Prof. Dr. Julia Oswald
Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Krankenhausmanagement und -finanzierung an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Osnabrück, Beauftragte des Studiengangs Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen (BIG); davor jahrelange Tätigkeit in Führungspositionen im Krankenhaus; Mitglied diverser Expertenorganisationen im Krankenhausbereich wie VKD, DVKC; Promotion zur Doktorin der medizinischen Wissenschaften (Dr. rer. medic.), Fachbereich Humanwissenschaften, Universität Osnabrück, Studium der Betriebswirtschaft in Einrichtungen des Gesundheitswesens – Krankenhausmanagement (Dipl.-Kffr. (FH)), Hochschule Osnabrück.
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1. Auflage 2019
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-030220-4
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pdf: ISBN 978-3-17-030221-1
epub: ISBN 978-3-17-030222-8
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In der dynamisch wachsenden und zunehmend komplexer werdenden Gesundheitswirtschaft ist in den letzten Jahren der Bedarf stark gestiegen, Management bezogenes theoretisches Wissen und praxisrelevantes Know-how zu beherrschen und zu vermitteln. Dieser Bedarf spiegelt sich u. a. in zahlreichen neuen Hochschulstudiengängen und vielfältigen Angeboten der beruflichen Fort- und Weiterbildung wider.
Die Reihe »Health Care- und Krankenhaus-Management«, die auf den Curricula einschlägiger Hochschulen und wichtiger Fortbildungseinrichtungen aufbaut, setzt hier an. Inhaltlich und didaktisch systematisch angelegt, erhebt sie den Anspruch, das breite Themenfeld weitgehend vollständig abzudecken.
Die in 14 Bänden modular aufgebaute Reihe möchte allen Studierenden und Dozenten der auf das Management in der Gesundheitswirtschaft bezogenen Studiengänge, Berufstätigen in Fort- und Weiterbildung aus Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens und insbesondere (zukünftigen) Führungskräften und leitenden Mitarbeitern aus Ärztlichem Dienst, Medizin-Controlling, Pflegedienst, Marketing und Verwaltung ein hilfreiches Werkzeug für Studium und professionelle Praxis sein.
Die Herausgeberinnen und Herausgeber:
Clarissa Kurscheid, Julia Oswald und Winfried Zapp
Prof. Dr. Frauke Cording-de Vries
Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Krankenhaus- und Personalmanagement an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Osnabrück; davor langjährige Tätigkeit in der Unternehmensberatung im Krankenhaussektor; Promotion an der Johannes Kepler Universität in Linz, Österreich, über Public Private Partnership in der Investitionskostenfinanzierung öffentlicher Krankenhäuser, Studium der Betriebswirtschaftslehre in Bayreuth und Nantes, Frankreich.
Oliver Heitz
Partner der Rochus Mummert Healthcare Consulting GmbH in Hannover; davor Personalleiter eines privaten Krankenhauskonzerns und einer Uniklinik; zuvor Controller eines diakonischen Sozial- und Krankenhausunternehmens; Beirat Kongress KlinikManagementPersonal; Studium der Betriebswirtschaft in Einrichtungen des Gesundheitswesens (BIG, Dipl.-Kfm. (FH)), Hochschule Osnabrück; Industriekaufmann.
Prof. Dr. Julia Oswald (Herausgeberin)
Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Krankenhausmanagement und -finanzierung an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Osnabrück, Beauftragte des Studiengangs Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen (BIG); davor jahrelange Tätigkeit in Führungspositionen im Krankenhaus; Mitglied diverser Expertenorganisationen im Krankenhausbereich wie VKD, DVKC; Promotion zur Doktorin der medizinischen Wissenschaften (Dr. rer. medic.), Fachbereich Humanwissenschaften, Universität Osnabrück, Studium der Betriebswirtschaft in Einrichtungen des Gesundheitswesens – Krankenhausmanagement (Dipl.-Kffr. (FH)), Hochschule Osnabrück.
Ass. iur. Jan Hendrik Unger, MBA
Kaufm. Direktor mehrerer psychiatrischer Kliniken, Ambulanzen, Tageskliniken, eines Wohnheimes sowie eines Pflegezentrums im LWL Psychiatrieverbund, davor Konzernpersonalleiter und stellvertretender Dienststellenleiter und Syndikusanwalt sowie Prokurist einer Tochtergesellschaft eines kommunalen Klinikkonzerns; zuvor als Rechtsanwalt im arbeitsrechtlichen Dezernat einer Großkanzlei unternehmensberatend tätig. MBA in General Management, Special Track Hospital Management & Health Services, Handelshochschule Leipzig Graduate School of Management (HHL); Studium an den Universitäten Passau und Bonn (Dipl. Jur.) sowie am King‹s College London (Diploma in Legal Studies) und Postgraduiertenstudium an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer.
ArbZG |
Arbeitszeitgesetz |
AÜG |
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz |
AVR |
Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes |
AVR Diakonie |
Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der EKD |
BAG |
Bundesarbeitsgericht |
BetrVG |
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BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
DGAI |
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DKG |
Deutsche Krankenhausgesellschaft |
DKI |
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EU |
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Europäischer Gerichtshof |
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KHEntgG |
Krankenhausentgeltgesetz |
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Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte |
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Neue Juristische Wochenzeitschrift |
NUB |
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode |
SGB V |
Fünftes Sozialgesetzbuch |
TVöD |
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst |
ZE |
Zusatzentgelt |
Krankenhäuser sind personalintensive Dienstleistungsunternehmen mit bis zu 70 % Personalkostenanteil an den Betriebskosten. Aus diesem Grund kommt der Personalwirtschaft eine wichtige Bedeutung zu. Die zentrale ökonomische Prämisse ist die Knappheit der einzusetzenden Personalressourcen. Der Knappheitsgrad hängt dabei vom Bedarf an und der Verfügbarkeit von bestimmten menschlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ab, die zur Leistungserstellung erforderlich sind (vgl. grundlegend z. B. Oechsler und Paul 2015; Drumm 2008; Hentze und Kammel 2001).
Ziel der Personalwirtschaft ist die Sicherung des quantitativen und qualitativen Potenzials an Arbeitsleistungen, womit Funktionen der Personalbedarfsermittlung, der Personalbeschaffung, des Personaleinsatzes, der Personalentwicklung, der Personalerhaltung und der Personalfreistellung sowie der Personalführung verbunden werden ( Abb. 1.1; in Anlehnung an Ulrich 1970, S. 246 unter Verweis auf Lattmann 1966). Der Begriff Personalmanagement bringt zum Ausdruck, dass die Aufgaben der Personalwirtschaft im Wesentlichen Führungsaufgaben sind. Sie müssen geplant, gesteuert und kontrolliert werden ( Kap. 1.3). Ob zur Wahrnehmung der personalwirtschaftlichen Funktionen in einem Unternehmen generelle Lösungsmuster und -konzepte des Personalmanagements Unterstützung leisten können oder spezifische Ansätze notwendig sind, hängt von den jeweiligen Organisationsstrukturen und den zu erstellenden Leistungen der Krankenhausbereiche ab. Zum Beispiel wird in der Verwaltung der Personalbedarf nach einer anderen Methode ermittelt als im OP, die Führungskräfte der Pflege lenken anders als die leitenden Ärzte und bei Maßnahmen der Personalbeschaffung spielt die Generation, die angesprochen werden soll, eine wichtige Rolle ( Kap. 1.4)1.
Die sach-rationale Dimension der personalwirtschaftlichen Aufgabenerfüllung ( Kap. 2) ist eng verknüpft mit den sozio-emotionalen Aspekten der Beziehungs- und Mitarbeiterebene (Bleicher und Meyer 1976; Bleicher 2011/1999; Zapp 2017a). Der Einsatz personeller Ressourcen erfolgt durch Menschen, die mehr verkörpern als ein Arbeits- oder Leistungspotenzial. Als Träger von Bedürfnissen weist das Personal besondere Eigenschaften auf, die sich grundlegend von sachlichen Betriebsmitteln unterscheiden ( Tab. 1.1; Kap. 3). Damit einher geht die verhaltenswissenschaftliche Öffnung der Personalwirtschaft und mit ihr die Verfolgung ökonomischer Ziele (wirtschaftlich optimierte Kosten-Leistungs-Relation, Arbeitsproduktivität, u. a.) und sozialer Ziele (gerechte Bezahlung, Karrierechancen, gutes Betriebsklima u. a.).
Tab. 1.1: Merkmale der menschlichen Arbeitskraft
Die menschliche Arbeitskraft …Erläuterung
Das Objekt personalwirtschaftlicher Ziele und Maßnahmen ist das Personal, verstanden als Summen- oder Sammelbegriff (Hentze und Kammel 2001; Schanz 2000), d. h. Bezugspunkt der Personalwirtschaft ist danach primär die Gesamtheit der Führungs- und Ausführungskräfte eines Unternehmens. Ein Einzelner kann im Mittelpunkt personalwirtschaftlicher Überlegungen stehen, wenn es z. B. um die Besetzung eines konkreten Arbeitsplatzes geht oder um individuelle Motivationsprobleme (Schanz 2000). Meistens sind personalwirtschaftliche Probleme jedoch nur aus der abstrakten, auf die Gesamtheit gerichtete Vorstellung von Personal zu bearbeiten (Personalplanung, Bestimmung des quantitativen und qualitativen Personalbedarfs usw.).
Arbeitsrechtlich wird beim Personal zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Form von Arbeitern/Angestellten, leitenden Angestellten und Auszubildenden unterschieden (§ 133 Abs. 2 SGB VI, § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BetrVG). Der Terminus Mitarbeiter bringt den sozialen Charakter der Personalwirtschaft zum Ausdruck. Der neuere Begriff Humankapital oder Human Resource betont die Bedeutung qualifizierter und motivierter Mitarbeiter für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ( Kap. 1.2.2, Human Resource Management).
Da eine Führungskraft die komplexen personalwirtschaftlichen Aufgaben in einem Unternehmen nicht bearbeiten kann, werden sie auf mehrere Träger mit Personalkompetenz verteilt. Das führt zur Unterscheidung des funktionalen und institutionalen Begriffs der Personalwirtschaft. Neben der Unternehmensleitung müssen häufig Linienvorgesetzte im Rahmen ihrer Führungsfunktion Personalentscheidungen treffen. Daneben kommen externe Dienstleister für ausgewählte administrative Aufgaben der Personalwirtschaft (z. B. Lohnabrechnung) oder für die Entwicklung strategischer Personalkonzepte zum Einsatz. Beeinflusst und ggf. begrenzt werden die Entscheidungen durch die formalen Organisationsbedingungen und durch interne informelle Interaktionsprozesse und externe Einflüsse wie das Arbeits- und Tarifrecht. In dem Zusammenhang besitzt der Betriebsrat bei bestimmten personalwirtschaftlichen Entscheidungen ein Mitspracherecht ( Abb. 1.1; in Anlehnung an Hentze und Kammel 2001, S. 4; grundlegend z. B. Grieger 2004; s. auch die Ausführungen in Kap. 4).
Abb. 1.1: Träger personalwirtschaftlicher Funktionen
Durch den hier verwendeten Begriff der Personalwirtschaft soll der ökonomische Charakter der betriebswirtschaftlichen Funktion und Institution der Personalarbeit zum Ausdruck gebracht werden, »denn für Gesundheitseinrichtungen […] liegt der Engpass im betriebswirtschaftlichen Bereich […]« (Zapp 2017a, S. 338). Um den verschärften Bedingungen auf dem Krankenhausmarkt begegnen zu können, müssen neben der zielgerichteten Ausrichtung finanzieller Ressourcen vor allem die vielfältigen personellen Herausforderungen bewältigt werden.
Der Ansatz der Personalwirtschaft berücksichtigt zum einen die sach-rationale Ausrichtung der personalwirtschaftlichen Funktionen und zum anderen sozio-emotionale Komponenten, die insbesondere Aufgaben der Mitarbeitermotivation und -führung in den Vordergrund rücken. Personalwirtschaftliche Probleme wie die Einbindung der berufsgruppengeprägten Mitarbeiter in die Krankenhausorganisation, die Herstellung von Leistungsbefähigung und -bereitschaft sowie die Handhabung der Konflikte, die sich aus dem Spannungsfeld von individuellen Interessen und Motiven des Personals einerseits und Ansprüchen des Unternehmens andererseits ergeben, können nur durch eine ganzheitliche, integrierte Sichtweise gelöst werden. Das Personalmanagement bietet hierfür den organisatorischen Rahmen.
Die theoretische Grundlage für die beiden Gegenstandsbereiche wird durch die Darstellung wissenschaftlicher Theorien und Konzepte mit Bezug zur Personalwirtschaft und zum Personalmanagement gelegt. Diese Deutungsschemata oder Theoriefamilien vermitteln ein grundlegendes Verständnis der personalwirtschaftlichen Zusammenhänge und Wirkungsweisen; sie verdeutlichen weiterhin, dass personalwirtschaftliche Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden müssen. Zu diesen Perspektiven gehört auch die Sicht der Krankenhauspraxis. Die Personalwirtschaft von Krankenhäusern hat im Vergleich zu Unternehmen anderer Branchen einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Diese externen und internen Rahmenbedingungen werden erläutert und am Beispiel der Personalbedarfsermittlung und des Personal-Controllings im Krankenhaus vertieft.
Das zweite Kapitel setzt auf der sach-rationalen Ebene an und beleuchtet die klassischen Funktionen der Personalwirtschaft. Unterteilt nach Input-Orientierung, Input-Verbesserung/Prozess und Output-Orientierung werden die sach-logisch verknüpften Aufgabenfelder der Personalwirtschaft von der Personalbeschaffung bis zur Personalfreisetzung mit Bezug zum Krankenhaus ausgeführt. Die sozio-emotionale Perspektive wird durch das Thema Führung und Leadership im dritten Kapitel hervorgehoben. Hierbei liegt der Fokus auf der individuellen Verhaltensebene vom Geführten und vom Führenden.
Die Träger der Personalwirtschaft sind durch vielfältige Beziehungen untereinander und mit der Umwelt verbunden. Den Rahmen dafür bilden die Regelungen des Gesetzgebers, die er vor allem im Arbeitsrecht vorgibt. Gegenstand des abschließenden vierten Kapitels sind daher wesentliche Inhalte zum Individualarbeitsrecht und zum kollektiven Arbeitsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen von Krankenhauseinrichtungen.
In diesem Kapitel sollen die verschiedenen theoretischen Zugänge zur Personalwirtschaft dargestellt werden, da sich Praxis und Theorie bedingen. Dabei können die Übergänge zwischen den Theoriefamilien mit ihren Ansätzen fließend sein und es bestehen unterschiedlichste Verknüpfungen (z. B. Organisationstheorie und Entscheidungstheorie, Entscheidungstheorie und Systemtheorie, Führungstheorie und Systemtheorie, Gruppentheorien und Koalitionstheorien).
Zum historischen Verständnis der personalwirtschaftlichen Fundierung tragen die sog. frühen Ansätze bei. Hierunter werden organisationstheoretische Vorläufer und betriebswirtschaftliche Ansätze gefasst, die vor der Entstehung der Teildisziplin »Personal« entstanden sind.
Die sozio-emotionale Ebene der Personalwirtschaft kommt in verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen zum Ausdruck. Das soziale Handeln des einzelnen Mitarbeiters, von Gruppen und Organisationen steht im Mittelpunkt dieser Perspektive mit den dazugehörigen Theorien und empirischen Befunden (Ridder 2015; Staehle 1999, u. a.). Sie sollen, mit Blick auf den ökonomischen Zweck von Unternehmen, Aussagen zur Verhaltenssteuerung ermöglichen (Ridder 2015).
Die zweite große Theorieschule neben den Verhaltenswissenschaften mit Relevanz für die Personalwirtschaft ist die Ökonomie mit ihren institutionenökonomischen Ansätzen (z. B. Oechsler und Paul 2015; Ridder 2015; Weber 1996). Einen engen Bezug zur Ökonomie haben auch die ressourcenorientierten Ansätze der Personalwirtschaft und des Personalmanagements, die ebenfalls beleuchtet werden.
Die systemtheoretische Perspektive wählt einen ähnlich abstrakten Zugang zur Lösung personalwirtschaftlicher Probleme wie die Ökonomie: Es geht nicht um individuelle Verhaltensweisen und dahinterliegende Absichten, sondern vorrangig um allgemeine Gesetzmäßigkeiten des sozialen Systems der Unternehmung (Mayrhofer 1996). Wertvoll sind systemtheoretische Ansätze insbesondere als Gestaltungsansatz, weil sie den Objektbereich der Personalwirtschaft und des Personalmanagements durch einen Bezugsrahmen strukturieren können und dadurch eine systematische Analyse der Zusammenhänge innerhalb des Systems und systemübergreifend möglich werden (Zapp 2004; Zapp et al. 2014; Bleicher 2011; Ulrich 1970).
Richtungsweisend für die Personalwirtschaft sind ferner politikorientierte Ansätze, da sie die Gegensätzlichkeit von Interessen im Kontext von Personal und Arbeit thematisieren (Oechsler und Paul 2015). Aus ihnen heraus hat sich der Schwerpunkt der Personalpolitik entwickelt, dessen strategische Ausrichtung eine der wichtigsten Fragestellungen der Personalwirtschaft darstellt (Krell 1996; Wächter 1992).
Als weitere wichtige Ansätze mit Bezug zur Personalwirtschaft werden schließlich das strategieorientierte Human Resource Management und die Strukturationstheorie thematisiert, da sie – auf ganz unterschiedliche Art und Weise – einen Integrationscharakter aufweisen. Das Human Resource Management soll als Gestaltungsansatz die Integration von Unternehmensstrategie und Personalpolitik leisten (Hentze und Kammel 2001). Die Strukturationstheorie versucht als Grundlagentheorie eine Verbindung zwischen den subjektiven Handlungswissenschaften und den objektiven Systemwissenschaften herzustellen – also vereinfacht ausgedrückt zwischen Mensch und System oder zwischen sach-rationaler und sozio-emotionaler Ebene.
Tabelle 1.2 gibt einen Überblick über die Ansätze mit grundlegender Bedeutung für das Verständnis der Personalwirtschaft, die nachfolgend vertieft betrachtet werden sollen. Innerhalb der jeweiligen Punkte erfolgt eine knappe theoretische Darstellung der Kerninhalte und ihres Erklärungsbeitrags bzw. ihrer Bedeutung für die gegenwärtige Personalwirtschaft und Managementpraxis. Für eine ausführliche Betrachtung wird neben der Originalliteratur auf die Publikationen von Ridder 2015, Oechsler und Paul 2015, Scholz 2014, Weibler und Wald 2004, Hentze und Kammel 2001, Wolff und Lazear 2001, Schanz 2000, Staehle 1999 und Weber 1996 verwiesen.
Tab. 1.2: Überblick über Theorien und Ansätze mit Bezug zur Personalwirtschaft
Theoriefamilien(Teil-)Theorien und Ansätze
Als Vorläufer der Personalwirtschaft gelten die Ansätze der klassischen Organisationstheorie
• des Bürokratieansatzes nach Weber,
• des administrativen Ansatzes nach Fayol,
• des Scientific Management nach Taylor
und
• die Human-Relations-Bewegung (z. B. Oechsler und Paul 2015; Hentze und Kammel 2001).
Daneben sind mit
• dem gemeinschaftsorientierten Ansatz nach Nicklisch,
• dem produktionsfaktororientierten Ansatz nach Gutenberg und
• dem entscheidungsorientierten Ansatz nach Heinen
betriebswirtschaftliche Ansätze zu erwähnen, die sich schon vor der Etablierung der Personalwirtschaft in den 1960/1970er Jahren mit dem Faktor Arbeit beschäftigt haben (z. B. Krell 1996).
In seinem Hauptwerk »Wirtschaft und Gesellschaft« (1921) untersucht Weber aus soziologischer Sicht das damals neu aufkommende Phänomen der Bürokratien und die damit verbundenen Effizienzwirkungen, Funktionen und Arbeitsweisen (Oechsler und Paul 2015). Seine Analyse führte zur Effizienzhypothese, die besagt, dass die Bürokratie die effizienteste Organisationsform darstellt (Weber 1972). Die Regeln, nach denen sich Bürokratien und mit ihr die Beamten, Angestellten oder Manager richten, sind »rational gesatzt« (Kieser 2014a, S. 54).
Charakteristisch für die bürokratische Organisationsstruktur sind die Merkmale der Arbeitsteilung, der Amtshierarchie, der Regelgebundenheit und der Aktenmäßigkeit (Kieser 2014a). Die praktische Bedeutung der Organisationsform ist begründet in der hohen Stabilität der Strukturen, der Übersichtlichkeit und Berechenbarkeit, der Unabhängigkeit von Einzelpersonen und den ausgedehnten Kontrollmöglichkeiten (Kasper und Heimerl-Wagner 1993). Als Schwäche verweist Weber auf die Gefahr der Entwicklung eines Eigenlebens des bürokratischen Apparats und warnt vor Dysfunktionen wie Starrheit und Entscheidungsschwäche, Ressortdenken sowie Unpersönlichkeit. Einen Ausweg sieht er darin, an die Spitze der bürokratisch strukturierten Organisation charismatische Führer zu stellen, die dieses »stahlharte Gehäuse« durch ihre Persönlichkeit und Wertevorstellungen verhindern (Kieser 2014a, S. 58).
Webers Idealtyp der Bürokratie ist als ein Instrument anzusehen, mit dem das Verstehen gefördert werden soll. Sein Anliegen war es nicht, die bürokratische Wirklichkeit abzubilden (Kieser 2014a). In der Realität gibt es keinen Einheitstyp der Bürokratie und die Organisationsform ist auch nur unter bestimmten Bedingungen technisch effizient. Daneben gibt es dysfunktionale Wirkungen, die die technische Effizienz beeinträchtigen. Diese Argumente führten schließlich zu Weiterentwicklungen, u. a. wurden sie zur Grundlage des situativen Ansatzes/Kontingenzansatzes (Kieser 2014a).
Taylor »verwissenschaftlichte« die Managementlehre. Er leitete aus umfangreichen Zeit- und Bewegungsstudien Regeln ab, die für eine Vielzahl von Unternehmungen umsetzbar waren und führte eine Methode zur Optimierung der Organisation ein (Kieser 2014b). Neben Effizienzsteigerungen wollte Taylor die Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern entschärfen. Die Grundsätze des Scientific Management legte Taylor in seinem Grundwerk »The Principles of Scientific Management« (1911) nieder. Die Prinzipien und Methoden werden auch in der heutigen Managementpraxis noch weitergeführt (Oechsler und Paul 2015):
• Prinzip der Trennung von Hand- und Kopfarbeit: Renaissance der Arbeitsteilung in der modernen Produktion
• Pensum und Bonus: Leistungsentgelte und Zielvereinbarungen
• Auslese und Anpassung der Arbeiter: Assessment Center, Bestenauslese, Leistungsdiagnostik, Persönlichkeitstests
• Versöhnung von Arbeitern und Arbeitgebern durch Herrschaft und Experten: REFA2-Studien, Benchmarking, Unternehmungsberatungen, Managementkonzepte wie ISO 9000 oder Lean Management
Die wissenschaftliche Betriebsführung löste in den Unternehmungen deutliche Produktivitätssteigerungen aus und führte zu einer Verkürzung der Arbeitszeit und zu Lohnerhöhungen. Einwände gegen den Taylorismus bezogen sich vor allem auf eine mangelnde theoretische Fundierung und auf die Vernachlässigung von sozio-emotionalen Faktoren (Hentze und Kammel 2001).
Wenige Jahre nach Taylors Hauptwerk entstand die klassische Managementlehre, die u. a. maßgeblich von Fayol geprägt wurde und sich wie Weber auf die Analyse und Gestaltung der Verwaltungsorganisation bezog und nicht wie Taylor auf die Produktionswirtschaft. In seinem Hauptwerk »Administration industrielle et génerale« von 1916 formulierte Fayol 14 Prinzipien, u. a. die »Einheit der Auftragserteilung« und die »Einheit der Leitung«, was ihn zum Begründer des Einliniensystems machte. Noch heute ist die »Fayol‹sche Brücke« zur Entschärfung der teilweise langen Kommunikationswege dieser Koordinationsform üblich. Sie sieht in bestimmten Fällen den direkten Kontakt zwischen zwei untergeordneten Stellen aus verschiedenen Abteilungen vor (Kasper und Heimerl-Wagner 1993).
Unmittelbar an Fayol knüpften die Arbeiten von Gulick und Urwick (1937) an, die die Grundfunktionen des Managements beschreiben und im Akronym POSDCoRB zusammenfassen: Planung (planning), Organisation (organizing), Stellenbesetzung (staffing), Führung (directing), Koordination (coordinating), Berichtswesen (reporting) und Budgetierung (budgeting).
Diese oder ähnliche Funktionslisten bestimmen bis heute die Managementliteratur. Sie werden als »Methoden« in einer Vielzahl von Bestsellern und Fachzeitschriften dargestellt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um wissenschaftlich fundierte Managementmethoden, sondern um eine »Sammlung von relativ einfachen Prinzipien. Sie geben den Führungskräften lediglich Leitbilder an die Hand, d. h. »vereinfachende, bestimmte ›Erfolgsfaktoren‹ in den Vordergrund stellende Beschreibungen guter Praxis« (Kieser 2014b, S. 78; Kieser 1996).
In Deutschland systematisch weiterentwickelt und bearbeitet wurde die klassische Managementlehre von Fayol durch Nordsieck (1931) und später insbesondere von Kosiol (1962) und Grochla (1972) in der Organisationslehre (Wunderer 2011).
Als historischer Ursprung zur Überwindung der technokratischen Ansätze (Taylorismus) gilt die sog. Human-Relations-Bewegung, deren Anfang in den 1930er Jahren die Hawthorne-Studien unter der Leitung der Harvard-Professoren Mayo (1933) und Roethlisberger/Dickson (1939) begründeten. Das Hauptergebnis der Forschungen bestand darin, dass weniger die objektiven Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Lohn etc.) als vielmehr die herrschenden sozialen, zwischenmenschlichen Beziehungen (human relations) die Leistungsbereitschaft und Zufriedenheit der Gruppenmitglieder erhöhen. Die Experimente trugen wesentlich dazu bei, traditionelle Vorstellungen über das personale Verhalten in Unternehmungen und über die Möglichkeiten zu ihrer Beeinflussung zu problematisieren (Ackermann und Reber 1981). Als Leitgedanken wurden dabei die äußeren Arbeitsbedingungen und die sozio-emotionalen Aspekte der Zusammenarbeit herausgestellt. Die Auswirkungen der Arbeitsinhalte und -verantwortung (job content) auf die Motivation wurden noch nicht thematisiert; sie wurden erst in den 1960er Jahren durch den sog. Human-Resources-Ansatz in den Vordergrund gestellt (Staehle 1999). Gleichzeitig entstanden aus der Human-Relations-Bewegung neue Forschungsdisziplinen wie die Organisationpsychologie und neue Forschungsfelder, z. B. die Organisationsentwicklung, Gruppen- und Führungstheorien (Oechler und Paul 2015; Kieser 2014b).
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannte der Betriebswirt Nicklisch (1920, 1922 und 1932), dass »nicht das Kapital, sondern der Geist der Arbeit die Seele der Unternehmung ist« (1922, S. 56). Im Mittelpunkt seiner Lehre steht die Betriebsgemeinschaft, für die bei Nicklisch Mitbestimmung und Gewinnbeteiligung konstitutiv sind. Er sieht nicht die Gewinnerzielung, sondern die wirtschaftliche Bedarfsdeckung als Aufgabe eines Betriebes an. Krell (1996) spricht von einer frühen verhaltenswissenschaftlichen Öffnung der Betriebswirtschaftslehre (1996), da Nicklisch durch seinen gemeinschaftsorientierten Ansatz die Gestaltung sozial-gerechter Verhältnisse und die Einbindung des Personals in die Organisation zum Ausdruck bringt. Gegenwärtig finden sich Spuren einer »vergemeinschaftenden Personalpolitik« (Krell 1996, S. 22) zum Beispiel im Konzept der Unternehmenskultur.
Im Gegensatz zu Nicklisch ist bei Gutenberg (1951) nicht die Gemeinschaft der Bezugspunkt der Betriebswirtschafslehre, sondern der Prozess der betrieblichen Leistungserstellung in Form der Faktorkombination. Im Mittelpunkt steht die Produktivitätsbeziehung, d. h. die Korrelation zwischen Faktoreinsatz und Faktorertrag: Gutenberg versteht Unternehmungen als System produktiver Faktoren (Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe), die so miteinander zu kombinieren sind, dass ein optimales Verhältnis von Faktoreinsatz und Faktorertrag erreicht wird (Produktivität). Die menschliche Arbeit spaltet Gutenberg in eine objektbezogene, ausführende und dispositive, führende Leistung, wobei er nur die Geschäftsleitung (originär dispositiver Faktor) einer näheren Betrachtung unterzieht (Wunderer 2011). Beim Kombinationsprozess sind nach Gutenberg – wie bei anderen Vertretern der technokratisch-rationalistischen Schule – das ökonomische Prinzip und die arbeitsteilige, autoritative und kontrollierende Personalwirtschaft (und Führungsstil) alleinige Grundlage der Gestaltung. Analysen oder Theorien über »menschliches Verhalten« werden in diesem Ansatz ausgeschlossen (Staehle 1999; Wächter 1979; Heinen und Reichwald 1977), weshalb er für die Personalwirtschaft z. B. von Staehle verworfen wird. Auch aus moralischer Sicht spricht nach Staehle (1975) einiges gegen den Ansatz: Zum einen entspricht das Menschenbild einem »Zwei-Klassen-Modell«, zum anderen ist die formale Gleichstellung von Mensch und Sache »inakzeptabel« (1975, S. 716f.).
Positiv für die Personalwirtschaft gewürdigt wird Gutenberg von Ridder (1996). In seinem personalwirtschaftlichen Ansatz plädiert er dafür, dass sich eine Weiterentwicklung der Personalwirtschaftslehre als ökonomische Theorie stärker auf den von Gutenberg entwickelten ökonomischen Kern – die Frage nach dem Beitrag menschlicher Arbeit zur Faktorkombination – konzentrieren muss (1996). Auch der Soziologe Baecker (2003) plädiert für eine Rückbesinnung der Betriebswirtschaftslehre auf das Wissen von Gutenberg (Baecker 2003).
Die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre nach Heinen (1969) stellt das reale Entscheidungsverhalten des wirtschaftenden Menschen und damit den personalen Aspekt des betrieblichen Geschehens in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Heinen beruft sich auf das ethisch-normative Menschen-Programm Nicklischs und das produktivitätsorientierte System von Gutenberg. Mit seinem entscheidungsorientierten Ansatz im Sinne einer verhaltensorientierten Betriebswirtschaftslehre strebt Heinen eine Vereinigung der beiden Forschungsrichtungen an (Bea et al. 2000) (von der empirischen Entscheidungstheorie ist die sog. präskriptive/praktisch-normative Entscheidungstheorie zu unterscheiden; einen Überblick dazu gibt z. B. Laux et al. 2012).
Kern des entscheidungsorientierten Ansatzes ist der Entscheidungsprozess, der über die betriebswirtschaftlichen Funktionen der Planung, Steuerung und Kontrolle die menschliche Arbeit mit den sachlichen Produktionsfaktoren kombiniert. Durch die Schwerpunktsetzung auf das tatsächliche Entscheidungsverhalten der Führungskräfte impliziert der Ansatz, dass nicht nur die betriebswirtschaftlichen Ziele des Unternehmens wie Gewinn und Rentabilität bei der Faktorkombination zu beachten sind, sondern auch die individuellen Ansprüche und Bedürfnisse der Organisationsmitglieder, die bspw. nach Sicherheit oder Prestige streben. Im Vordergrund der entscheidungsorientierten BWL steht damit die Lösung des Integrations- und Anpassungsproblems, wonach es dem Unternehmen gelingen muss, dass die Mitarbeiter ihre eventuell abweichenden Absichten zugunsten der Ziele der Unternehmung zurückstellen und sich in das betriebliche Leistungsgeschehen einordnen (s. hierzu auch die Ausführungen im folgenden Kapitel zur verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie).
Verhaltenswissenschaftliche Ansätze befassen sich mit dem sozialen Handeln in und von gesellschaftlichen Institutionen (Staehle 1999). Insbesondere Theorien der Psychologie, Soziologie, Anthropologie und Ethnologie bilden die Grundlage dafür.
Die betriebswirtschaftliche Diskussion wurde vor allem durch
• entscheidungstheoretische Konzepte
geprägt, die auf der Organisationsebene ansetzen. Mit der makrosozialen Ebene verbunden sind funktions- und anreizbezogene Gestaltungsansätze und Austauschtheorien.
Der Zusammenhang von Struktur und Verhalten kann außerdem mit dem
• verhaltenswissenschaftlich situativen Ansatz
in Verbindung gebracht werden. Davon zu unterscheiden sind die mechanistisch situativen Ansätze, die die Umwelt-Struktur-Beziehung betonen (Staehle 1999).
Daneben geht es um die Erklärung und Gestaltung der Verhaltensrealität von Gruppen und Individuen (z. B. Staehle 1999; Weinert 2004; Ridder 2015). Analog dieser Ordnung sind auf der mikrosozialen Ebene verschiedene
• Forschungen zum Gruppenverhalten
und auf der Ebene des Individuums primär
• Motivationstheorien und
• Führungstheorien
zu unterscheiden (z. B. Staehle 1999; Robbins 2005; Weinert 2004; Ridder 2015; Ackermann und Reber 1981) ( Abb. 1.2). Zu berücksichtigen ist auch bei dieser Ordnung, dass es Überschneidungen und Querverbindungen zwischen den theoretischen Ansätzen gibt. Zum Beispiel beziehen sich bestimmte Führungstheorien auch auf Gruppen oder es gibt Führungstheorien, die auf den Erkenntnissen des situativen Ansatzes beruhen.
Abb. 1.2: Betrachtungsebenen organisatorischen Verhaltens
Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie wird in der Betriebswirtschaftslehre vor allem als Organisationstheorie behandelt (grundlegend: Berger, Bernhard-Mehlich und Oertel 2014). Dem Ansatz liegt ein Organisationkonzept zugrunde, das Organisationen als »Systeme bewusster koordinierter Handlungen oder Kräfte von zwei oder mehr Personen« (Barnard 1938, S. 73ff.) versteht. Das bedeutet, dass Organisationen nicht aus bestimmten Menschen, Maschinen oder Räumen bestehen, sondern aus Entscheidungen und Handlungen, die von eigenen Überlebensbedürfnissen und Zielen gelenkt werden (Berger et al. 2014). Organisationstheoretisch besteht so die Herausforderung darin, die Mitarbeiter in das Unternehmen einzubinden.
Das Erkenntnisinteresse der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie gilt dem Bestands- und Anpassungsproblem von Organisationen. Menschliches (Entscheidungs-)Verhalten wird hierfür als ursächlich angesehen (Berger et al. 2014). Wichtige Vertreter des Ansatzes sind Simon (1976) sowie March und Cyert (1963). Zwei Grundthesen sind untersuchungsleitend (Simon 1976):
• Menschen verfügen über begrenzte Kapazitäten zur Verarbeitung von Informationen.
• Ihre Bereitschaft, sich in Organisationen zu engagieren, ist beschränkt.
Hieraus ergeben sich zwei Arten von Entscheidungen, auf die sich die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie bezieht:
1. Entscheidungen »in« Organisationen
a) Wie treffen Individuen Entscheidungen?
b) Wie beeinflussen Organisationen das Entscheidungsverhalten von Individuen?
2. Entscheidungen »außerhalb« oder »an der Grenze« von Organisation
c) Unter welchen Bedingungen nehmen Individuen an Organisationen teil und sind motiviert, die erforderlichen Beiträge zu erbringen?
Zu 1) Entscheidungen »in« Organisationen«
Die Analyse zum Entscheidungsverhalten von Individuen »in« Organisationen bezieht sich auf das Konzept der begrenzten Rationalität (»bounded rationality«) nach Simon: Unvollständigkeit des Wissens, Schwierigkeit der Bewertung zukünftiger Ereignisse und begrenzte Auswahl an Entscheidungsalternativen (Simon 1976). Die Hauptaussage ist, dass Entscheidungen in der Realität nicht dem objektiven Idealbild entsprechen. Damit trotz dieser real begrenzten Rationalität von Menschen rationales »Organisationshandeln« unterstützt wird, verweist Simon (1979) auf fünf Mechanismen organisatorischer Beeinflussung (Berger et al. 2014; unter Verweis auf Simon 1979):
• Herrschaft/Hierarchie (Autorität): Durch die Einengung der Verhaltensmöglichkeiten der Mitarbeiter wird Komplexität reduziert.
• Arbeitsteilung: Entscheidungsprobleme werden in Subprobleme zerlegt, so dass einzelne Subsysteme der Organisation immer nur für bestimmte Problemausschnitte zuständig sind.
• Standardisierte Verfahren und Programme: Durch die Festlegung, wie bestimmte Aufgaben ausgeführt werden müssen, wird das Organisationsmitglied entlastet, da nicht immer wieder nach neuen Lösungsmöglichkeiten gesucht werden muss.
• Kommunikation: Durch »gefilterte« Kommunikation in Form von spezifischen schriftlichen und mündlichen Informationen (Anordnungen, Regeln, Berichte, Statistiken) wird das arbeitsteilige Handeln koordiniert.
Die Mechanismen der Vereinfachung von Organisationsentscheidungen beeinflussen die Entscheidungen des Mitarbeiters, indem sie ihm einen Teil seiner Entscheidungsprämissen vorgeben. Es werden faktisch (Vor-)Entscheidungen von Stellen getroffen, die die Informationen verdichten (Berger et al. 2014, unter Verweis auf Simon 1976).
Zu 2) Entscheidungen »außerhalb« oder »an der Grenze« von Organisation
Weil es vielfach nicht möglich ist, den Beschäftigten ihr Handeln im Detail vorzuschreiben, sind Unternehmungen darauf angewiesen, dass die Mitarbeiter einen Teil der für ihre Entscheidungen notwendigen Entscheidungsprämissen selbstständig setzen. Um sie dazu zu bewegen, die Alternativen im Sinne der Unternehmensziele zu bewerten und nicht zugunsten persönlicher Interessen, greifen Unternehmungen auf Anreizsysteme zurück. Nach der Theorie des Gleichgewichts von Anreizen und Beiträgen (March und Simon 1958; Barnard 1939, Cyert und March 1963) werden Mitarbeiter sich nur solange als »Organisationspersönlichkeit« verhalten, wie sie die gebotenen Anreize (z. B. Entlohnung, Weiterentwicklungsmöglichkeiten, Anerkennung) als mindestens gleich groß oder größer im Vergleich zu ihren Beiträgen (Arbeitsleistung, Loyalität u. a.) wahrnehmen. Kupsch und Marr (1991) haben, angelehnt an diese Theorie, ein Modell zur Personalwirtschaft entwickelt. Bezogen auf Krankenhäuser haben Eichhorn und Schmidt-Rettig (1995) die Anreiz-Beitrags-Theorie für ihren Ansatz zur Integration der Mitarbeiter in den Krankenhausbetrieb zugrunde gelegt. Daneben halten sie für die Krankenhauspraxis das Sozialisationsmodell für bedeutsam. Es unterliegt der Annahme, dass der Mitarbeiter durch eine positive Wertung der Ziele des Krankenhauses dazu bewogen werden kann, seine eventuell abweichenden Zielvorstellungen aufzugeben und sich in das Leitungsgeschehen des Krankenhauses einzuordnen (u. a. von Maanen 1976; Porter 1975; Schein 1972; vgl. Eichhorn und Schmidt-Rettig 1995). Weitere verhaltenswissenschaftliche Theorien mit Integrationsrelevanz sind die soziale Austauschtheorie und die Theorien der organisationalen Gerechtigkeit. Die soziale Austauschtheorie nach Homans (1958), Blau (1964) sowie Thibaut und Kelley (1959) geht der Frage nach, welche Faktoren für die Bindung und Zufriedenheit von Mitarbeitern ursächlich sind. Im Fokus der organisationalen Gerechtigkeitsforschung stehen Situationen in Organisationen, die für einen Mitarbeiter als fair wahrgenommen werden (u. a. die Verteilung organisationaler Ressourcen, Verfahren der Personalauswahl und -entlassung, der alltägliche Umgang der Mitarbeiter untereinander, Führungskräfte). Die wahrgenommene Gerechtigkeit wird als wesentlicher Einflussfaktor auf die Arbeitseinstellung und -motivation angesehen (vgl. z. B. Feldmann 2009).
Weiterentwicklungen der verhaltensorientierten Entscheidungstheorie mit Relevanz für die Personalwirtschaft beschäftigen sich mit mehrdeutigen Entscheidungssituationen (sog. Mülleimer-Modell nach Cohen, March und Olsen (1972)) und mit dem organisatorischen Lernen und seinen Grenzen (Berger et al. 2014).
Der in den 1960er Jahren in den USA aufkommende situative Ansatz (Kontingenzansatz) (ausführlich Kieser 2014c; Staehle 1999) verdeutlicht, dass die Erfüllung personalwirtschaftlicher Aufgaben von der situativen Umwelt abhängt und es damit keinen universellen Weg der Gestaltung gibt (Hentze und Kammel 2001; zur Führungsforschung vgl. bspw. Fiedler (1967); Abb. 1.3; in Anlehnung an Staehle 1999, S. 59). Verhaltenswissenschaftlich orientierte Weiterentwicklungen verweisen jedoch auf Handlungsspielräume des Managements (z. B. Child 1972; Montanari 1978; Kubicek 1980) und beziehen die Wahrnehmung von Struktur und Kultur durch die Organisationsmitglieder mit ein (Staehle 1999). Hiermit verbunden sind Konzepte der Mitarbeiterzufriedenheit und der Unternehmenskultur.
Abb. 1.3: Verhaltenswissenschaftlich situativer Ansatz
Erweitert wurde der Kontingenzansatz durch den Konsistenzansatz (Staehle 1999), der weniger die Übereinstimmung (= Fit) zwischen Unternehmen und Umwelt thematisiert und sich mehr auf eine widerspruchsfreie Abstimmung unternehmensinterner Parameter konzentriert. Mit dem Streben nach interner Konsistenz werden vor allem Forschungen von Khandwalla (1973) sowie Mintzberg (1979/1983) verbunden. So finden Mintzbergs (fünf) Strukturtypen der Organisation und Macht auch gegenwärtig noch eine große Beachtung in Theorie und Praxis. Dazu zählt u. a. das Modell der Expertenorganisation (Professional Bureaucracy), mit dem Krankenhäuser beschrieben werden können (Schmidt-Rettig 2017/2008; Hurlebaus 2004). Der Vorteil der Typisierung liegt darin, dass Lenkungsproblematiken offengelegt und effektive Ansätze zu deren Lösung erarbeitet werden können. Davon profitiert auch die Personalwirtschaft, denn so lassen sich Ansatzpunkte für Interventionen im Bereich der Personalauswahl, des Personaleinsatzes und der Personalfreisetzung gezielter ableiten.
Seine praxisorientierte Verwirklichung findet der Konsistenzansatz im 7-S-Modell nach McKinsey, das einen Zusammenhang von sieben gestaltungsrelevanten Kernvariablen und dem Erfolg von Unternehmen sieht (Strategie, Struktur, Systeme, Kultur, Werte, Fähigkeiten). Umfassender und fundierter angelegt ist der gestaltungsorientierte Harmonisationsansatz von Bleicher (2011). In seinem integrierten Managementkonzept sind systeminterne und systemübergreifende Abstimmungsprozesse die Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen überlebensfähig ist (Bleicher 2011; vgl. erstmals Bleicher und Meyer 1976, S. 20ff.; vgl. auch bezogen auf den Gesundheitsbereich Oswald und Eichhorn 2017; Zapp 2017b/2004). Die Umwelt wird damit ebenfalls berücksichtigt. Auch systemtheoretische Arbeiten mit Bezug zur neueren Systemtheorie und damit dem Konzept der organisatorischen Geschlossenheit, der Selbsterzeugung und -erhaltung (Selbstreferenz, Autopoiesis) (vgl. Rüegg-Stürm 2014/2005; Malik 1986; Gomez und Probst 1985) lassen eine Nähe zu den Konsistenzansätzen erkennen (Staehle 1999) ( Kap. 1.2.2).
Die Entstehung der Gruppenforschung wird mit dem Hawthorne-Experiment (s. oben im Abschnitt Human-Relations-Bewegung) in Verbindung gebracht, da hier erstmals gezeigt werden konnte, dass Gruppenprozesse Auswirkungen auf die Ergiebigkeit der Leistung haben (Ridder 2015; Staehle 1999). Es stellte sich heraus, dass
• Mitarbeiter auf Anreize nicht nur als Individuum, sondern auch als Gruppe reagieren,
• Einflüsse der Arbeitsgruppe das Arbeitsversverhalten ihrer Mitglieder prägen und
• zwischenmenschliche Beziehungen eine besondere Bedeutung für das Arbeitsverhalten und die Arbeitsergebnisse haben.
Gekennzeichnet sind Gruppen durch folgende Eigenschaften (Staehle 1999):
• direkte Interaktion zwischen den Mitgliedern (face-to-face)
• physische Nähe
• Wir-Gefühl
• gemeinsame Ziele, Werte und Normen
• Rollendifferenzierung und Statusverteilung
• die Beeinflussung des eigenen Handelns und Verhaltens durch andere
• ein relativ langfristiges Überdauern des Zusammenseins
Eine Arbeitsgruppe ist zusätzlich in bestimmte Organisationsstrukturen wie Abteilungen oder Bereiche eingebettet. Von Gruppen zu unterscheiden sind Teams. Teams sind in der Regel kleiner und durch relativ intensive wechselseitige Beziehungen, eine spezifische Arbeitsform (Teamwork), einen ausgeprägten Gemeinschaftsgeist (Teamspirit) und einen relativ starken Gruppenzusammenhalt gekennzeichnet (Forster 1978). Auch Kategorien von Personen wie Berufsgruppen und Altersgruppen sind nicht als Gruppen im o. g. Sinne zu verstehen. (Arbeits-)Gruppen können formell (z. B. Abteilung) und informell (z. B. Frühstücksgruppe) entstehen.
Die unterschiedlichen formellen Gruppenkonzepte können nach zwei Dimensionen geordnet werden (Scholz 2014):
• Art der organisatorischen Einbindung
• zeitliche Ausrichtung
Die Klassifikation führt zu vier Gruppenvarianten ( Tab. 1.3; in Anlehnung an Scholz 2014, S. 687).
Tab. 1.3: Gruppenformen im Unternehmen
Zeitliche Ausrichtung
Die Strukturierung ist notwendig, weil mit jeder Gruppenform andere organisatorische und personelle Anforderungen einhergehen. Daher muss das Gruppenverhalten auch in Abhängigkeit des jeweiligen Kontextes untersucht werden. Oechsler und Paul (2015) verweisen hierzu auf einige gruppentheoretische Konzepte und Modelle: