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Über dieses Buch:

Einmal die große weite Welt sehen und Abenteuer erleben … Der kleine Blumenladen Wildflower Barn in Vermont ist Lanas Zuhause, das Ein und Alles ihrer Familie. Doch jeden Tag hört Lana den Ruf der Ferne stärker: Sie weiß, sie muss endlich aufhören, mit dem Kopf in den Wolken zu leben – das fertig gepackte Reisezeug wartet schließlich schon auf sie! Doch da ist auch noch Eli, ihr bester Freund seit vielen Jahren. Wenn er bei ihr ist, hat Lana das Gefühl, alles schaffen zu können – wie soll sie ihn bloß zurücklassen? Lana ahnt nicht, dass Eli ein Geheimnis hütet, das zwischen ihnen alles verändern könnte ...

Ein Roman, der pures Leseglück verspricht: so berührend wie die letzten funkelnden Sonnenstrahlen am Ende eines langen Tages – so bezaubernd wie ein Nachthimmel voller Sterne.

»Schön, romantisch, herzzerreißend – einfach atemberaubend.« Romantic Times

Über die Autorin:

Lisa Dale ist seit frühster Jugend ein Bücherwurm und kennt nichts Schöneres, als sich mit einem Buch und einer Tasse Tee aufs Sofa zu kuscheln. Nach dem Studium der Geisteswissenschaften arbeitete sie einige Jahre im Verlagswesen, bevor sie begann, selbst Romane zu schreiben. Heute wohnt sie mit ihrem Ehemann in New Jersey.

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eBook-Neuausgabe November 2019

Dieses Buch erschien bereits 2012 unter dem Titel »Und plötzlich ist es Liebe« bei Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2009 by Lisa Dale

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel »It happened one night« bei Forever, an imprint of Grand Central Publishing, New York.

Copyright © der deutschen Ausgabe 2012 Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

This edition published by arrangement with Grand Central Publishing, New York, NY, USA. All rights reserved.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/ducky, Victoria Drobotova und Vera Petrunina

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-793-6

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Lisa Dale

Liebe bleibt für immer

Roman

Aus dem Amerikanischen von Ulrich Hoffmann

dotbooks.

Für Pop und Gram,
in Liebe und Dankbarkeit

PROLOG

Lana Biel war immer davon ausgegangen, dass die wichtigsten Ereignisse im Leben an ebenso wichtigen Orten stattfinden würden – Berggipfeln, Kathedralen, unter einem majestätisch blauen Himmel. Aber stattdessen stand ihr ganzes Schicksal hier auf dem Spiel – an einem Ort, der bislang keinerlei Bedeutung gehabt hatte – auf der winzigen Toilette in der Wildflower Barn.

»Alles in Ordnung da drinnen?«, fragte Eli durch die Tür hindurch.

Sie konzentrierte sich verzweifelt auf ihre Birkenstock-Schuhe. Sie zählte die Anzahl der Vergissmeinnicht, die auf den Rand des Spiegels gemalt waren, und dachte an die zahllosen Frauen, die vor ihr in dieser Situation gewesen waren. Vor Urzeiten, hatte sie herausgefunden, hätte eine Frau, die vermutete, schwanger zu sein, auf eine Handvoll Gersten- oder Weizenkörner uriniert und dann beobachtet, ob die Samen schneller keimten als sonst.

Lana hatte diese Vorstellung einst wunderschön gefunden – dass Schwangerschaft und Pflanzen in einer so engen Verbindung stehen konnten. Aber es fiel ihr schwer, Kontakt zu ihrer inneren Erdmutter aufzunehmen, wenn ihr Schwangerschaftstest aus einem sterilen Plastikstäbchen und einer zehn Seiten langen Anleitung bestand.

Sie lehnte ihre Stirn an die Wand. »Sind drei Minuten schon rum?«

»Vier.«

»Ich habe Angst zu gucken.«

»Egal, wie es ausgeht«, sagte Eli. »Wir stehen das schon durch.«

»Ich kann dich nicht da hineinziehen«, sagte sie so leise, dass sie glaubte, er könnte sie nicht hören.

»Ich bin hier bei dir. Wo ich sein will. Ich würde dich doch nicht alleine lassen.«

Sie berührte die Mitte der Tür und war froh, dass er auf der anderen Seite stand. Mittlerweile war der Test im Grunde nur noch eine Formalität. Und trotzdem klammerte sie sich an die geringe, vollkommen unbegründete Hoffnung, dass das Ergebnis negativ sein würde. Ihre Zukunft hing von nichts anderem ab, als dem Erscheinen oder Nichterscheinen einer hübschen rosa Linie. Ein großes rotes STOPP-Schild wäre angemessener.

»Lana.« Elis Stimme drang durch die Tür. »Jetzt komm schon. Es ist Zeit.«

Sie seufzte und wackelte mit den Zehen, trödelte. Sie dachte: Eine Million Frauen haben das schon hinter sich gebracht – diese Sorgen. Eine Billiarde Frauen. Irgendeine Frau tat es ihr wahrscheinlich gerade jetzt gleich. Aber hatte auch jede dieser Frauen das Gefühl gehabt, als wäre sie die allererste? Und ganz allein?

Ihre Freundin Charlotte hatte einmal erzählt, dass besorgte Frauen im Mittelalter herausfinden konnten, ob sie schwanger waren, indem sie einen Wahrsager dafür bezahlten, einen Blick in einen Becher mit ihrem Urin zu werfen. Im vorigen Jahrhundert hätte der Arzt einer möglicherweise Schwangeren die Hormone aus deren Urin einem Kaninchen injiziert und dann die Eierstöcke des Tieres auf Veränderungen untersucht. Heute hockte Lana über einem kleinen Stäbchen.

Warum geht es bloß immer um Urin?, fragte sie sich.

Eine endlose Reihe nervöser Frauen allein im Bad, die das Unvermeidliche herauszögerten.

Der Augenblick war gekommen, sie hob den Kopf und sah nach.

Zwei Monate zuvor ...
MAI

LÖWENZAHN: DER NAME BEZIEHT SICH AUF DAS FRANZÖSISCHE DENT DE LION (»ZAHN DES LÖWEN«). DER LÖWENZAHN IST EIN ÜBERLEBENSKÜNSTLER, DER SELBST UNGÜNSTIGSTEN UMSTÄNDEN UND ZICKIGEM FRÜHLINGSWETTER TROTZEN KANN. ES HEISST, WENN EINE JUNGFRAU DIE SAMEN EINER PUSTEBLUME IN DEN WIND BLÄST, LEGE DIE ANZAHL DER ZURÜCKBLEIBENDEN SAMEN ZEUGNIS DAVON AB, WIE VIEL KINDER SIE EINMAL HABEN WÜRDE.

9. Mai

Lana stand auf dem Feld, das hinter der Wildflower Barn sanft abfiel, das Gesicht einem unglaublichen, vom Sturm zerrissenen Himmel zugewandt. In der Wildflower Barn war viel zu tun – eine neue Lieferung Samen musste abgehakt, ausgepreist und einsortiert werden –, aber Lana konnte die Vorstellung nicht ertragen, dort drinnen eingesperrt sein zu müssen. Das erste Frühjahrsunwetter war über die Außenbezirke Burlingtons hinweg gezogen und hatte einen spektakulär anzusehenden Himmel hinterlassen – dicke lila Wolken, zerrissen und mit golden schimmernden Rändern.

Als sie Karins leise Schritte hinter sich hörte, begann sie zu lächeln, sie freute sich über die Gesellschaft ihrer Schwester. »Vielleicht gibt es einen Regenbogen«, sagte sie und drehte das weiße Köpfchen eines Löwenzahns zwischen den Fingern.

»Ich hoffe, du hast nicht vor, diese Samen über mein frisch beackertes Feld zu pusten«, mahnte Karin.

Lana ließ den Arm sinken. »Natürlich nicht.« Die Pusteblume glitt ihr zwischen den Fingern heraus und fiel zu Boden.

»Die hast du im Lager liegen gelassen.« Sie reichte Lana einen kleinen Stapel bunter Hochglanzbroschüren. Lana erkannte sie augenblicklich – eine zarte weiße Orchidee, ein vernebelter Regenwald, ein schimmernder Wasserfall, ein fröhlich strahlender Führer. Letzte Woche hatte sie an einem Tag, als nicht viel zu tun war, bei der Arbeit darin geblättert, und sie musste sie an einer Stelle liegen gelassen haben, wo Karin sie nun gefunden hatte.

Sie hätte vorsichtiger sein sollen.

Ihr ganzes Leben lang waren sie und ihre Schwester ein Team gewesen. Trotz der Unterschiede zwischen ihnen hatte das Leben sie gezwungen, vereint vorzugehen, wie Soldaten, die Rücken an Rücken kämpften. Aber als Lana vor zehn Jahren angefangen hatte zu studieren, war ihr klar geworden, dass es Karins Traum gewesen war, in der Heimatstadt ihrer Mutter in der Nähe von Burlington, Vermont, zu leben, nicht ihrer. Bevor Lana sich endgültig niederließ, wollte sie reisen. Abenteuer erleben. Costa Rica war immer eine süße Verlockung für sie gewesen.

Allerdings liebte sie ihre Schwester viel zu sehr, um sie im Stich zu lassen. Karin und sie waren die einzige einander verbliebene Familie. Karin war in Vermont verwurzelt und froh darüber. Und so hatte Lana sich selbst ein Versprechen gegeben: Sobald Karin ihre eigene Familie hätte – dann könnte sie sich die Welt ansehen. Bis dahin mussten Werbeprospekte und Reiseführer aus der Bücherhalle reichen.

Lana öffnete einen der Flyer, in dem ein weißes Boot auf offenem Wasser zu sehen war, die Segel beinahe durchsichtig im apricotfarbenen Sonnenschein. Auf der gegenüberliegenden Seite fand sich das orange-rosa Leuchten einer Hibiskusblüte, deren lange, magentafarbene Staubgefäße sich wie die Zunge eines Außerirdischen vorstreckten. Seufzend klappte Lana das Heftchen zu. »Schau nicht so besorgt, Kari. Ich fahre doch noch nicht. Ich habe nur ein wenig geträumt.«

»Ich hoffe, du bleibst nicht meinetwegen hier.«

»Bestimmt nicht«, sagte Lana leichthin. Und hoffte, dass Karin ihr glaubte. Sie blieb aus Liebe in Vermont und wollte nicht, dass ihre Schwester sich deswegen schlecht fühlte. Über ihnen wanden und ballten sich die Wolken in Blau, Lila und Gold. Lana war überzeugt, dass sie gleich einen Regenbogen zu Gesicht bekommen würden – das wäre ein gutes Zeichen. Komm schon, dachte sie. Komm schon.

»Wann kommt Eli zurück?«, fragte Karin.

»Sein Flieger landet morgen Nachmittag um 15:12 Uhr. Wusstest du, dass wir uns in zehn Jahren noch nie so lange nicht gesehen haben?«

»Allerdings«, sagte Karin und musste sich ein Grinsen verbeißen. »Du hast es schon erwähnt.«

»Ach wirklich? Tut mir leid.« Lana trippelte mit den Fingern gegen ihren Oberschenkel, sie wusste gar nicht wohin mit ihrer aufgestauten Energie. Die letzten acht Monate hatte ihr bester Freund etliche Konferenzen, Versammlungen und Universitäten besucht – den Großteil seiner Zeit hatte er in Australien verbracht, wo er an einer großen Feldstudie teilgenommen hatte. Manchmal hatten sie miteinander sprechen können, aber meistens waren sie gezwungen gewesen, einander wochenlang bloß E-Mails zu schreiben.

»Und sieh dich nur an«, fuhr Karin fort. »Wie du wieder aussiehst. Wo sind die Schuhe, die wir zum Abendessen ausgesucht hatten?«

Lana schaute auf ihre klobigen braunen Sandalen hinunter. »Die hier gefallen mir besser.«

»Aber wo sind die Hochhackigen?«

»Auf dem Boden meines Kleiderschranks. Wo sie hingehören.«

Karin schüttelte den Kopf.

»Was ist? Meine Sandalen sind nun mal bequemer«, sagte Lana. Es brachte nichts, die Wahrheit zu sagen: dass sie sich einfach nicht gern fein machte, wenn sie ein Rendezvous hatte. Dann fühlte sie sich komisch, als wäre sie irgendwie kostümiert, bloß weil sie High Heels anzog und Mascara auftrug. Sie wusste, sie sah ein bisschen eigenwillig aus, wie ein wenig unfertig, aber gerade das gefiel ihr an sich selbst. Sie wollte genauso wahrgenommen werden, wie sie war, mitsamt den halb durchsichtigen blonden Wimpern.

Karin seufzte laut und schaute zum drohenden Himmel hoch, und Lana wartete darauf, dass sie wie immer zu nörgeln anfing. Warum machst du dir die Mühe, so ein hübsches weißes Sommerkleid anzuziehen, wenn du den Auftritt dann mit hässlichen Schuhen ruinierst? Oder: Wie soll er dich denn ernst nehmen, wenn nicht einmal du dich ernst nimmst? Aber offensichtlich hatte Karin wichtigere Dinge im Kopf als Lanas Liebesleben. Sie schwieg. Zog sich in sich selbst zurück.

Lana wünschte, sie könnte etwas tun. Karin war das ganze letzte Jahr so unglücklich gewesen. Alles, was Karin vom Leben wollte, war das Gegenteil dessen, was Lana wollte. Sie waren so unterschiedlich, dass man kaum glauben mochte, dass sie dieselbe Mutter hatten. Karin war klein und hatte von ihrer Mutter das Erbe der Abenaki-Indianer erhalten – einen rotbraunen Hauch im Haar, einen warmen Schimmer der Haut, kräftige breite Schultern und Glieder. Lana war nach der väterlichen Seite der Familie gekommen, sie war schlank und geschmeidig – fast immer die größte Frau im Raum – mit nordisch blondem Haar und einer verhältnismäßig großen Nase. Jemand, der sie beide auf einem Foto sähe, würde sie höchstwahrscheinlich nicht als Schwestern ausmachen, sondern für Fremde halten.

»Ich muss zurück an die Arbeit. Ich gehe wieder rein.« Karin trottete den feuchten Abhang zur Wildflower Barn hoch und Lana sah ihr nach.

Plötzlich nahm Lana aus dem Augenwinkel einen Farbhauch wahr und da, hoch über den Bergen, war der Regenbogen, der leuchtendste, den Lana je gesehen hatte. Er schoss himmelwärts, bevor er sich elegant krümmte und wieder zurück gen Erde stürzte. Himmel, dachte sie. Kein Wunder, dass man Gott so oft in den Wolken abbildete. »Sieh nur! Karin! Sieh nur!«

Karin blieb stehen und wandte sich um.

»Siehst du? Hinter den Bäumen? Da drüben?«

»Ja. Klar. Sehr hübsch.«

Lanas Hand sank herunter. Eli hatte ihr einmal etwas über Regenbögen erzählt – dass es technisch unmöglich war, dass zwei Menschen genau denselben Regenbogen zur genau selben Zeit sahen. Karin wandte sich ab und ging davon.

Schwestern oder Fremde? Lana holte tief Luft. Heute war ihr neunundzwanzigster Geburtstag. Sie war verabredet. Und Eli kam morgen nach Hause. Sie verspürte im Augenblick so viel Versprechen, als wäre sie einer atemberaubenden Zukunft dicht auf den Fersen, sie strahlte vor ihr, zwar noch fern, aber schon deutlich zu sehen.

Sie fuhr mit den Fingern über das Foto der weißen Orchidee in ihrer Hand, und stellte sich die fleischige Textur eines Blütenblattes unter ihrem Daumen vor. Dann sah sie noch einmal hoch zu dem Regenbogen, dessen buntes Strahlen sich ausbreitete und verschwamm wie Wasserfarben im Regen, und schließlich folgte sie ihrer Schwester zurück in die Barn hinein.

Die Frau roch nach Tigerlilien, süß und doch ein klein wenig herb. Er schlang die Arme um sie, drückte sein Gesicht in die Mulde ihrer Schulter. Laken glitten über Laken. Haut über Haut. Ihr Haar floss wie das Mondlicht zwischen seinen Fingern und er küsste sie: Hals, Brustbein, Nabel, tiefer.

Natürlich wusste Eli, dass er träumte.

Er döste nur leicht, wach genug, um zu wissen, dass er schlief. Diese Frau – er kannte sie. Wie viele Male hatte er von der Rundung ihres Handgelenkes geträumt, der Einbuchtung ihrer Taille, den süßen, heißen Geheimnissen ihres Körpers? Doch wenn er erwachte, seufzte er nie, streckte sich zufrieden und dachte: Gott, was für ein toller Traum. Stattdessen blieb er immer verwirrt und schwitzend und ein wenig orientierungslos zurück, als wäre er auf der einen Seite des Zimmers eingeschlafen, aber auf der anderen zu sich gekommen.

Ein leises Klicken in der Dunkelheit ließ ihn aufmerken.

Er drückte sein Gesicht in das Sofakissen, noch wollte er sich nicht aus seinem Traum verabschieden. Die Frau gab leise Geräusche von sich, die ihn schier wahnsinnig machten.

Doch die Tür öffnete und schloss sich – sie knallte zu – und er riss die Augen auf. Ein graues Flackern des Fernsehers erhellte den dunklen Raum. Sein Körper fühlte sich verspannt und knotig an. Wo war er? Oh, ja. Lanas Wohnzimmer. Ihr Geburtstag. Er wartete darauf, dass sie nach Hause kam.

Er konnte spüren, dass seine Wangen gerötet waren, das Haar in seinem Nacken feucht vor Schweiß, und er hoffte, sein überhitzter Körper würde auf normal schalten, bis Lana dazu kam, den Lichtschalter zu drücken. Er holte tief Luft, sammelte seine Gedanken und seinen Mut.

Im Verlauf der letzten acht Monate hatte er sich hundert verschiedene Möglichkeiten ausgemalt, ihr seine lebensverändernden Neuigkeiten zu gestehen. Manchmal hielt er ihre Hand und erklärte: »Ich habe dir etwas zu sagen.« Andere Male packte er sie an den Schultern und verkündete: »Es reicht jetzt.«

Manchmal ließ er es sie wissen, ohne überhaupt etwas zusagen – indem er sie ansah, ihr Gesicht berührte, er verließ sich dabei auf eine Sprache, mit deren Hilfe Männer und Frauen Ich liebe dich gesagt hatten, lange bevor die Zivilisation Worte erfunden hatte.

Aber jetzt, nach der Erkenntnis, wie normal – wie unromantisch und unglaublich typisch – es von ihm gewesen war, auf ihrem Sofa einzudösen, während er auf sie wartete, wurde er plötzlich nervös. In den acht Monaten, die er sie nicht gesehen hatte, hatte ein Sehnen, das er anfangs für bloßes Heimweh gehalten hatte, sich als nichts anderes als Liebe erwiesen – verworrene, erschreckende, tief sitzende, wunderbare Liebe.

Und jetzt schnürten ihm die Gefühle den Hals zu. Er wollte ihre Freundschaft nicht verkomplizieren und wollte es auch nicht riskieren, gedemütigt zu werden, wenn sie ihn abwies – erneut. Aber er hatte keine Wahl. Er liebte sie. Er musste es ihr sagen. All seine Hoffnungen für die Zukunft hingen von der fraglichen Möglichkeit ab, dass sie ihn vielleicht, tief im Innersten, auch liebte.

Er holte tief Luft und versuchte, den Traum ihres Körpers aus seinem Bewusstsein zu verscheuchen. Er wartete darauf, dass sie das Licht anschaltete. Es konnte jetzt jederzeit passieren ...

Jederzeit ...

Er wartete. Kein Licht.

Nur Atmen. Dann mehr Geräusche. Das metallische Klirren von Wagenschlüsseln, die zu Boden fielen. Es folgte eine Handtasche. Das leise Ratschen eines Reißverschlusses. Und dann – Eli erkannte das Geräusch wieder – ein leises Wimmern, erstickt durch einen Kuss.

Er kniff die Augen zu. Lana war nach Hause gekommen. Aber nicht allein.

Nicht allein.

Er hörte das leise Lachen eines Mannes. Er ließ den Kopf zurück auf das Kissen sinken, zu entgeistert, um einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Der Mann gab ein tiefes, drängendes Knurren von sich. Vor Wut pochte es in Elis Kopf, alles wirbelte durcheinander, ein Draht spannte sich immer straffer zwischen seinen Schläfen.

Am Ende, nachdem sie so lange im Wohnzimmer geblieben waren, dass er schon fürchtete, sie würden es gar nicht mehr verlassen, hörte er Lanas Schlafzimmertür zuklappen. Das Geräusch kam wie ein Nagel, der ihm ins Herz geschlagen wurde. Für eine Sekunde sah er vor sich, wie er die Tür eintrat und dem Mann befahl, zu verschwinden. Aber er war nicht auf irgendwelche Albernheiten aus, die ihn wie ein Arschloch dastehen ließen. Er war schon dumm genug dran mit seiner fehlgeleiteten Liebe.

Langsam und leise erhob er sich, tastete im Halbdunkel nach seiner Jeans, zog sie an und knöpfte sie zu, dann suchte er vorsichtig nach seiner Tasche. Er machte sich nicht die Mühe, in die Schuhe zu schlüpfen, seine Schritte wären ohne leiser. Seine einzige Hoffnung bestand inzwischen darin, dass niemand ihn sehen würde, wie er aus dem Haus seiner besten Freundin schlich. Das wäre eine Peinlichkeit, die er sich nur zu gern ersparen würde.

Er suchte gerade nach dem Knopf der Fernbedienung, mit dem man den Fernseher ausschaltete, als er hörte, wie sich eine Tür öffnete und Schritte näher kamen.

»Lana«, sagte er leise. Noch bevor er sie sehen konnte, erkannte er den Klang ihrer nackten Füße im Flur, das Flüstern ihrer Fingerspitzen, die sie die Wand entlangzog.

Sie zuckte zusammen, als sie ihn entdeckte. Im flackernden Schein des Fernsehers sah er, wie ihr Rücken sich verspannte. Er hörte sie scharf den Atem einziehen. »Ich bin's«, sagte er schnell und streckte die Hände aus. »Eli.«

Sie presste eine Handfläche auf ihre Brust. »Eli! Was machst du hier?«

»Was mache ich ...?« Die Notwendigkeit, seinen Wunsch, sie schnellstmöglich wiederzusehen überhaupt erklären zu müssen, traf ihn überraschend. »Ich bin früher zurückgekommen. Ich dachte, du würdest dich freuen.«

»Natürlich freue ich mich. Total! Aber das Timing ist ein bisschen ... äh ...« Sie brach den Satz ab. Er konnte spüren, wie sie ihn ansah. Sein Herz brach und er war froh, dass sie ihn im Dunkeln nicht gut erkennen konnte. »Wie war der Flug?«

»Gut«, sagte er gleichmütig. »Gestern war ich auf einer Party im Museum of Natural History. Irgendein Uni-Student hat Neil deGrasse Tyson seinen nackten Hintern gezeigt.«

»Und da behauptet noch jemand, Astrophysik sei langweilig«, entgegnete sie und lachte.

Wärme und Erleichterung überkamen ihn. »Es ist schön, dich wiederzusehen«, sagte er. Er sah, wie sie sich entspannte, ihre Schultern sanken ein wenig herunter, ihre Hand verließ den Platz über ihrem Herzen. In der Dunkelheit schimmerte das Weiß ihres Sommerkleides im Schein des Fernsehers. Ihr Haar, schulterlang und gerade geschnitten, erschien platinweiß wie der Mond.

»Ich freue mich auch, dich wiederzusehen.« Sie warf einen Blick in Richtung des Flackerns ihres alten Kastenfernsehers. »Ich habe mich schon gefragt, wieso ich den Fernseher den ganzen Abend angelassen hätte. Ich bin froh, dass ich doch nicht den Verstand verliere.«

»Ich bin auf dem Sofa eingeschlafen. Ich bin hergekommen, um ... um dir dein Geschenk zu geben.«

»Was denn?«, flüsterte sie, und in ihren Augen glitzerte die Vorfreude. Sie sah aus, als würde sie ihn gleich umarmen. Aber natürlich würde sie das nicht.

»Moment.« Er ging zu seiner Tasche und wühlte darin herum, bis er ihr Geschenk fand. Eine kleine Schachtel, eingewickelt in braunes Recycling-Papier, zugebunden mit einem gepunkteten Schnürsenkel. Einfach, bodenständig und ein bisschen schräg. Genau wie Lana.

Seine Hand berührte ihre, als sie die Schachtel nahm, der Kontakt war so kurz und leicht, dass er kaum als solcher zählte, aber sie riss ihren Arm zurück, als hätte sie sich verbrannt. Er tat, als wäre es ihm nicht aufgefallen.

»Mach es auf«, forderte Eli.

Das tat sie. Sie wickelte den Schnürsenkel um ihren Zeigefinger, als sie die Schleife löste, und das braune Papier öffnete sich wie ein Glückskeks. Darin befand sich eine kleine lila Schachtel, deren Scharniere quietschten, als sie den Deckel öffnete, und in ihr lag ein großer Anhänger, der an einem schwarzen Lederband hing. Er fing das bläuliche Licht des Fernsehers ein und schimmerte.

»Oh, mein ... Ist das ...?«

Eli nahm den Anhänger heraus und legte ihn auf seine Handfläche. Der knotige schwarze Stein wirkte in dem Schatten beinahe flüssig, überirdisch und irgendwie kraftvoll. »Er ist aus dem Sichote-Alin-Gebirge. Kam 1947 in Russland runter. Hat mich an dich erinnert.«

»Hast du den von der Reise, wo du bei diesen alten KGB-Typen warst?«

»Ja. Die mit der Streichelziege ...«

Sie schnappte ihm den Anhänger aus der Hand. Hängte ihn sich um den Hals und bedeckte ihn mit der Hand. »Ich liebe ihn. Er ist perfekt. Danke!«

Einen Augenblick lang konnte Eli ihr bloß in die Augen sehen, vollkommen fasziniert. Sie war wunderschön, das konnte jeder sehen. Aber es war mehr als diese Schönheit, die ihn derart faszinierte, dass er gar nicht wegsehen konnte. Es war sie. Lana. Die schlichte Richtigkeit, nach so langer Zeit wieder hier bei ihr zu sein. Er wollte sie an sich ziehen und festhalten. Ihr sagen, wie froh er war, sie wiederzusehen. Dass er die letzten drei Tage in einem aufgeregten Dämmerzustand verbracht hatte, weil er wusste, dass er bald daheim sein würde. Wie ihm etwas klar geworden war, was sein Herz schneller schlagen ließ und doch zugleich verängstigte.

Aber er konnte es ihr nicht sagen. Nicht mit Worten.

Ihm war klar, dass er sie anstarrte. Er sah, wie ihr Ausdruck sich veränderte, die Zärtlichkeit wandelte sich in einen stillen Unglauben, als hätte sie hören können, was er dachte und wüsste nicht genau, was sie davon halten sollte. Sie standen so dicht voreinander, dass er ihr blumiges Parfüm riechen konnte, und darunter den Duft ihrer warmen Haut. Sie fuhr sich mit den Händen über die nackten Arme, als wäre ihr kalt, und das leise Rascheln wurde in seinem Kopf zigfach verstärkt.

»Lana ...« Eli konnte sie bloß anstarren, während er gegen den Drang kämpfte, sie zu küssen. Er wollte seine Hände auf ihr Gesicht legen, mit den Fingern durch ihr Haar fahren. Er lehnte sich in ihre Richtung, nur wenige Millimeter. Hätten sie auf gegenüberliegenden Seiten des Raumes gestanden, hätte diese Geste keinerlei Bedeutung gehabt. Aber aus dieser Nähe, die Duft und Geräusche so übermäßig erscheinen ließ, huschte als Reaktion auf seine kleine, fast unmerkliche Bewegung ein Erschrecken über ihr Gesicht, als hätte er ihr gesagt, dass er sie hier und jetzt sofort auf dem Fußboden vögeln wollte.

Sie lachte ein wenig nervös, trat einen Schritt zurück und runzelte die Stirn.

»Lana?« Eine Männerstimme durchschnitt den Augenblick und zerriss die Verbindung zwischen ihnen. Lanas Blick fuhr zurück zum dunklen Flur, Angst zeigte sich in ihrem Gesicht. Dann streckte sie den Arm aus und schaltete die Deckenbeleuchtung ein, die sie beide blendete. Als Lanas Date ins Zimmer kam, hatte Eli bereits seine Tasche gegriffen und ging zur Tür.

»Was ist los?«, fragte der Mann.

Eli stoppte kurz. Wut und Demütigung ballten sich in seinem Bauch.

Lana räusperte sich. »Ron, das ist Eli. Eli, Ron. Eli ist bloß vorbeigekommen, um mir mein Geburtstagsgeschenk zu geben.«

»Ach so – ich habe viel von dir gehört«, sagte Ron lächelnd. Sein weißes Anzughemd stand offen wie eine Zeltklappe, sein Haar fiel in staubig-braunen Locken bis auf seine Schultern. Er war groß und kräftig und hatte eine energische Nase mit einem kleinen Höcker. Oberflächlich betrachtet wirkte sein Lächeln ehrlich. Aber Eli konnte sehen, was Lana nicht wahrnahm – die subtile Drohung, die zwischen zwei Männern in der Luft lag, wenn eine schöne Frau genau zwischen ihnen stand. »Du bist der Meteorjäger. Verrücktes Hobby.«

»Genau genommen sind es Meteoriten – und es ist ein Job, kein Hobby.«

»Aber ich dachte, du wärst Lehrer«, sagte Ron.

»Das auch.« Eli rückte seine Tasche auf der Schulter zurecht. »Und was machst du?«

»Mountainbiker. Profi.«

»Ah«, sagte Eli. »Ich sollte jetzt besser gehen.«

Lana durchquerte das Zimmer und blieb vor ihm stehen. Ihre Augen waren von einem klaren Blau – beinahe Aqua – und er konnte eine Botschaft in ihrem Blick lesen, die nur ihm galt. Es tut mir leid.

Er zuckte mit den Achseln. Das Letzte, was er jetzt wollte, war ihr Mitleid. So wie sie ihn anschaute, hatte sie nicht den Funken wahrgenommen, die surrende Anziehungskraft, die weit mehr war als bloße Lust. Er war so ein Idiot. »Na denn. Ich bin weg«, sagte er fröhlich und griff nach dem Türknauf. »Benehmt euch, ihr beiden.«

»Wir tun nichts, was du nicht auch tun würdest«, entgegnete Ron.

Eli lächelte nicht. Armer Hund, dachte er bei sich. Armer, dummer Hund. Er gab ihm zwei Monate, höchstens drei, bevor Lana anfing, sich zu langweilen.

»Happy Birthday, Lana.«

Sie sah zu Boden, plötzlich schüchtern. Dann drückte er die Tür zu, er schloss die beiden ein und sah zum Himmel hoch, wo dieselben Sterne standen wie immer, dieselben Sterne, mit denen er sich schon sein ganzes erwachsenes Leben abgab. Aber heute erschienen sie ihm viel, viel weiter weg.

Zwanzig Minuten, nachdem sie die Barn abends geschlossen hatte, kam Karin Palson zu Hause in einem stillen Außenbezirk Burlingtons an. Sie öffnete die Haustür und ging über die mit Teppich bezogene Treppe hoch ins Wohnzimmer. Der kleine Fernseher stand dunkel auf seinem Tischchen, die Lampenschirme waren voller Schatten. Offensichtlich arbeitete ihr Mann mal wieder länger in seinem Versicherungsbüro. Die Plastiktüte in ihrer Hand, in der bloß ein kleines Buch lag, erschien ihr schwer genug, um ihr den Arm aus der Schulter zu reißen.

Sie setzte sich aufs Sofa, zog nicht einmal ihre Jeansjacke aus, nahm auch die Handtasche nicht von der Schulter, schaltete das Licht nicht ein. Sie legte die Tüte neben sich. Das Haus war leer und dunkel wie ihr Herz.

Karin war niemals abergläubisch gewesen. Die Vorstellung, dass ihr Blutungszyklus sich an den Mondphasen orientierte, war niedlich, aber soweit sie sehen konnte, Unfug. Als eine Frau aus ihrem Buchclub erzählt hatte, dass sie einen Sohn bekommen hatte, indem sie ihren Mann Socken tragen ließ, während sie es in der Hündchenstellung trieben, hatte Karin bloß gelacht. Und als Lana verkündete, dass Karin nur deswegen nicht schwanger wurde, weil sie es »zu sehr wollte«, hatte sie gedacht, dass ihre Schwester es zwar gut meinte, aber falsch lag.

Doch trotz all ihres Misstrauens den Geschichten alter Frauen gegenüber, den Gerüchten, hörte sie weiter zu. Sie hörte auf ihre Ärzte, die anderen Frauen, auf Bücher und das Internet. Sie kannte jede Technik und Methode der Familienplanung: die Kalender-Rhythmus-Methode, die Fruchtbare-Tage-Methode, die Sympto-Thermal-Methode, die Billings-Eisprung-Methode. So viele methodische Methoden. Es konnte eine Frau wahnsinnig machen. Sie hoffte, wenn sie bloß weiter aufmerksam zuhörte, alles in sich aufsog und nicht das kleinste bisschen Information verpasste, dann würde sie irgendwann doch noch die Antwort finden, nach der sie suchte.

Aber während sie im grellweißen Licht des Untersuchungszimmers gelegen und versucht hatte, nicht zu zittern, hatte der Arzt ihr schlechte Nachrichten kundgetan. Sie war nicht unbedingt unfruchtbar, aber sie war auch nicht unbedingt fruchtbar.

Mit anderen Worten: Der Arzt hatte auch keine Ahnung, worin das Problem bestand. Technisch gesehen war alles in Ordnung. So wie er stotterte und die Stirn runzelte, war Karin klar gewesen, dass er den Druck spürte, eine anständige Diagnose abzugeben, einen Grund für ihr gebrochenes Herz. Es gab die Möglichkeit, hatte er ihr erklärt, dass Karin und ihr Ehemann zwei kerngesunde und fruchtbare Personen waren, einzeln betrachtet. Aber zusammen waren ihre Körper vielleicht nicht kompatibel.

Das war die Antwort, die Karin befürchtet hatte. Es war gelungen, einen Mann auf den Mond zu schießen, sie hatten »Essen« entwickelt, das keine Kalorien mehr enthielt, es gab einen Impfstoff gegen Gebärmutterkrebs. Aber über den ursprünglichsten und wichtigsten Prozess des menschlichen Lebens wussten sie einfach nicht genug, dass ihr jemand sagen konnte, was genau schieflief und wie sie es in Ordnung bringen konnte.

Wer außer Gott also – der sich aus dem Thema raushielt – konnte ihr noch helfen?

Sie nahm das Buch aus der Einkaufstüte und hielt es zwischen beiden Händen. Obwohl sie den Umschlag in der Dunkelheit kaum sehen konnte, hatte er sich in ihre Hornhaut eingebrannt: Eine meditierende Frau, umgeben von schwebenden Ringen blau-grünen Lichts. Das Ganze war wenig mehr als ein aufgeblasenes Flugblatt, und in ihrem Elend und ihrer Verzweiflung hatte sie den Großteil bereits im Licht der Laterne auf dem Parkplatz vor dem Buchladen verschlungen. Der Autor glaubte, wenn ein Paar Schwierigkeiten hatte, schwanger zu werden, wäre es möglich, mit dem Geist des ungeborenen Kindes zu sprechen – mit ihm zu verhandeln und ihn ins Leben zu locken.

Das Buch behauptete außerdem, dass manche Babys nicht in Familien eintreten wollten, die nicht harmonisch waren. Karin hatte mit der Faust so heftig auf das Armaturenbrett gehämmert, dass sie beinahe eine Delle hinterlassen hätte. War sie etwa nicht harmonisch? Wie könnten Gene und sie noch harmonischer leben, als sie es bereits taten? Hatten sie nicht bewiesen, dass sie bereit für ein Kind waren?

Jetzt, allein mit dem Buch im Wohnzimmer, wünschte sie, es nicht gekauft zu haben. Sie und ihr Mann bemühten sich nach Kräften, gute Christen zu sein. Sie waren nicht perfekt, aber sie gingen jeden Sonntag in die Kirche, sie sprachen vor dem Essen ein Gebet, und ein weiteres vor dem Zubettgehen. Sie hatten es geschafft, bis zwei Monate vor ihrer Hochzeit keinen Sex zu haben (der Priester hatte gekichert, als Karin das gebeichtet hatte). Und sie hatten niemals Kondome verwendet, oder auch nur auf die fruchtbaren Tage geachtet, wie es ihnen eine Nonne beigebracht hatte, die Genes Spermien als »die kleinen Schwimmer« bezeichnete.

Gene und sie glaubten beide, wenn Gott wollte, dass sie ein Baby bekamen, dann würde es auf natürliche Weise geschehen. Keine Hormone, keine Injektionen, keine Samenbank, keine Operationen, keine Adoptions-Agenturen. Und keine Gespräche mit Geisterbabys. Das musste sie jetzt bestimmt auch beichten.

Sie hörte, wie die Haustür aufging. Schnell beugte sie sich vor und schob Buch und Tüte unter die Sofakissen. Gene bemerkte sie zuerst nicht. Aber sie sah ihn, seinen Umriss im Licht der Verandalampe, als er die kurze Treppe zum Wohnzimmer hochkam. Obwohl er mit seinen dreiundvierzig ganze zehn Jahre älter war als sie, sah er immer noch sehr kräftig aus. Sie liebte sein dünner werdendes rotblondes Haar, seine breiten Schultern, die starke Brust, von der sie immer behauptet hatte, sie sei ein Erbe einstiger Könige des Hochlandes.

Er sah sie erst vom oberen Ende der Treppe aus. »Das Licht war aus. Ich habe mir Sorgen gemacht.«

»Ich bin gerade erst gekommen.«

Er kam durch die Schatten zu ihr und setzte sich neben sie. Schaltete das Licht nicht ein. »Wie war's beim Arzt?«

»Nicht schlecht«, sagte sie.

»Wie lautet das Urteil?«

»Die Jury ist unentschieden. Das Verfahren muss wiederholt werden.«

Sie hörte Gene seufzen und sah, wie sein Rücken – normalerweise gerade und kräftig – sich ein wenig krümmte.

»In manchen Bundesstaaten ist Unfruchtbarkeit ein Scheidungsgrund«, sagte sie.

»Unsinn. Wir suchen uns einen anderen Arzt. Holen eine weitere Meinung ein.«

Karin wollte lachen, aber es wurde eher ein Schluchzen. »Ich habe es satt, gepiekst und beguckt zu werden, und dass alle über meinen Körper reden, als wäre er etwas ganz anderes als ich.«

»Ich weiß«, sagte Gene. Er streckte den Arm aus und rieb ihren Rücken.

Sie lehnte sich gegen ihn, legte ihren Kopf auf seine Schulter. Draußen, selbst im Schutz der Dunkelheit, strahlte Vermont im Schein seiner eigenen Fruchtbarkeit: Leberblümchen, Kanadischer Blutwurz, Waldlilien, Akelei und Löwenzahn blühten bereits, die Berghänge begannen in Smaragd-, Oliv- und Mintgrün zu leuchten. Und Karin saß hier fruchtbar wie ein Klumpen Kohle.

Aber sie durfte ihr Leben davon nicht bestimmen lassen. Sie umarmte Gene fest, sog den würzigen Duft seines Deodorants ein. »Lass uns ausgehen. Wir essen Hamburger, gehen ins Kino und knutschen in der letzten Reihe.«

»Ja?«

»Ja. Wir gehen aus. Wie zwei Teenager allein in der Stadt.«

»Muss ich dich bis zehn wieder nach Hause gebracht haben?«, fragte er.

»Nur, wenn du versprichst, mich noch bis elf wach zu halten.«

Gene lachte und half ihr auf die Füße.

10. Mai

Am nächsten Morgen stand Lana in der Wildflower Barn und plauderte mit Mrs Montaigne, einer der vielen Stammkundinnen, die sich stets bemühte, während Lanas Schicht zu kommen. Die Sonne schien hell und strahlend in den gelb gestrichenen Raum, in dem sich ihr Verkaufsgeschäft befand. Andere Bereiche der Scheune waren nüchterner gehalten, das Lager beispielsweise, oder der Raum, in dem sie ihre Samenmischungen zusammenstellten. Aber dieser Raum war Lanas Lieblingsort. Sie hatte Windspiele und bunte Glasmobiles in die schmalen, hohen Fenster gehängt, in denen sich das Licht brach. Ihr Kaffeebecher dampfte auf dem Tresen in die kalte Luft. Und obwohl sie heute Morgen allein erwacht war, weigerte sie sich einfach, Rons schlechte Manieren einen ansonsten tollen Tag kaputt machen zu lassen.

»Ach, ich weiß nicht«, sagte Mrs Montaigne, wobei man ihren kanadischen Quebec-Akzent ahnen konnte. »Ich mochte diese strahlenden Farben noch nie. Orange, Rot, Gelb ... Haben Sie nicht etwas Dezenteres?«

»Natürlich«, sagte Lana. »Folgen Sie mir.«

Sie ging vor zum neusten Aufsteller mit Samenmischungen und griff nach einem der Tütchen mit den kühleren Tönen. Mrs Montaigne nahm es und ihre Augen strahlten, als sie ihrer Enkelin das Bild darauf zeigte. »Qui. Das ist genau, was wir gesucht haben. Nicht wahr, ma fille?«

Jackie linste schüchtern hinter dem Blumenrock ihrer Großmutter hervor. Sie sagte selten etwas, aber Lana konnte sehen, dass sie immer höchst interessiert war, sie hörte genau zu und versuchte, alles zu begreifen. Lana hatte immer schon gerne mit Kindern geredet. Zuzusehen, wie sie versuchten, die Rätsel des Alltags zu lösen, ließ sie selbst die Welt wie neu wahrnehmen, eben wie durch die Augen eines Kindes. Sie freute sich auf den Tag, wenn sie begänne, die Welt mit ihren eigenen Augen neu zu entdecken.

Mrs Montaigne gab Jackie das Tütchen, damit die es sich genauer ansehen konnte, und Lana begann unwillkürlich mit einer Erklärung, wie die besten Mischungen Schönheit mit Dauerhaftigkeit und Vielseitigkeit ins Gleichgewicht brachten. Aber Karin hatte sie gebeten, nicht zu viele Geheimnisse zu verraten. Sie schützten ihre Anteile genauso wie die Hersteller von Pepsi und Coke ihre Rezepte.

»Okay, okay, Sie haben mich überzeugt!«, rief Mrs Montaigne lachend. »Wenn Sie über Blumen reden, ist es so, als wenn die Kleine hier von Cartoons erzählt. Es hört einfach nicht auf!«

Jackie errötete ein wenig und Lana dachte bei sich, dass es lustig sein würde, das kleine Mädchen mal ein wenig reden zu hören. Aber es schwieg weiter, während sie zurück zur Kasse gingen.

»Ich habe gestern Abend Ihren Freund gesehen«, sagte Mrs Montaigne und zwinkerte Lana verschwörerisch zu.

»Oh, wirklich? Ich war mit ihm essen, es war mein Geburtstag. Wussten Sie, dass ich neunundzwanzig geworden bin? Es war ganz toll. Rosen, Kerzenlicht, und er hat mir sogar mitten im Restaurant ein Ständchen gebracht. Alle haben geguckt. Es war sehr lustig.«

»Nein, das verstehe ich nicht.« Sie runzelte die Stirn und Fältchen gruben sich um ihren Mund herum in das Gesicht. »Ich habe ihn vor dem College gesehen. Er hatte einen Koffer dabei. Als käme er von einer Reise zurück.«

Lana lachte. »Oh, Sie meinen Eli. Der ist nicht mein Freund – also, nicht auf diese Weise.«

»Aber warum nicht?«

Lana lachte wieder, fragte sich aber doch insgeheim, ob Mrs Montaigne sie hatte reinlegen wollen. Die Frage war ihr schon hundertmal gestellt worden – vielleicht auch tausendmal. Und dennoch war es ihr nie gelungen, eine Antwort zu formulieren, die irgendwer verstand. »Eli und ich sind bloß gute Freunde.«

»Aber ich sehe Sie doch dauernd mit ihm flirten.«

»Ich lache mit ihm gemeinsam. Wir haben Spaß zusammen. Das ist etwas anderes.«

»Aber ich sehe, wie er sie anschaut. Sie können mir nicht erzählen, dass das keine Liebe ist.«

»Es ist schon Liebe. Platonische Liebe. Unter Freunden.«

»Wenn Sie meinen, meine Liebe.«

Um das Thema zu wechseln, beugte sich Lana zu Jackie herunter und fragte, wie ihre Puppe hieß, und ob sie eine Blume pflücken wollte, um sie mit nach Hause zu nehmen. Sie redete gern mit Leuten – über Blumen, über den Laden, über Burlington und die Umgegend, darüber, was im Leben ihrer Kunden so los war. Aber Eli war kein gutes Thema – es war, als gehörte er nur ihr allein, als wollte sie das Vergnügen unter keinen Umständen teilen.

»Sag schön auf Wiedersehen zu Miss Lana, Jackie«, forderte Mrs Montaigne ihre Nichte auf, nachdem sie gezahlt hatte.

Jackie nahm ihre Faust aus dem Mund und winkte Lana mit feuchten Fingern zu. Lana beugte sich zu ihr herunter und lächelte. »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, heute kannst du mich auch mal umarmen, meinst du nicht, Süße?«

Das Mädchen grinste, es freute sich augenblicklich – als hätte es bloß auf die Erlaubnis gewartet, die Arme um Lanas Hals zu schlingen. Dann richtete Lana sich wieder auf, verabschiedete sich von Mrs Montaigne, und lehnte sich an den Tresen. Sie schaute auf die Uhr und fragte sich, was Eli und sie heute Abend tun würden – ob sie bei ihrem kleinen Lieblingsmexikaner essen würden, oder vielleicht am See spazieren gehen.

Irgendwann, nachdem er letzte Nacht gegangen war, war sein Meteoriten-Anhänger das Einzige gewesen, was sie noch trug. Ron hatte ihn gepackt und so fest daran gezogen, dass sie fürchtete, die Kette würde reißen.

»Ist er dein Lover?«, hatte er wissen wollen. »War er es je?«

Lana hatte ihm die Wahrheit gesagt. Dann hatte sie die Kette abgenommen und versucht, nicht mehr an ihren besten Freund zu denken. Unglücklicherweise hatte das Wissen, dass Eli in der Nähe war, sie ihn aber nicht sehen konnte, sie abgelenkt und zur falschen Zeit verunsichert. Sie dachte in letzter Zeit sehr viel an ihn, so viel, dass es sie fast nervte. Die Lösung war jedoch einfach: Sie musste ihn bloß sehen. Das war alles.

Sie zählte die Stunden, bis ihre Schicht zu Ende ging, schwebte von Augenblick zu Augenblick. Und kaum war der Laden geschlossen, wählte sie Elis Handynummer. Sie freute sich darauf, seine Stimme zu hören. Sie rieb ihre neue Kette zwischen zwei Fingern, bis er endlich ranging.

»Was hast du heute Abend vor?«, fragte sie. Er war ungewöhnlich still.

»Warum?«

Warum? Eli fragte nicht warum. Ein besorgter Stich ließ sie das Telefon fester umklammern. »Ich wollte bloß wissen, ob du Lust hast, mit mir etwas zu unternehmen.«

»Oh.« Wieder eine lange, schreckliche Pause. »Tut mir leid. Ich kann nicht.«

»Nein?«

»Ich habe schon etwas vor.«

Sie antwortete so schnell sie konnte in dem verzweifelten Bemühen, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Okay. Kein Problem. Ich melde mich ein andermal bei dir.«

Als sie auflegte, schlug ihr Herz panisch, als wäre es auf zu geringem Raum gefangen. Sie hatte ihre ganze Woche um Elis Rückkehr herum geplant. Sie hätte sogar ihre Verabredung gestern abgesagt, wenn sie gewusst hätte, dass er früher kam. Sie wäre davon ausgegangen, dass Eli dasselbe getan hätte, wären die Rollen vertauscht gewesen. Aber jetzt fürchtete sie, dass sich etwas verändert hatte, dass ihre Freundschaft in den Monaten, die er weg gewesen war, vielleicht gelitten hatte.

Sie zog die Jacke an, nahm ihre Handtasche und versuchte, sich zu beruhigen. Es war lächerlich, sie reagierte vollkommen übertrieben. Sie würde Eli früher oder später sehen. Und dann würden sie weitermachen, wo sie aufgehört hatten. Alles wäre wieder ganz normal. Es brauchte bloß seine Zeit.

JUNI

FRAUENSCHUH: DIESE WILDE ORCHIDEE KANN SICH NORMALERWEISE NICHT OHNE FREMDE HILFE FORTPFLANZEN. DER BODEN MUSS DEN PERFEKTEN PH-WERT AUFWEISEN UND EINEN SPEZIELLEN PILZ BEINHALTEN, DER DIE HARTE ÄUSSERE SCHALE DER SAMEN AUFLÖST. Es KANN BIS ZU VIER JAHRE DAUERN, BIS SICH EIN FRAUENSCHUH VOLL DAVON ERHOLT HAT, EINE EINZIGE BLÜTE ZU BILDEN.

5. Juni

Irgendwer im Naturkundemuseum hatte die Klimaanlage auf Eiszeit gestellt. Eli in seiner Khakihose und dem dunkelblauen Poloshirt fand das nicht unangenehm, aber seine Begleiterin Kelly hatte ihren winzigen rosa Sweater so fest über der Brust zusammengezogen, dass es aussah wie Frischhaltefolie, und sie rieb sich wie verrückt die Oberarme, um warm zu bleiben. Sie war übermäßig underdressed – ihr kurzer schwarzer Rock reichte nur bis knapp über die Knie, ihre kleinen Zehen guckten aus hochhackigen Riemchenschuhen, und ihr walnussfarbenes Haar war zu einem Knoten hochgesteckt, der die Gänsehaut auf ihrem Nacken erkennen ließ. Ganz offensichtlich hatte sie sich etwas anderes vorgestellt als ein Date im Naturkundemuseum – wo auch noch haufenweise Kinder mit Blinkturnschuhen und erdnussbutterverschmierten Gesichtern herumliefen. Aber als Eli sie abgeholt und ihr erzählt hatte, was er vorhatte, hatte sie behauptet, die Idee ganz toll zu finden. Inzwischen war klar, dass sie nur höflich hatte sein wollen.

Er versuchte, das Beste aus dem Nachmittag zu machen, indem er ihr interessante Sachen über das Universum erzählte. Der Lehrer in ihm hoffte, auf diese Weise ihr Interesse wachzukitzeln.

»Und das hier«, verkündete er vor einem bunten Bild an der Wand, »ist eine Aufnahme von Hubble. Es wird der Schlüssellochnebel genannt.« Er schaute sie an und wartete auf ihre Reaktion, während sie die roten, blauen und grünen Wirbel betrachtete. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos, als wäre sie eine Studentin in der Einführungsklasse zum Astronomieseminar. Er versuchte, sie anders zu erreichen. »Was siehst du?«

Sie runzelte die Stirn.

Er versuchte es erneut. »Wie sieht es für dich aus?«

»Es sieht aus wie ...« Sie beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. »Wie Nebel eben.«

Er lachte. Lana und er hatten dieses Spiel hundertmal gespielt, wie Kinder, die Wolkentiere am Himmel suchten. Aber Lana und er waren eben auch nicht ganz normal, also ließ er Kelly in Frieden. »Na ja, jemand anders hat mal das hier gesehen.« Er fuhr mit dem Finger über das Bild. »Den Mittelfinger Gottes.«

»Warum nennen sie es so?«

»Weil die Nebel geformt sind wie Gottes Mittelfinger.«

»Wenn du meinst ...«, sagte sie.

Eli rieb sich nervös den Nacken. Frauen kennenzulernen war ihm immer leicht gefallen. Sein Gesicht half – nicht markig, aber freundlich und nett, mit hoher Stirn und einem kräftigen Kinn. Am Tag nach Lanas Geburtstag – der schrecklichsten Nacht seit Jahren – hatte er in einer Bar in der Stadt erfolgreich Kellys Nummer eingesackt. Aber drei Dates später hatten die üblichen Probleme angefangen.

Er fand romantisch zu sein anstrengend – grandiose Gesten, übertriebene Liebesgedichte, schmalzige Balladen, schweres Parfüm. Er bevorzugte »einfach man selber bleiben«. Aber genau deswegen war er vermutlich Single – und sah sich zudem Lanas »Lass uns Freunde bleiben«-Position ausgesetzt.

Kelly war ein paar Meter weiter gegangen und stand jetzt vor einem zwei Meter fünfzig breiten Foto vom Mars, das sie wie einen Zwerg aussehen ließ. Er trat leise neben sie. Sie rieb ihre fast nackten Beine aneinander in dem sinnlosen Bemühen, sich zu wärmen.

Er seufzte. »Hör mal. Sollen wir gehen?«

»Ja«, sagte sie. »Sehr gerne.«

Später, nach einem ordentlichen Steak in einem ordentlichen Restaurant, standen sie vor der Hintertür zu ihrer Wohnung, weit weg von den chicen Ziegelgebäuden in der Stadt. Er konnte aus einem nahen Wohnzimmer Fernsehwerbespots hören, davon abgesehen war die Straße still und dunkel.

»Ich fand es nett«, behauptete Kelly.

Die letzten beiden Male, die sie vor dieser Tür gestanden hatten, hatte Eli sie geküsst – nicht wirklich, es war eher eine höfliche Berührung ihrer beider Lippen gewesen. Jetzt war der Augenblick gekommen, sie entweder richtig zu küssen oder die Sache sein zu lassen.

Er zögerte. »Tut mir leid wegen des Museums.«

»Muss es nicht«, sagte sie. »Ich möchte gern Sachen machen, die dir Spaß machen.«

Oh, Mann. Sie würde ihn nach oben bitten. Gleich. Er räusperte sich, er war ein wenig nervös. Er war ganz schön aus der Übung mit Frauen. Aber genau deswegen war er hier, rief er sich in Erinnerung. Deswegen ging er aus. Er konnte nicht erwarten, sich sofort wieder wohl mit solchen Situationen zu fühlen.

Kelly lächelte, ihre Lippen glänzten, öffneten sich, warteten auf seine.

Denk nicht an sie, warnte er sich. Nicht.

Ewig lange hatte er geglaubt, die beste Möglichkeit, eine Beziehung zu Lana zu unterhalten, wäre als ihr Freund. Sie hatte die Vorstellung zurückgewiesen, dass aus ihnen mehr werden könnte, und mit der Zeit hatte er sich einverstanden erklärt. Freundschaft hieß, dass ihm alles blieb, was er am meisten an Lana schätzte, aber er konnte die Verantwortung, ihr Lover zu sein, umgehen. Lange Zeit war er damit glücklich gewesen.

Zumindest hatte er das geglaubt.