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Perspektiven auf Gesellschaft und Politik

Herausgegeben von Thomas Hauser, Prof. Dr. Tanjev Schultz, Prof. Dr. Guido Spars und Prof. Dr. Daniela Winkler

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

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Thomas Hauser/Daniela Winkler (Hrsg.)

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Neue Wege der Bürgerbeteiligung

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-041678-9

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-041679-6

epub:        ISBN 978-3-17-041680-2

Inhalt

 

 

  1. Einleitung: Augenschein im modernen Babel
  2. Thomas Hauser, Daniela Winkler
  3. Leitplanken des Rechts – Repräsentative und direkte Demokratie im Grundgesetz
  4. Marc Zeccola
  5. »Gehört werden, aber nicht erhört werden«
  6. Gisela Erler im Gespräch
  7. Idealtypischer Ablauf eines Bürgerforums mit Zufallsbürgern in Baden-Württemberg
  8. Ulrich Arndt
  9. Bürgerräte auf nationaler Ebene – Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
  10. Daniel Oppold, Ortwin Renn
  11. Schöner Wohnen durch Bürgerbeteiligung – die Planung des Stadtteils Dietenbach in Freiburg
  12. Uwe Wagschal, Felix Wilmschen, Doğuhan Fidan, Sarah Vollmer
  13. Bürgerräte im europäischen Vergleich
  14. Daniela Winkler, Marc Zeccola
  15. Die Schweizer Vernehmlassungsdemokratie – ein zerbrechliches Modell
  16. Franz Schmider
  17. Mitreden in der EU – die Europäische Bürgerinitiative in Theorie und Praxis
  18. Thomas Hieber, Carsten Berg
  19. Chancen und Risiken der Digitalisierung für die Bürgerbeteiligung
  20. Katharina Gerl
  21. Dialogkunst und Gestaltungsmacht – warum Bürgerräte und direkte Demokratie zusammengehören
  22. Roman Huber, Dieter Halbach
  23. Fazit: Eine Chance, kein Allheilmittel
  24. Thomas Hauser, Daniela Winkler
  25. Glossar
  26. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Einleitung: Augenschein im modernen Babel

Thomas Hauser, Daniela Winkler

Entdecke die Herausforderung: Demokratie ist perfekt, wenn alle gefragt werden und mitentscheiden dürfen, aber das einzig Richtige schnell durchgesetzt wird. Wer sich dem Thema Bürgerbeteiligung nähern will, wird allenthalben auf solche Widersprüche stoßen.

Demokratien sind in der Regel repräsentativ organisiert, das heißt Bürger:innen entscheiden nicht direkt, sondern wählen Vertreter:innen in Parlamente, die dort für sie entscheiden – im besten Fall in ihrem Sinn. Ein wesentlicher Grund dafür liegt auf der Hand: Gemeinschaften, die in Millionen zählen, sind keine entscheidungsfähige Menge. Deren Willensbildung muss also institutionalisiert werden. Diese Parlamente aber beschließen nicht nur Gesetze, sondern überwachen auch die von ihnen gewählten Regierungen und die von diesen geleiteten staatlichen Institutionen. So weit, so idealtypisch.

Die Wirklichkeit ist deutlich komplexer, weniger perfekt und wird immer unübersichtlicher. In Deutschland zum Beispiel gibt es nicht nur einen Bundestag, sondern auch 16 Länderparlamente, die in Teilbereichen, wie z. B. der Bildung, für ihr Land allein entscheiden oder in vielen anderen Fragen über ihre Landesregierungen im Bundesrat mitwirken. Unterhalb der Landesebene gibt es Gemeinden, Kreise und Regierungsbezirke mit jeweils eigenen Entscheidungskompetenzen. In immer mehr Politikbereichen wurde die Regelungskompetenz auf die Europäische Union übertragen, wo aber das eigentliche Machtzentrum nicht im Europäischen Parlament oder in der EU-Kommission, sondern in den Räten liegt, in denen die Regierungschef:innen oder ihre Fachminister:innen zusammensitzen. Zwischenstaatliche und multinationale Verträge haben die Kompetenzen nationaler Parlamente zusätzlich verwässert. Multinational agierende Firmen oder Organisationen können sich an nationalstaatlichen Regelungen vorbeischlängeln oder Staaten gegeneinander ausspielen. Die politischen Entscheidungshierarchien, das hat sich aktuell in der Corona-Pandemie gezeigt, können so komplex werden, dass am Ende alle mitentscheiden, aber niemand mehr Verantwortung trägt.

Neben diesen Institutionen buhlen immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen um Macht und Teilhabe. Die Liste ist bunt und lang und reicht von Bewegungen wie Fridays for Future, zahllosen Bürgerinitiativen mit ihren klassischen oder in die digitale Welt transformierten Formen, Druck zu erzeugen (Petitionen, Demonstrationen, …), professionell organisierten Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, Lobby Control oder Transparency international bis hin zu finanzstarken Lobbygruppen mit ökonomischen Interessen. Aber die Vielfalt täuscht: Der Einfluss der Wirtschaftslobby ist in der Regel deutlich größer als der der meisten anderen Interessenvertretungen, wenn es auch bei solchen mit ökologischem, sozialem oder kirchlichem Hintergrund einflussreiche Akteure gibt. Einige Lobbyist:innen haben es gar geschafft, ihre Leute direkt in Ministerien zu platzieren, um dort an der Formulierung von Gesetzen mitzuwirken. Schätzungen zufolge sollen in Berlin auf eine:n Abgeordnete:n neun Lobbyist:innen kommen. Wissenschaftliche Beiräte und externe Gutachter:innen haben sich in fast allen Ministerien mit unterschiedlichen Wirkungsgraden etabliert.

Gewiss: Demokratie ist immer auch Ringen um Einfluss und Mehrheiten. Aber dieser Prozess sollte transparent ablaufen und die Chancen, Gehör zu finden, sollten einigermaßen gerecht verteilt sein. Es muss um die Überzeugungskraft der Argumente gehen, nicht um die Finanzkraft der Argumentierenden. Davon aber kann in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden: An einer Lobby der Bürger:innen fehlt es bisher.

Erschwerend kommt hinzu, dass Krisenzeiten Zeiten der Exekutive sind. Hier ist häufig rasches Handeln erforderlich. Langwieriges parlamentarisches Ringen bremst in solchen Fällen eher. Und Krisen gab es im bisherigen Verlauf des 21. Jahrhunderts reichlich: Terrorismus, Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, Corona-Pandemie, … Ob die Sachzwänge dabei immer real oder nur konstruiert sind, darüber kann man trefflich streiten. So oder so verstärkt dies den Trend, dass Parlamente immer seltener das Zentrum des demokratischen Diskurses sind. Der findet, wenn überhaupt, in den Talkshows oder sozialen Netzwerken statt und ist in unzählige digitale Milieus fragmentiert. Er ist auch weitaus weniger rational und vom Ringen um die besten Argumente bestimmt, als dies idealtypisch sein sollte. Stattdessen ist er als eine Art ›Dauererregung‹ konzipiert, in der Emotion und individuelle Betroffenheit oft wichtiger sind als Relevanz und Lösungsorientierung. Immer mehr Bürger:innen verfolgen Politik deshalb irritiert bis verärgert – wenn sie diese denn überhaupt noch verfolgen. Parteien verlieren an Bindungskraft oder gewinnen diese, wie die AfD, durch populistische Verheißungslügen, nicht nur die Schuldigen des Schlamassels, sondern auch einfache Lösungen zu kennen. Das heißt, der rationale Input einer kritischen Öffentlichkeit versiegt, Regierende und Regierte entfremden sich. Nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer Anfang Mai 2021 haben 53,5 % der Befragten in Deutschland nicht so großes und 9,2 % gar kein Vertrauen in die Politik. Das schwindende Vertrauen in die Demokratie als Staatsform, das zeigt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2020, muss ebenfalls Besorgnis erregen.

Dieses Szenario, aus dem Legitimationskrisen demokratischer Institutionen gemacht sind, wird in der Wissenschaft von vielen Autoren (u. a. Claus Offe, Jürgen Habermas, Samuel Huntington, Ralf Dahrendorf) zum Teil schon seit Jahrzehnten mit wechselnder Dringlichkeit beschrieben. Der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch hat diese und ähnliche Befunde in seinem gleichnamigen Buch unter dem Stichwort Postdemokratie (2004) popularisiert. Und Autoren wie David von Rebrouck (2016) sprechen sich gar dafür aus, Wahlen durch Losverfahren zu ersetzen, wie sie zum Teil in der Antike praktiziert wurden. Auch wenn die Schlüsse sich unterscheiden, die Analysen ähneln sich:

image  Immer mehr Bürger:innen fühlen sich ohnmächtig, ziehen sich zurück oder gehen in Opposition zum System.

image  Immer mehr Bürger:innen fühlen sich sozial abgehängt. Das Aufstiegsversprechen, ein wichtiger Kitt demokratischer Gesellschaften, funktioniert kaum noch. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst.

image  Viele Gruppen haben das Gefühl, ungerecht behandelt oder gar diskriminiert zu werden und mit ihren speziellen Interessen nicht ernst genommen und gehört zu werden. Sie fühlen sich als Opfer (hier ist eine Basis der aktuellen Diskussion um Identitätspolitik).

image  Tempo und Vielfalt der politischen, technischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Veränderungen überfordern immer mehr Menschen.

image  Propaganda und Fake News nicht nur im Internet erschweren Orientierung zusätzlich. Die Öffentlichkeit ist in mehr oder weniger hermetische Argumentationsmilieus fragmentiert. Die Kompetenz im Umgang mit Medien hält mit deren neuer Vielfalt nicht Schritt.

image  Politische Weichenstellungen wandern immer häufiger in supranationale Institutionen mit minderer demokratischer Legitimation ab. Der Nationalstaat verliert seine ursprüngliche Bedeutung, ohne dass eine vergleichbare Institution dessen Regelungskompetenz und Akzeptanz übernehmen könnte.

image  Politische Prozesse werden undurchsichtiger und oft nur als Exekution von Sachzwängen oder ökonomischen Diktaten wahrgenommen.

image  Die Bindungskraft gesellschaftlicher Institutionen wie Kirchen, Parteien, Vereine lässt nach und macht einer Individualisierung Platz, die zwischen Selbstgenügsamkeit und Suche nach Alternativen schwankt, in der Alles und Jedes als »Community« inszeniert wird.

image  Das Misstrauen gegen die Politik und den Staat wächst. Vor allem rechts-, aber auch linkspopulistische Gruppierungen gewinnen an Zulauf.

Solche Befunde sind in Summe alarmierend. Und doch gab es auf der anderen Seite wahrscheinlich selten so viele und vielfältige Aktivitäten einer kritischen und vitalen Zivilgesellschaft, aber auch unzählige Elemente von Bürgerbeteiligung auf allen politischen Ebenen und Ansätze von direkter oder deliberativer Demokratie. Kommunal und regional sind bei allen größeren Vorhaben institutionalisierte Anhörungen und Einspruchsmöglichkeiten vorgesehen. Bebauungspläne müssen öffentlich ausgelegt werden. Über Petitionen können Beratungen erzwungen, über Bürgerbegehren Bürgerentscheide mit bindender Wirkung erreicht werden. Bürgerversammlungen bieten Bürger:innen immer wieder die Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen. Viele Kommunen versichern sich in Arbeitsgruppen des Rates sachverständiger Bürger:innen. In einigen Gemeinden können Bewohner:innen über den sogenannten Bürgerhaushalt zumindest über Investitionen mitbestimmen.

Das war nicht immer so. Bis 1990 gab es nur in Baden-Württemberg direktdemokratische Elemente in der Gemeindeordnung. Die anderen Bundesländer zogen in den 90er-Jahren nach, Berlin erst 2005. Und anfangs waren diese Möglichkeiten mit hohen formalen Hürden versehen. Das änderte sich erst in den vergangenen zehn Jahren.

Fast alle großen Stiftungen investieren in Beteiligungsmodelle und unterstützen so deren Erprobung. Daneben gibt es kleinere private Initiativen von unten, wie zum Beispiel AllWeDo in Freiburg. Hier entwickeln zum Teil ehrenamtlich tätige Bürger:innen immer wieder neue Ideen für politische Prozesse, z. B. eine Wahlkampfveranstaltung, bei der an runden Tischen in wechselnder Besetzung diskutiert wird und die Kandidat:innen nur zuhören und Verständnisfragen stellen dürfen, um hinterher zusammenzufassen, was sie verstanden haben. Diskutiert und erprobt werden auch Formen von digitalisierter Demokratie.

Auf Landesebene hat z. B. in Baden-Württemberg Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) schon 2011 eine Politik des Gehört-Werdens ausgerufen und eine Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung eingesetzt. Ein entsprechendes Gesetz über die dialogische Bürgerbeteiligung wurde beschlossen. Das von ihrer Stabsstelle eingerichtete Bürgerbeteiligungsportal erschlägt einen beinahe mit Angeboten und Informationen. In allen Ministerien gibt es Bürgerreferenten, im Parlament eine Bürgerbeauftragte. Die freilich hieß früher nur anders, nämlich Vorsitzende des Petitionsausschusses. Bürgerentscheide sind in vielen Bundesländern, vor allem aber auf kommunaler Ebene möglich. Die dafür nötigen Quoren wurden vielfach heruntergesetzt.

Selbst auf Bundesebene hat sich in der letzten Regierung von Angela Merkel Erstaunliches getan: »Wir werden«, so schrieben Union und SPD 2018 in ihrem Koalitionsvertrag, »eine Expertenkommission einsetzen, die Vorschläge erarbeiten soll, ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann. Zudem sollen Vorschläge zur Stärkung demokratischer Prozesse erarbeitet werden.« Aus dieser Kommission wurde dann auf Initiative von mehr Demokratie e. V. und unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble ein wissenschaftlich begleiteter Bürgerrat zur Zukunft der Demokratie. 160 per Losverfahren bestimmten Menschen aus ganz Deutschland berieten zweimal je zwei Tage unter Vorsitz des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Günter Beckstein (CSU). In seinem Abschlussbericht fordert der Rat:

1.  Unsere bewährte repräsentative Demokratie soll durch eine Kombination von Bürgerbeteiligung und Volksentscheiden auf Bundesebene ergänzt werden.

2.  Es soll per Zufallslos berufene Bürgerräte auf Bundesebene geben. [Diese Forderung hat es auch in den Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung geschafft.]

3.  Es soll bundesweite Volksentscheide geben.

4.  Es soll eine unabhängige Stabsstelle für Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie eingerichtet werden. (Bürgerrat Demokratie 2019, 8)

Darüber hinaus hat dieser Bürgerrat auch über einen Vorschlag zur Stärkung demokratischer Prozesse abgestimmt, der sich nicht auf Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie bezieht: »Es soll ein Lobby-Register auf Bundesebene geschaffen werden.« (ebd.) Gegen diese Forderung, die schon lange von vielen Parteien und Nichtregierungsorganisationen wie Lobby-Control erhoben wird, gab es insbesondere bei CDU und CSU lange großen Widerstand. Nach zahlreichen Affären von Politiker:innen aus ihren Reihen lenkte die Union ein. Dabei bewahrheitete sich wieder einmal der Eindruck: Im Bereich der Transparenz parlamentarischer Arbeit bewegt sich immer und nur dann etwas, wenn zuvor etwas aus dem Ruder gelaufen ist. In dem 2021 beschlossenen Gesetz aber sucht man den legislativen Fußabdruck von Lobbyist:innen vergebens. Das heißt: Es wird auch weiterhin nicht transparent, welche Organisation an welcher Stelle welchen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess genommen hat. Für die Europäische Union gibt es eine solche Regelung, auch in Ländern wie Estland oder Slowenien.

In Sachen Bürgerräte aber gab es bereits z. T. zivilgesellschaftlich initiierte Nachfolger (Klima, Deutschlands Rolle in der Welt, Bildung und Lernen), die im Fortgang dieses Buches näher betrachtet werde sollen. Auch der rot-grün-gelbe Koalitionsvertrag von 2021 sieht die Einrichtung von Bürgerräten vor. Bundesweite Volksentscheide lassen weiter auf sich warten, ebenso die unabhängige Stabsstelle für Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie.

Auch die als besonders abgehoben und bürgerfern wahrgenommene Europäische Union hat sich in den vergangenen Jahren ebenso wie viele Mitgliedsländer dem Thema Bürgerbeteiligung zumindest zaghaft geöffnet. Seit 2018 gibt es EU-weit einen Prozess von Bürgerdialogen zur Zukunft Europas, der 2021 in einem Konvent im Europaparlament in Straßburg gipfelte. Bereits seit 2012 besteht die Möglichkeit, die EU-Kommission über eine europäische Bürgerinitiative aufzufordern, in bestimmten Themenbereichen rechtsetzend tätig zu werden.

Dass diese vielen Aktivitäten meist nur unterhalb des Radars von Medien stattfinden und schon gar nicht von breiteren Bevölkerungsgruppen wahr- und ernstgenommen werden, hat wahrscheinlich ein Bündel von Gründen. Ganz sicher gehört dazu, in welcher Form Regierungen und Verwaltungen den Bürger:innen Gehör gewähren. Meist geht es Regierung und Verwaltung in solchen Prozessen zugespitzt nicht darum, dass der Souverän (das Volk) seinem Dienstleiter (dem Staat) erklärt, was er mehrheitlich gerne hätte, sondern darum, dass die staatlichen Institutionen Bürger:innen zwar anhören, letztlich aber von der Sinnhaftigkeit des Regierungs- und Verwaltungshandelns überzeugen wollen. Dabei kommen ihnen gleich mehrere Umstände entgegen:

1.  Bürgerbeteiligungen sind mit Ausnahmen (Bürgerentscheide) Prozesse, die nicht unmittelbar zu Ergebnissen oder Handlungen führen. Solche Prozesse länger zu verfolgen, um ihren Wert bzw. ihren Erfolg abschätzen zu können, entspricht nicht der Kurzatmigkeit der modernen Öffentlichkeit und Medienwelt.

2.  Bürgerbeteiligung findet nicht von gleich zu gleich statt, es besteht ein enormes Kompetenzgefälle. Fällt es schon Parlamentarier:innen und Minister:innen oft schwer, auf Augenhöhe mit der Ministerialbürokratie oder kommunalen Dezernaten zu argumentieren, so ist dies für Bürger:innen kaum zu leisten – zumal viele Sachfragen inzwischen derart von juristischen Fallstricken umstellt sind, dass es meist leichtfällt, Anliegen schon aus formalen Gründen abzulehnen. Konnten die Bürgerinitiativen in den 70er-Jahren noch das geplante Kernkraftwerk in Wyhl auch deshalb verhindern, weil sie vor dem Verwaltungsgericht cleverer argumentierten als die Betreiber, so sind solche Erfolge heute eher selten. Womöglich waren sie es damals schon. Das noch junge Instrument der Verbandsklage ist hier Ausdruck einer institutionalisierten und professionalisierten Zivilgesellschaft.

3.  Wer Regierungs- oder Verwaltungshandeln beeinflussen oder verändern will, muss hartnäckig sein und viel Zeit und im Zweifel auch Geld mitbringen. Bürokratien neigen in der Regel dazu, Veränderungsforderungen erst einmal als unbegründet abzulehnen, wohl wissend, dass viele Einsprechende daraufhin resignieren. Wer sich damit nicht abfinden will, geht deshalb oft auf einen nervenaufreibenden Marathonlauf. Und muss auch mit sozialen Sanktionen rechnen, weil er oder sie von Mitbürger:innen als Störenfried, Querulant:in oder Rechthaber:in wahrgenommen wird.

4.  Wer sich in Gremien formalisierter Bürgeranhörung begibt, die es auf kommunaler Ebene mittlerweile zuhauf gibt, braucht Überzeugungskraft, Hartnäckigkeit und ein gutes Netzwerk, das er oder sie im Zweifel mobilisieren kann. Verwaltungen nehmen es erfahrungsgemäß oft persönlich, wenn ihre (guten) Ideen zerredet oder gar verworfen werden. Viele Gemeinderät:innen können entsprechende Lieder singen.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sich innerhalb der Verwaltung bereits ein gehöriger Respekt vor den Bürger:innen gebildet hat – erkennen doch insbesondere kommunale Verwaltungen, dass größere (Infrastruktur-)Vorhaben kaum mehr ohne Unterstützung der Bürger:innen umgesetzt werden können.

Dass Demokratie eine anstrengende Staatsform ist, schreckt viele ab, sich zu engagieren. Sie träumen stattdessen lieber von einer barrierefreien Demokratie, wie sie uns in der digitalen Welt vorgegaukelt wird. Es ist die Illusion, es reiche, seine Meinung per Klick oder Like zu vertreten, um dieser Nachdruck zu verleihen und sie im Verein mit den zur Schwarmintelligenz verklärten Vielen durchzusetzen. Die Erfahrung ist: Wenn alle im Netz durcheinanderreden, werden nicht alle, sondern wird niemand gehört.

Dabei gründet das Internet wesentlich auf dem Traum, die Welt transparenter zu machen und die Mitsprache vieler zu ermöglichen. Eine Weile schien es so, als könne Jürgen Habermas’ Postulat von der deliberativen Demokratie als permanentes Aushandeln von Entscheidungen durch möglichst viele in einem herrschaftsfreien Diskurs zumindest im Grundsatz wirklich werden. Aus dem Traum wurde aber eher ein Albtraum von Hetze und Fakes. Medien – diese Binsenweisheit bewahrheitet sich erneut – sind das, was man aus ihnen macht. Das Internet kann, und das wird zu untersuchen sein, den demokratischen Prozess und die Teilhabe vieler ganz wesentlich befördern, es kann aber auch enorme zerstörerische Kräfte entfalten.

Angesichts dieser Befunde erstaunt es, dass der deliberative Beteiligungsansatz in den vergangenen Jahren den direktdemokratischen politisch etwas in den Hintergrund drängen konnte. Wobei die zu beobachtende Stagnation bei der Zahl von Bürgerentscheiden seit 2017 auch aufgrund der Verwerfungen durch die Corona-Pandemie irreführend sein könnte. Von der Verwaltungsseite her betrachtet, ist die These einfacher zu begründen: Je leichter es rechtlich wurde, Bürgerentscheide oder Volksabstimmungen zu erzwingen, desto intensiver versuchen Regierungen, diese durch einen verbesserten Beteiligungsprozess bei der Planung von Projekten zu vermeiden. Dabei half wahrscheinlich, dass Bürgerentscheide oder Volksabstimmungen an Strahlkraft verloren. Spätestens mit dem Votum einer relativen Mehrheit der Brit:innen für einen Austritt aus der Europäischen Union, einigen Abstimmungen in der Schweiz zur Migration oder zum Verhältnis zur Europäischen Union, aber auch zum Bahnprojekt »Stuttgart 21« wuchsen Zweifel an der angeblichen Schwarmintelligenz. Der Zulauf für populistische Parteien und der wachsende Glaube an Verschwörungsmythen hat diese Zweifel bestärkt. Gerade im Fall von »Stuttgart 21« hatten die Grünen, die sich stark gegen das bis heute umstrittene und finanziell aus dem Ruder gelaufene Projekt der Bahn gestemmt hatten, vom Volk einen höchst widersprüchlichen Denkzettel erhalten: Es stimmte für »Stuttgart 21«, betraute die Grünen aber mit der Regierungsverantwortung in Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt und so auch damit, das Projekt zu verwirklichen. Schließlich ist es, auch wenn das nur einen kleinen Teil der Fälle betrifft, für die Idee von Bürgerbeteiligung wenig förderlich, wenn Verwaltungen und Stadtpolitik das Instrument von Bürgerentscheiden als Referendum kapern, um so, wie zum Beispiel 2015 bei der Entscheidung für das neue Stadion des Fußball-Bundesligisten SC Freiburg, ihre Entscheidung breiter zu legitimieren.

Das vorliegende Buch kann dieses riesige Feld demokratischer Partizipation zwischen Ermattung, Ablehnung und Aufbruch nicht komplett ausleuchten. Es muss sich darauf beschränken, punktuell genauer hinzusehen, Möglichkeiten, Hindernisse und Grenzen zu identifizieren, über die Grenzen hinweg nach Modellen zu suchen, von denen Deutschland vielleicht lernen kann, und die manchmal übersteigerten Erwartungen in Demokratie im Licht der Fakten zu erden. Demokratie ist kein Versprechen, gut regiert zu werden, sondern nur, Regierungen bei Nichtgefallen unblutig zu wechseln. Die großen politischen Probleme, auch das lernen wir immer wieder, können nicht nachhaltig gelöst, sondern im besten Fall geregelt und damit beherrschbar gemacht werden. Demokratie ist, so betrachtet, »die schlechteste Staatsform, mit Ausnahme aller anderen« (Winston Churchill).

Schon für Ralf Dahrendorf, der die Politik um die Jahrtausendwende im Blick hatte, war die repräsentative, parlamentarische Demokratie bedroht. Diese habe aber weder ihre Kraft noch ihr Recht verloren. Es lohne sich, dafür zu kämpfen. Mit seinem Modell ist er näher bei John Rawls, der stark auf Repräsentation und Institutionen setzt, als bei Jürgen Habermas, der seinen Blick auch auf Arenen außerhalb der Institutionen lenkt und die kritische Öffentlichkeit in die Verantwortung nimmt. Diese Einschätzung aber führt uns mitten in die Rätsel des modernen Babels. Moderne Gesellschaften können sich nicht mehr auf einen verbindlichen Hintergrundkonsens an Grundwerten (z. B. Religion, Traditionen oder kulturelle Erinnerungen) verlassen. Nach Auffassung des Sozialphilosophen Jürgen Habermas müssen deshalb aufkommende Konflikte über das Medium der Kommunikation bewältigt werden. Die liberale Demokratie bedürfe einer deliberativen Wendung, um die Legitimation des Rechtsstaates zu erhalten. Ihn treibt die Ahnung, »dass im Zeichen einer vollständig säkularisierten Politik der Rechtsstaat ohne radikale Demokratie nicht zu haben ist« (Habermas 1992, 13). Gefunden werden müsse, so kann man seine ausführlichen Betrachtungen zur Diskurstheorie des Rechts auf den Punkt bringen, ein konstruktives Zusammenspiel zwischen den entscheidungsorientierten Beratungen, die durch demokratische Verfahren reguliert sind, und den Meinungsbildungsprozessen einer informierten Öffentlichkeit. Gesucht ist also eine Verständigungsart mit Verfahren, denen alle Beteiligten zustimmen, und Voraussetzungen, die von jedem Betroffenen erfüllt werden können. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Gefahr der Disruption von Öffentlichkeit in der digitalen Medienwelt eine zentrale Bedeutung. Für Habermas ist es deshalb »keine politische Richtungsentscheidung, sondern ein verfassungsrechtliches Gebot, eine Medienstruktur aufrecht zu erhalten, die den inklusiven Charakter der Öffentlichkeit und einen deliberativen Charakter der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung ermöglicht« (Habermas 2021, 499). Machen wir uns also auf die Suche.

Literatur

Bürgerrat Demokratie (2019): Bürgergutachten Demokratie. Die Empfehlungen des Bürgerrats in Leipzig am 13./14. und 27./28. September 2019, Berlin, https://www.buergerrat.de/fileadmin/downloads/buergergutachten.pdf [Zugriff: 09.02.2022]

Habermas, Jürgen (2021): Überlegungen und Hypothesen zu einem erneuten Strukturwandel der Öffentlichkeit, in: Seeliger, Martin/Sevignani, Sebastian (Hrsg.): Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit (Leviathan, Sonderband 37), Baden-Baden: Nomos, S. 470–500

Habermas, Jürgen (1992): Faktizität und Geltung, Beiträge zur Diskursethik des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, Frankfurt a. M.: Suhrkamp

Von Reybrouck, David (2016): Gegen Wahlen, Warum Abstimmen nicht demokratisch ist, Göttingen: Wallstein

Leitplanken des Rechts – Repräsentative und direkte Demokratie im Grundgesetz

Marc Zeccola

»Das Volksbegehren, die Volksinitiative […] ist […] in der großräumigen Demokratie die Prämie für jeden Demagogen«. (Theodor Heuss, Rede vor dem Parlamentarischen Rat, 9.9.1948)

Dieses Zitat wirkt aktuell, wenn man sich die Bilder der »Corona-Demonstrationen« vom 29. August 2020 und den damit verbundenen Versuch, in den Bundestag einzudringen, ins Gedächtnis ruft. Allenthalben sind »Wir sind das Volk«-Rufe zu hören und Forderungen, das Volk solle unmittelbar durch Volksentscheide die Corona-Maßnahmen bestimmen. Populistische Parteien machen sich diese Parolen zu eigen, um Wählerstimmen des Protestes abzugreifen: ein Lehrstück moderner Demagogie.

Proteste, Unzufriedenheit mit den Repräsentanten, ein Groll auf staatliche Institutionen insgesamt sind häufig mit der Forderung nach mehr direkten Einflussmöglichkeiten verbunden. Deshalb ist das Thema der direkten Demokratie aufgeladen durch eine Emotionalität, die einer sachlichen Debatte im Wege steht. Auch die bisweilen nüchterne Juristenzunft – vor allem die tendenziell konservativere Staatsrechtswissenschaft – bildet dabei keine Ausnahme. Gegenüber stehen sich Positionen, die kaum zu vereinbaren sind, da entweder ein Mehr an direkter Demokratie gefordert oder der Vorrang der repräsentativen Demokratie propagiert wird. Der wichtigste Grund für diese Divergenz liegt im Kern unserer Verfassung und betrifft das Grundverhältnis von repräsentativer und direkter Demokratie. Auch wenn die verfassungsrechtlichen Argumente längst ausgetauscht sind, sorgen soziale und politische Veränderungen für stetige Überlegungen, die direkte Demokratie auszubauen. Das Grundgesetz selbst ist vordergründig keine große Hilfe, da »Wahlen und Abstimmungen« (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) nebeneinander genannt werden und so auf den ersten Blick keine eindeutige Präferenz zu erkennen ist.

Direkte Demokratie berührt unterschiedlichste Aspekte: insbesondere demokratietheoretische, historische, verfassungsrechtliche, gesellschaftliche, die in den Diskussionen häufig durcheinandergeraten. Allen Aspekten ist aber gemein, dass Fragen der direkten Demokratie den Grundgehalt unserer Staatsform, also den Kern des gesellschaftlichen Zusammenlebens, berühren. Verfassungsrechtlich betreffen sie das Verhältnis vom Volk als Souverän zu den gewählten Vertretern, welches durch das Grundgesetz eingehegt wird.

Mittlerweile gibt es nicht wenige Vereinigungen (prominent beispielsweise Mehr Demokratie e. V.), die sich der Aufgabe verschrieben haben, für direkte Formen der Demokratie zu werben. Der Bundestag selbst greift das Thema regelmäßig auf und macht Vorschläge zur Integration direktdemokratischer Elemente ins Grundgesetz. In den Bundesländern werden die Hürden für direktdemokratische Instrumente weiter gesenkt, was sich aktuell wohl am deutlichsten im Koalitionsvertrag von Sachsen (2020) oder auch Baden-Württemberg (2021) ausdrückt. Virulent wird die Debatte jedoch vor allem in Phasen, in denen Defizite der repräsentativen Demokratie zutage treten bzw. das Vertrauen in die Repräsentation geschwächt ist. Diese Defizite sind nicht selten verbunden mit gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen, bei deren Bewältigung sich Teile des Volkes nicht vertreten oder ausgeschlossen fühlen. Denn der demokratische Diskurs benötigt Zeit zur Entfaltung: Nur so kann Akzeptanz für eine Entscheidung bzw. einen Konsens entstehen. Diese Zeit ist in Krisensituationen oft nicht vorhanden. Aktuelles Beispiel ist die Corona-Pandemie, in der Grundrechte kurzfristig tiefgreifend eingeschränkt werden mussten, in deren Vorfeld aber keine Zeit für die gesellschaftlich notwendige Diskussion blieb. Die Folgen waren und sind gesellschaftliche Proteste und Spaltungen, bei denen eine Minderheit nicht mehr bereit ist, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren. Aber auch permanente Herausforderungen wie die Klimakrise veranschaulichen das Dilemma. Auch hier können schnelle Maßnahmen unerlässlich sein, die im repräsentativen System so nicht angelegt sind. Zwar erkennt die Bevölkerung den grundsätzlichen Handlungsbedarf an, gegen konkrete Energiewendevorhaben aber gibt es große Widerstände – vor allem auf kommunaler Ebene. Als Folge dieser Entwicklungen kann u. a. das Vertrauen zu den gewählten Abgeordneten sinken, was einer repräsentativen Demokratie insgesamt abträglich ist. Sie wird hinterfragt und mit anderen Staatsformen verglichen – Alternativen werden überlegt. Solche Entwicklungen befeuern Diskussionen über den Wert der Demokratie an sich, wodurch die demokratische Grundhaltung in der Gesellschaft geschwächt wird. Thesen wie André Banks Renaissance des Autoritarismus (2009) oder Colin Crouchs Postdemokratie (2008) sollen hier nur beispielhaft genannt werden.

Neben dieser »krisenbedingten« Forderung nach mehr direktdemokratischem Einfluss hat sich in Deutschland das Verhältnis zwischen Bürger und Staat verändert. Bürger behaupten heute ihre Mündigkeit gegenüber staatlichen Institutionen, wodurch das Über-/Unterordnungsverhältnis abgeschwächt und durch Kooperation ersetzt wird. Dies drückt sich in einem verstärkten Bedürfnis nach Partizipation aus, dem die Verwaltung mittlerweile immer mehr nachzukommen versucht. Insbesondere auf kommunaler und zum Teil auch auf Landesebene wird dieser Ruf bereits erhört. Kommunale Bürgerbegehren und auch Volksbegehren auf Landesebene haben zugenommen. Auch über Volksbefragungen oder Bürgerräte (image Beitrag Oppold/Renn) wird diskutiert, um Bürger in Entscheidungen einzubinden. Dieses neue mündige Selbstverständnis wird maßgeblich von der Exekutive (und zum Teil auch der Legislative) aufgegriffen und bedient, so dass verstärkt neue Beteiligungsformen in Wissenschaft, Politik und Verwaltung diskutiert werden. Dazu gehören auch die direkten Formen demokratischer Willensbildung, weshalb die Kenntnis über die verfassungsmäßigen Vorgaben unerlässlich ist.

Verfassungsrechtliche Grundlagen direkter Demokratie

Direkte Demokratie im Grundgesetz

Die Grundlage unserer Demokratie formuliert Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes:

»Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.«