Stalingrad 1942 / 1943

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© Torsten Diedrich

Torsten Diedrich, geboren 1956, ist Wissenschaftlicher Direktor und Beauftragter für das Museumswesen der Bundeswehr im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen zählen Paulus. Das Trauma von Stalingrad. Eine Biographie sowie Militär und Staatssicherheit im Sicherheitskonzept der WarschauerPakt-Staaten.

Über dieses Buch

Die mehr als ein halbes Jahr andauernde Schlacht um Stalingrad, das heutige Wolgograd, gilt als Wendepunkt im Krieg zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der Sowjetunion. Die Schlacht, die im Herbst 1942 mit dem deutschen Angriff auf die russische Stadt an der Wolga begann und im Februar 1943 mit der faktischen Kapitulation der deutschen 6. Armee endete, forderte um die 700 000 Tote, die meisten davon auf Seiten der Russen.

Der Zweite Weltkrieg war damit noch längst nicht beendet, gleichwohl ist diese Schlacht im kollektiven Gedächtnis der beteiligten Nationen bis heute von zentraler Bedeutung. Torsten Diedrich analysiert nicht nur den tatsächlichen Verlauf der Ereignisse aus militärhistorischer Perspektive, sondern geht auch auf die Erinnerungskultur rund um Stalingrad ein.

 

Die Reihe Kriege der Moderne, herausgegeben vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, macht die jüngsten Erkenntnisse der Forschung einem breiten Publikum zugänglich. Die wichtigsten kriegerischen Konflikte der vergangenen Jahrhunderte werden sowohl im Hinblick auf den Verlauf der Auseinandersetzungen als auch in Bezug auf politische sowie kulturelle Zusammenhänge anschaulich dargestellt und analysiert.

Alle Bände werden von sachkundigen Historikern verfasst und sind mit zahlreichen farbigen Fotos, Grafiken und Karten ausgestattet.

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

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1 Der lautlose Tod

Soldaten der Roten Armee kämpfen im Stahlwerk »Roter Oktober« in Stalingrad, Oktober 1942.

Es ist Nacht in der zerstörten Halle des Stahlwerkes »Roter Oktober«. In einer Ecke glimmen die Reste von Balken, die sich bei den Angriffen deutscher Sturzkampfbomber am Vortag entzündet hatten. Brand- und Leichengeruch schwebt über den Trümmern. Tote Soldaten liegen in den Ruinen, gestorben im Hagel der Bomben oder gefallen beim folgenden Angriff deutscher Stoßtrupps. Die Schreie eines Verwundeten sind inzwischen verstummt. Ist er tot oder haben ihn Kameraden bergen können? Nun hocken deutsche Infanteristen den die Halle verteidigenden sowjetischen Soldaten im Dunkeln gegenüber. In ihre Deckungen gekauert, versuchen sie Ruhe und etwas Schlaf zu finden, bevor der Wahnsinn im Morgengrauen wieder losgeht. Ein Kampf um jeden Meter steht ihnen bevor. Überall lauert der Tod. Die Männer sind erschöpft, bangen um ihr Leben und haben Angst vor schweren Verletzungen. Alle hoffen auf Verstärkung. Werden ihnen die Kameraden beistehen können, werden sie gerettet werden? Wann endlich wird dieses Abschlachten ein Ende haben?

Doch nicht alle ruhen. Nahezu lautlos arbeiten sich zwei dunkle Gestalten durch Stein- und Metalltrümmer voran, Zentimeter um Zentimeter, ihre Gewehre in Planen gehüllt. Ihre Gesichter sind rotbraun wie Rost oder Ziegelmehl und wirken entschlossen. Sowjetische Scharfschützen! Sie schieben sich in eine erhöhte, vorgelagerte Position. Lautlos bezieht der eine Stellung, bringt sein Gewehr in Anschlag. Unter der Plane lugt ein Zielfernrohr hervor, doch es ist noch nicht an der Zeit, dieses zu enthüllen. Die Jagd beginnt erst, wenn es wieder hell wird. Vorsichtig tarnt sich der Soldat mit Trümmern, einer Decke, mit Staub und Schmutz. Der andere beobachtet, wie sein Kamerad mit der Umgebung verschmilzt, bis er nicht mehr erkennbar ist. Zuletzt weist die Hand mit dem Handschuh auf eine Stelle, an der der Zweite nun in Stellung geht. Auch er ist bald unsichtbar geworden. Beide werden einander Deckung geben oder bei Bedarf gezielt die Aufmerksamkeit der Gegner wechselseitig auf sich ziehen. Sie haben das oft geübt, bei der Scharfschützenausbildung im Werk »Lasur« und später in den umkämpften Fabriken. Jeder Fehler kann den Tod bedeuten.

Das könnte eine Szene aus einem der vielen sowjetischen Spielfilme über die Schlacht um Stalingrad aus der Nachkriegszeit sein. Sie könnte aber ebenso gut aus der zeitgenössischen sowjetischen Frontpropaganda stammen. Die Konstruktion von Heldenfiguren war eine wesentliche Aufgabe der sowjetischen Propaganda, die Soldaten und Bevölkerung im Kampf gegen die deutschen Eroberer zu motivieren hatte. Ihre Popularisierung nach dem Krieg bildete einen wichtigen Beitrag zur Prägung des Mythos von der »unbesiegbaren« Sowjetarmee. Tatsächlich aber sind solche Szenen in den Häuserkämpfen der Schlacht hundertfach vorgekommen und haben den Charakter dieser Kämpfe wesentlich mitbestimmt. Doch folgen wir dem Geschehen zunächst weiter:

Als der Morgen dämmert, wird es lebendiger in den Hallen. Vereinzelt huschen Schatten umher. Es sind Melder, die Befehle für den kommenden Tag übermitteln, und Soldaten, die Verpflegung und Wasser in die vordersten Reihen bringen. Die dort Eingesetzten müssen nach der strapaziösen Nacht wieder zu Kräften kommen, um die Hallen endgültig zu erstürmen oder aber das eroberte Terrain mindestens in der Hand zu behalten. In der Morgendämmerung rückt Ersatz heran, frische Stoßtrupps, die dem Angriff neue Kraft geben, bzw. Verteidiger, die standhalten oder den Kampf wenden sollen. Zu dem Brand- und Leichengeruch gesellt sich trotz der Kälte Schweiß – Schweiß der Anstrengung beim Vorwärtsrobben, Schweiß der Angst vor dem Kommenden. Kaum merklich setzen sich auch die Scharfschützen in Bewegung. Vorsichtig werden die Gewehrmündungen freigelegt, das Zielfernrohr entblößt. Die Optik tastet nun die gegenüberliegenden Trümmer ab. Die Schützen sind bemüht, keinen Lichtschein auf das Objektiv fallen zu lassen, damit nicht Spiegelungen ihren Standort verraten. Die Meister der Tarnung und des Anschleichens haben ihr Handwerk gelernt und spähen nach einem lohnenden Ziel. Offiziere, Artilleriebeobachter und Melder werden bevorzugt beschossen, ebenso Proviantgänger, denn ohne Verpflegung sinkt die Moral der Kämpfenden.

Ein deutscher Soldat arbeitet sich kriechend voran, hinter sich mehrere Kochgeschirre ziehend und doch bemüht, kein Geräusch zu machen. Sein Gesicht ist rot vor Anspannung, aber auch vor Angst. Der Soldat sieht schmutzig und alt aus, dabei hat er das zwanzigste Lebensjahr noch nicht überschritten. Sein älterer Kamerad ist deutlich hinter ihm zurückgeblieben. Ist das Absicht, Erfahrung oder Instinkt? Noch hat er die eigene vordere Linie nicht erreicht, auch wenn die Kameraden in ihrer Deckung bereits zu erkennen sind. Der Junge weiß, dass unbedachte Bewegungen tödlich enden. Die Furcht vor sowjetischen Scharfschützen ist in den deutschen Reihen allgegenwärtig. Zu oft haben sie zugeschlagen und Schrecken verbreitet. Doch der Tod ist meist lautlos und schnell, präzise wie ein Chirurg. Das ist vielleicht besser, als von Granaten zerfetzt oder von Maschinengewehren zerschossen zu werden. Aber wer will denn wirklich sterben? Alle hoffen und beten zu Gott, er möge sie in dieser Hölle verschonen, auch wenn mancher bereits seinen Glauben verloren hat.

Der Scharfschütze hat den kriechenden Soldaten bemerkt. Er wägt ab, ob das Ziel lohnend und ein sicherer Treffer möglich ist. Es gilt, das eigene Versteck nur preiszugeben, wenn die Jagd Erfolg verspricht. Sein Adrenalinspiegel steigt, der angepeilte Deutsche erscheint im Fadenkreuz, hebt nur leicht den Kopf, der Finger am Abzug krümmt sich. Mit Gewichten haben sie in der Ausbildung das Abdrücken ohne Verreißen der Waffe geübt. Gehör und Blick schärfen sich, der Schütze ist voll auf seinen Gegner als namenloses Ziel fixiert, moralische Zweifel gelten nicht. Töten ist sein Handwerk. Mit einem trockenen Klacken, der Mündungsfeuerdämpfer verschluckt den Knall, verlässt das Projektil den Lauf und bohrt sich in die Stirn des Proviantgängers, der zusammensackt. Der Stadtkampf hat ein weiteres Opfer gefordert. Lautlos rollt sich der Schütze aus seiner Deckung und verschwindet hinter den Trümmern, ehe noch ein gegnerisches Maschinengewehr (MG) oder eine Granate sein Versteck erreichen kann. Der zweite Schütze bleibt regungslos liegen und wartet ab, manchmal Stunden oder Tage, ohne sich zu bewegen. Scharfschützen sind Einzelkämpfer, sie führen ihren eigenen Krieg – die Jagd in den Trümmerbergen von Stalingrad.

Wassilij SaizewSaizew, Wassilij bei der Ausbildung von Scharfschützen 1942

Die Wirkung von sowjetischen Scharfschützen wie Wassilij SaizewSaizew, Wassilij oder Nikolai IlinIlin, Nikolai war immens, auch wenn nur ein geringer Teil der deutschen Soldaten, die in den Kämpfen um Stalingrad starben, von ihrer Hand fiel. Ihre Zunft, der auch Frauen wie Ljudmila PawlitschenkoPawlitschenko, Ludmila oder Tanja TschekowaTschekowa, Tanja angehörten, erzeugte große Furcht bei den deutschen Infanteristen. IlinIlin, Nikolai brachte es laut offizieller Bestätigung auf 185 erschossene deutsche Soldaten und gehörte damit zum Kreis der »Edelschützen« mit mehr als 40 tödlichen Treffern. SaizewSaizew, Wassilij war einer der Ersten, die durch die sowjetische Militärpropaganda, wie in der Armeezeitung Zur Verteidigung unseres Landes, zum Helden stilisiert wurden. Wegen seines Erfolges erhielt er den Auftrag, in den Ruinen der chemischen Fabrik »Lasur« eine Scharfschützenschule aufzubauen. Bald berichtete die Zeitung täglich über die besten Schützen und zählte deren Treffer. So machte man die Einzelkämpfer in der Roten Armee und der Bevölkerung bekannt, ihre Taten wurden bereits im Krieg zum Mythos.

Der umstrittene Kinofilm Enemy at the Gates von Regisseur Jean-Jacques AnnaudAnnaud, Jean-Jacques aus dem Jahr 2001, der das deutsch-russische Duell zweier Scharfschützen in den Ruinen von Stalingrad thematisierte, setzte SaizewSaizew, Wassilij ein weiteres Denkmal. Der Film erzählt wie das zugrundeliegende Buch von David L. RobbinsRobbins, David L. War of the Rats (1999) aus sowjetischer Perspektive und reduziert, so die Kritik, das Grauen und massenhafte Sterben dieser Schlacht auf ein Duell zweier Spezialisten. SaizewsSaizew, Wassilij Duell mit einem deutschen Major König ist allerdings historisch nicht belegt. Die Geschichte entstammt wohl eher der sowjetischen Propaganda und sollte den Heldenmut der sowjetischen Soldaten befördern. In der Russischen Föderation stieß besonders die Einstiegsszene, die ein ›Verheizen‹ der sowjetischen Soldaten im Kampf um die Stadt zeigt, auf heftige Kritik.

Plakat des Films Enemy at the Gates mit Jude LawLaw, Jude und Joseph FiennesFiennes, Joseph aus dem Jahr 2001

Die Schlacht von Stalingrad war eine der grausamsten und blutigsten des Zweiten Weltkriegs. In der russischen Erinnerung lebt sie als heroischer Sieg über das »faschistische« Deutschland und als Wende im Zweiten Weltkrieg fort. Aber war dem wirklich so? War Stalingrad die Wende im Deutsch-Sowjetischen Krieg, hätte die Schlacht bei anderem operativem Verhalten der Wehrmacht gar gewonnen werden können? Das soll anhand der politischen Hintergründe, des Kriegsbilds und des Kräfteverhältnisses zwischen den Kontrahenten sowie des Kriegs- und Schlachtverlaufs in diesem Buch untersucht werden. Die großen Opferzahlen verdeutlichen zudem die brutale Kriegführung auf beiden Seiten, die von Adolf HitlerHitler, Adolf und seinen Heerführern mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Zuge ihres verbrecherischen Eroberungs- und Vernichtungskriegs ausgegangen war. Die Radikalität und Rücksichtslosigkeit auf diesem Kriegsschauplatz hatten massenhaft Gewalttaten gegen Soldaten, Kriegsgefangene und Zivilisten zur Folge, wobei die aktive wie passive Unterstützung des Völkermordes an den Juden durch die Wehrmacht besonders zu betonen ist.

Aber hat das, was die historische Forschung eindeutig belegt, auch ins kollektive Bewusstsein und in die Erinnerungskultur Eingang gefunden? Ganz offensichtlich wird die Erinnerung an die Stalingrader Schlacht bis heute von zahlreichen Mythen und Legenden bestimmt. Immer noch pflegen verschiedene Interessengruppen Bilder der »sauberen« Wehrmacht, bis heute erscheint die 6. Armee in Deutschland in dem verbrecherischen Weltanschauungskrieg des Nationalsozialismus vielen eher als Opfer denn als Täter.

2 Wozu ein Krieg gegen die Sowjetunion?

Die deutsche Wochenschau propagiert den siegreichen Feldzug gegen die Sowjetunion, 14. August 1941.

Als das Deutsche Reich am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, stand HitlerHitler, Adolf scheinbar im Zenit seiner Macht. Die Wehrmacht beherrschte große Teile Europas, und die im deutschen Volk tief empfundene »Schmach von Versailles« schien getilgt. Rassenideologie und militärische Erfolge hatten bei vielen Deutschen nationalistisch-chauvinistische Auffassungen verstärkt. Ein Gefühl der nationalen Selbstüberschätzung war in Deutschland weit verbreitet. Nichts schien den deutschen Soldaten aufhalten zu können.

Doch HitlerHitler, Adolf und seine Heerführer hatten einen Zweifrontenkrieg begonnen. Ein solcher war dem Deutschen Reich bereits im Ersten Weltkrieg zum Verhängnis geworden. Zwar musste sich Großbritannien auf dem europäischen Festland vorerst geschlagen geben, aber sein Widerstand gegen die deutsche Expansion blieb bestehen. HitlersHitler, Adolf Versuche, im Sommer 1940 die deutsche Luftherrschaft über die britische Insel zu gewinnen und die Briten mit Bomben zum Frieden zu zwingen, waren zudem gescheitert. Die Invasion der Insel, das geplante »Unternehmen Seelöwe«, erwies sich ohne Luftherrschaft über dem Ärmelkanal als nicht durchführbar. Auch auf ein Einlenken der Briten und einen Frieden im Westen hoffte HitlerHitler, Adolf vergebens. Selbst aus Übersee kamen Drohungen. US-Präsident Franklin D. RooseveltRoosevelt, Franklin D. bezeichnete Deutschland, Japan und Italien als Feinde der USA. Warum also der Krieg im Osten?

Hitlers Rassen-, Raub- und Expansionskrieg gegen die Sowjetunion

Im Spätsommer 1940 war in HitlerHitler, Adolf angesichts dieser Situation ein wahnwitziger Plan gereift. Er glaubte, nun endlich seinen Traum von der Eroberung des »Lebensraums im Osten« realisieren zu können. Deutschland hielt die Sowjetunion sowohl im Hinblick auf deren militärische Schlagkraft als auch aufgrund der unterdrückten Völker für einen Koloss auf »tönernen Füßen«. War es nicht möglich, sie in einem Blitzkrieg in die Knie zu zwingen? Mit der Kornkammer der Ukraine und den Ölfeldern im Kaukasus, so hoffte HitlerHitler, Adolf, würde Deutschland dann die materielle Basis für eine langfristige Kriegführung gegen das widerstrebende britische Empire zur Verfügung stehen. Zudem liebäugelten HitlerHitler, Adolf und die Wehrmachtführung mit der Idee, östlich des Schwarzen Meeres weiter in Richtung Iran auf der einen und von Nordafrika über Ägypten auf der anderen Seite vorzustoßen, um das Herrschaftsgebiet des Britischen Empire im Nahen und Mittleren Osten zu bedrohen.

Damit nahmen HitlersHitler, Adolf Ostfeldzug, der Plan eines »germanischen Völkerzugs« nach Osten und eines »Glaubenskriegs gegen Bolschewismus, Judentum und Slawen«, konkrete Formen an. Doch HitlersHitler, Adolf Russlandbild war ideologisch stark verzerrt. Neben der auch in Westeuropa anzutreffenden Unterschätzung der inneren, wirtschaftlichen und militärischen Kraft der Sowjetunion verfälschte die »rassenbiologische Schwächediagnose« sein Urteil. Er meinte, das jüdische Volk sei zu schwach, um einen eigenen Staat zu bilden. Deshalb unterwandere es andere Völker und entnationalisiere sie durch rassische Durchmischung, was in Russland bereits geschehen sei. In HitlersHitler, Adolf Augen waren »Judenherrschaft« und Bolschewismus identisch, die Russische Oktoberrevolution hielt er für ein Werk des »Judentums«.

NS-Propagandaplakat aus dem Jahr 1941. Mit dem »Kreuzzug gegen den Bolschewismus« sollte Europa unter »die Flügel« des deutschen Adlers kommen.

Den Krieg gegen seinen »Weltfeind Nr. 1« stellte sich HitlerHitler, Adolf anders vor als die vorangegangenen Feldzüge. Das Unternehmen »Barbarossa« wollte er nicht allein als Kampf der Waffen führen, sondern auch als rassenideologischen Vernichtungskrieg, um den »jüdischen Bolschewismus« auszurotten. Ministerialbeamte, Wissenschaftler, Generalstabsoffiziere, Diplomaten und Industrielle planten im Auftrag HitlersHitler, Adolf ein »Großgermanisches Reich deutscher Nation«. Unterschiedlichste Ansätze wurden dabei verfolgt, konkrete Festlegungen blieben aber aus. Nach den kühnsten Vorstellungen sollte es sich von der Atlantikküste bis zum Ural erstrecken. Als sein Kern galten neben Deutschland auch Teile Frankreichs und Westeuropas, im Osten Böhmen und Mähren (Tschechien) sowie Polen. Diesem Reich sollten die Reichskommissariate »Norwegen«, »Ukraine«, »Ostland« (Baltikum, Weißrussland), »Moskowien« und »Kaukasien« als Protektorate zugeordnet werden. Der Ural war als Grenze zum dann noch verbleibenden russischen Staat gedacht. Die eroberten Rohstoffe der Sowjetunion gedachte HitlerHitler, Adolf für den »Endkampf« im »Weltblitzkrieg« gegen Großbritannien und die USA und später für die Vormacht eines von Deutschland dominierten »Groß-Europa« zu nutzen.

Die von HitlerHitler, Adolf veranlassten und von der Wehrmachtführung umgesetzten »Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare«, kurz: »Kommissarbefehl« genannt, vom 6. Juni 1941 und der »Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet ›Barbarossa‹ sowie über besondere Maßnahmen der Truppe« (Kriegsgerichtsbarkeitserlass) vom 13. Mai 1941 waren verbrecherisch. Beide Befehle verstießen bewusst gegen das Völkerrecht. Der Kommissarbefehl wies an, Politkommissare der Roten Armee nicht als Kriegsgefangene zu behandeln, sondern ohne Verfahren zu erschießen. Gemäß dem Kriegsgerichtsbarkeitserlass konnten Straftaten von Zivilpersonen gegen die Wehrmacht in den Ostgebieten ohne Kriegsgerichts- oder Standgerichtsverfahren mit der Todesstrafe geahndet werden. Flüchtende Personen waren unverzüglich, Verdächtige auf Befehl von Offizieren zu erschießen. Übergriffe von Wehrmachtsangehörigen gegen die Bevölkerung im Besatzungsgebiet wurden von der Strafverfolgung ausgenommen. Das größte Verbrechen und der Kern des Kriegführungsplans war aber HitlersHitler, Adolf Auftrag an den Reichsführer-SS, Heinrich HimmlerHimmler, Heinrich, die »jüdisch-bolschewistischen« Bevölkerungsteile durch SD- und SS-Einsatzgruppen im besetzten Gebiet ermorden zu lassen. Damit wurde der Ostfeldzug bereits von Beginn an als verbrecherischer Vernichtungskrieg geplant.

Die sowjetische Kriegs- und Außenpolitik unter Stalin

StalinStalin, Josef hingegen hatte gehofft, die Sowjetunion aus dem europäischen Krieg vorerst heraushalten zu können. Nachdem seine Versuche, Nichtangriffsverträge mit den Westmächten zu schließen, gescheitert waren, entschloss er sich, den Stier bei den Hörnern zu packen. Am 24. August 1939 ließ er den »Hitler-Stalin-Pakt« unterzeichnen. Bis zuletzt hielt er stoisch an diesem Nichtangriffspakt in der Überzeugung fest, Deutschland werde keinen Zwei-Fronten-Krieg wagen, sondern sich erst Richtung Osten wenden, wenn Großbritannien besiegt sei.

Nicht, dass StalinStalin, Josef keine Eroberungsabsichten verfolgte. Der Diktator wollte die im Ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete zurückholen, und der Nichtangriffspakt ermöglichte der Sowjetunion, das Baltikum sowie die ostpolnischen Gebiete zu besetzen. Außenminister Wjatscheslaw MolotowMolotow, Wjatscheslaw forderte im November 1940 in Berlin zudem die Ausweitung des sowjetischen Einflusses auf Südosteuropa, die Türkei und den Nahen Osten. Doch StalinStalin, Josef wusste auch, dass die Rote Armee trotz hoStalinStalin, Josef1925