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Die Autorinnen

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Prof. Dr. Christa Büker, Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin. 2010 bis 2015 Professorin für Pflegewissenschaft an der Hochschule München, seit 2015 an der Fachhochschule Bielefeld; jeweils Leitung grundständiger Bachelor-Pflegestudiengänge. Schwerpunkte in der Lehre: Ambulante Pflege, Multiprofessionelle Versorgungsgestaltung, Edukative Aktivitäten in der Pflege. Forschungsschwerpunkte im Bereich der Bildungsforschung (Entwicklung pflegebezogener Masterstudiengänge) und Versorgungsforschung (Familien mit einem pflegebedürftigen Kind, Case Management). Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V.

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Prof. Dr. Julia Lademann, seit 10 Jahren Professorin für Pflegewissenschaft, zunächst an der Hochschule München, seit 2013 an der Frankfurt University of Applied Sciences. An beiden Hochschulen Entwicklung und Leitung grundständiger Bachelor-Pflegestudiengänge. Die Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind Professionalisierung und Akademisierung der Pflegeberufe, Pflege und Familie (pflegende Angehörige, ambulante Schwerstkrankenpflege), Gesundheitswissenschaften (Gesundheitsförderung und Prävention) sowie qualitative Gesundheits- und Pflegeforschung. Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V. (DGP) und Mitherausgeberin der Fachzeitschrift »Pflege & Gesellschaft«.

Christa Büker/Julia Lademann

Beziehungsgestaltung in der Pflege

Verlag W. Kohlhammer

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Piktogramme

 

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Praxisbeispiel

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Zielsetzung

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Lernaufgaben

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Reflexionsaufgaben

 

1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-032113-7

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-032114-4

epub:   ISBN 978-3-17-032115-1

mobi:   ISBN 978-3-17-032116-8

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Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Vorwort der Reihenherausgeberinnen
  2. Einleitung
  3. 1 Die Pflegebeziehung – Begriff, Besonderheiten, Bedeutung
  4. Christa Büker
  5. 1.1 Beziehung als immanenter Bestandteil professioneller Pflege
  6. 1.2 Beziehungsbegriff
  7. 1.3 Merkmale und Besonderheiten der Pflegebeziehung
  8. 1.3.1 Körpernähe der Pflegebeziehung
  9. 1.3.2 Konfrontation mit existentiellen Situationen
  10. 1.3.3 Asymmetrie der Beziehung
  11. 1.3.4 Verschränkung mit der Lebenswelt von Patienten
  12. 1.4 Risiken und Spannungsfelder in der Pflegebeziehung
  13. 1.5 Bedeutung der Pflegebeziehung
  14. 1.5.1 Bedeutung der Pflegebeziehung für Menschen mit Pflegebedarf
  15. 1.5.2 Die Pflegebeziehung aus Sicht der Pflegenden
  16. 1.6 Bündnisbeziehung als Grundlage der Pflegebeziehung
  17. 1.7 Fazit
  18. Literatur
  19. 2 Pflegebeziehung gestern und heute
  20. Julia Lademann
  21. 2.1 Wandel von pflegerischem Berufsbild und Patientenrolle
  22. 2.1.1 Historisch geprägtes Berufsbild Pflege
  23. 2.1.2 Pflegebedürftige, Patient, Klientin, Nutzer, Kundin
  24. 2.2 Zwischen Aufopferung und professioneller Dienstleistung
  25. 2.2.1 Helfersyndrom und gesellschaftlich-berufliche Rahmenbedingungen
  26. 2.2.2 Gefühlsarbeit, Emotionsarbeit und Empathie
  27. 2.2.3 Wege zur professionellen Arbeit mit Gefühlen
  28. 2.3 Fazit
  29. Literatur
  30. 3 Theoretische Grundlagen von Kommunikation und Interaktion
  31. Julia Lademann
  32. 3.1 Kommunikationsmodelle
  33. 3.1.1 Das Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation (Watzlawick)
  34. 3.1.2 Das Vier-Seiten-Modell der Kommunikation (Schulz von Thun)
  35. 3.1.3 Transaktionsanalyse (Berne)
  36. 3.1.4 Wertschätzende und auf Empathie basierende Kommunikationskonzepte
  37. 3.2 Pflegewissenschaftliche Interaktionstheorien
  38. 3.2.1 Peplau: Interpersonale Beziehungen in der Pflege
  39. 3.2.2 Orlando: Die lebendige Beziehung zwischen Pflegenden und Patienten
  40. 3.2.3 Travelbee: Interpersonale Aspekte der Pflege
  41. 3.3 Körper und Leib in Interaktion und Kommunikation
  42. 3.3.1 Embodied Communication
  43. 3.3.2 Leibphänomenologie in der Pflege
  44. 3.4 Aktuelle pflegewissenschaftlich fundierte Ansätze
  45. 3.4.1 Kritisch-emanzipatorischer Ansatz (Friesacher)
  46. 3.4.2 Kommunikative Kompetenz in der Pflege (Darmann-Finck, Muths & Partsch)
  47. 3.4.3 Personenbezogene und beziehungsbasierte Pflegeorganisationssysteme
  48. 3.5 Fazit
  49. Literatur
  50. 4 Gestaltungselemente einer professionellen Pflegebeziehung
  51. Christa Büker
  52. 4.1 Ethisch-reflexive und patientenorientierte Grundhaltung
  53. 4.2 Umgang mit Nähe und Distanz
  54. 4.3 Professionelle Kommunikation
  55. 4.4 Bewusste Gestaltung von Körperkontakten
  56. 4.5 Realistische Erwartungen an die Pflege-Patienten-Beziehung
  57. 4.6 Bewusstsein der Grenzen der Pflegebeziehung
  58. 4.7 Fazit
  59. Literatur
  60. 5 Pflegebeziehung mit spezifischen Zielgruppen
  61. Christa Büker
  62. 5.1 Menschen mit einer dementiellen Erkrankung
  63. 5.2 Menschen mit psychischen Störungen
  64. 5.3 Menschen in der letzten Lebensphase
  65. 5.4 Patienten in der Isolierung
  66. 5.5 Beziehungsgestaltung bei Stigmatisierungsgefahr
  67. 5.6 Menschen mit starker Beeinträchtigung der Wahrnehmung
  68. 5.7 Beziehungsgestaltung mit Angehörigen
  69. 5.8 Fazit
  70. Literatur
  71. 6 Voraussetzungen effektiver Beziehungsgestaltung in der Pflege
  72. Julia Lademann
  73. 6.1 Professionelles Berufsverständnis und Berufsethik
  74. 6.2 Pflegewissenschaftlich fundierte Beziehungskonzepte
  75. 6.3 Pflegerische Kompetenzentwicklung
  76. 6.4 Rahmenbedingungen von Pflege in Gesellschaft und Institution
  77. 6.5 Fazit
  78. Literatur
  79. Register

Vorwort der Reihenherausgeberinnen

 

 

 

Seit etwa zehn Jahren besteht in Deutschland im Rahmen von Modellvorhaben die Möglichkeit, eine Ausbildung in einem Pflegeberuf auf Hochschulniveau abzuschließen. Gleichzeitig kann ein akademischer Abschluss erworben werden. Seitdem haben sich an zahlreichen Studienorten sogenannte primärqualifizierende Studiengänge etabliert. In dem im Jahr 2017 verabschiedeten Pflegeberufereformgesetz wurde nun (ergänzend zur fachberuflichen Pflegeausbildung) eine bundesgesetzliche Grundlage für eine primärqualifizierende hochschulische Pflegeausbildung geschaffen. Damit ist die Option einer hochschulisch fundierten pflegerischen Qualifikation gemäß internationaler Gepflogenheiten auch für Deutschland gesetzlich festgeschrieben. Mit der Akademisierung der Erstausbildung soll einerseits den steigenden Anforderungen in der pflegerischen Versorgung entsprochen werden und andererseits die Attraktivität des Pflegeberufs erhöht werden.

Bislang liegt eine Lehrbuchreihe zur hochschulischen Erstausbildung in der Pflege in Deutschland nicht vor – diese Lücke wird nun geschlossen. Die Curricula der bisherigen Studiengänge sind recht heterogen. Dennoch gibt es eine Reihe an Themen, welche hochschulübergreifend gelehrt werden und im Rahmen dieser Buchreihe behandelt werden. Im Zentrum stehen Themenfelder, die von grundlegender Bedeutung für Studium und Beruf sind. Dazu zählen beispielsweise »Pflege als Beruf«, »Beziehungsgestaltung in der Pflege«, »Evidenzbasierte Pflege«, »Pflegewissenschaft und -forschung«, »Edukative Aktivitäten in der Pflege«, »Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege« und »Rechtliche Grundlagen für Pflegeberufe«.

In der Buchreihe wird ein einheitliches didaktisches Konzept verfolgt. So zeichnen sich die einzelnen Bände durch eine enge Verknüpfung von Theorie, Empirie und pflegerischer Praxis aus. Hiermit wird deutlich, dass pflege- und bezugswissenschaftliche Theorien und Konzepte sowie aktuelles, evidenzbasiertes Wissen eine elementare Grundlage für pflegeberufliches Handeln bilden. Durch den deutlichen Praxisbezug der Bände soll das Ziel zur Vermittlung von Grundlagen zur Entwicklung einer wissenschaftsbasierten Pflegepraxis unterstützt werden.

Zielgruppe dieser Lehrbuchreihe sind in erster Linie Studierende, aber auch Lehrende primärqualifizierender Bachelorstudiengänge in der Pflege. Eine weitere Zielgruppe sind Studierende und Lehrende in berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen für Pflegende mit abgeschlossener Berufsausbildung. Die Lehrbücher können zur Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen sowie als Nachschlagewerke eingesetzt werden. Der Praxisbezug dient der Veranschaulichung und regt zur Reflexion eigener Erfahrungen in der pflegerischen Praxis an. Die relevanten und aktuellen Literaturhinweise führen zu einer weiteren vertieften Bearbeitung der dargestellten Themen.

Die Herausgeberinnen sind erfahrene Pflegepraktikerinnen und ausgewiesene Pflegewissenschaftlerinnen, die seit Beginn der Entwicklung grundständiger Pflegestudiengänge an deren Umsetzung und Weiterentwicklung an verschiedenen Studienstandorten maßgeblich mitwirken. Bei der Auswahl der Autoren und Autorinnen für die Einzelbände erfolgt ebenfalls eine Orientierung an diesen Kriterien. Als Herausgeberinnen einer ersten Lehrbuchreihe für primärqualifizierende Pflegestudiengänge ist es uns ein Anliegen, einen Beitrag zu einer innovativen Weiterentwicklung von Pflege und Pflegeberuf zu leisten.

Christa Büker und Julia Lademann

Bielefeld und Frankfurt, im Dezember 2018

Einleitung

 

 

 

Nach dem ersten Band »Moderne Pflege heute« der Lehrbuchreihe Bachelor Pflegestudium widmet sich der zweite Band einem Kernelement pflegerischen Handelns, nämlich der Beziehung zwischen professionell Pflegenden und Menschen mit Pflegebedarf. In nahezu allen Lehrbüchern wird auf die hohe Bedeutung der Pflegebeziehung hingewiesen. Die Ausführungen bleiben jedoch häufig eher oberflächlich oder einer abstrakten Ebene verhaftet; Hinweise zur konkreten Ausgestaltung der Pflegebeziehung finden sich eher selten. Es scheint nicht nur eine gewisse Sprachlosigkeit, sondern auch Ratlosigkeit über dieses so wichtige Thema zu herrschen. Der einzelnen Pflegenden wird die Verantwortung für die Beziehungsgestaltung übertragen, es bleibt jedoch ihrem individuellen Vermögen überlassen, inwieweit sie dieser Aufgabe gerecht werden kann. Dabei hat bereits im Jahr 1991 Ruth Schröck, die erste Professorin für Pflege und Sozialwissenschaften in Deutschland an der Fachhochschule Osnabrück, darauf hingewiesen, dass Beziehungen zu anderen aufzunehmen, zu gestalten, zu bewahren und zu beenden, gelernt sein muss (Schröck 1991, S. 699 ff)1.

Mit dem vorliegenden Band werden zwei Zielsetzungen verfolgt:

•  Zum einen wird der Versuch unternommen, die Pflegeziehung sowohl konzeptionell als auch in ihrer konkreten Ausgestaltung zu fassen. Indem der Blick für das von einer gewissen »Konturlosigkeit« betroffene Gebilde geschärft wird, kann das Buch im besten Fall eine Hinführung zu theoretischem Hintergrundwissen bieten sowie als Hilfe im Praxisalltag dienen, insbesondere für die Zielgruppe der Studierenden als »Neulinge« im Feld der Pflege.

•  Zum anderen sollen mit der Publikation Impulse für eine stärkere Beschäftigung mit der Pflegebeziehung gesetzt werden, sowohl in Lehre und Forschung als auch in der Praxis. Das Buch erhebt nicht den Anspruch, alle Facetten des Themas abzubilden; es bleibt viel Raum für weitergehende, fruchtbare Diskussionen.

Wie bereits im ersten Band der Lehrbuchreihe werden auch hier die einzelnen Kapitel (bis auf das letzte) jeweils mit einem praktischen Beispiel mit Bezug zu den nachfolgenden Inhalten eingeleitet. Am Ende der Kapitel finden sich zunächst Lernfragen zu den theoretischen Inhalten. Die darauffolgenden Reflexionsfragen sind wiederum eher praxisbezogen und sollen die Leserinnen und Leser zu einer vertieften Auseinandersetzung anregen.

Das erste Kapitel versteht sich als Einführung in die Thematik. Es widmet sich zunächst dem Begriff der Beziehung und der Unterscheidung zwischen einer privaten und einer beruflichen Beziehung. Ferner beschäftigt es sich mit den Merkmalen der Pflegebeziehung und stellt damit ihre Besonderheiten im Vergleich zu anderen beruflichen Beziehungen heraus. Auf Grundlage von Forschungserkenntnissen wird die Bedeutung der Pflegebeziehung sowohl für die Menschen mit Pflegebedarf als auch für die professionell Pflegenden herausgearbeitet. Es schließt mit einem Plädoyer für die Pflegebeziehung als Bündnisbeziehung (Images Kap. 1).

Im zweiten Kapitel wird die Entwicklung der Pflegebeziehung beleuchtet. Inwieweit sowohl der Wandel des pflegerischen Berufsbildes, als auch der Wandel der Rolle von Patienten und Patientinnen die Beziehungsgestaltung beeinflusst, ist hier dargestellt. Thematisiert wird auch die pflegerische Arbeit zwischen Aufopferung und Dienstleistung. Empathie nimmt fraglos einen wichtigen Platz in der pflegerischen Beziehung ein, aber wann ist ein professionelles Mitfühlen angebracht und wie genau sieht dies aus? Fragen zum Umgang mit Gefühlen, sowohl mit den eigenen als Pflegefachperson als auch mit den Gefühlslagen der Pflegebedürftigen werden hier bearbeitet (Images Kap. 2).

Theoretische Grundlagen von Kommunikation und Interaktion sind die Themen im dritten Kapitel. Kurz und prägnant werden die wichtigsten Kommunikationsmodelle präsentiert. Bereits in den 1950er Jahren haben erste US-amerikanische Pflegewissenschaftlerinnen Interaktionstheorien entwickelt. Es läge auf der Hand anzunehmen, sie könnten heute – fast 70 Jahre später – etwas »verstaubt« sein. Das Gegenteil ist der Fall: Sie erweisen sich auch aus heutiger Perspektive als innovativ und anregend. Dass in der Pflege der menschliche Körper und auch Körperkontakt stets eine Rolle spielen ist zwar bekannt, sie werden aber als Phänomene bislang wenig theoretisch beleuchtet. Erste Überlegungen dazu werden hier vorgestellt. Das Kapitel schließt mit aktuellen pflegewissenschaftlichen Ansätzen, die im Hinblick auf eine moderne professionelle Beziehungsgestaltung wichtige Grundlagen liefern (Images Kap. 3).

Das vierte Kapitel nähert sich der Handlungsebene und steckt den Rahmen für die konkrete Ausgestaltung einer professionellen Pflegebeziehung. Im Mittelpunkt stehen Gestaltungselemente und notwendige Beziehungskompetenzen wie die Entwicklung einer ethisch-reflexiven und patientenorientierten Grundhaltung, die Fähigkeit zum Umgang mit Nähe und Distanz, die Fähigkeit zur professionellen Gestaltung von Kommunikation und Körperkontakten, eine realistische Erwartung an die Pflegebeziehung und das Bewusstsein für die Grenzen einer Pflegebeziehung (Images Kap. 4).

Auch im fünften Kapitel geht es um die Praxis der Pflegebeziehung. Hier stehen verschiedene Zielgruppen im Mittelpunkt, u. a. Menschen mit einer dementiellen Erkrankung, Menschen mit schweren Wahrnehmungsbeeinträchtigungen, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Menschen in der letzten Lebensphase. Anliegen des Kapitels ist es, sich der jeweiligen spezifischen Bedürfnisse bewusst zu werden, die bei der Beziehungsgestaltung und der Gestaltung der pflegerischen Versorgung zu berücksichtigen sind (Images Kap. 5).

Im sechsten Kapitel geht es schließlich darum, die Erkenntnisse aus den vorangegangenen Kapiteln zu bündeln. Die wichtigsten Ansätze und Voraussetzungen zur effektiven Gestaltung einer professionellen pflegerischen Beziehung werden zusammengefasst. Diskutiert wird die Entwicklung eines professionellen Berufsverständnisses und wissenschaftlich fundierter Beziehungskonzepte sowie die Notwendigkeit zur Ausbildung spezieller pflegerischer Kompetenzen. Nicht zuletzt ist kritisch zu fragen, inwieweit gesellschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen die Beziehungsgestaltung in der Pflege fördernd und hemmend beeinflussen können (Images Kap. 6).

Hinweise und Dank

In dem Buch werden Berufstätige in der Pflege als Pflegende, professionell Pflegende, Pflegefachpersonen sowie – entsprechend der neuen Berufsbezeichnung im Pflegeberufegesetz – als Pflegefachfrau und Pflegefachmann angesprochen. Die Empfänger von Pflege werden als Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten, Pflegebedürftige oder Menschen mit Pflegebedarf bezeichnet. Wechselweise werden die weibliche oder männliche Form oder beide verwendet.

Gelegentlich sind in dem Buch Originalzitate in englischer Sprache vorzufinden. Dabei erfolgt bewusst keine Übersetzung ins Deutsche, da die Autorinnen davon ausgehen, dass im Rahmen eines Pflegestudiums die Verwendung englischsprachiger Literatur selbstverständlich ist.

Einen besonderen Dank möchten die Verfasserinnen an Prof. Dr. Klaus Müller für seine vielfältigen Anregungen zu den Inhalten des Buches und seine stete Bereitschaft zur konstruktiven Diskussion der nicht einfachen Thematik aussprechen.

1     Schröck R (1991). Das Beginnen und das Beenden einer Beziehung. Deutsche Krankenpflegezeitschrift 10, S. 699–705

1          Die Pflegebeziehung – Begriff, Besonderheiten, Bedeutung

Christa Büker

 

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Das erste Kapitel dient zum einen der Einführung in das Thema des Buches, zumanderen der Sensibilisierung der Leserinnen und Leser für die Bedeutung der Pflegebeziehung. Zu Beginn erfolgt eine Klärung des Begriffs der Beziehung bzw. der Pflegebeziehung. In diesem Zusammenhang wird auch die – zunächst vielleicht trivial erscheinende – Unterscheidung zwischen einer privaten und einer beruflichen Beziehung getroffen. Diese Unterscheidung ist jedoch insofern von Bedeutung, da es sich bei der Pflege um einen Beruf handelt, bei dem die Grenzen zwischen privater und beruflicher Beziehung leicht verwischen können. Die Ursache dafür liegt in den Besonderheiten der Pflegebeziehung, wie die oftmals enge Verwobenheit mit der Lebenswelt von Patientinnen und Patienten. Diese und weitere Besonderheiten, aus denen auch Risiken für die Beteiligten resultieren können, werden ebenfalls in diesem Kapitel thematisiert. Welche Bedeutung die Pflegebeziehung sowohl für die Pflegebedürftigen als auch für die Pflegenden selbst hat, wird anschließend auf der Grundlage von Forschungsbefunden näher betrachtet. Das Kapitel schließt mit einem Blick auf die »Wurzeln« der Pflegebeziehung.

Zu Beginn dieses Buches bedarf es noch eines wichtigen Hinweises: In den Ausführungen geht es einzig um die Beziehung zwischen der Pflegefachperson und dem Menschen mit Pflegebedarf (und ggf. seinen nächsten Angehörigen). Thematisiert werden nicht die Beziehungen von Pflegenden untereinander, die Beziehung zu Vorgesetzten oder Beziehungen im interdisziplinären Team. Zum einen würde dies den Rahmen sprengen und zum anderen unterscheiden sich diese Beziehungsarten nicht unerheblich von der Beziehung zwischen Pflegenden und Gepflegten.

Images Images Praxisbeispiel Images

Judith Mattern2 befindet sich im dritten Semester ihres ausbildungsintegrierenden Bachelorstudiums. Momentan absolviert sie einen Praxiseinsatz in einem ambulanten Pflegedienst. Dort ist sie einer Mitarbeiterin fest zugeordnet, die über eine Ausbildung als Praxisanleiterin verfügt. Während einer zwischenzeitlichen Erkrankung dieser Mitarbeiterin wird Judith anderen Kolleginnen zugeteilt.

Viele Klienten des ambulanten Dienstes werden bereits seit mehreren Jahren versorgt. Judith Mattern beobachtet, dass das Verhältnis zwischen den Pflegenden und den Familien häufig sehr vertraut ist. Nicht nur die Kolleginnen kennen viele Details aus dem Familienleben der Klienten, auch die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen haben oftmals umfangreiche Einblicke in das Privatleben der sie betreuenden Pflegepersonen. So ist Judith zufällig dabei, als eine Mitarbeiterin einer Patientin von ihrer bevorstehenden Scheidung, eine andere von den schlechten Schulnoten ihrer Kinder berichtet. Von einigen Mitarbeiterinnen werden Leistungen erbracht, die im Pflegevertrag nicht vereinbart sind und dementsprechend nicht finanziert werden, wie beispielsweise die Zubereitung des Frühstücks oder das Aufhängen von Wäsche. Eine Kollegin erledigt in ihrer Freizeit Einkäufe für einen Patienten und bringt sogar an dessen Geburtstag einen selbstgebackenen Kuchen mit. Die Pflegende bittet allerdings Judith darum, dies vor den anderen Kolleginnen und gegenüber der Pflegedienstleitung geheim zu halten. Auf die Frage von Judith, warum sie denn ein solches Engagement zeige, antwortet sie: »Der alte Herr ist immer so nett! Er erinnert mich an meinen verstorbenen Großvater. Außerdem hat er niemanden, der sich um ihn kümmert. Wer soll denn sonst für ihn einkaufen?« Bei einer anderen Patientin hingegen beobachtet Judith, dass die gleiche Kollegin kurz angebunden ist, den Blickkontakt meidet und so rasch wie möglich die vertraglich vereinbarte Körperpflege durchführt. Auf die Bitte der Patientin, den Müll mitzunehmen, reagiert sie barsch und lehnt unter Verweis auf ihre knappe Zeit ab.

In den gemeinsamen Dienstbesprechungen fällt Judith Mattern auf, dass es offensichtlich beliebte und weniger beliebte Klienten gibt. Geschätzt werden Patientinnen und Patienten, die sich dankbar zeigen sowie Angehörige, die bei der Versorgung mithelfen. Unbeliebt sind Klienten, die »sich hängen lassen« oder Angehörige, die Forderungen stellen. Die Berichte der Pflegenden sind stark von Sympathie und Antipathie geprägt. Bei als sympathisch empfundenen Klienten wird offenbar ein höheres Engagement gezeigt als bei eher unsympathischen Klienten. Dass dieses Engagement auch Probleme mit sich bringen kann, zeigt der Bericht einer Kollegin. Sie versorgt seit längerer Zeit eine Patientin, die zu ihr offensichtlich eine intensive Beziehung aufgebaut hat. Die Patientin möchte nur noch von ihr betreut werden und lehnt andere Pflegende ab. Während die Mitarbeiterin sich zunächst geschmeichelt fühlte und für die Patientin aus Mitleid zahlreiche Gefälligkeiten erledigte, sieht sie sich inzwischen überfordert. Judith Mattern bemerkt eine große Hilflosigkeit der Kollegin im Umgang mit der Situation.

1.1       Beziehung als immanenter Bestandteil professioneller Pflege

Images Pflege als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen Images

Mit mehr als einer Million Beschäftigter stellt die professionelle Pflege mit Abstand die größte Berufsgruppe im deutschen Gesundheitswesen (Statistisches Bundesamt 2017). Pflegerische Aktivitäten finden in allen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung statt: Im Kontext von Gesundheitsförderung und Prävention, Kuration und Rehabilitation sowie in der Langzeitversorgung und Palliativversorgung. Pflegende arbeiten in zahlreichen Settings wie beispielsweise in Krankenhäusern, Rehakliniken, stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten, in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Hospizen oder Beratungsstellen. Dementsprechend vielfältig ist das Aufgabengebiet von Pflegenden. Es umfasst die Unterstützung bei Lebens- und Alltagsaktivitäten, die Durchführung spezieller pflegerischer Maßnahmen, die Anleitung, Schulung und Beratung von Patienten und Angehörigen, Aufgaben in der Versorgungssteuerung und im Case Management, Assistenz bei Diagnostik und Therapie, und vieles mehr (Büker et al. 2018).

Images Dichter Kontakt der Pflege zum kranken Menschen Images

Bei der Pflege handelt es sich jedoch nicht nur um eine große und vielfältig tätige Berufsgruppe im Gesundheitswesen, sondern auch um die Profession mit dem dichtesten Kontakt zu kranken und pflegebedürftigen Menschen. Am offensichtlichsten wird dies bei der Betrachtung von Häufigkeit und Dauer der Begegnung. In Krankenhäusern und Altenheimen, in denen eine Versorgung zu allen Tages- und Nachtzeiten sichergestellt werden muss, erfolgt eine pflegerische Betreuung rund um die Uhr und Pflegende stellen dort die primären Ansprechpersonen für Patientenanliegen aller Art dar. Auch in der häuslichen Pflege findet sich eine hohe Kontakthäufigkeit durch eine oftmals tägliche oder sogar mehrmals tägliche Versorgung. In Einrichtungen der Langzeitpflege kennen Pflegende und Pflegebedürftige sich in der Regel über Monate, wenn nicht gar über Jahre hinweg.

Images Bedeutung von Kommunikation und Interaktion Images

Ein dichter Kontakt besteht auch in Bezug auf die Kommunikation als immanenter Bestandteil der Begegnung zwischen Patient und Pflegefachperson. Pflegende gestalten Aushandlungsprozesse mit Patienten, sie informieren und beraten, beantworten Fragen und klären auf, leisten Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung, geben Trost und Hoffnung oder führen einfach nur Alltagsgespräche. Auch körpernahe pflegerische Maßnahmen sind eingebettet in Kommunikation. Dort, wo Pflegende auf Menschen mit eingeschränkter Fähigkeit zur Kommunikation treffen, beispielsweise bei schwerstbehinderten oder demenziell erkrankten Menschen, werden spezielle Kommunikations- und Interaktionskonzepte wie Validation oder Basale Stimulation eingesetzt, um in Kontakt treten zu können. Zugewandtheit, Aufmerksamkeit und taktile Berührung sind in diesen Situationen zentrale pflegerische Interventionen einer »leiblichen Kommunikation« (Uzarewicz & Moers 2012, S. 106) (Images Kap. 3.3).

Images »Eckpfeiler« Pflegebeziehung Images

Kommunikation und Interaktion sind wesentliche Bestandteile der Pflegebeziehung, um die es in diesem Buch geht und die von Sheldon (2013, S. 61) als »Eckpfeiler« (cornerstone) der pflegerischen Versorgung bezeichnet wird. Die Beziehung beginnt mit der ersten Begegnung von Patient und Pflegefachperson. Beziehungsaufbau, Beziehungsgestaltung und auch die Beendigung der Beziehung sind gleichsam prägende und immanente Bestandteile der beruflichen Pflege. Sie bilden die Grundlage für die gemeinsame Arbeit an den gesundheitlichen, pflegerischen und alltagsbezogenen Problemlagen eines Patienten. Dabei wird der Beziehungsprozess von verschiedenen Faktoren beeinflusst, wie beispielsweise dem Alter, dem Geschlecht und der Art der Erkrankung des Patienten bzw. der Patientin und mit den damit verbundenen Bedürfnissen. Auch das Setting, in dem die Begegnung stattfindet, spielt eine Rolle: So bestehen im Pflegealltag einer somatischen Station eines Akutkrankenhauses andere Erwartungen an die Beziehungsgestaltung als in einer psychiatrischen Klinik oder in Einrichtungen der Langzeitpflege (Images Kap. 1.5.1).

Images Pflegeprozess als Problemlösungs- und Beziehungsprozess Images

Die Bedeutung des Beziehungsaspekts in der Pflege wird unterstrichen durch das herrschende Verständnis vom Pflegeprozess als Problemlösungs- und Beziehungsprozess (Fiechter & Meier 1992). Als Problemlösungsprozess besteht er aus mehreren logisch aufeinander aufgebauten Schritten, die auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sind. Im Sinne eines Regelkreises enthält er einen Rückkopplungseffekt, d. h. bei Veränderungen oder Abweichungen wird eine Neuanpassung ermöglicht. In der pflegerischen Arbeit geht es jedoch um mehr als nur die (technische) Lösung eines Problems durch eine systematische Abfolge aus verschiedenen Schritten. Vielmehr geht es auch und zuallererst um einen zwischenmenschlichen Beziehungsprozess, bei dem zwei Personen (die professionell Pflegende und die pflegebedürftige Person, ggf. auch Angehörige) in Kontakt treten, um idealerweise an einer gemeinsamen Zielsetzung zu arbeiten. Den engen Zusammenhang zwischen beiden Begriffen verdeutlichen Fiechter & Meier (1992, S. 32): »Der Problemlösungsprozess wird erst wirksam durch die Qualität der Beziehung, die zwischen Schwester und Patient zustande kommt«. Diese Aussage lässt den Schluss zu, dass einer guten Beziehung sogar eine therapeutische Wirkung zukommt und sie zur Genesung des Patienten beitragen kann. Dieser Aspekt wird noch verschiedentlich aufzugreifen sein (Images Kap. 1.2 und Images Kap. 1.5).

1.2       Beziehungsbegriff

Der Begriff der Beziehung wird alltäglich genutzt, häufig im Zusammenhang mit Verbindungen im privaten, persönlichen Bereich. Es gibt die Paarbeziehung, die Geschwisterbeziehung, die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, Beziehungen zu Freunden, Nachbarn oder Arbeitskolleginnen und -kollegen, usw. Beziehungen sind lebenswichtig: »Menschen als soziale Wesen erhalten und sichern insbesondere über persönliche Beziehungen zu anderen ihre Sozialität und ihre soziale Integration. Persönliche Beziehungen ermöglichen und prägen unser Leben von Geburt bis zum Tod« (Lenz & Nestmann 2009, S. 9). Häufig wird der Begriff mit einem Adjektiv verbunden, welches auf die Qualität der Beziehung verweist: es gibt freundschaftliche, liebevolle, zärtliche und helfende Beziehungen, aber auch distanzierte, kühle oder gar feindliche Beziehungen. Etymologisch geht der Begriff der Beziehung auf beziehen = »zusammenziehen, eine Verbindung herstellen« zurück (Kluge 2011, S. 119). Der Duden definiert eine Beziehung als »Verbindung, Kontakt zwischen Einzelnen oder Gruppen« (Duden Online-Wörterbuch 2017) und nennt beispielhaft verschiedene Formen von Beziehungen: politische, kulturelle, geschäftliche, private, zwischenmenschliche, zwischenstaatliche, internationale Beziehungen.

In dem vorliegenden Buch geht es explizit um die Gestaltung einer beruflichen Beziehung. Dazu ist es zunächst einmal erforderlich, den Unterschied zwischen einer privaten und einer beruflichen Beziehung zu verdeutlichen (Images Tab. 1.1).

Tab. 1.1: Unterschied private und berufliche Beziehung (Höwler 2013, Rogoll-Adam et al. 2011, Lenz & Nestmann 2009)

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Images Merkmale einer privaten Beziehung Images

Eine private Beziehung ist in der Regel freiwillig gewählt, mit Ausnahme familiärer bzw. verwandtschaftlicher Beziehungen. Sie besteht oftmals langjährig und die Beteiligten blicken auf eine gemeinsame Vergangenheit mit gemeinsamen Erfahrungen und Erlebnissen, Höhen und Tiefen zurück. Die zeitliche Dauer einer privaten Beziehung ist offen; Freundschaften können »aufgekündigt«, verwandtschaftliche Beziehungen abgebrochen werden. Konstituierendes Merkmal von Freundschaften ist die gegenseitige Sympathie. Typisch für private Beziehungen sind eine enge emotionale Nähe und Zusammengehörigkeitsgefühl. Sorgen und Nöte des anderen gehen sehr nahe, Freud und Leid werden geteilt. Persönliche Beziehungen sind an die beteiligten Personen gebunden. Lenz & Netzmann (2009) bezeichnen dies mit dem Begriff der »personellen Unersetzbarkeit« (ebd., S. 10). Auch Werte und Normen sowie die Vorstellungen vom Leben ähneln sich häufig, es gibt eine gemeinsame »Wellenlänge«. Zusammentreffen geschehen zwanglos und bedürfen keiner expliziten Zielorientierung. Sie finden häufig in der Freizeit statt. Eine private Beziehung erwartet keine materielle Entlohnung; das in sozialen Beziehungen wirksame Prinzip der Reziprozität (Gegenseitigkeit) findet eher in ideeller Form statt (ebd.).

Images Merkmale einer beruflichen Beziehung Images

Im Gegensatz zur privaten Beziehung ist eine berufliche Beziehung in der Regel nicht freiwillig gewählt (Höwler 2013; Rogoll-Adam et al. 2011). Konstituierend für die Entstehung der Beziehung sind die berufliche Funktion einer Person, zumeist in Verbindung mit einer vertraglichen Regelung sowie mit klar definierten Aufgaben und Leistungen. Die Erbringung dieser Leistungen wird monetär entlohnt. In vielen beruflich begründeten Beziehungen besteht ein gewisses Machtgefälle. Es gibt einen Experten (den Leistungserbringer) und einen fachlichen Laien (den Leistungsnehmer), der auf die Expertise angewiesen ist. So bedarf es beispielsweise bei der Reparatur einer Heizung einer Person, die sich mit den technischen Anforderungen auskennt und über die entsprechenden Kompetenzen verfügt. Eine solche Beziehung ist durch Fachlichkeit geprägt. Die Erbringung der Leistung ist auf ein klares Ziel gerichtet (Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Heizung) und endet mit der Zielerreichung. Die Beziehung in dieser eher kurzen Begegnung bleibt oberflächlich und ist in der Regel von freundlicher Distanz geprägt; gegenseitige Sympathie (oder Antipathie) sind von nachrangiger Bedeutung.

Images Pflegebeziehung als berufliche Beziehung Images

Auch in der Beziehung zwischen professionell Pflegenden und Menschen mit Pflegebedarf handelt es sich dem Wesen nach um eine berufliche Beziehung. Sie entsteht aufgrund der Funktion einer Pflegefachperson, die diese in einem Krankenhaus, einem Pflegeheim, einem ambulanten Pflegedienst oder einer anderen Einrichtung ausübt. Dort wird sie für ihre Leistungserbringung bezahlt, zwar nicht unmittelbar vom Klienten, jedoch von ihrem Arbeitgeber. Ihre Aufgaben sind in einer Stellenbeschreibung definiert. Die zu versorgenden Patientinnen und Patienten können von der Pflegenden nicht freiwillig oder nach Sympathie und Antipathie ausgewählt werden, ebenso wenig, wie die Menschen mit Pflegebedarf dies tun können.

Nach der Beschäftigung mit dem Alltagsverständnis von Beziehung und der Unterscheidung zwischen einer privaten und beruflichen Beziehung geht es nun um das Begriffsverständnis im Gesundheits- und Pflegebereich. Das klinische Wörterbuch Pschyrembel Online definiert den Begriff der Beziehung wie folgt:

»Qualität der Verbundenheit oder Distanz sowie der Verbindung zwischen Menschen aufgrund von Austauschprozessen, z. B. Sprache, Gestik, Mimik, Berührung (Kommunikation). Beziehungen sind immer wechselseitig und entstehen sowohl bei aktivem, scheinbar einseitigem oder vermeintlich nichtvorhandenem Austausch (z. B. gemeinsames Schweigen)« (Pschyrembel Online 2016, o.S.).

Auch der Pschyrembel Online unterscheidet zwischen privaten Beziehungen (Eltern-Kind-Beziehung, Geschwisterbeziehung, Liebesbeziehung) und beruflicher Beziehung (therapeutische Beziehung, Arzt-Patient-Beziehung, Pflegender-Patient-Beziehung) (ebd.). Basis einer jeden Beziehung sind Verbundenheit, Wechselseitigkeit und Kommunikation. Letztere kann in unterschiedlicher Form und Intensität stattfinden, gemäß dem bekannten Axiom von Paul Watzlawick »Man kann nicht nicht kommunizieren« (Watzlawick et al. 2000). Beziehung findet somit – ebenso wie Kommunikation – immer statt (Images Kap. 3.1). Ein zentraler Faktor ist die Qualität der Beziehung. Auch der Pschyrembel Pflege (Wied & Warmbrunn 2012) betont diesen Aspekt in seiner Definition des Begriffs der Beziehung bzw. Pflegebeziehung.

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Beziehung/Pflegebeziehung

»(engl.) relationship: Pflegebeziehung; Qualität der Verbundenheit oder Distanz sowie der Verbindung zwischen Menschen (Patienten und Pflegenden) aufgrund von Austauschprozessen wie z. B. Sprache, Gestik, Mimik, Berührung […]; Beziehung bezeichnet immer Wechselseitigkeit. Sowohl bei Austauschprozessen höchster Aktivität (z. B. bei Anleitung, Beratung und Durchführung von Pflegeverrichtungen) als auch bei scheinbarem Nichtvorhandensein von Austausch (z. B. beim gemeinsamen Schweigen) entsteht eine bestimmte Qualität von Beziehung« (Wied & Warmbrunn 2012, S. 130).

Images Beziehung als eigentlicher Gegenstand der Pflege Images

Die Beziehung ist das Ziel des Pflegeprozesses und der eigentliche Gegenstand der Pflege. Die Verantwortung für den Aufbau einer Beziehung liegt bei der Pflegeperson. Pflegerische Beziehungsarbeit bedeutet die gezielte und bewusste Gestaltung der zwischenmenschlichen Aspekte und der gegenseitigen Abhängigkeiten einer Pflegeperson-Patienten-Beziehung im Pflegeprozess. Inhalte von Beziehungsarbeit und Beziehungspflege sind das beiderseitige Erleben und Verarbeiten einer Erkrankung sowie der Umgang mit der Krankheit und den Krankheitsfolgen (Wied & Warmbrunn 2012, S. 132).

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Der Begriff der Beziehungspflege ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem Begriff der Bezugspflege. Bei der Bezugspflege handelt es sich um ein Arbeitsorganisationssystem, bei dem eine Pflegeperson die Pflegeverantwortung für einen Patienten bzw. eine Patientin während des gesamten Aufenthaltes übernimmt (ebd.). Planung, Durchführung und Evaluation der Pflege liegen bei der Bezugspflegeperson (auch Primary Nurse genannt). Die Arbeit im Bezugspflegesystem bildet allerdings eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung einer vertrauensvollen und tragfähigen Pflegebeziehung und wird an späterer Stelle noch näher betrachtet (Images Kap. 3.4.3).

Images Definition aus dem angloamerikanischen Raum Images

Deutlich selbstbewusster als hierzulande wird im angloamerikanischen Raum nicht nur von der »Pflegebeziehung« sondern von der »therapeutischen Pflegebeziehung« gesprochen, wie die Definition der kanadischen Nurses Association of New Brunswick (2015, S. 5) zeigt:

»The therapeutic nurse-client relationship is a planned, time-limited and goal-directed connection between a registered nurse and a client and his significant others, for the purpose of meeting the client’s health care needs. Regardless of the context or length of the interaction, the therapeutic nurse-client relationship protects the patient’s dignity, autonomy and privacy and allows for the development of trust and respect.«

Images Pflegebeziehung als therapeutische Beziehung Images

Der Definition zufolge handelt es sich bei der therapeutischen Pflegebeziehung um eine geplante, zeitlich begrenzte und zielgerichtete Verbindung zwischen einer Pflegefachperson, einem Klienten und seinen Angehörigen. Der Zweck der Pflegebeziehung ist die Zuständigkeit für die gesundheitlichen Bedürfnisse des Klienten. Ferner werden bereits wichtige ethische Prinzipien der Pflegebeziehung formuliert, wie der Schutz von Würde, Autonomie und Privatheit des Patienten, so dass die Entwicklung von Vertrauen und Respekt ermöglicht wird. Aufgrund ihrer Klarheit und Aussagekraft bietet sich die Definiton durchaus als Orientierung auch im deutschsprachigen Raum an.

Die Pflegebeziehung unterscheidet sich wesentlich von anderen beruflichen Beziehungen. So kann beispielsweise die Dauer von Pflegebeziehungen sehr unterschiedlich sein. Sie reicht von wenigen Tagen während eines Krankenhausaufenthaltes einer Person bis hin zur jahrelangen Versorgung von Heimbewohnerinnen und -bewohnern oder Klienten eines ambulanten Pflegedienstes. Im Folgenden werden weitere Merkmale und Besonderheiten der Pflegebeziehung herausgearbeitet.

1.3       Merkmale und Besonderheiten der Pflegebeziehung

Für alle Berufsgruppen im Sozial- und Gesundheitswesen stellt sich die Notwendigkeit der Gestaltung einer professionellen Beziehung zu Klientinnen und Klienten, so auch für die Medizin, die Psychologie, die Soziale Arbeit oder die Therapieberufe. Als einzige Berufsgruppe, die rund um die Uhr in der Nähe des Patienten ist und über den dichtesten Kontakt zu kranken und pflegebedürftigen Menschen verfügt, lassen sich jedoch für die Pflege bestimmte Merkmale und Besonderheiten identifizieren, die für die anderen Professionen nicht oder nicht in diesem Ausmaß gegeben sind. Zu den für die Pflegebeziehung konstituierenden Merkmalen gehören die Körpernähe der Pflegebeziehung (Images Kap. 1.3.1), die Konfrontation mit existentiellen Situationen (Images Kap. 1.3.2), die Asymmetrie der Beziehung (Images Kap. 1.3.3) und die Verschränkung mit der Lebenswelt von Patientinnen und Patienten (Images Kap. 1.3.4).

1.3.1     Körpernähe der Pflegebeziehung

Images Arten von Körperkontakten Images

Eine der zentralen Besonderheiten der Pflegebeziehung liegt in ihrer Körpernähe. Zahlreiche Pflegemaßnahmen sind mit Körperkontakten und -berührungen verbunden. Professionelle Berührungen finden zwar auch in anderen beruflichen Kontexten außerhalb der Pflege statt, wie beispielsweise beim Friseurbesuch, bei der Fußpflege, bei der Massage oder Physiotherapie sowie beim Arztbesuch. Im Unterschied zu den meisten anderen berührungsintensiven Berufen gibt es in der Pflege jedoch sehr intime und sehr unterschiedliche Arten von Körperkontakt mit jeweils eigener Zielsetzung (Williams, 2001; Böhnke, 2012). Einen großen Bereich bilden die körpernahen Maßnahmen zur Unterstützung der Selbstpflege, etwa in Form der Hilfe beim Waschen oder bei der Ausscheidung. Eine weitere Gruppe sind die instrumentellen Handlungen, die im Zusammenhang mit bestimmten Prozeduren oder Therapien stehen, wie das Anlegen eines Verbandes, das Messen von Blutdruck und Puls oder die Gabe einer Injektion. Andere Körperkontakte wiederum verfolgen eher pflegetherapeutische Ziele, z. B. in Form von speziellen Bewegungs- oder Berührungskonzepten. Schließlich gibt es noch Körperkontakte auf der emotionalen Ebene wie das Halten einer Hand oder eine spontane Umarmung, um Mitgefühl auszudrücken oder Menschen zu trösten. Pflege ist somit ein »Beziehungs- und Berührungsberuf« (Uzarewicz, 2003, S. 13), d. h. Berührung und Beziehung sind elementare Bestandteile der Pflegepraxis und stehen in einem engen Zusammenhang. Körperkontakte in der Pflege sind häufig aber auch Grenzsituationen, insbesondere wenn Berührungen in intimsten Körperregionen stattfinden und mit Nacktheit und Entblößung verbunden sind. So werden bei der Inkontinenzversorgung oder beim Katheterisieren Eingriffe in die Intimsphäre der Person vorgenommen und Schamgrenzen auf beiden Seiten überschritten. Gerade solche intimen Momente haben einen bedeutenden Einfluss auf die Beziehungsgestaltung zwischen Pflegenden und Gepflegten.

Images Berührung als intimes Geschehen Images

Andere Menschen berühren oder sich berühren zu lassen, ist zum einen durch gesellschaftliche Normen und Konventionen, zum anderen durch die ganz eigene, individuelle Berührungsgeschichte beeinflusst (Sielert & Mahnert 2012, S. 164). Berührung ist eng verbunden mit Intimität, Sinnlichkeit und Sexualität. In der Regel dürfen uns nur Menschen berühren, die wir gut kennen und denen wir vertrauen. Eine professionell Pflegende ist zunächst einmal eine fremde Person, zu der dieses Vertrauen erst aufgebaut werden muss. Während jedoch für die Pflegefachperson Körperkontakte und Berührungen zum Arbeitsalltag gehören und eine weitgehende Selbstverständlichkeit darstellen, sind sie für Patienten ungewohnt, mitunter beschämend oder sogar mit Missempfindungen, Schmerzen und Angst verbunden. Außerdem sind sie zumeist passive »Empfänger« von Berührungen und befinden sich in einer Abhängigkeitssituation. Umso mehr bedarf es einer bewussten und sensiblen Gestaltung von Körperkontakten in der Pflegebeziehung. Ausführlicher wird darauf im Kap. 4.4 einzugehen sein (Images Kap. 4.4).

1.3.2     Konfrontation mit existentiellen Situationen

Images Krisen und Grenzsituationen in der Pflege Images

Eine zweite Besonderheit der Pflegebeziehung ist die Konfrontation mit existentiellen Situationen, d. h. mit Krisen- und Grenzsituationen, die den Kern des menschlichen Daseins oder die Integrität einer Person berühren. In nahezu allen Settings erleben Pflegende Krankheit, Verfall, Leid und Schmerzen. Im Krankenhaus führen sie Gespräche mit Menschen, die gerade die Mitteilung einer schweren Diagnose erhalten haben und nicht wissen, wie es weitergehen soll. Sie sehen sich Frischoperierten gegenüber, denen gerade eine Brust amputiert worden ist oder die einen künstlichen Darmausgang erhalten haben, die sich selbst nicht mehr anschauen mögen oder gar vor sich selbst ekeln. Sie stehen vor Eltern, die soeben erfahren haben, dass ihr neugeborenes Kind von einer schweren Behinderung betroffen ist. Sie treffen im Pflegeheim auf Hochaltrige, die über ihr bisheriges Leben trauern und angesichts des Heimeinzugs keinen Sinn mehr im Leben sehen. Sie versorgen Patienten in der Häuslichkeit, die durch das Erleben des eigenen körperlichen und geistigen Verfalls Suizidgedanken äußern. Sie begleiten Sterbende bis in den Tod und stehen trauernden Angehörigen bei. Gerade in diesen Situationen spielt die Beziehung zu Patienten und Familien eine elementare Rolle, um eine angemessene Begleitung durch Phasen von Hoffnung, Verzweiflung, Trauer und Abschied leisten zu können.

Images Monika Krohwinkel Images

Eine verstärkte Sensibilisierung für oftmals existentielle Situationen von Patientinnen und Patienten verdanken wir insbesondere der deutschen Pflegewissenschaftlerin Monika Krohwinkel, Begründerin des Modells der Aktivitäten und existentiellen Erfahrungen des Lebens (AEDL), später umbenannt in Modell der Aktivitäten, Beziehungen und existentiellen Erfahrungen des Lebens (ABEDL) (Krohwinkel 2007 und 1993). In Orientierung am Strukturierungsmodell von Liliane Juchli mit den zwölf Aktivitäten des täglichen Lebens (ATLs) fügte Krohwinkel eine dreizehnte AEDL »mit existentiellen Erfahrungen des Lebens umgehen« hinzu, die von ihr unterteilt wird in die Existenz fördernde Erfahrungen (z. B. sich zugehörig fühlen, Glauben, Vertrauen, Geborgenheit erfahren), die Existenz gefährdende Erfahrungen (z. B. unter Ungewissheit leiden Angst haben, isoliert sein, Hoffnung verlieren) und Erfahrungen, welche die Existenz fördern oder gefährden können (z. B. lebensgeschichtliche und kulturgebundene Erfahrungen).

Monika Krohwinkel legt Wert darauf, dass existentielle Erfahrungen nicht nur negativ konnotiert sind. Positive existentielle Erfahrungen können beispielsweise sein, wenn eine Patientin trotz der schlechten Prognose ihrer Krankheit sich von ihrer Familie gestützt und getragen weiß, oder wenn ein Patient nach einem schweren Schlaganfall wieder in der Lage ist, sich mit einem Rollator selbstständig fortzubewegen. Andere Erfahrungen, wie der Glaube, können existenzfördernd oder existenzgefährdend sein, wenn beispielsweise Schwerkranke entweder Trost finden im Glauben an ein Leben nach dem Tod oder mit Gott hadern.

Der Unterstützung von Patientinnen und Patienten bei der Bewältigung von Krisen- und Grenzerfahrungen kommt eine hohe Bedeutung in der Pflege zu. Professionell Pflegende können hier einen wertvollen Beitrag leisten und existentielle Erfahrungen positiv beeinflussen, beispielsweise durch Training der funktionellen Fähigkeiten zur Förderung der Selbstständigkeit von Patientinnen und Patienten, durch eine angepasste Kommunikation oder durch Beratung und Anleitung von pflegenden Angehörigen (Images Kap. 5.7).

1.3.3     Asymmetrie der Beziehung

Ein drittes Charakteristikum betrifft die Tatsache, dass es sich bei der Pflegebeziehung dem Wesen nach um eine asymmetrische Beziehung handelt (Pillen 2002). Die Begegnung zwischen einer pflegebedürftigen Person und einer professionell Pflegenden ist keine Begegnung auf Augenhöhe. Darüber kann auch nicht der Begriff des »Kunden« hinwegtäuschen, der inzwischen häufig als Bezeichnung für Patienten und Patientinnen genutzt wird und sich mitunter auch in Leitbildern von Pflegeeinrichtungen, ambulanten Pflegediensten oder Krankenhäusern wiederfindet (Images Kap. 4.1). Schaut man sich den Kundenbegriff jedoch näher an, wird deutlich, dass er nur eingeschränkt auf Menschen mit Pflegebedarf angewendet werden kann (Images Kap. 2.1.2