Is Justified True Belief Knowledge? Ist gerechtfertigte, wahre Überzeugung Wissen?

Cover

Über dieses Buch

Edmund Gettier musste in den 1960er Jahren eine Veröffentlichung vorlegen, um seinen Arbeitsplatz als Philosophiedozent sicher behalten zu dürfen: Er schrieb daraufhin einen kurzen Artikel, der bis heute zu den am meisten diskutierten philosophischen Aufsätzen überhaupt gehört. Darin erschüttert Gettier die These, Wissen sei gerechtfertigte, wahre Überzeugung.

Der Band bietet den Originaltext, eine neue Übersetzung sowie einen Kommentar, der den Argumentationsgang und den Fortgang der Diskussion rekonstruiert und die Rolle verdeutlicht, die dieser Text bis heute spielt.

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Die E-Books des Reclam Verlags verwenden entsprechend der jeweiligen Buchausgabe Sperrungen zur Hervorhebung von Textpassagen. Diese Textauszeichnung wird nicht von allen Readern unterstützt.

Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.

Fußnoten

Plato seems to be considering some such definition at Theaetetus 201, and perhaps accepting one at Meno 98.

Roderick M. Chisholm, Perceiving: a Philosophical Study, Cornell University Press (Ithaca, New York, 1957), p. 16.

A. J. Ayer, The Problem of Knowledge, Macmillan (London, 1956), p. 34.

Platon scheint eine solche Definition im Theätet (201) zu erwägen und im Menon (98) eventuell sogar zu akzeptieren.

Roderick M. Chisholm, Perceiving: a Philosophical Study, Cornell University Press (Ithaca, New York, 1957), S. 16.

A. J. Ayer, The Problem of Knowledge, Macmillan (London, 1956), S. 34.

Es handelt sich um die Wayne State University in Detroit. Ende der 1960er Jahre ging Gettier dann an die University of Massachusetts in Amherst, wo er bis zu seiner Emeritierung lehrte.

Manches davon belegen Schilderungen von Gettiers Kollegen; siehe Austin (1988) und Sleigh (1988). Beide betonen überdies den Eifer, die Expertise und die begriffliche Klarheit, die Gettier in philosophischen Diskussionen an den Tag legte und von denen sein Umfeld enorm profitierte. Siehe auch Plantinga (1985), S. 2229, für eine Schilderung des akademischen Lebens am Philosophie-Institut der Wayne State University zu Zeiten Gettiers.

Gettier (1965). Es handelt sich um einen veritablen Verriss.

Austin (1988), S. XII.

Der Begriff der explikativen Definition ist angelehnt an Carnaps Begriff der Explikation; siehe Carnap (1950), S. 3.

Die Faktivität von Wissen wird von so gut wie niemandem bestritten. Eine Ausnahme ist Hazlett (2010).

Siehe Radford (1966).

Siehe Stoltz (2007).

Boh (1993), S. 114.

Russell (1948), S. 154.

Scheffler (1965), S. 112.

Zagzebski (1994), S. 69.

Brendel (2013a), S. 51.

Siehe z. B. Unger (1968), Zagzebski (1994) und Pritchard (2005, 2015). Der beschriebene Zusammenhang zwischen Wissen und Zufall wird häufig auch als Anti-Zufallsbedingung für Wissen bezeichnet. Zu beachten ist, dass nicht jede Art von Zufall mit Wissen unvereinbar ist; es muss sich um veridisch epistemischen Zufall handeln. Dieser liegt dann vor, wenn die Wahrheit einer Überzeugung aufgrund zufälliger Umstände zustande kommt. Für eine Zurückweisung der These, dass epistemischer Zufall ein wesentliches Charakteristikum von Gettierfällen ist, siehe Stone (2013).

Williamson (2007), S. 181.

Goldman (1976), S. 772 f. Goldman berichtet, dieses Beispiel gehe auf Ginet zurück. Ginet selbst diskutiert es allerdings erst in Ginet (1988).

Pritchard würde diesen Sachverhalt leicht anders beschreiben: Ihm zufolge befindet Barney sich, auch wenn er tatsächlich eine Scheune sieht, in einer »feindlichen« Umgebung, in der seine gewonnene Überzeugung aufgrund der vielen Scheunenfassaden in der Gegend nur zufälligerweise wahr ist. Die Tatsache, dass Barney in dieser Umgebung nicht vom Scheunen-Schein auf das Scheunen-Sein schließen kann, sorgt laut Pritchard dafür, dass seine Überzeugung, eine Scheune vor sich zu haben, kein Wissen darstellt; siehe Pritchard (2015), S. 105.

Keil (2013), S. 114.

Keil (2013), S. 114.

Manche Autoren verwenden den Begriff allerdings leicht abweichend, etwa als Bezeichnung für das Problem, eine überzeugende Wissensdefinition zu finden, wie auch immer diese aussehen mag.

Weatherson (2003), S. 8 f.

Weatherson (2003), S. 10.

Siehe Hetherington (2001).

Siehe z. B. Weinberg/Nichols/Stich (2001) und Starmans/Friedman (2012).

Siehe z. B. Turri (2013).

Siehe z. B. Deutsch (2009, 2010).

Wittgenstein zufolge besteht die Bedeutung eines Ausdrucks in vielen Fällen in seinem Gebrauch in der Sprache, und da dieser Gebrauch so mannigfaltig ist, ist evident, dass sich die so verstandene Bedeutung nicht in einer Definition einfangen lässt; siehe Wittgenstein (1984), bes. § 43.

Lycan (2006), S. 161, sowie Tolksdorf (2013), S. 203, Anm. 6.

Siehe Williamson (2000).

Williamson (2000), S. 46, führt diese Definition als Beispiel an, ohne sie allerdings zu vertreten. Siehe außerdem Bird (2007) und Sutton (2007) für Ideen, wie man Rechtfertigung unter Rückgriff auf Wissen definieren könnte.

Williamson (2000), S. 125 f.

Streng genommen bieten modale Erkenntnistheorien XÜ-Analysen, da die Wahrheit der Überzeugung hier keine unabhängige Bedingung für Wissen mehr darstellt. Da die Wahrheit der Überzeugung jedoch meistens trotzdem als einzelne Bedingung aufgeführt wird, zählen wir diese Theorien auch zu den XWÜ-Analysen.

Siehe Clark (1963).

Lehrer (1965), S. 169171.

Harman (1973), S. 47.

Lycan (2006), S. 156.

Eine Weiterentwicklung der Kein-falsches-Lemma-Analyse ist die sogenannte Unanfechtbarkeitsanalyse, der zufolge (mittelbares) Wissen gerechtfertigte, wahre Überzeugung ist, die nicht durch den eventuellen Erhalt zusätzlicher Informationen unterminiert würde; siehe Lehrer/Paxson (1969).

Siehe BonJour (1980).

Siehe Goldman (1976), S. 790.

Siehe Goldman (1967).

Siehe Goldman (1976).

Siehe Goldmann (1976).

Keil (2013), S. 130.

Tugenderkenntnistheoretische Ansätze werden z. B. beschrieben und vertreten von Code (1987), Sosa (1991), Zagzebski (1996), Lehrer (2000), Riggs (2002), Greco (2007, 2010, 2012) und Turri (2011).

Greco (2012), S. 1 f.

Greco (2010), S. 12.

Greco (2010), S. 10.

Siehe Greco (2010), S. 77. Statt von »ähnlichen möglichen Welten« spricht Greco, wie einige andere Autoren auch, von »nahen möglichen Welten«, meint damit aber offensichtlich dasselbe.

Pritchard (2017), S. 61.

Greco (2010), S. 12, 74.

Oder er muss, wie Koppelberg (2013), S. 167, Barney Wissen zusprechen.

Greco (2010), S. 76.

Siehe Lackey (2007, 2009).

Siehe z. B. Riggs (2009).

Siehe Greco (2007).

Lackey (2009), S. 31.

Pritchard (2007), S. 281 (Übers. d. Hrsg.).

Nozick (1981), S. 172185. Eine wahrheitsnachspürende Wissensanalyse wird außerdem vertreten von DeRose (1995) und Heller (1999).

Eine Sensitivitätsbedingung findet sich (unter anderem Namen) bereits in Dretske (1971).

Die Folgerungsbeziehung gilt zumindest, wenn man wie Nozick (3-W) im Sinne der Standardanalyse für solche Konditionale versteht.

Die Standardanalyse kontrafaktischer Konditionale geht zurück auf Lewis (1973) und Stalnaker (1978).

Nozick (1981), S. 178.

Nozick (1981), S. 179.

Nozick (1981), S. 197211.

In anderen mutmaßlichen Fällen von Nichtwissen, etwa SCHEUNENFASSADEN, ist (4-W) erfüllt, (3-W) jedoch nicht.

Die Idee hierzu findet sich zuerst in Sosa (1996) und in Sainsbury (1997), die Bezeichnung »safety« erstmals in Sosa (1999). Vertreten werden sicherheitsbasierte Wissensanalysen prominenterweise zudem in Williamson (2000) und Pritchard (2005, 2007, 2009, 2012, 2015, 2017). Williamson vertritt dabei zwar die Auffassung, dass die epistemische Sicherheit einer Überzeugung notwendig für Wissen sei, betrachtet die Sicherheitsbedingung allerdings nicht als Bestandteil einer Begriffsanalyse von Wissen. Pritchard vertritt, wie wir noch sehen werden, eine Antizufalls-Tugenderkenntnistheorie, in der epistemische Sicherheit als notwendige Bedingung für Wissen vorkommt.

Die Sicherheitsbedingung ist nichts anderes als die sogenannte kontraponierte Form der Sensitivitätsbedingung. Während bei normalen Konditionalen die kontraponierte Form zur ursprünglichen Form äquivalent ist, gilt dies bei kontrafaktischen Konditionalen im Allgemeinen nicht; siehe Sosa (1999), S. 149 f., Anm. 1.

Siehe auch Pritchard (2007). Einen guten Überblick über verschiedene Versionen der Sicherheitsbedingung bietet Grundmann (2018).

Sosa (1999), S. 147.

Für Argumente gegen die Notwendigkeit von (3-S) für Wissen siehe Neta und Rohrbaugh (2004); für Verteidigungen gegen diese Kritik siehe Grundmann (2018), S. 10 f. und Brendel (2013a), S. 61.

Brendel (2013a), S. 63.

Pritchard (2009), S. 34, Brendel (2013b), S. 6569, und Grundmann (2018), S. 6, 23.

Wir formulieren diese Lesart der Sicherheitsbedingung hier in ihrer stärksten Form. Manchmal wird sie auch auf Propositionen beschränkt, die inhaltlich eng mit p zusammenhängen. Grundmann zeigt jedoch, dass diese Form der Sicherheitsbedingung immer noch zu schwach ist, siehe Grundmann (2018), S. 5 f.

Freitag (2014), S. 55, Anm. 23.

Siehe auch Pritchard (2009), S. 40 f.

Brendel (2013a), S. 64 f.

Pritchard (2017), S. 64 (Übers. d. Hrsg.).

Siehe Freitag (2013a), S. 97 f., sowie für strukturgleiche Fälle Lackey (2006).

Siehe Freitag (2013a, 2013b) und Smith (2016).

Freitag (2013a), S. 102. In Freitag (2013b), S. 7886, wird auch inferenzielles Wissen besprochen. Wir werden hier jedoch nicht auf diesen komplizierteren Fall eingehen.

Freitag (2013a), S. 102.

Freitag (2013b), S. 7275.

Endnoten

Auf folgende Textstellen bei Platon bezieht Gettier sich in seiner ersten Anmerkung:

Platon, Menon (97c–98b): »Sokrates. […] Wer immer eine richtige Meinung hat, der sollte doch wohl auch immer das Richtige treffen, solange er ja das Richtige meint?

Menon. Das scheint zwingend so. Aber wenn das so ist, dann wundere ich mich darüber, daß Wissen viel schätzenswerter ist als richtige Meinung, und ich frage mich, worin das eine von dem anderen verschieden ist.

Sokrates. Weißt du, warum du dich wunderst, oder soll ich es dir sagen?

Menon. Sag es mir doch.

Sokrates. Du hast nicht auf die Statuen des Dädalus geachtet, vielleicht gibt es bei euch auch keine.

Menon. Wozu erwähnst du das?

Sokrates. Weil die auch davonlaufen und entwischen, wenn man sie nicht anbindet; wenn man es tut, bleiben sie stehen.

Menon. Was soll das denn?

Sokrates. Es hat kaum Wert, eines von seinen Werken zu erwerben, das nicht angebunden ist, genausowenig wie einen Sklaven, der ausreißt, es bleibt nämlich nicht. Angebunden ist es allerdings viel wert. Die Werke sind nämlich wirklich schön. Wozu ich das erwähne? Im Hinblick auf die wahren Meinungen: Denn auch die wahren Meinungen sind eine schöne Sache und bewirken Gutes, solange sie bleiben. Lange Zeit wollen sie aber nicht bleiben, sondern entwischen aus der Seele des Menschen, so daß sie nicht viel wert sind, bis sie jemand anbindet durch eine begründete Argumentation. Das aber ist die Wiedererinnerung, wie wir im vorangegangenen Gespräch übereingekommen sind. Wenn die Meinungen dann gebunden sind, werden sie erstens Erkenntnisse, zweitens bleibend. Deshalb ist Wissen wertvoller als richtige Meinung, und durch das Anbinden unterscheidet sich Wissen von richtiger Meinung.

Menon. Ja, beim Zeus, irgendwie so scheint’s mir zu sein.

Sokrates. Mir auch irgendwie. Ich sage das zwar, obwohl ich es auch nicht sicher weiß, sondern nur vermute. Daß richtige Meinung aber etwas anderes ist als Wissen, das glaube ich bestimmt nicht nur zu vermuten; wenn ich behaupten kann, irgend etwas zu wissen – wenig ist es nur –, dann würde ich auch dieses zu den Dingen zählen, die ich weiß.

Menon. Ganz richtig.« (Zit. nach der Übers. von Margarita Kranz. Stuttgart 1994, S. 85, 87.)

 

Platon, Theätet (201d–202c): »Theätet. Was ich schon einmal, Sokrates, jemanden habe sagen hören, kommt mir jetzt wieder in den Sinn. Er sagte nämlich, wahre Meinung verbunden mit Erklärung sei Wissen, die ohne Erklärung aber läge außerhalb des Wissens. Und wovon es keine Erklärung gebe, das sei, wie er sich ausdrückte, nicht wißbar, wovon es aber eine gebe, das sei wißbar.

Sokrates. Das ist schön gesagt. Sage uns aber noch, wie er dieses Wißbare und Nichwißbare unterschieden hat, damit wir sehen, ob du und ich es in derselben Weise aufgefaßt haben.

Theätet. Ich weiß nicht, ob ich es wiederholen kann. Wenn es aber ein anderer vorträgt, glaube ich, könnte ich wohl folgen.

Sokrates. Dann höre dir also meinen Traum für deinen an. Ich glaube nämlich von einigen gehört zu haben, was man etwa Elemente nennen könnte, aus denen wir und alles übrige zusammengesetzt sind, das habe keine Erklärung. Jedes Einzelne sei nämlich nur für sich allein benennbar, ohne daß man etwas anderes von ihm aussagen könne, etwa daß es ›ist‹ oder ›nicht ist‹. Denn dann würde ihm ja das Sein und das Nichtsein hinzugefügt werden, obwohl man ihm nichts beilegen dürfe, wenn man es nur als es selbst benennen dürfe. Ja, man dürfe nicht einmal dieses ›selbst‹ noch das ›jenes‹, noch ›jedes‹, noch ›allein‹, noch auch ›dieses‹ hinzufügen noch vieles andere dergleichen. Denn diese Ausdrücke trieben sich überall umher und würden allen anderen beigelegt, wobei sie von dem verschieden seien, dem sie beigefügt werden. Das Element aber müsse, falls man es könnte und eine eigentümliche Benennung besäße, ohne alle anderen Ausdrücke benannt werden. Nun sei es allerdings unmöglich, irgendeinen dieser ersten Bestandteile in einer Erklärung auszudrücken. Es gebe nämlich dafür nichts anderes als bloße Benennung, weil sie eben nur einen Namen haben. Das daraus Zusammengesetzte aber sei selbst schon eine Verknüpfung, und ebenso seien auch ihre Benennungen miteinander verknüpft und zur Erklärung geworden. Denn die Erklärung sei wesentlich eine Verknüpfung von Benennungen. Auf diese Weise seien also die Elemente unerklärbar und unerkennbar, wohl aber wahrnehmbar. Die Verbindungen dagegen seien erkennbar, aussagbar und durch wahre Meinungen vorstellbar. Wer also ohne Erklärung die wahre Meinung von etwas erfasse, dessen Seele sei zwar im Besitz der Wahrheit, wisse aber nichts. Denn wer hierüber nicht Rede und Antwort stehen könne, habe kein Wissen. Wenn er aber die Erklärung hinzunehme, sei er zu alledem fähig geworden und habe einen vollkommenen Besitz des Wissens. Hast du deinen Traum auch so verstanden oder anders?

Theätet. Ganz genauso.

Sokrates. Bist du also damit zufrieden, und nimmst du an, daß wahre Meinung verbunden mit Erklärung Wissen sei?

Theätet. Sicher«. (Zit. nach der Übers. von Ekkehard Mattens, Stuttgart 1981, S. 193, 195, 197.)

Gettier verweist in seiner zweiten Anmerkung auf Chisholm (1957), S. 15 f.: »A definition of knowing that should be adequate, moreover, to the distinction between knowing and believing truly. If I now predict the winner on the basis of what the tea leaves say, then, even though my prediction may be true, I cannot now be said to know that it is true. […] The following, then, will be our definition of ›know‹:

(6) ›S knows that h is true‹ means: (i) S accepts h; (ii) S has adequate evidence for h; and (iii) h is true.

[…] If a man knows, say, that the hall has been painted, then, according to our definition, he accepts the hypothesis that it has been painted, he has adequate evidence for this hypothesis, and, finally, the hall has been painted.«

Im Zusammenhang mit Gettiers dritter Anmerkung sind folgende Textstellen von Ayer (1956), S. 3135, interessant