Stephanie Katerle

Seitensprünge

Warum Untreue
nicht zur Trennung
führen muss

Impressum

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Datenkonvertierung: Tropen Studios, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96218-5

E-Book: ISBN 978-3-608-11040-1

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20375-2

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Inhalt

1. Persönliche Einleitung

2. Wer weiß was über Untreue?

Sortieren und Explorieren

Hilfe, Chaos!

3. Warum das lebenslange Lieben einfach schwierig ist

Der eine für alles für IMMER

Gedanken über das quid pro quo: Das Prinzip der Gegenseitigkeit

»Und wenn sie nicht gestorben sind …« – Narrative und Muster

Die romantische Zweierbeziehung und ihre Regeln

Bedürfnisse und Ausflüge

Tabus und Verbote

Ideal und Realität

4. Ein paar Seiten Geschichte – weil wir sonst unsere kulturelle Herkunft nicht verstehen

Ganz, ganz früher …

Let’s get bürgerlich!

Bürgerliche Liebe – ein Dauerbrenner

So bürgerlich sind wir: eine Zusammenfassung

Die Frau – das lustlose Wesen?

Männer sind spießig – Frauen auch!

Bedürfnisse: von Nachfrage und Angebot

Diskurs vs. Beziehungswirklichkeit

Strukturelle Bedingungen

5. Der Blick der Soziologie

Beziehungen sind halt so. Oder?

Symbole und Rituale

Verliebt, verlobt, verheiratet

Regeln

6. Ökonomie und Staatsräson

Sag mal, wo kommst du denn her? Von der Ehe, wie wir sie kennen

Heiraten? Wozu?

»Partnerspezifische Investitionen«: Interview mit Johannes Eber

7. Warum ist der Mensch nur so? Anthropologie und Sozio-Biologie

Venus-Mars-Mythen

Abkehr von der Monogamie: Offene Beziehungen, Beziehungsanarchie, Polyamorie

Treue und Liebe – was ist denn das überhaupt?

8. Vom Baum auf die Kirchenbank: Wie sich der intelligente Affe entwickelte und warum Verlieben so menschlich ist

Oh, holde Maid – was Affären mit der Minne zu tun haben

Verschiedene Formen der Untreue

9. Von Schuld, Moral und Redlichkeit

Versprochen ist versprochen

Der Tod holt uns alle

Moraltheologie: Sünde, Laster, Buße

Eskalation als Katharsis? Hölle und Fegefeuer für die Sünder

»Berechtigte Interessen«: Interview Patrick Kurtz

Untreue ist Voldemort – dessen Namen nicht genannt werden darf

Ohne deine Treue bin ich nicht mehr ich

Der Gewissensboss ist eine Frau

Was ist denn eigentlich richtig?

Wollen wir frei sein?

10. Philosophie

Geist ist geil. Warum die Philosophie alles bestimmt

Galvanize!

Geschlechtswerkzeuge

Pufferzonen

So wird’s gemacht: Ethik

11. Ökonomie

Du bist mein und ich bin dein

Utopien zur Lust

Lust-Realitäten

»Wir sind nicht Oswalt Kolle« – Interview mit Nadine und Christian

12. Erziehung zur Treue

Das treiben wir dir schon noch aus!

Optimieren und lieben – Liebe optimieren?

Wer erzieht hier wen?

13. Eine Psychologie des Fremdbegehrens

Was ist denn bei dir kaputt?

Welche Neurose darf es denn sein?

Danger zones

14. Fazit

Cure it yourself

Menschen sind vielseitig und flexibel

Die vier Säulen

Aufgeklärte Monogamie

Literatur

Ohne meinen Mann Ralf würde es mich als Autorin nicht geben. Ihm verdanke ich den Mut, alles bis zum Ende zu denken, die Konzentration, gute Gedanken festzuhalten, und die Ausdauer, meine Denkwege konsequent in Worte zu fassen. Er ist mein schärfster Kritiker und mein größter Fan, ein immer geduldiger Zuhörer und unermüdlicher Motivator. Danke.

Für dieses Buch habe ich viel freundliche Freiwilligkeit erfahren. Meinen Interviewpartnern Nadine und Christian vom Marketing des Joyclub, Patrick Kurtz und Johannes Eber danke ich für die spontane Bereitschaft und die aufgewendete Zeit.

Mein Dank gilt auch meinen Klienten, durch die ich alles lernen durfte, was ich in meinen Büchern verarbeite.

1. Persönliche Einleitung

So sprach mir ein Weib:
»Wohl brach ich die Ehe,
aber erst brach die Ehe mich.«

Friedrich Nietzsche

Schon wieder ein Buch übers Fremdgehen?

Seitensprung – darüber gibt es so unendlich viele Bücher, dass auch ich in meiner bescheidenen Fachbibliothek mindestens zehn Exemplare besitze. Seitensprung – das ist einer der häufigsten Trennungsgründe, oftmals dominantes Thema in meinen Paarcoachings und stets willkommener Anlass für süffisante Berichterstattung in einschlägigen Gazetten. Die Empfindungen und Gedanken der Betroffenen im Fall der Untreue sind unübersichtlich und vielfältig. Chaos scheint auszubrechen, wenn einer der Partner zeitweilig oder längerfristig aus der Zweisamkeit ausschert. Partner und Umwelt fragen: Wie konnte das passieren? Lösungen und Erklärungen sowie Perspektiven für das weitere Leben werden gesucht.

Oftmals bleiben diese Lösungen seltsam provisorisch, sie tragen trotz aller Mühen nicht lange oder sicher genug. Das Buch will klären, warum die im Notfall begonnene Reparatur einer beschädigten Beziehung keine dauerhafte Lösung sein kann. Es will dazu anregen, den eigenen Wertvorstellungen über Liebe, Romantik, Erwartungen und Möglichkeiten in kritischer Reflexion zu begegnen. Nur so kommt man den tiefer liegenden Gründen für die verheerende Wirkung der Untreue auf die Spur und kann sie ausschalten. Das Buch will weder Vorschläge machen, wie man Beziehungen alternativ gestalten sollte, noch Tipps für eine lang anhaltende Liebesbeziehung verteilen. Es will aufklären – über die Monogamie als unsere kulturell verankerte Beziehungsform und ihre Anpassungsschwierigkeiten an die digitalisierte Welt. Und schließlich will es für diese aufgeklärte Art der Monogamie ausdrücklich werben. Es will erklären, warum es immer schwieriger wird, lange treu zu bleiben, und warum es trotz aller Modernität und Liberalität immer noch so unendlich schmerzhaft ist, vom geliebten Menschen hintergangen zu werden. Insofern sei noch einmal explizit darauf hingewiesen: Dies ist kein Entschuldigungsbuch für Seitenspringer. Untreue und Illoyalität sind Verletzungen, die langsam heilen und lange schmerzen. Die Lösung kann aber auch nicht in jedem Fall sein, die Beziehung zu beenden und dasselbe Spiel mit einer neuen Person oder dem vertrauten Partner noch einmal von vorn zu beginnen.

Der Seitensprung ist die Sollbruchstelle aller Beziehungen der westlichen Welt1. An keiner Stelle ist es so nachvollziehbar, wenn die Beziehung beendet wird. Paare quälen sich oft jahrelang durch Beziehungen voller Lieblosigkeit, gar Gewalt, Sucht oder Desinteresse. Doch sie bleiben zusammen, denn »man hat sich ja (noch) nicht betrogen«. Männer und Frauen ertragen Langeweile, Sprachlosigkeit und Kälte in der Beziehung erstaunlich lange und in unheimlichem Langmut. Aber bei einem Seitensprung ist es schlagartig vorbei mit der Geduld. Hier hat die Umwelt spontan Verständnis für eine Trennung. Untreue ist die am meisten akzeptierte Begründung für eine Trennung, so wie »Treue« die größte Erwartung an einen Partner ist. Orientiert sich einer der Partner also kurz- oder längerfristig nach außen, kann es relativ sauber »knack« machen, und die Beziehung ist vorbei, obwohl sie unter Umständen noch viel Potential gehabt hätte und eine Menge Ressourcen aufweist, die nun verloren gehen. An dieser Sollbruchstelle endet die Beziehung entweder, oder sie gesundet mehr oder weniger und wird fortgeführt. Das hängt ein bisschen davon ab, in welchem Umfeld man lebt und wie die sozialen Peers den Seitensprung bewerten.

Untreue ist für die Beziehung gefährlich, sie stellt die bisherigen Glaubenssätze infrage. Nur wenn diese Sollbruchstelle als Gefahrenquelle ausgeschaltet und durch solide, verlässliche Verabredungen verstärkt wird, verliert sie diese Bedrohlichkeit für Liebesverbindungen. Solch eine Sollbruchstelle wird strukturell, aber unbewusst, in jede Beziehung eingebaut, die vor einem deutschen, österreichischen oder niederländischen Standesamt oder in der Kirche geschlossen wird. An dieser Position ist einfach ein Punkt erreicht, an dem die Beteiligten sich entscheiden müssen, ob, wie und in welche Richtung es weitergeht. Paare haben es zu großen Teilen selbst in der Hand, die Sollbruchstelle zu identifizieren und unschädlich zu machen. Das kann funktionieren und gibt ihnen zukünftig Sicherheit und Zutrauen in ihr Liebesleben.

Was also, wenn der Seitensprung in der Beziehung unvermittelt passiert? Muss man sich Sorgen machen, und wenn ja: Hilft das? Wo kann man sich Hilfe holen? Was kann man tun? Freunde und Familie sind nicht immer die besten Berater, zu emotional und subjektiv sind ihre Ansichten. Das ist der Moment, in dem Menschen zum Buch greifen. Sie suchen Input, der ihre Gedanken bereichert. Das Thema »Untreue« wird aber sowohl bei den konservativen Bewahrungsratgebern als auch bei den aufklärerischen neuen »Anti-Monogamie«-Schriften aus einzelnen Blickwinkeln (z. B. psychologisch, soziologisch) heraus behandelt. Ratgeber psychologisieren vielfach die Betroffenen und Unsicheren, die meist sowieso vor lauter Fragezeichen im Kopf nächtens keinen Schlaf finden. Einige Sozio-Biologen reichern das Thema mit ihren Erkenntnissen darüber an, warum Menschen so sind, wie sie nun einmal sind, und der Rest wird der Kernzelle, dem Paar, überlassen.

Alles wirkt auf alles – aber wie!

Hier kommt die systemische Grundlage meiner Arbeit zum Tragen. Wenn ich als systemischer Coach in meiner Beratung nicht die Person mit dem Problem therapiere, sondern immer das ganze System, darf ich im Fall der Untreue nicht nur das Paar und schon gar nicht nur den Untreuen therapieren, sondern muss deren oder dessen System in den Blick nehmen. Und lässt man sich darauf ein, wird klar, dass insbesondere im Fall der Paarbeziehung das Paar ebenfalls nicht isoliert als »Patient« auftreten darf, sondern wiederum in dessen System zu betrachten ist. Das System des Paares besteht aus dessen sozialen Kontakten, aber auch aus den ideologischen Konventionen, die ihre Kernzelle umgeben und prägen. Kein Buch führte bislang die wissenschaftlichen Einzelaspekte des Themas »Untreue« zusammen. Die meisten Autoren verblieben in der jeweilig fachspezifischen Reparatur der bisherigen Paarbeziehung, bewerteten den Vorfall als Funktionsstörung, begleitet von der besorgten Nachfrage: »Warum sind manche Menschen zur Treue unfähig?« und »Wie bekommt man den alten Zustand wieder hin?« So wird der Treulose zum Symptomträger, was immer eine eingeschränkte, weil monokausale Sichtweise ist. Die Einzelperspektive allein trägt niemals dazu bei, die Verzweiflung, das Getriebensein und die Ratlosigkeit zu Zeiten der Krise zu erkennen, geschweige denn zu erklären oder gar zu lösen. »Untreue« scheint ein Problem zu sein, das unlösbar zu der Zweierbeziehung, wie wir sie kennen, dazugehört. Das eine geht nicht ohne das andere.

Keine Untreue ohne romantische Liebe, keine romantische Liebe ohne Untreue

In jedem System von Zweierbeziehung ist die Idee der Untreue bereits vorinstalliert. Dass es Untreue gibt, scheint eine Naturgewalt zu sein, gegen das die Individuen dennoch entgegen aller Vernunft ankämpfen. Fast so, als wolle man die Möglichkeit von Hochwasser oder Blitzeinschlägen abstreiten oder die Erde wieder zu einer Scheibe machen, leugnen Paare lange die Möglichkeit eigener Untreue und werden doch in etwa der Hälfte aller Fälle zum Opfer ihrer eigenen Versprechungen. Einen Blitzableiter in Form von offenen und manchmal auch schonungslosen Gesprächen lehnen sie ab und behaupten, ein solcher Fall komme bei ihnen einfach nicht vor. Und doch: Der Blitz schlägt ein, das Haus nimmt Schaden. Statt sich darüber klar zu werden, was man gemeinsam nicht hat sehen wollen, trennen sich viele Paare, enttäuscht und verzweifelt über den Verlust der vormals sicheren Heimat. Und kurz darauf bauen sie in unmittelbarer Nachbarschaft ein neues Haus mit einem neuen Partner – wieder ohne Hochwasserschutz und Blitzableiter. Die Untreue kann durch menschliche Nachlässigkeit eine Gelegenheit finden oder durch schiere Absicht. Doch wie auch immer sie geschieht, sie geschieht. Darüber schreiben Dichter seit tausend Jahren, daran beißen sich Kirche und Staat die Zähne aus, immer im Bewusstsein, dass sich ihre eigenen Institutionen selbst aus fehlbaren und moralisch oft anfechtbaren Individuen zusammensetzen.

Zumutung und Zutrauen – über die radikale Offenheit

Untreue muss nicht zur Trennung führen, wenn Paare erkennen, dass nichts gegen Katastrophen hilft, aber vieles machbar ist, um diese weniger dramatisch werden zu lassen.

Let’s talk about »in guten wie in schlechten Tagen«

Warum gelingt Paaren keine offene Vereinbarung, was im Fall der Fälle passieren sollte, ohne gleich das gesamte Beziehungsleben mit Kindern, Haus und Familie aufs Spiel zu setzen? Was ist am Thema »Untreue« so anders, dass es mit einem dicken Tabu behaftet am Ende des Glücks zu warten scheint und dann als Zerstörer des vermeintlichen Liebesglücks fungiert? Damit will sich dieses Buch befassen. Und es hat natürlich eine These, die, salopp gesprochen, etwa so lautet: Menschen haben eine gewisse Neigung dazu, an Gewohnheiten festzuhalten. Sie hängen an Bekanntem, auch wenn es uns heute nichts mehr nutzt. Als Beispiel mag dies gelten: Menschen halten sich immer noch voller Inbrunst und Überzeugung Haustiere, obwohl diese ihnen im Regelfall weder schmecken noch nutzen. Dennoch lieben sie ihre Hasen, Hunde und Katzen inniglich. Das haben sie zu der Zeit der Sesshaftwerdung gelernt, es ging in das Erbe der menschlichen Kultur über, und daran halten sie noch heute fest. »So ein Hund gehört einfach dazu.« Das ist die Historie des Menschen, ganz tief drin in der kulturellen Zellebene. So ähnlich ist es mit der Monogamie und der ewigen Treue. Alle wissen, dass dieses Zugehörigkeitsversprechen in der Reinform illusorisch und unzeitgemäß ist – und doch lieben die Menschen ihre Monogamie ähnlich innig wie ihre vierbeinigen Hausgenossen. Einfach so. Weil es dazugehört. Diese Unvernunft ist nicht schlimm oder bedrohlich – wenn man sie sich bewusst macht und sie gut kennt.

»Und liebst du mich nicht mehr, ist das der Tod«

Es ist unsere gesellschaftliche und normative Vorstellung von Liebe, die uns dazu bringt, nichts, aber auch gar nichts katastrophaler zu finden als einen Seitensprung, eine Affäre, eine Außenbeziehung. Diese Vorstellung ist von unserer Kultur geprägt sowie von religiösen Fundamenten mit ihrer ganz eigenen Terminologie. Wir sind geprägt von der Vorstellung, wie Ehe und langlebige Liebe auszusehen habe. Unsere Eltern, deren Eltern, die deutsche und europäische Geschichte, Amerika, Medien, alle prägen mit. Wir glauben an die große Liebe, und wer daran glaubt, will sie feiern mit all den Symbolen, die unsere Kultur kennt. Wir trällern die Songs aus dem Radio, sehen die Liebesfilme aus Hollywood, wir kaufen schöne Kleider, um uns gegenseitig zu gefallen, und richten mit Unterstützung von IKEA unsere erste gemeinsame Wohnung ein. Wir geben Unsummen für Hochzeiten aus, verehren das Brautkleid wie eine Reliquie und lassen Tauben aufsteigen, bevor wir uns in den Zug der Ehe setzen und ins gemeinsame Leben starten. Alles wird begleitet von Möglichkeiten, sich mit Gekauftem und Erworbenem den Weg zu ebnen. Und was, wenn im Laufe der Jahre die Worte ausgehen? Wenn die Leidenschaft zu vertrocknen droht, weil Kindererziehung und Alltag an der Liebe zerren oder berufliche Mühlen Liebende mürbe machen? Wenn das Interesse an fremder Haut oder einer anderen Person steigt und die Neugier aufs Vertraute abnimmt? Auch dann ist für alle erdenklichen Belange gesorgt: Eine ganze eigene Wirtschaft lebt von dieser Sehnsucht. Wer als Mann sexuelle Gelüste hat, kann ein Bordell aufsuchen, davon gibt es unzählige. Sie bieten die »Geliebte für Stunden«. Alternativ kann er im Internet pornografisches Material ansehen oder in Chats erotisches Geplänkel mit anderen tauschen. Als Frau stehen einem diese und auch andere Wege offen. Seitensprungportale und Sexforen reiben sich über jede interessierte Fremdgängerin vor Freude (und Geschäftssinn) die Hände. Auf Vereins- und Kegelfahrten wird gebalzt und geknutscht wie entfesselt. Vollkommen hemmungslos und semilegal. (Würden alle, die in Willingen im Sauerlandstern oder in El Arenal fremdgehen, konsequenterweise die Scheidung einreichen, weil sie unter den Augen der Kollegen eine andere begehrten oder sich einem anderen anböten, würden die aktuellen Scheidungszahlen sprunghaft in die Höhe schnellen.) Privatdetektive verbringen viel Zeit mit dem Beschatten von Fremdgängern. Treuetester sind engagierbar, um dem Partner eine Falle zu stellen, und die »Alibi-Agentur« liefert gegen Geld Ausreden, Hintergrundgeräusche für getürkte Anrufe und sogar Entlastungszeugen für Seitenspringer mit krimineller Energie.

Dieses Buch versucht, die Macht des Seitensprungs als Kontrollinstrument und Gradmesser für Liebe an der einen oder anderen Stelle zu brechen. Wer darum weiß, woher die eigenen Gefühle, Antriebe, Befindlichkeiten und Ängste rühren, wer sich auch in Beziehungsfragen kommunikativ verständlich machen kann, wer keine Angst hat, den Partner durch das Aussprechen des eigenen Begehrens zu verletzen, hat eine gute Chance, die eigene Partnerschaft von einem schweren Kreuz zu befreien – und spart sich unter Umständen viele folgenschwere Denkfehler sowie Zeit, Nerven und Geld.

Untreue muss nicht zur Trennung führen, wenn Paare ihre Beziehung durch eine realistischere Brille sehen könnten.

Poly und so: Einfache Ideen sind niemals brillant

Dieses Buch plädiert nicht für die Abschaffung der Monogamie. Auch dafür gibt es derzeit etliche Verfechter. Polyamorie oder offene Beziehungen sind aber nichts für alle und immer. Solch eine Lösung wäre zu einfach. Unsere Gesellschaft braucht die Monogamie, und die meisten von uns brauchen sie auch. Das Buch will aber auch nicht dafür plädieren, die menschlichen Bedürfnisse nach sexuellem Abenteuer und emotionaler Spannung wegzutherapieren. (Auch Paartherapie und Selbsthilfebücher sind schließlich ein Teil eines Wirtschaftszweigs, der vom Tabu profitiert.) Es möchte für eine Ethik der Partnerschaft werben, in der Offenheit und Mut zu einem Verständnis aufgeklärter Monogamie beitragen. Diese Aufklärung besteht in der Information darüber, wer und was an der Genese von Paaren und der Gestaltung von Zweierbeziehungen Interesse hat. Zum anderen sollten sich die Partner gegenseitig aufklären. Über ihre Wünsche sollte gesprochen werden, Ängste, Triebe und Erwartungen gehören ausgesprochen. Fremdbegehren ist kein Todesstoß für die Beziehung, sondern Beziehungsnormalität. Wer nicht genau weiß, worauf er oder sie sich mit der Treue in der Monogamie einlässt, der kann es eben niemals wirklich richtig machen, sondern muss zwangsläufig von einem Fettnapf in den anderen schlingern – oder lebenslang stagnieren.

Affären sind so weit verbreitet, dass man sich wundern darf, wie sehr immer noch die Einschätzung als Gesamtkatastrophe vorherrscht. Natürlich: Die emotionale Seite der Untreue verursacht Leid. Niemand will das abstreiten. Doch auch andere erwartbare Ereignisse in einer Beziehung verursachen Leid und Schmerz, und man kann dennoch a) darüber reden und b) danach weiter zusammenleben. Man denke an Krankheiten, finanzielle Krisen, Schwierigkeiten mit Kindern, körperliche Veränderungen und Ähnliches. Seitensprünge und Fremdbegehren sollten als wahrscheinliches Ereignis in die Liste der erwartbaren Ereignisse aufgenommen werden wie Geburten, Krankheiten, Todesfälle und finanzielle Transaktionen. Nur so verlieren sie ihre emotional zerstörerische und materiell zersetzende Kraft. Diese aufgeklärte Monogamie ist der derzeit einzige gangbare Weg in ein verändertes Verständnis von Partnerschaft und damit eine Möglichkeit, die Vorteile des bestehenden Systems geschickt und umsichtig zu nutzen, ohne die eigenen gelernten Vorstellungen von Beziehung und Familie zu überfordern. Aufklärende Gespräche und die partnerschaftlich vereinbarte Priorität zur Offenheit sind Blitzableiter, die Untreue nicht verhindern, aber den Schaden begrenzen können. Ob man damit endet, die Existenz von Lüsten zu akzeptieren, die nicht auf den Partner gerichtet sind, oder ob man sich zu einer Öffnung der Beziehung verabredet, hängt von der Verletzlichkeit und vom Mut der einzelnen Paare ab. Aber darüber sprechen soll – und kann man. Immer.

Namen: Das Unaussprechliche zum Thema machen

Untreue muss nicht zur Trennung führen, wenn in klaren Worten darüber gesprochen und nach einem Namen für sie gesucht wird.

Unsere Wirklichkeit wird von Sprache definiert, beschrieben und begrenzt. Sie kann Vorgänge mit Bedeutung und Wert aufladen oder sie zu Lappalien relativieren. Im Falle des emotionalen oder sexuellen Fremdbegehrens gibt es eine Menge Ausdrücke, die sich stark darauf auswirken, wie der Vorgang in soziale und ethische Systeme einzuordnen ist. Wie wird das eigentlich genannt, was da vor sich geht? »Seitensprung«, »Ehebruch«, »Affäre«, »Liaison«, »Fremdgehen«, »Fehltritt«, »Untreue«, »Nebenbeziehung«? Allein im deutschen Sprachgebrauch finden sich Dutzende Möglichkeiten der Benennung. Sie beleuchten die Untreue in den unterschiedlichsten Farben.

Blickt man über die Grenzen in andere Sprachräume, finden sich vielfältige, z. T. bizarr anmutende Metaphern. So ist der Mann, der seine Frau betrügt, in Taiwan »eine große weiße Rübe mit farbigem Kern«, in Südafrika der »rennende Mann«, und in den Niederlanden wird der Seitensprung manchmal »die Katze im Dunkeln zwicken« genannt. In Indonesien hingegen wird das außereheliche Stelldichein als »wunderbare Pause« bezeichnet. Diese Bezeichnungen lösen individuell sehr unterschiedliche Assoziationen aus2. In diesem Kapitel aber sollen Begriffe untersucht werden, die man in der deutschen Sprache verwendet. Im hiesigen Sprachgebrauch ist man so an ihre Benutzung gewöhnt, dass man den Hintergrund und das sprachliche Bild, das sie auslösen, kaum mehr bewusst wahrnimmt.

Man kann die einzelnen Metaphern für die Untreue interessanterweise recht anschaulich anhand ihrer Umkehrung klären. Solche Umkehrdefinitionen geben auch Hinweise darauf, durch welche Benennung eine Außenbeziehung sprachlich den Charakter von etwas erhält, das eben »einfach so passiert« und die möglicherweise »einfach so wieder verschwindet«. Auf der anderen Seite soll gezeigt werden, in welcher Sprachregelung derselbe Vorgang einen Anlass zur (kostenpflichtigen) Reparatur darstellt.

Die Metapher vom »Lebensweg« fließt auch bei der Beschreibung der Untreue in manchen Bezeichnungen mit ein. Es lohnt sich, dieses sprachliche Bild einmal zu hinterfragen. Lebensweg – wohin führt er? Was ist das Ziel? Ist der Weg ein Kiesweg auf einer Bergwanderung, oder sind es Gleise, auf die man den Zug der Zweierbeziehung einst gesetzt hat?

Ist die Rede von einem »Seitensprung«, dann springt etwas oder jemand vom Weg ab – oder aus dem Gleis. Man kommt vom rechten Weg ab. Ein Sprung nach rechts oder links, dann wird wieder zurückgesprungen. »Rücksprung« oder »Auf-die-Spur-Sprung« wäre die Umkehrung, die klarmacht, dass es sich um ein verspieltes Probieren, ein Hin und Her, ein »weg von« und »zurück zu« etwas handelt. »Das kann schon mal passieren«, so assoziiert dieser Begriff, »wenn man auf dem Weg Langeweile bekommt«.

»Fremdgehen« betont das Abenteuerliche im Vorgang. Da sucht jemand das Andere, das Fremde. In der Umkehrung wäre das ein »Bekannt-Verharren«. Wird das Fremde zum Bekannten, weil die Beziehung schon so lange läuft, würde man es wahrscheinlich als etwas anderes bezeichnen. »Ich bin fremdgegangen« deutet auf einen kürzeren Zeitraum hin.

»Liaison«, die erste französische Variante, charakterisiert eine Verbindung, die sich zu einem bestimmten Zweck findet. Im Französischen kann man damit auch beschreiben, wie Zutaten eine Verbindung eingehen. Alliierte schließen sich zusammen, um sich gegen andere besser verteidigen zu können, und wenn das Bündnis bricht, sucht man sich (wieder) andere Allianzen oder steht künftig allein da.

Auch das Wort »Affäre« kommt aus dem Französischen und bezeichnet einfach eine »Sache« oder »Angelegenheit«. Dieses Sprachbild allein weckt bereits Assoziationen zu materiellen Dingen, die man käuflich erwerben kann. Wenn man sie nicht kaufen kann, kann man sich »les Affaires« nicht leisten, sie sind »trop cher«. (Auch die Begriffe für »lieb« und »teuer« ähneln sich doch zum Verwechseln.) Interessant ist, dass gerade die aus dem Französischen kommenden Begriffe den Vorgang so beschreiben, wie etliche Franzosen diese Art von Verhältnis auch tatsächlich sehen3; als längerfristig angelegtes Verhältnis nämlich, für das man ein wenig Geld in die Hand nehmen muss, um es diskret und für die Umwelt möglichst unschädlich zu unterhalten. Eine semantische Umkehrung gibt es hier interessanterweise nicht. Das Gegenteil einer Sache ist – keine Sache. Die Liebschaft nebenher wird so zum Luxusgut, das keiner braucht, aber viele gern hätten – wenn es nicht zu teuer wird.

Beim »Fehltritt« verlässt man den Weg nicht ganz, sondern kommt ins Straucheln. Ein Fehltritt weckt zwangsläufig die Assoziation von Verletzung, einen verstauchten Knöchel oder ein Hinkebein, das geschient werden muss oder in der Folge seinen Besitzer zum Gang an Krücken zwingt. In der Umkehrung wäre der Fehltritt wahrscheinlich der »richtige Schritt« oder ein »sicherer Stand«.

Die eher therapeutisch verwendeten Kunstbegriffe »Nebenbeziehung« und »Außenbeziehung« grenzen diese nicht in Kategorien von »falsch« und »richtig« ab, sondern in solche von »innen« und »außen«, »höherer Priorität« und »niedrigerer Priorität«. Insofern wären ihre Umkehrungen »Innenbeziehung« und »Hauptbeziehung«, was der Charakterisierung der zentral gestellten Liebe wohl recht gut entspräche.

Interessant ist der Begriff »Ehebruch«, der deutlich christlich konnotiert ist. Er wird nur von gläubigen Menschen gebraucht und wird aus amerikanischen Ratgebern gern so übersetzt. Welche Wertung dahintersteckt, wird den Lesern der entsprechenden Bücher oft nicht bewusst. In der Umkehrung würde aus dem Ehebruch die »Ehefügung«, welche die Zweierbeziehung mit nicht unerheblicher moralischer Aufladung versähe. Denn die »Fügung« ist etwas, das der Mensch mit seinen bescheidenen Fähigkeiten allein nicht zuwege bringt.

Seltener sprechen Paare von »Untreue«. Warum das so ist, kann man nur vermuten. Möglicherweise ist vielen die Vielschichtigkeit des Begriffs bewusst. Da es eine personale und eine sexuelle Untreue gibt, müsste hier bereits differenziert werden. Auch das Hinterziehen von Geldern in Unternehmen beispielsweise ist im Tatbestand der Untreue aufgenommen. Die Umkehrung von »Untreue« ist einfach die Treue. Und diese zu definieren, könnte eine anspruchsvolle, aber sicher lohnende Aufgabe für Paare sein.

Allein bei der Bezeichnung »Betrug« gibt es keine Umkehrung oder Verneinung, sondern nur ein Antonym. Das Gegenteil von Betrug scheint Treue zu sein. Dieser Begriff stellt also die verloren gegangene Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit der Beteiligten in den Vordergrund.

Es lohnt sich also, einen Blick darauf zu werfen, wie »es« benannt werden soll. Paare können die Namensgebung dazu verwenden, um sich darüber Gedanken zu machen, was ein Interesse an anderen, ob physisch oder emotional, für die Beziehung bedeuten könnte. Über die Diskussion der Namen für das »Unaussprechliche« verliert es eben diese Eigenschaft. Was einen Namen hat, ist weniger bedrohlich.

Untreue als kulturelles Phänomen: Was gefällt mir so am Thema?

Mir wurde klar, dass das Thema »Untreue«, so unterschiedlich es kulturell bewertet wird, auch unterschiedliche Bedeutung in der Geistesgeschichte einzelner Kulturkreise und im Verhalten sozialer Schichten haben müsse. In unserem Kulturkreis ist die derzeit dominant für die Erhaltung der Treue zuständige Wissenschaft die Psychologie. Sie will uns erklären, wie Treue und Untreue funktionieren und was im Individuum schiefgelaufen sei, wenn es die Fähigkeit zur scheinbar einfachsten Sache der Welt, nämlich lebenslanger Treue, nicht erworben oder irgendwann verlernt habe. Untreue wird als Funktionsstörung betrachtet. Hier denken sich besagte Ratgeber Auflage um Auflage fest. Die Beteiligten und LeserInnen suchen Gründe und Defizite in sich selbst. Das mag berechtigt sein, schadet es doch nie, eigene Motivationen und Antriebe zu untersuchen. Doch kann dieses dauernde Scheitern an einer offensichtlichen Naturgewalt wirklich nur in der individuellen Schwäche der Psyche begründet sein? Liegt es am Einzelnen, wenn er Ebbe und Flut nicht kontrollieren kann?

Das Naturgesetz der Untreue müsse doch, so wurde mir immer klarer, auch Aspekte haben, die über die psychologische Individual- und Paaranalyse hinausgehen. Darf die Psychologie exklusiv das Beurteilungsrecht für das Phänomen beanspruchen, oder mischen andere Disziplinen nicht auch kräftig mit? Was sagt der Staat zum Seitensprung? Wie steht die Pädagogik dazu? Hat die Philosophie einen Standpunkt zur Treue? Im Laufe der Jahrhunderte hat sich hier ein komplexes Geflecht sich widersprechender Ge- und Verbote entwickelt. Mir stellten sich die Fragen: Wem nützt die Untreue eigentlich? Wer profitiert davon? Weshalb wird ein Verhalten als pathologisch und deviant bezeichnet, das gleichzeitig so aggressiv beworben wird und das den allermeisten Paaren doch immer wieder begegnet? Wie entsteht der Riss im Spannungsfeld zwischen Sehnsucht und Realität im Individuum und wer zerrt alles am Paar?

Untreue muss nicht zur Trennung führen, wenn Paare verstehen, dass nicht nur sie selbst und isoliert von gesellschaftlichen Normen über Beziehung geprägt werden, und wenn sie den Mut haben, diese Normen zu hinterfragen.

2. Wer weiß was über Untreue?

Sortieren und Explorieren

Nach vielen Jahren der praktischen Erfahrung mit Menschen, die Seitensprünge aktiv oder passiv erlebt haben, schob sich das Thema in meiner Prioritätenliste nach oben. Nach unzählig konsumierten Filmen, Songs und Romanen über das Thema »Untreue« und nach gefühlt Hunderten von Veröffentlichungen in Illustrierten oder im Internet stellte sich mir als neugieriger Fachfrau irgendwann eine zentrale Frage: Warum gibt es so viele »Experten« aus allen Bereichen der Wissenschaft zu diesem Thema und gleichzeitig immer noch so wenige Lösungen für das immer wieder als dramatisch empfundene Problem der Untreue? Was Paare denken und fühlen und was sie denken und fühlen sollten, schien nicht auf einen Nenner zu kommen. Grund genug, dem Thema einmal auf den Grund zu gehen.

Ich wollte Experten und Betroffene zu Wort kommen lassen, woraufhin ich Interviews führte – mit Soziologen, Ökonomen, Detektiven. Sie alle hatten interessante Impulse für das Thema. Auch sollten Betroffene eine Stimme erhalten. Ich befragte einen Geliebten, eine Betrügende und eine Betrogene. Ihre Geschichten wurden so abgewandelt, dass ihre Anonymität gewahrt blieb, die Namen wurden erfunden.

Besonderer Dank geht hier an die Online-Plattform Joyclub, die mir eine Umfrage zum Thema anfertigte4. Natürlich sind die Befragten alle Mitglieder einer Sex-Plattform und das Ergebnis nicht repräsentativ, aber meiner Auffassung nach sind alle Daten, welche die festgefahrenen Narrative und Überzeugungen infrage stellen, zulässig.

Untreue muss nicht zur Trennung führen, wenn Paare sich darüber klar werden, wie viele sie umgebende geistesgeschichtliche Strömungen ihr Denken über Liebe und Treue mitprägen.

Soziologie

Mich interessierte die Perspektive der Soziologie: »Wie leben Menschen zusammen?« »Welche Regeln akzeptieren unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen fürs Zusammenleben, welche nicht?« »Was bedeutet die romantische Liebe für das Individuum?« Das bezieht sich nicht nur auf verschiedene Kulturen, sondern auch auf unterschiedliche soziale Schichten und Gruppierungen innerhalb gleicher Kulturen. Personenkreise und Peers können sich sehr ähnlich sehen – in Sachen Fremdgehen liegen sie doch unvereinbar weit auseinander. Umgekehrt haben äußerlich sehr weit voneinander entfernte Gruppen ähnlichere Vorstellungen, als man denkt.

Ökonomie und Staatswesen

Ökonomie, wirtschaftliches Wachstum und Konsum hängen eng zusammen. Der Konsum erhält den Reichtum unserer westlichen Staaten und prägt unsere Vorstellung von Liebe und Verliebtsein. Dem Konsum wird in diesem Buch über Liebe und Beziehung ein Platz eingeräumt, weil er eine der Schnittstellen zwischen den Forschungsgebieten darstellt.

Anthropologie

Bedeutsam für die Untreue scheint auch die Anthropologie zu sein, die in den letzten Jahren im Zusammenspiel mit der Biologie versuchte zu erklären, was das biologische Erbe des Menschen sei und ob sich die Formen unseres Zusammenlebens damit überhaupt vertrügen. Viele der neueren Bücher, insbesondere diejenigen, in denen die Monogamie kritisch beleuchtet wird, argumentieren mit der genetischen Disposition des Menschen. Hierauf möchte ich in diesem Buch aber nicht das Hauptaugenmerk legen. Zum einen bin ich davon überzeugt, dass die soziale und kulturelle Evolution schneller und stärker auf uns einwirkt als die biologische, zum anderen wiederhole ich ungern das, was kompetentere Autorenkollegen bereits veröffentlicht haben. Im Übrigen stehe ich manchen Behauptungen auch kritisch gegenüber und halte z. B. pauschal aus Knochenfunden abgeleitete Formeln für Sexualverhalten, Attraktivität oder gesunde Ernährung für relativ wenig überzeugend.

Moraltheologie