Herstellung und Verlag : Books on Demand GmbH, Norderstedt

Alle Rechte vorbehalten

2. Auflage 2016

ISBN 978 3739 269030

© Erich Reißig 2009

Inhalt:

Sandomir

Personen: Oginski, Herr von Sandomir

Magda, seine Frau

Kmicic, deren Geliebter

Stanczyk, Narr auf Schloß Sandomir

Prince of Wales, britischer Königsohn

Eliza, dessen Gattin

Walthari, Held des gleichnamigen deutschen

Heldenliedes

Hildegunde, seine Frau

Hagen, Waffenbruder von Walthari, und

Gefolgsmann Gunthers

Köchin, Magd

Zeit: Vergangenheit, keine historische Zeit, da Ereignisse aus unterschiedlichen Epochen gemischt werden.

Als Vorlage diente das Waltharilied, von dem Joseph Victor von Scheffel in seinem Roman "Ekkehard" Kunde gab. Die polnische Variante des Stoffes folgt Grillparzers Erzählung "Das Kloster bei Sendomir", nach der Gerhart Hauptmann sein Stück "Elga" schrieb.

Da von der englischen Fassung nur Bruchstücke vorhanden sind, wurden hier Gestalten und Ereignisse der Gegenwart in die fiktive Vergangenheit übertragen.

Es konnten dabei Interna des britischen Hofes verwandt werden, die bislang der internationalen Geierzunft verborgen blieben.

Sie stehen nicht der Sensation wegen im Stück sondern als Beleg dafür, dass der Theaterautor allemal mehr weiß, als der Journalist - auch wenn alles frei erfunden ist.

1. Akt

In der Wohnhalle des Schlosses Sandomir.

Die Einrichtung ist mittelalterlich, doch ohne besonderen Stil.

Im Raum ein großer Tisch mit Stühlen auf der linken Bühnenhälfte.

Auf der rechten Seite an der Wand unter einer Galerie von Ahnenbildern des Schlossherrn, zwischen denen zwei Wildschweinköpfe hängen, befindet sich knapp über dem Boden ein mächtiger Eisenring an dem eine Kette befestigt ist. An diese Kette ist Kmicic geschmiedet, der auf dem Boden schläft. Mitten im Raum führt eine Treppe in das Obergeschoß. Eine Balustrade auf halber Höhe zum nächsten Geschoß. Die Treppe endet an der Wand, an die Kmicic angekettet ist, links daneben ein offener Zugang zum Keller. Beide Flächen sind nicht verstellt.

Links vom Tisch in einiger Entfernung der Haupteingang. Zwischen diesem und dem Tisch im Hintergrund ein Gang, der zur Küche und anderen Räumen führt.

Stanczyk der Narr kommt die Treppe herab, Kmicic erwacht, reibt seine Augen, versucht sich zu orientieren, erinnert sich an seine Lage, hockt sich mit dem Rücken zur Wand, die Hände vors Gesicht.

STANCZYK:

Ihr habt die Nacht überlebt, Herr.

KMICIC:

Ich atme, rieche den Tag.

Die Ketten kratzen mich.

STANCZYK:

Solange Ihr leidet, lebt Ihr, Herr.

KMICIC:

Sie reißen mir die Haut vom Fleisch.

STANCZYK:

Sie wird wieder wachsen, Herr.

Der Mensch erträgt viel.

KMICIC:

Schweig! Bring mir Bier!

STANCZYK:

Wasser kann ich Euch holen, Herr.

KMICIC:

Bin ich ein Ochse, dass ich Wasser sauf?

STANCZYK:

Herr, Ihr wisst, dass ich gehorchen muss.

KMICIC:

Eine elende Kreatur, die nur tut, was der Herr ihr befiehlt.

STANCYK:

Ich lebe hier nach freiem Entschluss.

KMICIC:

Ein Narr ohne Hof und Besitz, als ob ein solcher eigenen Willen hätte.

Stanczyk, der offensichtlich nicht weiß, ob er denn nun Wasser holen soll, aber auch den Gefangenen nicht allein lassen will, bleibt unschlüssig stehen. Kmicic, nach einer Weile, verbindlicher nun.

KMICIC:

Es ist so still.

Warum höre ich keinen Laut?

STANCZYK:

Der Tag ist noch jung, Herr.

KMICIC:

Der Tag.

Welcher Tag? Gibt es noch Tage?

Schon jahrelang faule ich in diesem Loch.

STANCZYK:

Drei Nächte, Herr.

KMICIC:

Zählst du die Tage meiner Gefangenschaft?

Wir gleichen uns nicht.

STANCZYK:

Ich bin ein Edelmann, wie Ihr einer seid.

KMICIC:

Du hast das Schwert gegen die Leier getauscht.

Beug deinen Schädel, wenn du mit mir sprichst!

STANCZYK:

Ich lasse es an Achtung nicht mangeln, Herr.

KMICIC:

Was treibt dich aus den Federn zu nachtschlafener Zeit?

Wetz deinen Mut nicht an mir! Hüte dich!

Die Ketten brechen, wenn ich es will.

STANCZYK:

Der Morgen gehört denen, die ihre Arbeit tun, der Abend den Herren.

Er zeigt nach hinten in den Gang, wo man Geräusche hört.

Auch die Magd in der Küche fängt ihr Tagwerk an.

KMICIC:

Begib dich zu ihr und füll deinen Wanst!

Nach kurzer Pause, in anderem Ton:

Das Gesinde zerreißt sich das Maul über mich?

STANCZYK:

Sie klatschen, gewiss, das ist ihre Art, doch sie warten.

KMICIC:

Warten? Worauf?

STANCZYK:

Die Euren werden Euch holen, Herr.

KMICIC:

Was faselst du?

Niemand kennt mein Verweilen in diesem Höllennest.

STANCZYK:

Keiner verschwindet ohne Spur.

Ihr seid mächtig, Herr.

KMICIC:

Nennst du mich mächtig, wenn ich hier häng?

STANCZYK:

Nie traut ich dem Augenschein.

Ein lautes Pochen an der Tür.

STANCZYK:

Hört! Ich ahnte es.

Die beiden schauen zur Tür an der wieder lautes Pochen ertönt.

Dann hört man eine Stimme.

PRINCE OF WALES:

He, aufgemacht, wer immer da sei!

Die beiden rühren sich nicht. Wieder erfolgt ein Schlag, dann die Stimme.

PRINCE OF WALES:

Kennt man in diesem lausigen Barbarennest keine Gastfreundschaft?

Nun geht Stanczyk ein paar Schritte zur Tür.

STANCZYK:

Es ist offen, Herr.

Einen Augenblick lang herrscht Stille, dann erfolgt ein neuer Schlag, leiser diesmal, dann die Stimme:

PRINCE OF WALES:

Das nenn ich toll!

Dicke Mauern und Tore aus Eichenholz, und dann legt

keiner den Riegel vor.

Der Prince of Wales betritt den Raum, gerüstet, im Reisekleid, d.h. mit Wams, einem Bogen, mit Köcher auf dem Rücken, Schwert an der Seite. Ihm folgt eine Dame, die einen Mantel mit Kapuze trägt, diese schlägt sie zurück, sobald sie im Raum ist.

PRINCE OF WALES:

Keine Christenseele weit und breit.

Sind wir schon auf dem Mond?

Am Berg Kadmos oder wo sonst?

Er schaut sich neugierig im Raum um, der Blick auf Kmicic, der noch am Boden hockt, ist ihm verstellt. Auch die Dame mustert den Raum, sie geht weiter vor und betrachtet die Bilder an der Wand.

ELIZA:

Schau, ist das nicht hübsch, Charles?

Von außen wirkt es verwahrlost, ganz anders stellt sich das Schloss von innen dar.

PRINCE OF WALES:

Im Dämmer wendet man stets die Augen dem Lichte zu.

ELIZA:

Sie halten ihre Ahnen in Ehren, wie überall.

Er zeigt auf die Wildschweinköpfe, die zwischen den Ahnenbildern hängen.

PRINCE OF WALES:

Du siehst, sie stammen von Schweinen ab.

Er macht eine abfällige Handbewegung, Stanczyk ärgert dies.

STANCZYK:

Hütet Eure Zunge, Fremder!

Wir haben den Tataren die Schädel rasiert, wir fürchten uns nicht vor Euch.

Der Prince of Wales, der inzwischen gesehen hat, dass Kmicic an der Kette hängt.

PRINCE OF WALES:

Ist das die Art, wie Ihr mit Euresgleichen Umgang pflegt?

Er geht näher zu Kmicic hin, die Frau folgt ihm. Er will an der Kette zerren, Kmicic richtet sich auf und wehrt ihm das.

KMICIC:

Komm mir nicht zu nahe!

PRINCE OF WALES:

Beißt du, dass man dich an die Kette legt wie einen Hund?

Er geht näher, nun packt Kmicic die Kette und holt mit dem lockeren Ende aus zum Schlag. Der Prince of Wales greift automatisch zum Schwert, dann, die Situation realisierend, tritt er zurück.

PRINCE OF WALES:

Du drohst mit der Kette dem, der dich befreien könnte?

zur Frau

Das ist ein Narrenhaus.

KMICIC:

Was kümmert dich das?

Keiner fragt nach deiner Meinung zu unserem Tun.

ELIZA:

Es ist das Verließ.

Wir haben den falschen Eingang gewählt.

Der Prince of Wales schaut sich noch einmal um, zweifelnd, dann herrscht er Stanczyk an.

PRINCE OF WALES:

Wo ist der Zugang zum Herrenhaus?

Er macht eine Geste zum Schwert.

Rede! Bevor ich dich das Eisen spüren lass!

Stanczyk lässt sich nicht sonderlich beeindrucken, er verbeugt sich beim Reden nun.

STANCZYK:

Habt Ihr die eine Tür gefunden, so wird die andere Euch nicht lange verborgen bleiben.

Der Tag ist noch lang.

Draußen ragt kaum die Sonne über den Horizont.

PRINCE OF WALES:

Bete, dass du sie im Zenit betrachten kannst!

STANCZYK:

Ihr Licht macht blind, schaut man frei zu ihm auf.

PRINCE OF WALES:

Plärr mir keine Weisheit ins Ohr!

Ich bin ein Brite und fürchte die Sonne nicht.

Zeig mir den Weg, aber flugs!

Er geht nun drohend auf Stanczyk zu, die Dame fällt ihm in den Arm.

ELIZA:

Lass ihn!

Er ist der Wächter von diesem dort.

PRINCE OF WALES:

Er wird doch wissen, wo man hier ein Nachtlager auftreiben kann.

STANCZYK:

Ein Lager sucht Ihr?

Warum sagtet Ihr das nicht gleich?

Doch, ist es dazu nicht ein wenig zu früh?

PRINCE OF WALES: der gleich wieder aufbrausen will

Was schert es dich, wann ich mir ein Lager suche?

Frag ich dich, was du hier treibst?

Die Dame gebietet ihm wiederum Einhalt.

STANCZYK:

Draußen, zwei Türen weiter nach rechts.

Dort findet ihr, was Ihr verlangt.

PRINCE OF WALES:

Warum nicht gleich?

Muss man dir erst aufs Maul hauen bevor du verstehst?

STANCZYK:

Ließt Ihr mich reden?

Die Dame zieht den Prince of Wales zur Tür. Im Weggehen.

ELIZA:

Wollte Gott, dass wir endlich einmal eine ruhige Kammer fänden!

Schon fast einen Mond lang spürte ich deinen Arm nicht mehr.

PRINCE OF WALES:

So lange schon streifen wir unsinnig durchs Land?

ELIZA:

Du verlierst rasch deine Laune.

Wenn du geruht haben wirst, betrachtest du die Welt mit anderen Augen.

PRINCE OF WALES:

Dieses Land macht mich toll!

Sie verlassen den Raum. Stanczyk schaut ihnen nach. Kmicic, der die ganze Zeit ruhig stand, die Kette in der Hand, lässt diese nun zu Boden gleiten.

KMICIC:

Das nenn ich verwegen!

Stanczyk dreht sich gelassen zu ihm.

STANCZYK:

Was meint Ihr, Herr?

KMICIC:

Du hast sie in den Saustall geschickt.

STANCZYK:

Sie werden es wahrnehmen.

KMICIC:

Die Stufen sind morsch.

Wenn er tritt, wie er tritt...

STANCZYK:

Dann liegt er im Dreck.

KMICIC:

Übst du solchen Übermut auch an mir?

STANCZYK:

An jedem, der ihn verdient.

Darum heißt Ihr mich Narr.

KMICIC:

Mich wundert, dass du so zu Jahren kommst.

STANCZYK: schulterzuckend

Wer nichts wagt, der nichts gewinnt.

Wie Ihr seht, bin ich noch immer in besserer Lage, als Ihr es seid.

Während sich Kmicic wieder an die Mauer hockt, steht Stanczyk einen Augenblick unschlüssig. Man hört nun Türenschlagen, dann Schritte, auf der Treppe erscheint Oginski, der Hausherr, halbbekleidet, die Hose nur locker gebunden, das Hemd offen. Er räkelt sich ausgiebig.

OGINSKI:

Ihr macht einen Lärm, als lagere eine Horde Tataren in dieser Halle.

STANCZYK:

Die Tataren lieben die endlose Weite der Steppe und keine Fesseln aus Stein.

OGINSKI:

Sie lecken ihre Wunden noch.

Wir haben ihnen prächtig aufs Haupt gedroschen.

STANCZYK:

Lästert nicht, Herr!

Wie der Blitz vom Himmel fährt brechen sie aus ihren

Zelten hervor und lassen eine Spur von Blut und Tränen auf ihrer Bahn.

OGINSKI:

Von allen Himmelsrichtungen strecken Feinde ihre Krallen nach unserem Land.

Was macht es so kostbar für sie?

Es hat Wald, Wiesen und Felder, Weiden und Flüsse wie anderswo.

STANCZYK:

Es ist schwach nach den Kriegen, sie wittern das.

OGINSKI:

Noch nie waren wir schwach.

Das mag Dummköpfen so scheinen, doch wehe, wenn sie sich darauf verlassen wollen.

STANCZYK:

Unser König ist ein Spielball der Fürsten.

OGINSKI:

Ihm gelüstete nach diesem Ehrenplatz, nun erfährt er den Preis.

Er soll regieren, dann wird man sehen.

STANCZYK:

Habt Ihr mit Eurem Veto nicht alle Beschlüsse zunichte gemacht?

OGINSKI:

Das Veto ist gutes Recht seit alters her.

Man muss es gebrauchen, damit keiner sich höher als der andere dünkt.

STANCZYK:

Es ging um das Wohl des Landes.

OGINSKI:

Es war ein prächtiger Spaß, den Myriaden von Worten die wenigen entgegenzusetzen.

Als alle sich in dem neuen Bau schon einzurichten begannen, riss ich die Grundmauern ein.

STANCZYK:

So beklagt nicht das Trümmerfeld.

OGINSKI:

Drei Tage und Nächte zechten wir brüderlich, bis wir wie stets herzlich voneinander Abschied nahmen.

Keiner trug Hader im Herzen.

Wir werden uns freudig wiedersehen, sei es beim Rat, sei es in der Schlacht.

STANCZYK:

Das Volk..

OGINSKI:

Das Volk liebt jene, die zu feiern verstehen.

Je stärker es die Sorgen plagen, desto höher schätzt es die

Unbekümmertheit und die Pracht seiner Herren.

Das nennt man regieren.

STANCZYK:

Oder Dummheit?

OGINSKI:

Eines bedingt das andere.

Stell dein Licht nicht unter den Scheffel!

Er steigt die Treppe herab und geht auf Kmicic zu, prüft dessen Ketten. Dieser lässt es geschehen.

OGINSKI:

Hast du an deiner Kette gezerrt?

Kmicic wirft ihn nur einen wütenden Blick als Antwort zu.

OGINSKI:

Du hast recht.

Oginski zeigt nach oben, von wo er kam.

OGINSKI:

Vielleicht lass ich sie dir, ich weiß es noch nicht.

Warte noch ein paar Nächte, dann will ich entscheiden.

Kmicic knurrt etwas Unverständliches.

OGINSKI:

Sie redet kaum mehr als du.

Träge und faul teilt sie wieder mein Lager.

KMICIC:

Du Hund!

Es sieht einen Augenblick so aus, als wolle sich Oginski auf ihn stürzen, dann sagt er wegwerfend.

OGINSKI:

Warum zieht es mich zu deiner Kette?

Bin ich es, der sie trägt?

Dann zum Narren

Geh, richte aus, dass ich die Suppe will!

Du sollst mir Gesellschaft leisten.

Lass ihm auch etwas bringen!

Er fällt uns sonst von der Wand.

Stanczyk geht. Währenddessen schaut Oginski wieder zu Kmicic hin. Sie mustern einander eine Weile, plötzlich, der Narr ist schon draußen, fällt Kmicic auf die Knie und hebt flehend die Hände Oginski entgegen.

KMICIC:

Nimm mir die Kette! Ich bitte dich!

Oginski mustert ihn ein paar Augenblicke, und es sieht aus, als wolle er ihm willfahren.

OGINSKI:

Du hast mich verletzt, stärker, als je einer zuvor.

KMICIC:

Ich bin jünger als du und mit älteren Rechten.

OGINSKI:

Das spricht dich nicht frei.

KMICIC:

Du erhältst deinen Stolz nicht zurück, wenn du meinen zerbrichst.

OGINSKI:

Ich will sehen, wie du Schande erträgst.

KMICIC:

Ich knie vor dir.

Genügt dir das nicht?

Sie hören Stanczyk zurückkehren.

OGINSKI:

Trag dein Los wie ein Mann!

Hinter Stanczyk erscheint die Magd mit der Suppe. Während sie aufträgt, nimmt Oginski seinen Platz an der Stirnseite der Tafel, der Narr setzt sich neben ihn. Kmicic, rutscht, den Rücken an der Mauer, langsam zu Boden. Stanczyk bedient seinen Herrn, sie beginnen schweigend die Suppe zu löffeln, während die Magd aus der Küche eine Schüssel für Kmicic holt und diese vor ihm auf den Boden stellt. Zunächst scheint es, als wolle er nicht essen, dann übermannt ihn der Hunger.

Oginski:

Hat sich der Franke gerührt?

STANCZYK:

Er schläft.

Hörtet Ihr sein Schnarchen nicht?

OGINSKI:

Er hetzt uns die Ungläubigen an den Hals.

KMICIC:

Sein Weib ist erschöpft nach dem langen Ritt.

OGINSKI:

Ein eitler Geck!

Damals in Bologna hockten seine Landsleute in den

Tavernen, fraßen und soffen was das Zeug hielt und grölten ihre schauerlichen Lieder.

Nur die Briten übertrafen sie noch an Unerträglichkeit.

STANCZYK:

Einen Briten haben wir auch zu Gast.

OGINSKI:

Einen Briten?

Teufel auch!

Was macht ein Brite im Haus?

STANCZYK:

Ins Haus ist er noch nicht vorgedrungen, aber er wird es bald noch einmal versuchen, fürchte ich.

OGINSKI:

Sonst treibst du deine Späße erst am Abend.

Was ist eigen an diesem Tag?

STANCZYK:

Geduldet Euch, Herr!

OGINSKI:

Schon der Franke trampelt mir auf dem Nerv herum.

Hätten sie gefochten wie wir, bräuchten sie keine Geiseln zu stellen, die dann Fersengeld geben.

STANCZYK:

Er stand in hoher Gunst beim Khan.

Und galt als der besten Heerführer einer.

Das Weib ist von edlem Geschlecht.

Der Khan wird sie nicht ohne weiteres ziehen lassen.

OGINSKI:

Was kümmert es mich, daß er die Ungläubigen an der Nase herumgeführt hat?

Mag er dort, wo er hin will, damit prahlen!

Ich neid ihm nicht seinen Streich, auch nicht das Weib.

Sie ist mir zu dürr, seine Hildegard.

STANCZYK:

Hildegunde.

OGINSKI:

Gard oder Gunde, was ändert das?

in anderem Ton

Mich juckts in den Gliedern.

Sag dem Knecht er soll den Braunen satteln, wir reiten zur Jagd.

Die Tür fliegt auf und der Brite stürmt mit gezücktem Schwert in den Saal. Die Frau hängt ihm am Arm. Er sieht aus, als wäre er tatsächlich in den Schweinestall gefallen.

PRINCE OF WALES:

Wo ist der Wicht?

Er schaut sich wütend um. Erst dann verharrt sein Blick bei den beiden am Tisch, die nach einem kurzen Aufmerken, unbeeindruckt ihre Suppe löffeln.

PRINCE OF WALES:

Steh auf, wenn ich das Wort an dich richte!

OGINSKI:

Setz dich, wenn du mit uns reden willst!

Wir sind beim Morgenmahl.

STANCZYK: zu Oginski

Zürnt ihm nicht!

Er ist froh, daß er wieder festen Boden unter den Füßen spürt.

Oginski schaut nun länger zum Prinzen hin.

OGINSKI:

Fürchterliche Wege, über die Ihr zogt.

PRINCE OF WALES:

Wege?

Nennt man das Wege bei euch?

Noch nicht einmal Schweine treibt man bei uns durch solchen Morast.

OGINSKI:

Das solltet Ihr aber, man schmeckt es am Braten, wenn sie ordentlich gesuhlt. Unsere Schweine lieben das.

Freilich, nachdem Ihr sie dann geschlachtet habt, müsst Ihr sie im Zuber gründlich schrubben, sonst knirscht der Sand zwischen den Zähnen, wenn Ihr sie verspeist.

Auch Euch stünde ein Bad gut zu Gesicht.

PRINCE OF WALES:

Was mischt du dich ein?

Bist du der Herr von diesem Räubernest?

OGINSKI:

So seid Ihr der Brite, von dem mir der Narr erzählt?

Ich mein mich zu erinnern, dass Eure Landsleute weniger hitzig sind.

PRINCE OF WALES:

Kerl, ich....

Er hebt das Schwert

OGINSKI:

Auch wussten sie Haltung zu wahren.

Er wendet sich an Eliza, die neben den Prinzen steht, und ihn am Schwertstreich hindert, indem sie die Hand auf den Schwertarm legt

Das müßt Ihr doch zugeben, er ist sehr hitzig.

ELIZA: zögernd

Er, wir, Ihr...

OGINSKI:

Wir sitzen friedlich am Tisch und Euer Gatte fuchtelt mit dem Eisen über der Suppe.

Das schickt sich nicht.

ELIZA: sie nimmt die Hand weg, tritt zurück und sagt zum Prinzen Du benimmst dich wirklich daneben, Charles.

Der Prince of Wales schaut sie an, hebt dann das Schwert und führt einen Hieb gegen den Tisch. Die Klinge bleibt in der Tischplatte stecken. Er versucht die Klinge freizukriegen.

OGINSKI: unbeeindruckt

Ein wackerer Streich!

Man glaubt, dass Ihr Euer Handwerk versteht.

Aber sagt, was habt Ihr nun davon?

Mir ist der Tisch zerschlagen und Euch klemmt das Schwert.

Dieser zerrt weiter, es gelingt ihm aber nicht, das Schwert frei zu bekommen.

PRINCE OF WALES:

Stellt sich denn alles gegen mich?!

OGINSKI:

Kein Gedanke!

Auf nüchternen Magen schlägt sich kein Pole, wenn er bei klarem Verstand.

PRINCE OF WALES:

Ich wart, bis du dich voll gefressen hast.

Er will sein Kurzschwert aus der Scheide ziehen, was freilich auch nicht gelingt, weil es festgezurrt ist

STANCZYK:

Er meint es bitter ernst.

OGINSKI:

Ich weiß, ich sehe es.

Kommt aus der Fremde hierher in mein Haus und verlangt, daß jeder nach seiner Pfeife tanzt.

STANCZYK:

Es steht schlecht um den Zustand der Welt, wenn sie solche Bewohner hat.

OGINSKI:

Hör endlich mit dem Gezerre auf!

Du hast doch das Schwert selber festgebunden, damit es dir beim Reiten nicht aus der Scheide fällt.

Der Prinz zerrt weiter

Was willst du eigentlich bei uns?

Gefällt es dir nicht mehr bei deinesgleichen, daß du in der

Weltgeschichte herumgeistern musst um auf friedlicher

Leute Tische einzudreschen?

PRINCE OF WALES:

Was schert mich dein Tisch oder dein Land?

Wenn man von Euch nicht mehr spricht, wird mein Volk noch ein Weltreich beherrschen.

OGINSKI:

Wann ist das?

Am Ende aller Tage?

STANCZYK:

Mein Herr könnte euch vorher mit der Suppenschüssel erschlagen, wenn Ihr weiter solche Sprüche klopft.

PRINCE OF WALES:

Dein Ende kommt, wenn du dein Maul nicht hältst.

zu Oginski

Sag ihm, dass er schweigen soll!

OGINSKI:

Mein Narr redet, solange es mir gefällt.

PRINCE OF WALES:

Bei euch haben die Narren das Wort.

Du wirst sehen, wohin das führt.

OGINSKI:

Wies er dir keine ordentliche Unterkunft?

Verzeih, er wird es verwechselt haben, es war ja noch

Nacht, als Ihr kamt.

PRINCE OF WALES:

Ist es Brauch in Eurem Land, daß man die Gäste beim Mahle zusehen läßt?

OGINSKI:

So kamt Ihr als Gast in mein Haus?

Warum sagtet Ihr das nicht gleich?

Wir üben Gastfreundschaft gegen jedermann, der in

friedlicher Absicht die stillen Stuben unserer Heimat betritt.

Der Prinz zeigt auf Kmicic, der sich die ganze Zeit still verhielt.

PRINCE OF WALES:

Eure Gastfreundschaft hängt an der Wand.

OGINSKI:

Der ist nicht mein Gast.

PRINCE OF WALES:

Vorhin wähnte ich mich im Kerker, nun finde ich hier eine Tafelrunde.

Ein verfluchtes Land, wo man nicht weiß, woran man sich halten soll!

STANCZYK:

Die Fremde ist immer fremd.

PRINCE OF WALES:

Es wird Zeit, dass man Euch Lebensart lehrt.

Der Prinz schlägt mit der Faust auf den Tisch, woraufhin das Schwert zu Boden fällt.

OGINSKI:

Ihr seht die Folgen Eurer Lebensart.

Hoffentlich ist das Schwert nun nicht stumpf!

PRINCE OF WALES:

Britischer Stahl nimmt keinen Schaden an polnischem Holz.

STANCZYK:

Was sucht Ihr bei uns, wenn bei Euch alles besser ist?

Bevor der Prinz antworten kann bringt die Magd die Schüsseln für die beiden, so daß sie nun ebenfalls essen können.

OGINSKI:

So beginnt man bei uns den Tag.

Ich hoffe, euch mundet das Mahl.

PRINCE OF WALES: zeigt zu Kmicic

Er löffelt Suppe, wie Ihr sie esst.

Er ist doch Euer Gast?

OGINSKI:

Ein besonderer Gast, gewiss.

Die Magd trägt nun Wein auf, schenkt den Krug leer, und geht in die Küche zurück. Sie trinken miteinander.

PRINCE OF WALES:

Sprecht, wie komm ich am schnellsten zum Meer?

OGINSKI:

Zum Meer?

Zu welchem Meer zieht es Euch hin?

Das Meer liegt viele Tagesreisen von hier.

PRINCE OF WALES:

Ich sehe, Ihr wollt mich schon wieder an der Nase herumführen. Ich weiß, dass ich ihm nahe bin.

OGINSKI:

Hier?

Er wendet sich fragend an Stanczyk

Hast du ein Meer hier gesehen?

Verstehst du den Briten?

STANCZYK: zum Prinzen

Wenn Ihr ein Meer sucht, seid Ihr bei uns goldrichtig.

Wir haben alles.

ELIZA: die sich zu den Prinzen beugt

Siehst du, mein Ritter, es ist, wie ich Euch vorhergesagt

Der Prinz ist nicht ganz sicher, schaut zu Oginski.

STANCZYK:

Zu welchem Meer wollt ihr denn?

ELIZA:

Zu jenem, das an Böhmen grenzt.

STANCZYK:

An Böhmen?

Ihr seid sicher, dass ein Meer an Böhmen grenzt?

ELIZA:

Ohne Frage.

OGINSKI:

Ein großes Meer?

PRINCE OF WALES:

Groß oder klein, wen kümmert das?

Meer ist Meer, hieße es sonst Meer?

ELIZA:

Natürlich ist es ein großes Meer, die Großmutter berichtete mir davon.

STANCZYK:

Eure Großmutter?

Was trieb Eure Großmutter auf unserem Meer?

PRINCE OF WALES:

Also habt Ihr ein Meer?

OGINSKI:

Also war Eure Großmutter einmal hier?

ELIZA:

Hier?

In diesem Jammernest?

Was denkt Ihr von ihr?

Natürlich nicht!

Ihr Leben lang blieb sie auf ihrem Schloß.

OGINSKI:

Und ihr Ehegemahl, ich meine, der..

PRINCE OF WALES:

Nimm seinen Namen nicht in den Mund!

OGINSKI:

Der Name spielt keine Rolle, die Herkunft scheint mir von Belang.

PRINCE OF WALES:

Weder Name noch Herkunft wünsche ich erwähnt an meinem Tisch.

Er haut mit der Faust darauf. Oginski will etwas erwidern, doch Stanczyk mischt sich ein und wendet sie an Eliza.

STANCZYK:

In der Dienerschaft, wißt Ihr, ob da ein Böhme ist?

ELIZA:

Warum sollte ein Böhme bei uns dienen?

Es gibt auch Briten, denen das Dienen behagt.

STANCZYK:

Vielleicht ein fahrender Ritter aus Böhmen?

Erinnert Ihr euch, sie sprechen die meisten Laute sehr eigen aus?

PRINCE OF WALES:

Eigen war sein Verhalten.

Sehr eigen!

ELIZA:

Warum fragt Ihr so sonderbar?

OGINSKI:

Wenn einer behauptet, dass Böhmen am Meer liegt, dann kann diese Auskunft nur von einem Böhmen stammen.

PRINCE OF WALES:

Warum von einem Böhmen?

OGINSKI:

Nur ein Böhme glaubt, dass Böhmen am Meer liegt.

Seit jeher haben sie eine befremdliche Sicht auf die Welt.

STANCYK:

Vielleicht könnt Ihr euch doch an einen Böhmen erinnern?

Wisst Ihr, welchen Umgang sie pflegt?

ELIZA:

Sie ist die Mutter der Königin.

Was erdreistet Ihr Euch?

OGINSKI:

Böhmen liegt nicht am Meer.

ELIZA:

Wo liegt es dann?

STANCZYK:

Schaut aus dem Fenster!

Seht Ihr hier irgendwo ein Meer?

OGINSKI:

Viele Tagesreisen müsst Ihr reiten nach Mitternacht.

Dort findet Ihr das Meer.

Oder zieht durch die Steppe Richtung Sonnenaufgang.

Auch dort gibt es ein Meer, das Ihr betrachten könnt, wenn der Khan Euch nicht vorher in seinen Harem holt.

ELIZA:

Das ist sonderbar.

STANCZYK:

Was ist daran sonderbar?

Ihr seid von edlem Geblüt und ansehnlich auch.

Den Khan wird es nicht stören, dass Ihr schon verheiratet seid. Auch Euern Gatten kann er gebrauchen, falls er auch dann so trefflich um sich haut, wenn er lebendige Gegner hat.

Vielleicht gibt er ihm Befehlsgewalt über eine Horde.

Dann kann er sich austoben und mit Rauben und Plündern seinen Unterhalt bestreiten.

ELIZA:

Die Großmutter redet so leichtfertig nicht.

PRINCE OF WALES:

Irgendetwas ist faul an der Sache.

Oberfaul!

In diesem Augenblick erscheint auf der breiten Treppe zum Untergeschoß Walthari in Rüstung, mit Lanze. Als der Prinz ihn sieht, macht er Anstalten, nach seinem Schwert zu fischen, das unter dem Tische liegt. Oginski hält ihn zurück.

OGINSKI:

Was langst du schon wieder nach deiner Eisenstange?

Wart auf den zweiten Gang!

Bei uns erhebt sich keiner mit leerem Magen vom

Frühstückstisch. Das mein ich, ist der Unterschied zu euch auf der Insel, dass wir ruhige und besonnene Menschen sind.

PRINCE OF WALES:

Bei uns betritt man nicht ungestraft gerüstet das Haus eines Fremden.

Es sei denn, man weiß einen Grund anzugeben.

OGINSKI: schaut zu Walthari

Einen Grund wird er schon haben.

STANCZYK:

Erinnert Euch, Euer Erscheinen glich auch nicht dem Auftritt eines Friedensboten.

PRINCE OF WALES:

Ich habe mir Mäßigung aufgelegt bis nach dem Mahl.

OGINSKI:

So speist, als ob es Euer letztes Mahl wäre! Wir wollen derweilen anhören, was dieser da für ein Anliegen hat.

Bevor sich Walthari äußern kann kommt nun zunächst einmal die Magd mit einem Küchenjungen. Sie bringen dampfende Hühner, Brot, einen frischen Krug Wein. Oginski greift als Erster zu. Der Prinz legt seiner Dame auf, dann sich. Dann bedient sich Stanczyk.

Sie Essen. Walthari schaut zu ihnen her. Oginski blickt vom Essen auf.

OGINSKI:

Was ist, Franke, traust du dich nicht an ehrlicher Leute

Tisch?

WALTHARI:

Ich weiß, dass ich nicht willkommen bin.

Zuviel Leid brachten meine Krieger in Euer friedliches Land.

OGINSKI:

Du folgtest dem Schwur.

Ich tadle dich nicht.

WALTHARI:

Ich gab ihn als Jüngling und verfluchte ihn als Mann.

OGINSKI:

Dein Vater schickte dich als Geisel und du stiegst zum Feldherrn empor.

Nicht jeder weiß so sein Glück zu machen.

WALTHARI:

Ich verdiene den Spott.

Mein Glück ergriff ich erst jüngst, als ich ihm das Schwert vor die Füße warf.

OGINSKI:

Soviel ich weiß, seid ihr beide bei Nacht und Nebel davon.

WALTHARI: schaut ihn nachdenklich an

Der Abendstern stand über der Ebene.

Er wies mir den Weg.

OGINSKI:

Nun gut, nun stehst du hier.

Sprich!

Es behagt mir nicht, wenn einer mir das Huhn vom Tische glotzt.

WALTHARI:

Ein Krug Wasser ist alles, was ich begehr.

OGINSKI:

Wasser?

WALTHARI:

Damit mein Weib sich erfrischen kann.

STANCZYK:

Ist sie Euch nicht frisch genug von der Nacht?

Ihr seid zu bedauern.

OGINSKI:

Sonst hast du kein Begehr?

WALTHARI:

Wir reiten, sobald ich die Rosse zur Tränke geführt.

OGINSKI:

Du lockst mir die Tataren ins Haus.

WALTHARI:

Ich kenne Attilas Wut, sie flammt hoch empor, doch erlischt sie auch bald.

Seine Häscher glaubten ich würde geradewegs heimwärts ziehen, doch nahm ich den Weg nach Mitternacht und schlug dann den Bogen.

Jetzt wo ich dort in der Ferne die Türme von Worms schon glänzen sehe, weiß ich, dass sie die Spur verloren haben.

OGINSKI:

Worms?

Bist du ganz sicher, dass du weißt, wo du bist?

WALTHARI:

So heißt die Stadt dort im Morgenlicht.

Ich kenne sie gut.

Als Knabe ritt ich auf diesen Fluren zur Falkenjagd mit Hagen der später mein Schwertbruder war.

OGINSKI:

Verstehst du, was er redet?

STANCZYK:

Mag sein, dass dort einer wohnt, der so heißt, mir sind nicht alle Namen vertraut.

Zuviel Fremde treiben sich in den Gassen herum.