blind
MAUSEFELL – kleine, schwarzbraune Kätzin
SCHATTENCLAN  
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Anführer
SCHWARZSTERN – großer, weißer Kater mit riesigen, pechschwarzen Pfoten
Zweite
Anführerin
ROSTFELL – dunkle, goldbraune Kätzin
Heiler
KLEINWOLKE – sehr kleiner, getigerter Kater
Krieger
EICHENFELL – kleiner, brauner Kater
ZEDERNHERZ – dunkelgrauer Kater
ESCHENKRALLE – rotbrauner Kater; Mentor von KRALLENPFOTE
BERNSTEINPELZ – schildpattfarbene Kätzin mit grünen Augen
NACHTFLÜGEL – schwarze Kätzin
Königin
MOHNBLÜTE – langbeinige, hellbraun gescheckte Kätzin
Ältester
TRIEFNASE – kleiner, grau-weißer Kater; ehemaliger Heiler
 
KIESELSTEIN – magerer, grauer Kater
WINDCLAN  
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Anführer
KURZSTERN – braun gescheckter Kater
Zweite
Anführerin
ASCHENFUSS – graue Kätzin
Heiler
RINDENGESICHT – brauner Kater mit kurzem Schwanz
Krieger
FETZOHR – getigerter Kater
SPINNENFUSS – dunkelgrau getigerter Kater
KRÄHENFEDER – dunkelgrauer, fast schwarzer Kater mit blauen Augen
EULENBART – hellbraun getigerter Kater
NACHTWOLKE – schwarze Kätzin
RENNPELZ – rotbrauner Kater mit weißen Pfoten
Königin
HELLSCHWEIF – kleine, weiße Kätzin
Älteste
MORGENBLÜTE – schildpattfarbene Kätzin
HAFERBART – cremefarben-braun gestreifter Kater
FLUSSCLAN  
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Anführer
LEOPARDENSTERN – ungewöhnlich getupfte, goldfarbene Kätzin
Zweite
Anführerin
NEBELFUSS – dunkelgraue Kätzin mit blauen Augen
Heilerin
MOTTENFLÜGEL – schöne, golden gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen
Krieger
SCHWARZKRALLE – rauchschwarzer Kater; Mentor von BUCHENPFOTE
HABICHTFROST – breitschultriger, dunkelbrauner Kater
FELDZAHN – kleiner, braun gestreifter Kater
SCHWALBENSCHWEIF – dunkelbraun gestreifte Kätzin mit grünen Augen
KIESELBACH – grauer Kater
SCHILFBART – schwarzer Kater; Mentor von KRÄUSELPFOTE
Königinnen
MOOSPELZ – schildpattfarbene Kätzin
MORGENBLUME – hellgraue Kätzin
Ältester
BLEIFUSS – stämmiger, gestreifter Kater
EFEUSCHWEIF – braun gestreifte Kätzin
STAMM DES EILENDEN WASSERS
BACH WO KLEINER FISCH SCHWIMMT (BACH) – braun getigerte Kätzin
STURMPELZ – dunkelgrauer Kater mit bernsteinfarbenen Augen
ANDERE TIERE
SOCKE – muskulöser, grau-weißer Kater; lebt in einer Scheune beim Pferdeort
MINKA – Kätzin mit langem, cremefarbenem Fell; lebt beim Pferdeort
MOLLY – kleine, grau-weiße Kätzin; lebt beim Pferdeort
MITTERNACHT – Dächsin, lebt am Meer und beobachtet die Sterne
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PROLOG
»Nein! Das muss ein Irrtum sein!« Die Katze, die am Ufer des Teichs kauerte, blickte auf. Ihr Fell leuchtete hell im Mondlicht. »Es gibt noch so viel für mich zu tun!«
Eine andere Kätzin mit breitem Gesicht und blaugrauem Fell trottete um den Teich herum.
»Es tut mir leid«, miaute sie und ihre Augen waren voller Mitleid. »Ich weiß, du hast noch mit vielen weiteren Monden bei deinen Clan-Kameraden gerechnet, bevor du zu uns kommst.«
Die kauernde Katze blickte hinab ins Wasser, in dem das Spiegelbild des Mondes zitterte wie ein dahintreibendes Blatt. Die gesamte Oberfläche des Teichs leuchtete wider von dem Sternenlicht, das von den zahllosen schimmernden Gestalten ausging, welche die Senke umgaben. Einen Augenblick lang war nur das Geräusch des Wasserfalls zu hören, der von den steilen Felsen herabfiel. Die Katzen des SternenClans saßen in schweigender Aufmerksamkeit da, und es schien, als würden sie alle den Kummer der Kätzin am Wassersaum teilen.
»Du hast deinem Clan treuer gedient als manche Katzen in einem langen Leben«, fuhr die blaugraue Kätzin fort. »Es muss dir sehr ungerecht vorkommen, dass du ihn nun verlassen sollst.«
Die kauernde Katze erhob ihre leuchtenden Augen und blickte die Sternenkriegerin an. »Blaustern, ich weiß, dass du nichts dafür kannst. Du musst dich nicht entschuldigen.«
Die Sternenkätzin schnippte mit dem Schwanz. »Aber ich möchte es. Du sollst wissen, wie viel dein Clan dir schuldet.«
»Alle Clans.« Ein schwarz-weißer Kater mit einem langen Schwanz erhob sich auf die Pfoten und lief auf leisen Sohlen um den Teich herum, bis er neben Blaustern stand. »Auch der SternenClan. Keiner von uns hätte unser neues Zuhause gefunden ohne dich.« Er neigte den Kopf in einer Geste des Respekts und das Sternenlicht auf der Oberfläche des Teichs flackerte.
Die Kätzin blinzelte ihn an. »Ich danke dir, Riesenstern. Ich habe Fehler gemacht, aber ich habe immer versucht, das zu tun, was ich für das Richtige hielt.«
»Mehr verlangt der SternenClan nicht von seinen Kriegern.« Ein magerer, schwarzer Kater machte sich auf den Weg über die moosbedeckten Felsen. »Wenn wir dein Schicksal ändern könnten, würden wir es tun.«
»Aber du weißt ja«, betonte Blaustern, »nicht einmal der SternenClan kann die Pfoten des Schicksals abwenden, so sehr wir das auch wünschten.«
Die Kätzin am Ufer nickte. »Ich verstehe. Und ich will versuchen, Mut zu bewahren. Kannst du mir sagen, wann …«
Blaustern schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht einmal wir können die Zukunft so deutlich sehen. Wenn die Zeit kommt, wirst du es wissen und wir werden auf dich warten.«
Ein vierter Kriegergeist, ein hell gestreifter Kater mit einem schiefen Kiefer, erhob sich von seinem Platz weiter oben am Hang und lief zwischen den schimmernden Reihen des SternenClans zu der Katze herab. »Immer wenn sich die Clans Geschichten von der großen Reise erzählen, wird dein Name geehrt werden«, versprach er.
»Ich danke dir, Streifenstern«, miaute die Kätzin.
Die vier von Sternenlicht erleuchteten Krieger standen nun dicht beieinander. Alle vier waren sie Clan-Anführer gewesen, als ihre Pfoten noch auf der Erde wandelten.
»Wisse, dass die Kraft des SternenClans mit dir sein wird«, miaute Blaustern. »Wir werden dich nicht alleinlassen, wenn du dich deinem Schicksal stellen musst.«
Die Kätzin hob den Kopf und blickte in die tiefblauen Augen. »Der SternenClan ist immer bei mir gewesen.«
»Das sagst du, obwohl dein Leben so schwer gewesen ist?« Riesensterns Stimme klang erstaunt.
»Natürlich.« Die Augen der Katze glommen im Sternenlicht. »Ich habe gute Freunde in allen Clans gefunden. Ich habe gesehen, wie Junge geboren wurden und Älteste aufgebrochen sind zu ihrer letzten Reise zum Silbervlies. Ich habe die lange Reise zur neuen Heimat der Clans mitgemacht. Glaubt mir, ich würde keinen einzigen Tag missen wollen.« Sie schwieg und blickte wieder in den Teich. »Ich weiß, es liegt nicht in eurer Macht, mir eine längere Dauer bei meinem Clan zu gewähren. Aber ich kann nicht umhin, mir mehr zu wünschen.«
Blaustern kniff die Augen zusammen. »Es tut uns allen weh, wenn eine junge Katze gerufen wird, sich dem SternenClan anzuschließen. Ich weiß, du würdest deinem Clan noch viele weitere Monde treu dienen.« Ihre Stimme wurde heiser vor Schmerz und die Kätzin blickte auf zu ihr und streckte in einer tröstenden Geste eine Pfote aus.
»Sei nicht traurig, Blaustern. Ich weiß, mein Clan wird gut versorgt werden, wenn ich gegangen bin.«
Ein respektvolles Murmeln erhob sich im Rund der Senke. Blaustern beugte den Kopf über die kauernde Kätzin und badete deren mondhelles Fell in ihrem Duft. »Wir sind immer bei dir«, miaute sie.
Der Reihe nach neigten sich die anderen über sie und fügten ihren Duft hinzu, so dass die Luft mit dem Geruch von Sternen und Eis und dem Nachtwind erfüllt war. Weitere Krieger folgten ihnen – eine geschmeidige, schildpattfarbene Kätzin, ein stämmiger farnfarbener Kater, eine silbern gestreifte Kätzin. Sie alle umgaben die Katze mit der Kraft und dem Mut des SternenClans.
Ihre Stimmen vereinten sich zu einer leisen Trauerklage, die zu den Sternen emporzog. Dann verschwammen die schimmernden Gestalten eine nach der anderen, bis die Senke verlassen dalag.
Die Sterne leuchteten herunter auf eine einzelne Katze, die bewegungslos neben dem Teich kauerte.
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1. KAPITEL
»Alle Katzen, die alt genug sind, Beute zu machen, fordere ich auf, sich hier unter der Hochnase zu einem Clan-Treffen zu versammeln!«
Eichhornschweif wachte mit einem Ruck auf, als das Jaulen des DonnerClan-Anführers über den Felsenkessel hallte. Wolkenschweif schob sich bereits durch die Dornenzweige, die den Kriegerbau abschirmten. Seine Gefährtin ließ sich aus ihrem Nest gleiten und folgte ihm.
»Was will Feuerstern denn jetzt schon wieder?«, murmelte Borkenpelz, der sich steif auf die Pfoten erhob und sich das Moos aus dem Fell schüttelte. Mit einem ärgerlichen Ohrenzucken drängte er sich hinter seinen Clan-Kameraden ins Freie.
Eichhornschweif dehnte gähnend die Kiefer, setzte sich auf und putzte sich eilig. Borkenpelz hatte an diesem Morgen noch schlechtere Laune als sonst. Eichhornschweif erkannte an seinen ungelenken Bewegungen, dass ihn die Wunde nach wie vor schmerzte, die er sich in der Schlacht gegen Moorkralle geholt hatte. Viele DonnerClan-Katzen trugen noch immer die Krallenspuren des Rebellen; auch Eichhornschweifs Flanke brannte von einer solchen Verletzung und sie fuhr in raschen, beruhigenden Strichen mit der Zunge darüber.
Moorkralle war Zweiter Anführer des WindClans gewesen, bis die Clans ihr neues Territorium am See erreichten. Riesenstern, der frühere Anführer, hatte jedoch – nur Augenblicke vor seinem Tod – Kurzbart an Stelle seines Stellvertreters als Nachfolger ernannt. Wutentbrannt zettelte Moorkralle daraufhin einen Aufstand gegen Kurzbart an, bevor der neue Anführer seine neun Leben vom SternenClan empfangen konnte. Und Habichtfrost vom FlussClan hatte ihn dabei unterstützt.
Eichhornschweif spürte erneut Ärger in sich aufsteigen, als sie daran dachte, dass Brombeerkralle seinem Halbbruder weiterhin traute. Und das sogar, nachdem er erkannt hatte, dass Habichtfrost bis über beide Ohren in Moorkralles Verrat verstrickt gewesen war.
Dem SternenClan sei Dank, dachte Eichhornschweif, dass der DonnerClan die Verschwörung rechtzeitig entdeckt und sich dem Kampf gegen Moorkralle und seine Unterstützer angeschlossen hatte. Der SternenClan hatte bekundet, wer der wahre Anführer des WindClans war, als durch einen Blitzschlag ein Baum auf Moorkralle stürzte und ihn tötete.
Noch einmal leckte Eichhornschweif über ihr rotbraunes Fell, dann glitt sie, schaudernd in der kalten Luft der Blattleere, durch die Zweige und lief hinaus auf die Lichtung. Gerade stieg die bleiche Sonne über die Bäume um den Felsenkessel, wo sich der DonnerClan nach seiner langen Reise niedergelassen hatte. Wind rüttelte an den nackten Ästen, aber hier unten war es still. Die Luft roch frisch und weißer Reif lag noch auf den Gräsern und Büschen. Trotzdem nahm Eichhornschweif eine schwache Ahnung von Wachstum wahr, die ihr verriet, dass die Blattfrische nahte.
Sie grub die Krallen in die Erde und streckte sich genüsslich. Ihr Vater Feuerstern saß auf der Hochnase vor seinem Bau auf halber Höhe der Klippe. Sein feuerfarbenes Fell glänzte in den frühen Sonnenstrahlen, und seine grünen Augen leuchteten stolz, als sein Blick über den Clan glitt. Eichhornschweif dachte, dass er nicht so zuversichtlich aussehen würde, wenn er sie vor weiteren Schwierigkeiten warnen müsste.
Die Katzen versammelten sich unterhalb von ihm auf der Lichtung. Mausefell und Goldblüte tauchten nacheinander aus dem Bau der Ältesten auf, und Goldblüte führte hinter sich den blinden Langschweif, auf dessen Schulter ihre Schwanzspitze ruhte.
»Guten Morgen!« Eichhornschweifs Schwester Blattsee kam angetrottet und sie berührten die Nasen. »Wie geht’s deinen Kratzern? Möchtest du noch etwas Ringelblume?«
Blattsee und ihre Mentorin Rußpelz, die Heilerin des DonnerClans, waren seit der Schlacht ständig damit beschäftigt gewesen, die benötigten Kräuter zu finden und die Wunden zu behandeln.
»Nein, es geht schon, danke«, sagte Eichhornschweif. »Es gibt viele Katzen, die deine Hilfe dringender brauchen als ich.«
Blattsee schnüffelte an den Wunden ihrer Schwester und nickte zufrieden. »Du hast recht, sie heilen gut.«
Ein aufgeregtes Quieken kam aus der Kinderstube, und schon kam Birkenjunges herausgerannt, stolperte über die eigenen Pfoten, überschlug sich und rappelte sich wieder auf, um einen Platz neben seinem Vater Borkenpelz einzunehmen. Seine Mutter Rauchfell lief hinter ihm her, setzte sich neben ihn und glättete mit der Zunge sein zerzaustes Fell.
Eichhornschweif schnurrte belustigt. Ihr Blick glitt an ihnen vorbei zum Tunnel, der durch den Dornenwall hindurch zum Eingang ins Lager führte. Sie spürte, wie sich ihre Schultermuskeln anspannten. Es schien, als würde die Morgenpatrouille gerade zurückkehren, denn Brombeerkralle, gefolgt von Sandsturm und Regenpelz, tauchte aus dem Tunnel auf.
»Was ist los?«, fragte Blattsee.
Eichhornschweif unterdrückte einen Seufzer. Sie und ihre Schwester waren sich viel näher als die meisten Geschwister eines Wurfs, und jede wusste immer genau, was die andere empfand.
»Es ist Brombeerkralle«, miaute sie unwillig. »Ich kann nicht glauben, dass er immer noch mit Habichtfrost befreundet ist, nachdem der doch Moorkralle unterstützt hat.«
»Viele Katzen haben Moorkralle unterstützt«, bemerkte Blattsee. »Sie haben es getan, weil sie nun einmal glaubten, dass Kurzbart nicht geeignet sei, den WindClan zu führen. Nachdem der Baum umstürzte, hat Habichtfrost aber zugegeben, dass er sich geirrt und Moorkralle ihn getäuscht hatte. Kurzbart hat ihm schon vergeben und all den anderen Katzen auch, die gegen ihn gekämpft haben.«
Eichhornschweif peitschte mit dem Schwanz. »Aber Habichtfrost hat gelogen! Er war schon die ganze Zeit an Moorkralles Verschwörung beteiligt. Ich habe gehört, was Moorkralle sagte, bevor er starb – Habichtfrost hat versucht, genug Macht anzusammeln, um den FlussClan zu übernehmen.«
Blattsees beunruhigter Blick brannte auf Eichhornschweifs Fell. »Dafür hast du keinen Beweis. Warum sollten wir Moorkralle eher glauben als Habichtfrost? Bist du dir sicher, dass du Habichtfrost nicht wegen seines Vaters verurteilst?«
Eichhornschweif öffnete den Mund zu einer schnellen Entgegnung, aber es gab nichts, was sie dazu sagen konnte.
»Vergiss nicht, dass Tigerstern auch Brombeerkralles Vater war«, fuhr Blattsee fort. »Er mag ein mordgieriger Verräter gewesen sein, aber das bedeutet nicht, dass seine Söhne seinen Pfotenschritten folgen. Ich traue Habichtfrost nicht mehr als du, aber wir können ohne Beweise nicht davon ausgehen, dass er so bösartig ist wie sein Vater. Und selbst wenn Habichtfrost gefährlich wäre, bedeutet das noch lange nicht, dass Brombeerkralle so wie er sein muss – oder wie Tigerstern.«
Eichhornschweif zuckte unbehaglich mit dem Schwanz. »Du hast wahrscheinlich recht.« Die drei getigerten Kater waren miteinander verbunden wie Ranken in einem Dornendickicht, und sie fragte sich, ob einer von Tigersterns Söhnen sich jemals vom verräterischen Erbe seines Vaters befreien könnte. »Es ist nur – Brombeerkralle hört einfach auf nichts, was ich sage! Ihm ist Habichtfrost viel wichtiger als ich. Ich verstehe nicht, warum er dessen Wort höher einschätzt als meins.«
»Habichtfrost ist nun mal sein Bruder«, erinnerte sie Blattsee und ihr bernsteinfarbener Blick war sanft und verständnisvoll. »Meinst du nicht, du solltest Brombeerkralle danach beurteilen, wie er jetzt handelt, statt danach, wie sein Vater gehandelt hat – oder wie du fürchtest, dass er in Zukunft handeln könnte?«
»Glaubst du, ich bin ungerecht?«, fragte Eichhornschweif. Auf der Reise zum Wassernest der Sonne, wohin der SternenClan sie geschickt hatte, damit sie von der Gefahr erfahren sollten, die alle Clans bedrohte, hatte sie Brombeerkralle ihr Leben anvertraut. Seit sie jedoch seine zunehmende Freundschaft zu seinem Halbbruder Habichtfrost beobachtete, war dieses Vertrauen verdunstet wie Tau an der Sonne.
»Ich glaube, du machst dir grundlos Sorgen«, erwiderte Blattsee.
»Ich mache mir keine Sorgen um Brombeerkralle.« Eichhornschweif konnte nicht einmal ihrer Schwester gegenüber zugeben, welchen Schmerz sie empfand, wenn sie daran dachte, was sie verloren hatte. »Ich mache mir Sorgen um den Clan, das ist alles. Wenn Brombeerkralle mit Habichtfrost abhauen will, kümmert mich das nicht«, knurrte sie.
Blattsee legte die Schwanzspitze auf die Schulter ihrer Schwester. »Tu doch nicht so, als ob es dich nicht kümmert«, miaute sie. »Besonders nicht mir gegenüber.« Ihre Stimme klang leicht, aber ihre Augen blickten noch immer ernst.
»Hallo, Eichhornschweif!« Aschenpelz trat zu ihnen, bevor die junge Kriegerin antworten konnte. Der graue Kater winkte ihr mit dem Schwanz zu. »Komm, setz dich zu mir.«
Eichhornschweif lief an seine Seite, und sie bemerkte, wie seine dunkelblauen Augen leuchteten, als sie sich zu ihm gesellte. Blattsee folgte ihr und leckte ihr rasch übers Ohr.
»Mach dir keine Sorgen«, murmelte sie. »Alles wird gut.« Sie nickte Aschenpelz freundlich zu, bevor sie zu Rußpelz hinüberging und sich neben sie setzte.
Aus dem Augenwinkel sah Eichhornschweif, wie Brombeerkralle ein paar unsichere Schritte auf sie zu machte. Doch als sie sich neben Aschenpelz niederließ, verfinsterte sich sein Blick. Abrupt wandte er sich ab und hockte sich neben Farnpelz und Ampferschweif. Eichhornschweifs Fell prickelte, und sie wusste nicht so recht, ob aus Erleichterung oder aus Enttäuschung. Als Feuerstern zu reden begann, blickte sie geradeaus, spürte jedoch Brombeerkralles bernsteinfarbenen Blick brennend auf ihrem Fell.
»Katzen des DonnerClans, drei Sonnenaufgänge sind vergangen seit der Schlacht gegen Moorkralle«, miaute Feuerstern. »Zwei tote Krieger liegen noch immer vor unserem Lager. Nachdem wir uns nun ausgeruht haben, müssen sie zurück zum SchattenClan gebracht werden.«
Ein Schauder durchlief Eichhornschweifs Fell. Sie selbst hatte den Felsenkessel bei einem Sturz in die Tiefe entdeckt, als sie und vier andere Katzen damals zum ersten Mal den Wald um den See herum erforschten. Es war reines Glück gewesen, dass die Klippe dort, wo sie über den Felsrand rutschte, so niedrig war, dass sie sich bei ihrem Fall nicht verletzt hatte. Aber während des Kampfes waren zwei fliehende SchattenClan-Katzen am höchsten Punkt des Abgrunds hinab auf die Lichtung gestürzt und hatten sich das Genick gebrochen.
»Glaubst du, der SchattenClan wird sie haben wollen?«, miaute Wolkenschweif. »Sie haben schließlich den Verräter Moorkralle unterstützt.«
»Es ist nicht unsere Aufgabe, über die Treue eines Clans zu seinen Kriegern zu urteilen«, sagte Feuerstern mit scharfer Stimme. »Moorkralle war kein gewöhnlicher Verräter. Sogar Katzen aus anderen Clans haben geglaubt, dass er der wahre Anführer des WindClans sei.«
Wolkenschweif schnippte unzufrieden mit dem Schwanz, doch Brombeerkralle nickte, als dächte er an Habichtfrost.
»Die toten Katzen sind SchattenClan-Krieger gewesen«, fuhr Feuerstern fort, »und ihre Clan-Kameraden werden sie auf ihrem Weg zum SternenClan ehren wollen. Eine Patrouille muss sie zur Grenze des SchattenClans bringen.«
»Ich werde das tun«, erbot sich Dornenkralle.
»Danke.« Feuerstern neigte den Kopf. »Farnpelz, gehe du auch mit, und …« Er zögerte und sein Blick schweifte nachdenklich über seine älteren Krieger.
Eichhornschweif verstand, dass dieser Auftrag gefährlich war. Obwohl nur wenige SchattenClan-Krieger an der Schlacht teilgenommen hatten, war es doch möglich, dass ihr Anführer Schwarzstern dem DonnerClan den Tod seiner Krieger vorwerfen und das zum Anlass für einen Angriff nehmen würde.
»Borkenpelz und Wolkenschweif«, entschied Feuerstern endlich. »Bringt die Leichen zur Grenze beim toten Baum. Wartet dort auf eine SchattenClan-Patrouille und sagt den Kriegern, was passiert ist. Aber sucht keinen Streit!« Sein Blick ruhte einen Augenblick auf Wolkenschweif, als befürchtete er, der starrköpfige Krieger mit dem weißen Pelz könnte etwas Falsches sagen. »Wenn der SchattenClan feindselig reagiert, verschwindet schnell von dort.«
Dornenkralle erhob sich auf die Pfoten, rief den Rest der Patrouille mit einer Bewegung seines Schwanzes zu sich, dann machten sie sich zusammen auf zum Dornentunnel. Die toten SchattenClan-Krieger lagen davor, verborgen in einem dichten Brombeerdickicht, in dem sie vor Füchsen und anderen Aasfressern geschützt waren.
Feuerstern wartete, bis das Rascheln der Zweige hinter der Patrouille verebbt war, und fuhr dann fort: »Letzte Nacht sollte Kurzbart zum Mondsee ziehen, um seine neun Leben und seinen Namen zu erhalten. Aber seine Führung ist nicht gefestigt, bevor er nicht von jedem einzelnen seiner Clan-Angehörigen akzeptiert wurde. Ich werde mit einer Patrouille zum WindClan gehen, um das zu überprüfen.«
»Aber das ist doch allein die Sache des WindClans!«, widersprach Mausefell. »DonnerClan-Kriegern wurde schon einmal das Fell abgezogen, als sie Kurzbart geholfen haben. Reicht das denn noch immer nicht?«
Eichhornschweif konnte dem nicht zustimmen, obwohl sie ein schmerzhaftes Stechen in ihrer verwundeten Flanke spürte. »Wenn wir schon unser Leben für Kurzbart aufs Spiel gesetzt haben«, widersprach sie, »warum sollten wir dann nicht klären, dass es sich auch gelohnt hat?«
Mausefell funkelte sie an, doch Feuerstern winkte mit dem Schwanz, um den Streit zu beenden.
Rußpelz erhob sich auf die Pfoten. »Wer immer diese Patrouille anführen wird, du wirst es nicht sein, Feuerstern. Du hast dir in dem Kampf die Schulter verrenkt und musst im Lager bleiben, bis sie geheilt ist.«
Feuersterns Nackenfell sträubte sich, doch schnell entspannte er sich wieder und neigte den Kopf vor der Heilerin. »Wie du meinst, Rußpelz.«
»Ich werde die Patrouille führen.« Brombeerkralle sprang auf die Pfoten.
»Danke, Brombeerkralle«, miaute Feuerstern. »Aber betrete auf keinen Fall das WindClan-Territorium. Wir müssen zeigen, dass wir ihre Grenzen respektieren. Führe die Patrouille an der Grenze entlang, und sieh, ob du eine von ihren Katzen entdecken kannst.«
Brombeerkralle nickte. »Keine Sorge, Feuerstern. Ich werde darauf achten, dass keine Katze eine Pfote über die Grenze setzt.«
Spinnenbein, der sich an Aschenpelz’ anderer Seite niedergelassen hatte, schnaubte verächtlich.
»Anmaßende Fellkugel«, murmelte er. »Für wen hält er sich eigentlich? Für den Zweiten Anführer?«
»Brombeerkralle ist ein guter Krieger«, miaute Aschenpelz. »Zweiter Anführer sein zu wollen ist nicht verkehrt.«
»Außer, dass der DonnerClan schon einen Zweiten Anführer hat«, stellte Spinnenbein klar.
»Aber Graustreif ist nicht hier«, entgegnete Aschenpelz. »Und früher oder später wird Feuerstern entscheiden müssen, wie lange er noch auf ihn warten will.«
Wie einen scharfen Dorn spürte Eichhornschweif den Kummer in ihrer Brust. Zweibeiner hatten den Zweiten Anführer des DonnerClans unmittelbar vor der Flucht des Clans im Wald gefangen genommen. Eichhornschweif erinnerte sich noch an das Entsetzen, als sie hatte zusehen müssen, wie Graustreif in dem knurrenden Zweibeinermonster weggebracht worden war. Keine Katze wusste, was mit ihm geschehen war, aber Feuerstern weigerte sich, an seinen Tod zu glauben oder einen anderen Stellvertreter zu ernennen.
Möchte Brombeerkralle wirklich Zweiter Anführer werden?, fragte sich Eichhornschweif. Ganz wie Tigerstern, kam es ihr in den Sinn, und sie dachte daran, wie weit der mörderische getigerte Krieger bereit gewesen war zu gehen, um sein ehrgeiziges Ziel zu erreichen.
Feuerstern rief ihren Namen und holte sie so zurück in den Felsenkessel. »Eichhornschweif, du gehst mit Brombeerkralle zum WindClan. Ihr auch, Aschenpelz und Regenpelz.«
Eichhornschweif spitzte die Ohren. Ein Lauf durch den Wald würde ihre bedrückenden Erinnerungen wegfegen. Aschenpelz war bereits mit senkrecht aufgerichtetem Schwanz auf den Pfoten.
»Lasst uns gehen!«, miaute Eichhornschweif und sprang zu Brombeerkralle hinüber.
»Noch nicht«, entgegnete Brombeerkralle barsch, und sein Blick wanderte über sie und Aschenpelz, als würde er sie kaum kennen. »Ich möchte den Rest der Versammlung hören.«
Eichhornschweif funkelte ihn an und setzte sich wieder hin.
»Wir brauchen auch noch Jagdrotten«, miaute Feuerstern. »Sandsturm, kannst du die zusammenstellen?«
»Natürlich.« Sandsturm blickte von ihrem Platz am Fuß der Klippe hinauf zu Feuerstern. »Aber ich möchte noch etwas anderes sagen, bevor wir die Versammlung schließen.« Sie machte eine Pause, und Feuerstern gab ihr mit dem Schwanz ein Zeichen, fortzufahren. »Der DonnerClan hat zurzeit nur einen Schüler. Deshalb ist es schwierig, alle Arbeiten zu verrichten.«
Ampferschweifs Bruder Schlammfell zuckte mit dem Schwanz. »Ja, ich habe die Nase voll davon, dauernd Moos als Nestmaterial zu holen. Das ist keine passende Aufgabe für einen Krieger«, beklagte er sich. Er war noch nicht lange ein Krieger und hatte offenbar gehofft, für immer die Schüleraufgaben los zu sein, nachdem ihm Feuerstern seinen Kriegernamen gegeben hatte.
»Das ist nicht zu ändern.« Feuersterns Stimme war streng, während er den jungen Krieger anstarrte. »Du kannst nicht erwarten, dass ein einziger Schüler alles macht.«
»Weißpfote arbeitet sich die Pfoten wund«, warf Mausefell ein. »Sie verdient ein wenig Hilfe.«
Weißpfote, die einzige Schülerin, senkte den Kopf und scharrte mit den Vorderpfoten. Eichhornschweif konnte sehen, dass sie kein Lob erwartet hatte von der drahtigen, braunen Ältesten, deren Zunge so spitz war wie ihre Krallen.
»Ich werde helfen!« Birkenjunges sprang aufgeregt auf die Pfoten. »Ich bin alt genug für einen Schüler!«
»Nein, das bist du nicht«, widersprach ihm seine Mutter Rauchfell zärtlich. »Das dauert noch einen Mond.«
»Ich fürchte, deine Mutter hat recht, Birkenjunges«, miaute Feuerstern. »Aber mach dir keine Sorgen, deine Zeit wird kommen. Und dann wird es immer noch genug zu tun geben für dich. Sandsturm, willst du in der Zwischenzeit die Aufgaben verteilen, damit keine Katze mehr tun muss als ihren gerechten Anteil?«
Die gelbbraune Kätzin neigte zustimmend den Kopf. »Das werde ich tun. Und ich werde auch darauf achten, dass Weißpfote genügend Zeit hat, mit ihrem Mentor zu trainieren. Und das ist eine andere Sache«, fügte sie hinzu. »Wenn wir keine Schüler ausbilden, üben wir unsere Kriegerfähigkeiten nicht so, wie wir das immer getan haben. Falls es wieder zu einem Kampf kommt, könnten wir in Schwierigkeiten geraten.«
»Es wird keinen weiteren Kampf geben«, miaute Spinnenbein. »Moorkralle ist tot, woher sollte also eine Bedrohung kommen?«
»Jawohl, wir haben so schon genug zu tun«, murmelte Schlammfell.
»Meinst du, Moorkralle war die einzige Katze, die jemals Schwierigkeiten gemacht hat?«, fragte Mausefell mit einem verächtlichen Zucken der Schnurrhaare. »Wenn du erst mal so lange gelebt hast wie ich, dann weißt du, dass es immer irgendeine Bedrohung gibt.«
»Das stimmt, Mausefell«, miaute Feuerstern. »Die vier Clans entfernen sich wieder voneinander, und früher oder später werden wir feststellen, dass wir keine Wahl haben, als zu kämpfen. Wir brauchen eine Katze, die dafür verantwortlich ist, dass wir unsere Kampffähigkeit erhalten.«
Aschenpelz öffnete den Mund, um sich freiwillig zu melden, aber bevor er sprechen konnte, fuhr Brombeerkralle dazwischen: »Das kann ich machen, Feuerstern.«
Eichhornschweif prickelte das Fell. Diese Aufgabe wurde normalerweise vom Zweiten Anführer wahrgenommen. Es sah wirklich so aus, als ob Brombeerkralle versuchte, Graustreifs Platz einzunehmen.
»Ab morgen kann ich mit zwei oder drei Katzen üben, jeden Tag in der Frühe«, erklärte der getigerte Krieger weiter. »Aschenpelz, ich fange mit dir und Spinnenbein an.«
Aschenpelz kniff die blauen Augen zusammen. »Mit eingezogenen Krallen?«
Brombeerkralle sah ihn an. »Mit eingezogenen Krallen, aber mehr auch nicht. Wir sind keine Jungen, die nur Kampf spielen.«
»Das hat Aschenpelz nie gesagt!« Eichhornschweif sprang mit gesträubtem Rückenfell auf. »Ich werde mit dir kämpfen, und dann kannst du sehen, ob ich nur spiele.«
Brombeerkralle blinzelte sie an. »Ich glaube, Aschenpelz braucht dich nicht, um seine Kämpfe auszufechten, Eichhornschweif. Warum lässt du ihn nicht für sich selbst sprechen?«
Eichhornschweif missachtete den Schwanz, den ihr Aschenpelz besänftigend auf die Schulter legte. Sie war so wütend, dass sie vergaß, dass sie sich mitten in einer Clan-Versammlung befand. »Du glaubst, du bist so großartig, Brombeerkralle …«
»Es reicht!« Feuerstern peitschte mit dem Schwanz. Sein kühler Blick traf Eichhornschweif wie ein Schlag. Beschämt setzte sie sich hin.
»Ich hab dir gleich gesagt, dass er eine anmaßende Fellkugel ist«, flüsterte Spinnenbein ihr ins Ohr.
»Ich danke dir, Brombeerkralle«, miaute Feuerstern. »Achte darauf, dass jede Katze so bald wie möglich eine Gelegenheit zum Üben bekommt.« Sein Blick wanderte über die Katzen unter ihm, als wolle er jeden Krallenkratzer und jedes herausgerissene Stück Fell aufnehmen und einschätzen, wie bald sie wieder bereit für einen Kampf sein würden.
Lichtherz erhob sich. »Es gibt da eine geschützte Lichtung nicht weit von hier.« Die weiße Kätzin mit den goldbraunen Flecken deutete mit dem Schwanz die Richtung an. »Ich habe dort gestern gejagt. Der Boden ist flach und moosbedeckt, es könnte ein guter Platz zum Trainieren sein – wie früher die Sandkuhle im Wald.«
»Klingt gut«, miaute Feuerstern. »Zeig es mir nach der Versammlung. Brombeerkralle, vergiss nicht, mir sofort zu berichten, sobald du vom WindClan zurückkommst.«
Der getigerte Krieger nickte kurz, dann wandte er sich Eichhornschweif zu. »Wir könnten jetzt gehen, wenn du so weit bist.«
Eichhornschweif sprang mit schmalen Augen auf. »Tritt mir bloß nicht auf den Schwanz, Brombeerkralle!«
»Dann benimm dich auch wie ein Krieger und nicht wie ein mäusehirniger Schüler – falls du nicht meinst, Feuerstern hätte vielleicht besser eine andere Katze aussuchen sollen, um die Patrouille anzuführen.«
Seine Stimme war kalt, ebenso kalt blickten seine Augen. Stechend fuhr eine Welle der Ablehnung durch Eichhornschweifs Fell. Dies hier war nicht dieselbe Katze, die mit ihr und den anderen zum Wassernest der Sonne gezogen war. Auf jener Reise war er ihr nächster Freund gewesen, die Katze, die ihr mehr bedeutet hatte als jede andere, aber jetzt konnte sie ihn kaum wiedererkennen.
»Feuerstern kann auswählen, wen er will.« Sie spuckte die einzelnen Wörter aus wie harte Kiesel.
»Aber das ist es nicht, was du wirklich denkst«, warf Brombeerkralle zurück. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten und die Ohren hatte er wütend angelegt. »Du glaubst, ich wäre nicht loyal, weil ich Verwandtschaft in einem anderen Clan habe. Ich habe gesehen, wie du mich beobachtet hast, als ich mit Habichtfrost am See war.«
»Gut, dass ich das getan habe«, entgegnete Eichhornschweif. »Sonst wüsste keine Katze, dass Habichtfrost geplant hatte, Zweiter Anführer des WindClans zu werden und dann den FlussClan zu übernehmen. Ich habe gehört, was Moorkralle gesagt hat.«
»Moorkralle hat gelogen!«, fauchte Brombeerkralle mit wütend gesträubtem Nackenfell. »Warum sollten wir diesem Verräter Glauben schenken?«
»Warum sollten wir Habichtfrost Glauben schenken?« Eichhornschweif bearbeitete frustriert den Boden mit ihren Krallen.
»Und warum nicht?«, entgegnete Brombeerkralle. »Weil Tigerstern sein Vater war? Wie er auch mein Vater gewesen ist?«
»Das ist nicht fair«, protestierte Aschenpelz und stellte sich neben Eichhornschweifs Schulter. »Sie hat nicht gesagt …«
»Halt dich da raus!« Brombeerkralle stellte sich mit peitschendem Schwanz dem grauen Kater gegenüber. »Das hat nichts mit dir zu tun!«
Eichhornschweif fuhr die Krallen aus und war nur einen Herzschlag davon entfernt, sie Brombeerkralle in die Schnauze zu schlagen. Doch dann sah sie Feuerstern mit Lichtherz das Lager verlassen und stellte sich vor, wie zornig ihr Vater sein würde, wenn seine Krieger untereinander zu kämpfen begännen. So grub sie die Krallen tief in den torfigen Boden.
»Mir ist egal, wer sein Vater war!«, zischte sie. »Ich traue Habichtfrost deshalb nicht, weil er geplant hat, Kurzbart zu töten. Um der Macht willen würde er alles tun. Selbst ein blinder Igel kann das sehen.«
Brombeerkralle funkelte sie einen Herzschlag lang an. »Du sagst das, obwohl du keinerlei Beweise hast. Habichtfrost ist mein Bruder. Ich werde mich nicht von ihm abwenden, wenn er nichts Unrechtes getan hat.«
»Na wunderbar!«, rief Eichhornschweif. »Du bist so vernarrt in ihn, dass du die Wahrheit nicht erkennst, selbst wenn sie aufspringt und dich beißt. Warum gehst du nicht gleich zum FlussClan, wenn dich das glücklicher macht? Offenbar ist dir der DonnerClan völlig egal – und ich auch.«
Brombeerkralle wollte gerade eine Entgegnung ausspucken, als Birkenjunges beim Jagen nach dem eigenen Schwanz sein Gleichgewicht verlor und zwischen die Vorderpfoten des getigerten Katers stolperte. Er riss die Augen auf, als er sah, wie die beiden Krieger sich mit gesträubtem Nackenhaar und peitschendem Schwanz anfunkelten.
»Tut mir leid!«, quiekte er und floh zur Kinderstube.
Brombeerkralle machte mit verächtlich geschürzten Lippen einen Schritt zurück. »Kommt jetzt, wir verschwenden nur Zeit. So werden wir den WindClan nicht vor Dunkelheit erreichen.«
Ohne zu warten, ob der Rest der Patrouille ihm folgte, wirbelte er herum und stakste mit hoch erhobenem Schwanz auf den Eingang zu.
Eichhornschweif tauschte einen Blick mit Aschenpelz und sah Besorgnis in seinen freundlichen blauen Augen. Nach Brombeerkralles Feindseligkeit war das wie kühlendes Wasser an einem heißen Tag.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Natürlich«, betonte Eichhornschweif und setzte sich hinter Brombeerkralle in Bewegung. Sie strich an Regenpelz vorbei, der sie anstarrte, als wären ihr Kaninchenohren gewachsen. »Beeil dich oder wir holen ihn nie mehr ein.«
Brombeerkralle stürzte sich ohne einen Blick zurück in den Dornentunnel. Als er zwischen den bebenden Zweigen verschwand, fühlte Eichhornschweif plötzlich eine innere Leere. Es war fast so, als ob sich Brombeerkralle hiermit aus ihrem Leben entfernte. Würden sie jemals wieder Freunde sein? Sie konnte sich nicht vorstellen, wie – nach so einem Streit.
Sie musste einfach hinnehmen, dass vorüber war, was sie einmal verbunden hatte, auch die Freundschaft, die während der ganzen langen Reise angehalten hatte.
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2. KAPITEL
Es war das erste Mal seit dem Kampf gegen Moorkralle, dass Eichhornschweif das Lager verließ. Sie spürte, wie sehr sie den Wind im Gesicht und das Knistern der Blätter unter den Pfoten genoss. Hier und da entdeckte sie frühe Anzeichen von Blattfrische: ein paar vereinzelte bleiche Schneeglöckchen unter einem Baum und wie ein Spritzer Sonnenlicht eine einzelne Huflattichblüte vor einem bemoosten Baumstamm. Sie nahm sich vor, ihrer Schwester Blattsee zu sagen, wo der Huflattich zu finden war – ein gutes Heilmittel bei Kurzatmigkeit.
Kaum waren sie weit genug vom Lager entfernt, blieb Brombeerkralle stehen.
»Warum übernehmt ihr beiden nicht die Führung?«, schlug er vor und nickte Aschenpelz und Regenpelz zu. »Zeigt mal, wie gut ihr das Territorium schon kennt.«
»Warum nicht«, stimmte Regenpelz begeistert zu und beschleunigte das Tempo. Aschenpelz jedoch warf Brombeerkralle einen kalten Blick zu, bevor er hinter Regenpelz durch den Farn glitt. Eichhornschweif wusste, warum.
»Was soll das denn jetzt?«, miaute sie ärgerlich, als sie mit Brombeerkralle allein war. »Du behandelst sie, als ob sie deine Schüler wären. Aschenpelz ist älter als du, vergiss das nicht.«
»Und ich führe diese Patrouille an«, stellte Brombeerkralle klar. »Wenn dir meine Anweisungen nicht gefallen, kannst du ja umkehren.«
Eichhornschweif öffnete den Mund zu einer scharfen Entgegnung, dann schloss sie ihn wieder. Sie wollte sich nicht erneut in einen Streit hineinziehen lassen. Also schoss sie in großen Sätzen an Brombeerkralle vorbei um ein Dornendickicht herum und folgte der Duftspur, die Regenpelz und Aschenpelz hinterlassen hatten.
Aschenpelz musste ihre Schritte im Farngebüsch gehört haben und wartete auf sie, bis sie ihn erreicht hatte. Dann verlangsamte er das Tempo und trabte neben ihr her.
»Die Knospen auf den Bäumen schwellen«, bemerkte er und schnippte mit dem Schwanz zu den Zweigen einer Eiche. »Nicht mehr lange bis zur Blattfrische.«
»Ich kann es kaum erwarten«, miaute Eichhornschweif. »Kein Eis, keinen Schnee mehr und viel mehr Beute.«
»Der Clan könnte zusätzliche Frischbeute gebrauchen«, stimmte Aschenpelz zu. »Da wir gerade von Frischbeute reden, wie wär’s, wenn wir jetzt ein wenig jagen? Meinst du, Brombeerkralle hätte etwas dagegen?«
»Ich gebe keinen Mäuseschwanz darauf, ob Brombeerkralle etwas dagegen hat oder nicht«, fauchte Eichhornschweif.
Sie öffnete den Mund und prüfte die Luft. Zuerst dachte sie, sie würde eine Spur Dachs riechen, und fragte sich, ob sie das Brombeerkralle melden sollte – Dachse bedeuteten Ärger, besonders wenn ihr Territorium sich mit dem eines Clans überschnitt. Aber Brombeerkralle war die letzte Katze im Wald, mit der sie jetzt reden wollte, und sie nahm an, dass er sowieso nicht auf etwas hören würde, was sie zu sagen hatte.
Sie prüfte die Luft erneut und jetzt strömte der Geruch von Eichhörnchen auf sie ein. Als sie das Tier mit dem buschigen Schwanz entdeckte, wie es sich ein paar Fuchslängen voraus geschäftig über eine Nuss beugte, schob sie den Gedanken an den Dachs aus ihrem Gedächtnis. Sie überprüfte die Windrichtung, duckte sich und kroch auf ihre Beute zu. Als sie sich nach vorne warf, schoss das Eichhörnchen auf einen nahen Baum zu, aber Eichhornschweif war schneller, ihre Krallen gruben sich in seine Schulter und sie erlegte es mit einem raschen Biss ins Genick.
Ein lauter Alarmruf ließ sie herumwirbeln. Sie sah eine Amsel von einem Farnbüschel auffliegen und Aschenpelz, der ihr frustriert hinterherblickte.
»Pech gehabt!«, rief Eichhornschweif. »Wahrscheinlich habe ich sie mit meinem Sprung auf das Eichhörnchen erschreckt.«
Aschenpelz schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin auf einen Zweig getreten.«
»Mach dir nichts draus, du kannst das hier mit mir teilen.« Einladend wedelte Eichhornschweif mit dem Schwanz. »Das reicht für uns beide.«
Als Aschenpelz sich neben der Beute zu ihr gesellte, tauchte Brombeerkralle aus dem Unterholz auf.
»Was macht ihr da?«, knurrte er. »Wir sind unterwegs zum WindClan oder habt ihr das vergessen?«
Eichhornschweif verschlang ein Maulvoll Frischbeute. »Komm schon, Brombeerkralle – beim SternenClan, mach nicht so ein Gesicht! Keiner von uns hat heute Morgen etwas gegessen.« Verlegen und unsicher, wie Brombeerkralle reagieren würde, wenn sie versuchte, freundlich zu sein, trat sie von dem Eichhörnchen zurück. »Du kannst etwas davon abhaben, wenn du möchtest.«
»Nein, danke.« Die Stimme des getigerten Kriegers klang abweisend. »Wo ist Regenpelz?«
»Er ist vorausgegangen«, miaute Aschenpelz mit einem Schwanzwedeln.
Ohne ein weiteres Wort lief Brombeerkralle in die Richtung, die der graue Kater angedeutet hatte, schob sich mit der Schulter durch das lange Gras, bis sein dunkles Fell von den feuchten, grünen Halmen verschluckt war. Eichhornschweif stieß ein verärgertes Zischen aus.
Aschenpelz schnippte leicht mit der Schwanzspitze an ihr Ohr. »Lass dich doch von ihm nicht dauernd so ärgern.«
»Tu ich ja nicht«, murmelte Eichhornschweif und versuchte sich einzureden, dass das auch stimmte. Wieder dachte sie daran, wie nahe sie und Brombeerkralle einander gewesen waren auf ihrer Reise, wie sie sich aufeinander verlassen und sich gegenseitig gebraucht hatten. Wie ist es nur so weit gekommen?, fragte sie sich verzweifelt.
Sie blickte zu Aschenpelz auf und sah, dass seine Augen sich verdunkelt hatten. Sie wusste, er wollte ihr nahe sein, näher als Kriegerkameraden es waren. Es war verführerisch, ihm zu sagen, dass sie genauso empfand, doch war es für sie noch zu früh, ganz sicher zu sein, dass ihre Gefühle auch echt waren. Erst musste sie über den Streit mit Brombeerkralle hinwegkommen. Und in der Zwischenzeit haben wir eine Aufgabe zu erfüllen, ermahnte sie sich selbst mit einem Anflug von Ungeduld. Du bist schließlich eine Kriegerin, kein mondsüchtiges Kaninchen!
Sie und Aschenpelz hatten mit ein paar schnellen Bissen das Eichhörnchen aufgegessen und machten sich wieder auf den Weg zur WindClan-Grenze. Bald überholten sie Brombeerkralle und Regenpelz. Brombeerkralle hatte einen Staren erlegt und biss hungrig hinein, während Regenpelz eine Wühlmaus verschlang. Er blickte auf, als seine Clan-Kameraden auftauchten.
»Ich hatte schon gedacht, ihr habt euch verirrt«, miaute er.
Brombeerkralle nahm einen letzten Bissen Star zu sich und erhob sich auf die Pfoten. Ohne ein Wort drehte er sich um und stakste davon. Eichhornschweif wechselte einen Blick mit Aschenpelz, zuckte mit dem Schwanz und folgte Brombeerkralle.
Inzwischen standen die Bäume immer weiter auseinander und plötzlich hörte Eichhornschweif das Plätschern von Wasser. Die Patrouille kam zum Rand eines Abhangs, der zu dem Bach an der WindClan-Grenze abfiel. Starker WindClan-Geruch wehte auf einer Brise herüber, aber kein Zeichen von irgendeiner Katze war zu sehen.
»Wir müssen gerade eine Patrouille verpasst haben«, miaute Aschenpelz ruhig. »Diese Duftmarkierungen sind frisch.«
Das war ein gutes Zeichen, dachte Eichhornschweif. Wenn der WindClan so weit wieder zur Ordnung gefunden hatte, dass er an seinen Grenzen patrouillierte, dann musste er sich von Moorkralles Rebellion erholt haben. Bedeutete das auch, dass Kurzbart in der Lage gewesen war, zum Mondsee zu reisen, um vom SternenClan seine neun Leben und den Anführernamen zu erhalten?
»Wir wollen zu den Trittsteinen gehen«, schlug Brombeerkralle vor. »Vielleicht treffen wir sie dort.«
Er setzte den Hang hinab und lief bachaufwärts, der Rest der Patrouille folgte ihm dicht auf den Pfoten. Bald schon wechselte die bewaldete Landschaft über zu offenem Moorland, und jenseits davon spiegelte sich im See der hellblaue Himmel, an dem die Sonne fast ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Der Bach stürzte hier steiler bergab, eilte zwischen Ufern mit Riedgras und Röhricht dahin. Wasser schäumte um die Trittsteine herum, die einen Pfad zum Moorland auf der anderen Seite bildeten. Sie wären leicht zu überspringen, selbst wenn das Bachbett voll war.
Windstöße fuhren Eichhornschweif ins Gesicht, wirbelten ihr Fell durcheinander und ließen ihre Augen tränen.
»Ich weiß nicht, wie der WindClan damit zurechtkommt«, knurrte sie Aschenpelz zu. »Kein einziger Baum weit und breit!«
Aschenpelz miaute belustigt. »Und sie fragen sich wahrscheinlich, wie der DonnerClan mit all diesen Ästen zurechtkommt, die den Himmel verdecken.«
»Frag mich das noch mal, wenn es regnet«, murmelte Eichhornschweif.
In ihrem Augenwinkel blitzte etwas Hellbraunes auf, ein Kaninchen, das über den Hügelkamm floh. Ihr juckten die Pfoten, hinter ihm herzurennen, aber es befand sich eindeutig innerhalb des WindClan-Territoriums. Ein paar Herzschläge später tauchte eine schlanke, grauschwarze Katze auf und preschte hinter dem Kaninchen her. Eichhornschweif blinzelte und erkannte Krähenfeder. Wie Brombeerkralle hatte auch er zu den Katzen gehört, die vom SternenClan auserwählt waren, die Reise zum Wassernest der Sonne zu unternehmen.
Jäger und Beute verschwanden in einer Kuhle, und ein hohes Quieken verriet, dass der WindClan-Krieger seine Beute getötet hatte.
»Jagdpatrouille«, miaute Regenpelz und nickte zur Kuppe des Hügels hinüber.
Zwei weitere WindClan-Katzen waren Krähenfeder langsamer über den Kamm gefolgt. Eichhornschweif erkannte das dunkelgraue, gestreifte Fell von Spinnenfuß; die kleinere Katze hinter ihm war sein Schüler Rennpfote. Eine dritte Katze, Hellschweif, gesellte sich zu ihnen und alle drei blieben stehen und schauten auf die DonnerClan-Patrouille herab.
Brombeerkralle rief ihnen zu: »Wir haben eine Botschaft von Feuerstern!«
Spinnenfuß und Hellschweif wechselten einen Blick, dann ging der Krieger voran den Hang hinunter, bis alle drei Katzen auf der gegenüberliegenden Seite des Bachs standen.
»Was für eine Botschaft?«, fragte Spinnenfuß.
Eichhornschweif betrachtete den WindClan-Krieger genau. Er war einer der heftigsten Unterstützer Moorkralles gewesen. Ein zerfetztes Ohr und eine kahle Stelle an einer Schulter zeigten noch Spuren der Schlacht. Aber Kurzbart musste entschieden haben, dass er ihm trauen könnte, wenn er ihn an die Spitze dieser Patrouille stellte.
Brombeerkralle neigte grüßend den Kopf. »Feuerstern hat uns geschickt, um sich zu versichern, dass alles in Ordnung ist«, miaute er. »Er hat uns gebeten herauszufinden, ob Kurzbart die Reise zum Mondsee gemacht hat.«
»Kurzstern«, verbesserte ihn Hellschweif.
Eichhornschweif fuhr der Schreck in den Magen. Den Clan-Anführer mit seinem gewöhnlichen Kriegernamen zu nennen war ein wirklich böser Fehler. Als hätte Brombeerkralle nicht erwartet, dass der SternenClan dem Anführer seinen neuen Namen geben würde.
»Tut mir leid – Kurzstern.« Brombeerkralle zuckte mit einem Ohr, aber seine Stimme blieb fest. »Das ist eine gute Nachricht. Beglückwünsche ihn bitte von uns!«
Spinnenfuß verengte die Augen. »Warum hat Feuerstern euch geschickt? Glaubt er, der SternenClan würde Kurzstern keine neun Leben geben?«
Eichhornschweif riss die Augen auf. Hatte Spinnenfuß vergessen, dass Kurzstern jetzt Krähenfraß hätte sein können, wenn Feuerstern und der DonnerClan nicht gewesen wären?
Brombeerkralle blinzelte. »Er wollte nur Gewissheit.«