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Frederick Bacher

Eigenheim für alle?

Die Landeskreditanstalten in Württemberg und Baden 1924 bis 1945

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

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ISBN 978-3-17-033937-8

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pdf:     ISBN 978-3-17-033938-5

epub:  ISBN 978-3-17-033939-2

mobi:  ISBN 978-3-17-033940-8

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Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Einleitung
  3. 1 Wohnungsnot und Kapitalbeschaffung nach dem Ersten Weltkrieg
  4. 2 Die verzögerte Gründung der württembergischen Wohnungskreditanstalt 1924
  5. 3 Das dezentrale Siedlungsprogramm Hermann Aicheles
  6. 4 Turbulenzen in der Weltwirtschaftskrise
  7. 5 Vorgeschichte und Gründung der badischen Landeskreditanstalt 1934/35
  8. 6 Die württembergische Landeskreditanstalt unter der Regierung Mergenthaler/Murr
  9. 7 Beheimatung durch Eigenheim
  10. 8 Darlehensvergabe und Siedlerauswahl im NS-Staat
  11. 9 Heimatverlust und »Arisierung«: Das Schicksal einer jüdischen Familie aus Karlsruhe
  12. 10 Rüstungspolitik und Luftkrieg. Die Landeskreditanstalten im Zweiten Weltkrieg
  13. 11 Fazit
  14. 12 Anmerkungen
  15. 13 Anhang: Wirtschaftliche Daten
  16. 14 Bestands- und Literaturverzeichnis
  17. 15 Abbildungsverzeichnis

Vorwort

Wer heute den Immobilienteil einer beliebigen Tageszeitung im deutschen Südwesten durchblättert, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Erwerb eines eigenen Hauses oder einer eigenen Wohnung für viele Menschen nach wie vor ein überaus wichtiges Anliegen darstellt. Nicht jeder freilich ist – angesichts steigender Quadratmeterpreise – in der Lage, seinen Traum von den eigenen vier Wänden Wirklichkeit werden zu lassen. Die Erfahrung, dass Wohnraum ein knappes Gut ist und der Erwerb einer Immobilie selbst bei günstigem Zinsniveau nicht uneingeschränkt möglich ist, machen die Menschen in unseren Tagen nicht zum ersten Mal, und auch der vielfach zu vernehmende Ruf nach einem staatlich geförderten Wohnungsbau ist keineswegs neu.

Das vorliegende Buch erinnert daran, dass bereits nach dem Ersten Weltkrieg, als die Monarchie in Deutschland zusammenbrach und nicht wenige Zeitgenossen in eine ungewisse Zukunft blickten, parteiübergreifend die Forderung laut wurde, den Immobilienmarkt durch staatliche Eingriffe so zu regulieren, dass jedermann ein Dach über dem Kopf haben konnte – möglicherweise sogar ein eigenes Dach. Zu diesem Zweck wurde 1924, unter dem Eindruck einer grassierenden Wohnungsnot und einer durch Reparationsleistungen, Massenarbeitslosigkeit und Inflation extrem erschwerten Kapitalbeschaffung, die württembergische Landeskreditanstalt gegründet; zehn Jahre darauf entstand ihre badische Schwesterinstitution.

Die Geschichte dieser beiden Institute in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus steht im Mittelpunkt der vorliegenden Studie, die in ganz erheblichem Umfang aus bislang unbekannten Quellenbeständen schöpft. Sie verdeutlicht zum einen, dass die Gründung der Landeskreditanstalten in einer sehr viel älteren Tradition stand, die in den zivilisationskritischen Strömungen des Kaiserreichs wurzelte und eng mit der Heimatbewegung, dem Phänomen der Stadtflucht und verlockenden agrarromantischen Vorstellungen verbunden war. Zum anderen belegt die Studie, unter welchen Bedingungen es einem Karrierebeamten wie Hermann Aichele gelang, die württembergische Landeskreditanstalt nicht nur mit sicherer Hand durch die Turbulenzen der Weltwirtschaftskrise zu bringen, sondern zugleich ein dezentrales Siedlungsprogramm anzustoßen, dessen Erfolg weit über die Landesgrenzen hinaus Beachtung fand. Und schließlich zeigt die Studie, wie die nationalsozialistischen Machthaber den Kurs, den die Landeskreditanstalt bereits vor 1933 gesteuert hatte, zunächst rückhaltlos unterstützten, ihn in der Folge durch die Berücksichtigung rassischer Kriterien bei der Darlehensvergabe jedoch radikal veränderten. Die Vorstandsmitglieder der beiden Landeskreditanstalten, staatstreue Verwaltungsbeamte, die sich mitnichten als braune Parteisoldaten und Scharfmacher verstanden, trugen auch diese Kursänderung klaglos mit. Sie versahen ihren Dienst nach Vorschrift, taten nach eigenem Dafürhalten nur ihre Pflicht und hatten doch Teil an der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft.

Der Abschluss des Projekts bietet Gelegenheit, mannigfachen Dank abzustatten. Die Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank – (L-Bank) hat die Arbeit durch die Gewährung von Fördermitteln ermöglicht und meinem Mitarbeiter, Herrn Dr. Frederick Bacher, in jeder Hinsicht die Türen geöffnet. Dafür ist ihr ebenso zu danken wie ihren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die uneingeschränkte Unterstützung. Alle Beteiligten waren sich von Anfang darin einig, dass ein solches Projekt nur gelingen kann, wenn es ergebnisoffen auf der Grundlage der gesamten archivalischen Überlieferung durchgeführt wird. Wichtige Hinweise, die das Gelingen des Projekts entscheidend gefördert haben, kamen von Herrn Prof. Dr. Joachim Scholtyseck (Bonn), Frau Dr. Marie Muschalek (Freiburg), Frau Nina Schnutz (Bonn) und Herrn Christoph Schmieder (Bonn). In Stuttgart begleiteten Herr Dr. Carsten Kretschmann und Herr Dr. Christoph Raichle das Vorhaben mit Rat und Hilfe. Ihnen allen sage ich meinen herzlichen Dank.

 

Stuttgart, im August 2017

Wolfram Pyta

Einleitung

In den 1920er und 1930er Jahren beschritten die beiden südwestdeutschen Staaten Baden und Württemberg ungewöhnliche Wege bei der Lösung des überall in Deutschland grassierenden Problems der Wohnungsnot. Die Folgen des Ersten Weltkriegs und die Hyperinflation im Jahre 1923 hatten zu einer immer stärker werdenden Entkapitalisierung geführt, die den Wohnungsneubau nahezu zum Erliegen brachte. Hermann Aichele, der langjährige Präsident der 1924 errichteten württembergischen Landeskreditanstalt – zu diesem Zeitpunkt noch württembergische Wohnungskreditanstalt – brachte es auf den Punkt, indem er im Jahre 1929 die Ausgangslage mit folgendem Satz beschrieb:

»Schon vor dem Krieg brauchte jeder, der bauen wollte, hiezu [sic!] Geld und war die Beschaffung dieses Geldes nicht immer einfach. Inzwischen haben sich die Verhältnisse wesentlich verschlimmert.«1

Wohnungspolitik war schon immer eine Frage des Geldes.2

Besonders die finanzschwache und besitzlose Bevölkerung in Deutschland war von der Wohnungsnot3 am stärksten betroffen. Dass sich eine vielköpfige Familie ein kleines Zimmer zum Essen und zum Schlafen teilen musste, war in deutschen Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Essen keine Seltenheit. Aber auch in Württemberg waren weniger vermögende Familien zum Teil nur notdürftig untergebracht. Am dringlichsten lagen die Verhältnisse in Stuttgart, gefolgt von Heilbronn, Ulm und Ludwigsburg.4 So waren in Stuttgart im Jahre 1923 beispielsweise 6884 Personen beim Stuttgarter Wohnungsamt als Wohnungssuchende gemeldet, ohne Berücksichtigung der Dunkelziffer.5 Von den 324 000 Einwohnern Stuttgarts im Jahre 1923 waren demnach ungefähr 2 Prozent ohne eigene Wohnung.

Zur Linderung dieser Wohnungsnot wurden bereits 1924 unter dem Innenminister des demokratischen »Volksstaats Württemberg« Eugen Bolz – und zehn Jahre danach unter dem nationalsozialistischen Innenminister Karl Pflaumer in Baden – staatliche Einrichtungen geschaffen, die als gemeinnützige rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts die Wohnungsbau- und Siedlungspolitik auf innovative Weise anpackten. Die beiden Landeskreditanstalten führten Aufgaben der Länder Württemberg und Baden auf dem Gebiet des Wohnungs- und Siedlungswesens durch, insbesondere durch die Gewährung von Baudarlehen als nachstellige Hypotheken. Weiter oblagen ihnen seit den 1930er Jahren die Durchführung der verschiedenen Reichsmaßnahmen, wie zum Beispiel auf dem staatlich geförderten Gebiet des Kleinsiedlungswesens und des Volkswohnungsbaus.6

So konnte die württembergische Landeskreditanstalt aus ihren eigenen Mitteln seit dem 1. April 1924 bis zum 31. Dezember 1939 Darlehen in Höhe von 229 Millionen RM vergeben. Von diesem Millionenbetrag konnten 78 417 Wohneinheiten in Württemberg errichtet werden. Das waren 41 Prozent aller während dieses Zeitraums in Württemberg erstellten Wohnungen.7 Aus dem Verwaltungsbericht über das Geschäftsjahr 1943 der badischen Landeskreditanstalt geht hervor, dass seit der Gründung im Jahre 1934/35 aus eigenen Mitteln 14 207 Neubauwohnungen für insgesamt 23 Millionen RM – im Durchschnitt also 1631 RM je Wohnung – gefördert worden waren. 8502 davon waren Eigenheime.8 Per Saldo lässt sich also festhalten, dass die Förderung des Wohnungsbaus sowohl in Württemberg als auch in Baden eine durchaus beträchtliche Größenordnung erreichte, was von vielen Experten und Zeitgenossen honoriert wird.

In einem Aufsatz aus dem Jahre 1949 sprach Joachim Fischer-Dieskau von den Erfahrungen und Lehren der Wohnungspolitik während der Zeit des Nationalsozialismus. Fischer-Dieskau war von 1927 bis 1945 im Reichsarbeitsministerium tätig. Zudem wurde der Generalreferent für die Wohnungsbau- und Siedlungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg (1949) erneut zum Ministerialdirektor im Bundesministerium für den Wohnungsbau ernannt. Der Verwaltungsbeamte und Experte auf dem Gebiet der Wohnungsbaufinanzierung war somit in drei verschiedenen politischen Systemen – Weimarer Republik, NS-Regime und Bundesrepublik – auf dem weiten Feld der Wohnungsbau- und Siedlungspolitik an vorderster Front aktiv gewesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der gebürtige Berliner auch auf die besonderen Leistungen der südwestdeutschen Landeskreditanstalten zu sprechen:

»Was die behördliche und sonstige Organisation anlangt, auf die die Wohnungspolitik der Vergangenheit sich gestützt hat, so muß man sagen, daß hier wohl die letzte, voll befriedigende Form noch nicht gefunden war. […] Man sollte hier die günstigen Erfahrungen verwerten, die man früher in Württemberg und Baden mit der Übertragung vieler Befugnisse an öffentlich-rechtliche Wohnungsbau-Kreditanstalten und mit der Mitheranziehung und Mithaftung der Gemeinden z. B. bei der Übernahme von Bürgschaften gemacht hat.«9

Neben Fischer-Diskau hob auch der nationalsozialistische Reichsarbeitsminister Franz Seldte die besondere Gangart der südwestdeutschen Landeskreditanstalten hervor, obgleich die württembergische Einrichtung während der politisch verfemten republikanischen Zeit ihre Tätigkeit aufgenommen hatte:

»In der Erkenntnis der Notwendigkeit hatten bereits früher schon einzelne Länder wie [zum Beispiel] Württemberg und Baden eigene Kreditanstalten errichtet, deren Aufgabe es ist, die Rückflüsse einheitlich zu verwalten und dementsprechend wieder auszuleihen.«10

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1937 errichtetes neues Dienstgebäude der württembergischen Landeskreditanstalt in der Schellingstraße 15, Stuttgart

Die Wohnungsbau- und Siedlungspolitik in Südwestdeutschland galt während des »Dritten Reiches« zudem als vorbildlich, da bestimmte gemeinschaftshaltige Ziele energisch angestrebt wurden, die gerade zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft hoch im Kurs standen, obwohl sie nicht dezidiert nationalsozialistischen Ursprungs waren:

»Wie aber in Württemberg die Familie, als Urzelle des Gemeinschaftslebens, ihr ›Haus‹ schon immer gut zu verwalten verstand, so wusste auch dort die öffentliche Hand ihre Mittel besser einzusetzen und sich möglichst von den Fehlern des kapitalistischen Systems und der marxistischen Mißwirtschaft freizuhalten. Rechtzeitig hatte sie in der württembergischen Wohnungskreditanstalt eine Einrichtung geschaffen, deren Kreditgebungssystem sich als geeignet erwies, den Wohnungsbau in angemessene Bahnen zu lenken. […] Die bessere Anwendung wesentlicher siedlungspolitischer Grundsätze brachte auch grössere Erfolge als anderwärts in der Auflockerung der Großstadt, in der Umsiedlung zur möglichsten Verbundenheit von Wohn- und Arbeitsstätte.«11

Die gezielte Förderung des Eigenheimbaus auf dem flachen Land durch niedrig verzinste Darlehen diente immer auch dem bevölkerungspolitischen Ziel, mehr Menschen zu Eigenheimbesitzern zu machen und auf diese Weise die Sesshaftigkeit der Bevölkerung vor dem Hintergrund einer als bedrohlich angesehenen Hypermobilität zu erhöhen. Die dahinterstehende gesellschaftspolitische Stoßrichtung war der Idee der »Beheimatung« verpflichtet: Der Erwerb einer Immobilie sollte den Besitzer an das eigene Heim binden und damit dessen Gemeinschaftsfähigkeit stärken. Insofern war die Arbeit der Landeskreditanstalten in Württemberg und Baden immer darauf ausgerichtet, Heimatbezüge12 durch feste Ortsbindungen zu stärken.

Die beiden Anstalten griffen damit ein Thema auf, welches seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert auf der politischen Agenda stand. Das kulturkonservativ motivierte Unbehagen an den Folgewirkungen urbaner Stadtverdichtung im Verein mit forcierter Industrialisierung hatte die Vorstellung reifen lassen, das kulturelle Erbe des Landes dadurch nutzbar zu machen, dass man Großstadtflüchtlingen in eher ländlich geprägten Zonen eine neue Heimat offerierte. Zugleich wurde damit das bevölkerungspolitische Ziel der Hebung der Geburtenrate verbunden. Da auch die württembergischen und badischen Beamten der Landeskreditanstalten in Kategorien heimatlicher Sesshaftigkeit dachten, wird die Tätigkeit der beiden Landeskreditanstalten im Kontext eines Heimatkonzeptes angesiedelt, das auf Ortsfestigkeit und Ortsbindung beruht. Die Mitarbeiter der Landeskreditanstalten vertraten somit eine Art unbewegliches Heimatkonzept, das den Besitz einer Immobilie voraussetzte, um in den Genuss einer Heimat zu gelangen. Damit setzte Heimat eine durch Eigentumsverpflichtung generierte Bindung an einen festen Ort voraus.13

Während der NS-Zeit versuchte ein Verwaltungsinspektor aus dem Reichsarbeitsministerium, das Zusammenspiel von Heimat und Siedlung in einem Aufsatz in Worte zu fassen:

»Wo alle Kräfte an diesen erhabenen Zielen gemeinsam mitwirken, wo Planung, Gestaltung, Ausbau und Ausstattung der Siedlung zusammenklingen, wird Siedlung zur Heimat. Aus Hunderttausenden dieser Steine aber wächst das stolze Gebäude unserer großen deutschen Heimat hervor, festgefügt durch das unzerreißbare Band der Liebe zum gemeinsamen Heimatland.«14

Es kann demnach nicht in Abrede gestellt werden, dass das Ziel der Beheimatung und Sesshaftmachung an ideologische Kernziele der Nationalsozialisten anknüpfte. Doch soll sich der Historiker in der ihm eigenen Nüchternheit davor hüten, vorschnell nahtlose Interessenidentitäten zu konstruieren, wo zunächst nur ein scheinbarer Gleichklang der Interessen zu registrieren ist. Zumal der Begriff Heimat in Württemberg seit den 1890er Jahren zu einem symbolischen Vermittler zwischen lokalem und nationalem Bewusstsein avancierte, wie der Historiker Alon Confino überzeugend herausgearbeitet hat.15

Um solchen gedanklichen Kurzschlüssen bei einem sensiblen Thema zu entgehen, wurde als methodischer Königsweg eine Fokussierung auf die leitenden Akteure gewählt. Dies entspricht nicht nur den methodischen Standards einer Kulturgeschichte des Politischen, welche die handlungsorientierenden Sinnkonfigurationen in den Akteuren selbst zu ermitteln trachtet.16 Auch war die Zahl der in Frage kommenden Akteure so begrenzt, dass eine derartige personelle Tiefenbohrung im Bereich des Möglichen lag. Der Vorstand der Landeskreditanstalten bestand während der Zeit des Nationalsozialismus aus fünf (Württemberg) bzw. drei (Baden) ordentlichen Mitgliedern.17 Dabei war von besonderem Interesse, auf der personellen Ebene mögliche Unterschiede zwischen Württemberg und Baden herauszuarbeiten: War die württembergische Landeskreditanstalt unanfälliger, weil hier sozusagen »altgediente« Mitarbeiter aus der republikanischen Zeit auf ihrem Posten verblieben? Rekrutierte die 1934 gegründete badische Landeskreditanstalt ihr Personal stärker aus Parteigenossen der NSDAP? Waren die Landeskreditanstalten generell ein Abschiebeposten für Beamte, die der NSDAP nicht beigetreten waren, wie der Historiker Michael Ruck in seiner wegweisenden Studie über das südwestdeutsche Beamtentum vermutete?18

Die zentrale Frage lautet, inwieweit die wohnungs- und heimatpolitische Zielsetzung der Landeskreditanstalten durch den Nationalsozialismus tangiert wurde. Ist eine dezidiert nationalsozialistische Handschrift im Agieren der beiden Landeskreditanstalten zu erkennen? Diese Frage ist auch deswegen besonders erkenntnisträchtig, weil Württemberg und Baden einen unterschiedlichen zeitlichen Vorlauf aufwiesen. In Württemberg konnte die dortige Landeskreditanstalt fast neun Jahre lang unter demokratischen Rahmenbedingungen arbeiten, während ihre badische Schwester erst 1934/35 – und damit während der NS-Herrschaft – errichtet wurde. Aber allein der Umstand, dass eine bereits unter demokratisch-republikanischen Vorzeichen geschaffene Einrichtung fast vollständig kopiert wurde, deutet darauf hin, dass sich zumindest die Grundidee einer Sesshaftmachung durch Wohneigentum einer systemübergreifenden politischen Akzeptanz erfreute, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in ganz Deutschland herauskristallisierte.

Die Arbeit gewann einen weiteren Reiz dadurch, dass es landespolitische Spielräume innerhalb des relativ zentralistischen NS-Staates auszuleuchten galt. Denn nicht alles wurde von Berlin aus zentral geregelt; und im Bereich der Wohnungsbauförderung verfügte Baden wie Württemberg über regional erprobte Einrichtungen und Instrumente, mit deren Hilfe ein südwestdeutscher Eigenweg beschritten wurde, der nicht zuletzt von einem historisch gewachsenen Sonderbewusstsein getragen wurde.19 Eine der zentralen Aufgaben des Projekts war es, den Handlungsspielraum der beiden Landeskreditanstalten gegenüber den Landesbehörden, den Reichsbehörden, den Reichsstatthaltern und den anderen Parteiinstanzen der NSDAP herauszuarbeiten. Hatten die Landeskreditanstalten gewisse Freiheiten gegenüber den direkten Interventionen der zuständigen Landesministerien? Wie stark waren die Richtlinien der Wohnungsbau- und Siedlungspolitik an die Rahmenbedingungen des Reichsarbeitsministeriums gekoppelt? Inwieweit mischten sich die Reichsstatthalter in die Arbeit der Landeskreditanstalten ein?

Das Projekt konnte auf einen breiten Bestand an Archivalien zurückgreifen, wobei sich vor allem die Unterlagen über die Wohnungsbau- und Siedlungspolitik (Innen- und Staatsministerium) des Hauptstaatsarchivs in Stuttgart und des Generallandesarchivs in Karlsruhe als erkenntnisträchtig herausstellten. Erfreulicherweise fielen die Bestände des württembergischen Innenministeriums nicht dem Bombenkrieg zum Opfer. Trotz mancher Bestandslücken in Karlsruhe erwiesen sich auch die Bestände zur Genese der badischen Landeskreditanstalt als ergiebig. Darüber hinaus wurden alle in Frage kommenden Bestände des Historischen Archivs der Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank – (L-Bank) systematisch durchforstet. Trotz des Verlusts sämtlicher Darlehensbescheide für die Landesmaßnahmen beider Landeskreditanstalten entpuppte sich das hauseigene Archiv der L-Bank als Fundgrube, da sich dort unter anderem die Sitzungsprotokolle des Vorstands der württembergischen Landeskreditanstalt befinden. Für die badische Landeskreditanstalt konnten nur die Sitzungsprotokolle des Beirats herangezogen werden; die Mitschriften des Vorstands konnten nicht ermittelt werden. Zudem wurden alle relevanten Archivbestände in den Stadtarchiven Stuttgart und Karlsruhe sowie in den Staatsarchiven Sigmaringen, Ludwigsburg und Freiburg gesichtet und ausgewertet. Doch auch die Reichsebene (Reichsarbeitsministerium) wurde zum Teil miteinbezogen, da sich sowohl im Bundesarchiv Berlin als auch im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem eine überschaubare Anzahl von Akten zu den südwestdeutschen Landeskreditanstalten befinden. Die Quellenüberlieferung kann demnach als durchaus befriedigend eingeschätzt werden, zumal zahlreiche Personalakten der Vorstandsmitglieder beider Landeskreditanstalten aus dem ehemaligen Berlin Document Center für das Forschungsprojekt herangezogen werden konnten.

Weiterhin wurde eine intensive Presserecherche betrieben. Dabei besaß vor allem die Zeitschrift Siedlung und Wirtschaft. Zeitschrift für das gesamte Siedlungs- und Wohnungswesen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Nahezu in jeder Nummer ließen sich Aufsätze von Mitarbeitern der Landeskreditanstalten finden. Überdies wurden auch Schriften der Beamtenschaft der Abteilung Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen im Reichsarbeitsministerium rezipiert. Zeitgenössische Literatur über das Wohnungs- und Siedlungswesen wurden ebenso wie die zahlreichen Reichs- und Landesgesetze berücksichtigt. Zudem wurden die Geschäftsberichte der württembergischen und badischen Landeskreditanstalt ausgewertet. Bildquellen wie Fotografien, Skizzen, Porträts oder Werbeanzeigen wurden ebenfalls herangezogen, um das Thema angemessen zu visualisieren.

Eine geschichtswissenschaftliche Studie zu den südwestdeutschen Landeskreditanstalten gibt es bislang nicht. Ein früherer Mitarbeiter der L-Bank legte zwar in den 1980er Jahren eine Festschrift vor, jedoch ohne dabei nach möglichen Verstrickungen mit dem NS-Regime zu fragen. Dessen nie veröffentlichtes Werk zur Geschichte der L-Bank orientierte sich in erster Linie an den publizierten Geschäftsberichten.20

Die Studie über die südwestdeutschen Landeskreditanstalten konnte auf einer Forschungsliteratur aufbauen, die seit den 1990er Jahren kontinuierlich anwuchs. Besonders die Arbeiten von Tilman Harlander21, Karl Christian Führer22, Michael Ruck23 und Ulrike Haerendel24 boten eine solide Basis, um die Forschungsergebnisse der Makroebene (Reich) auf die Mikroebene (Länder) zu übertragen und sie um kulturwissenschaftliche Fragestellungen zu erweitern.

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Wohnungsnot und Kapitalbeschaffung nach dem Ersten Weltkrieg

 

Ein großes Problem von gesellschaftspolitischer Bedeutung in der Weimarer Republik war der überall herrschende Wohnungsmangel. In den 1920er Jahren waren um die 16 000 Familien in Württemberg ohne Wohnung. Besonders gravierend lagen die Verhältnisse in Industrieregionen, da dort viele finanzschwache Arbeiter lebten. Bezahlbare Klein- und Mittelwohnungen für die mittellose Bevölkerung waren Mangelware.1 Neben Stuttgart, der einzigen Großstadt Württembergs, herrschte vor allem in der Industriestadt Heilbronn ein Defizit an bezahlbaren Wohnungen für die arbeitende Bevölkerung. Die Oberamtsstadt im Norden Württembergs war der Sitz zahlreicher Industrieunternehmen, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts das Stadtbild der einstigen Reichsstadt prägten. Neben der Silberwarenfabrik des prominenten Unternehmers Peter Bruckmann war es die Suppenfabrik von Knorr, die Heilbronn sein typisches Gesicht verlieh. Der Qualm der Schlote zog über die behelfsmäßig eingerichteten Arbeiterwohnungen hinweg. Neben dem Stadtbild wirkte sich die Industrialisierung vor allem aber auf die Bevölkerungsentwicklung aus und führte zu einer demographischen Besonderheit. Das im Jahre 1929 knapp 50 000 Einwohner zählende Heilbronn wuchs nach dem Ersten Weltkrieg prozentual vier Mal so stark wie die württembergische Bevölkerung insgesamt.2 Aber auch in anderen Regionen machte sich bemerkbar, dass das einstige Auswanderungsland Württemberg längst zu einem Zuwanderungsland geworden war.3

Wohnungsnot

Der empirisch-qualitativen Studie von Bruno Schwan ist es zu verdanken, dass man sich noch heute ein ungefähres Bild von der Wohnungsnot in den deutschen Städten nach dem Ersten Weltkrieg machen kann. In diesem illustrierten Werk aus dem Jahre 1929 schilderte der Geschäftsführer des Deutschen Vereins für Wohnungsreform e. V. das Wohnungselend im Deutschland der 1920er Jahre eindrucksvoll. Zu Heilbronn zeichnete Schwan folgendes wirkungsmächtige Bild:

»In dem Gebäude Schäfergasse 34 befindet sich in einer 1 Zimmerwohnung eine Familie, bestehend aus den Schwiegereltern, den Eltern und 2 Kindern der letzteren; diese 6 Personen sind alle zusammen in 1 Zimmer, in welchem nur 2 Betten aufgestellt werden können, untergebracht. Die Außenwand dieses Zimmers ist derartig baufällig, daß mit ihrem jederzeitigen Einstürzen gerechnet werden muß.«4

Die quantitative Wohnungsnot, so die Argumentation von Schwan, führte zwangsweise zu einem qualitativen Wohnungselend.

Schwan war beileibe nicht der einzige Autor, der mit einem Sachbuch auf die Wohnungsnotlage in den 1920er Jahren aufmerksam machte. So schilderte auch Karl Durst, späterer Leiter der Abteilung IV des Reichsarbeitsministeriums (Siedlungswesen, Wohnungswesen und Städtebau) während des Nationalsozialismus, die Wohnungsnot im Jahre 1928. Allerdings verwies er in seiner Schrift auf die anzutreffende Wohnungsnot in den ländlichen Industriebezirken, die im Regierungsbezirk Neckar-Kreis (Nordostwürttemberg) besonders ausgeprägt waren. Sein Credo lautete:

»Es ist ja nicht damit getan, einfach festzustellen, wieviel [sic!] hunderttausende Wohnungen in Deutschland fehlen und daß ebensoviele [sic!] gebaut werden müssen, um die Wohnungsnot zu beseitigen. Es kommt vielmehr darauf an, diese fehlenden Wohnungen zu solchen Preisen herzustellen, daß sie auch tatsächlich von den bei der Wohnungszählung festgestellten Wohnungssuchenden gemietet werden können.«5

Auch für Durst war Wohnungspolitik somit eine Frage des Geldes.6

Ausgangssituation in Württemberg

Trotz aller berechtigen Sorgen war die Ausgangssituation in Württemberg nach dem Ersten Weltkrieg deutlich günstiger als in den anderen Regionen Deutschlands. In Württemberg wohnten noch in den 1920er Jahren fast 50 Prozent der Bevölkerung auf dem flachen Land. Selbst die meisten Industriearbeiter lebten mehrere Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt, so dass der Pendlerverkehr in der Region Stuttgart besonders ausgeprägt war.7 Nicht nur in den Augen des langjährigen württembergischen Finanzministers Alfred Dehlinger (1924–1942) waren diese Pendlerwanderungen dafür mitverantwortlich, dass die württembergische Bevölkerung seit jeher eine gewisse Bodenständigkeit und daher auch Heimatverbundenheit besaß, was wiederum ein allzu starkes Anwachsen der Städte verhinderte. Zudem war die Industrie Württembergs

»nicht in dem Umfang wie anderswo auf engem Raum an einzelnen Hauptplätzen zusammengeballt, sondern über alle Teile des Landes bis in die ländlichen Gemeinden und in die entlegensten Täler [zerstreut]. So entstand die weiter günstige Besonderheit, daß ihre Arbeitskräfte fast zur Hälfte auf dem Lande [wohnten] und dort bodenständig, fest mit der Heimat verwurzelt und meist noch stark mit der Landwirtschaft verbunden [waren], die sie mit ihrer Familie nebenbei [bewirtschafteten].«8

In der Tat gab es in Württemberg trotz eines breiten und ständig wachsenden Industriegürtels um Stuttgart seit jeher viel Landwirtschaft. Die Interessenverbände der Landwirtschaft, so lässt sich mit der Forschung sagen, hatten noch in den 1920er Jahren großen Einfluss auf die Politik.9 Darüber hinaus besaßen selbst Fabrikarbeiter häufig noch ein Stück Land. Diese Klein- und Mittelindustrie in ländlichen Regionen ermöglichte es, dass die Württemberger eine Art doppelte Beschäftigung in Industrie und Landwirtschaft ausübten.10 Das so stark beschworene und später zu beschreibende Großstadtelend war daher in Württemberg beileibe nicht so ausgeprägt wie in anderen Regionen Deutschlands. Auch die Beamten der Landeskreditanstalt stellten immer wieder fest, dass »die Mietskaserne im eigentlichen Sinn des Wortes in Württemberg unbekannt«11 war. So lebten in Württemberg im Jahre 1905 64,5 Prozent aller Haushalte in Eigentumswohnungen. Nur in den vier größten württembergischen Städten – Stuttgart, Heilbronn, Ulm und Esslingen – gab es einen hohen Prozentsatz an Mietwohnungen zwischen 70 und 80 Prozent.12 Die Bevorzugung des Eigenheims in Württemberg drückte sich während der Weimarer Jahre nicht zuletzt in der von Georg Kropp 1921 bei Heilbronn errichteten Bausparkasse der Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot (GdF) aus, die die Eigenheimfinanzierung durch »selbst-initiertes Zwecksparen« in den kommenden Jahren für einkommensschwache Menschen ermöglichen sollte.13 In den 1930er Jahren zählte Wüstenrot bereits über 10 000 Bausparer.14

Noch während der Zeit des Nationalsozialismus betonte Hermann Aichele, Präsident der württembergischen Landeskreditanstalt, den politischen Mehrwert dieser traditionsreichen dezentralen Siedlungspolitik:

»Die Württ. Landeskreditanstalt hat in ihren Geschäftsberichten wiederholt darauf hingewiesen, daß sie eine ihrer Aufgaben darin sehe, die württembergische Dezentralisierung von Wirtschaft und Siedlung zu stärken. Die Verbundenheit des Arbeiters mit dem Boden schien ihr volkspolitisch erstrebenswert zu sein.«15

Auch für Erwin Breitmeyer, ein weiteres Vorstandsmitglied der württembergischen Landeskreditanstalt, führte die »harmonische Verteilung von Industrie, Gewerbe und Landewirtschaft [zu einem] blühenden, wirtschaftlich gesunden Wohnungs- und Siedlungsbau.«16 Ob die Wohnungs- und Siedlungspolitik im Nationalsozialismus auch deswegen weniger ideologisch war, da die Schollenbindung in Württemberg schon vor 1933 gefördert wurde, wird eine zentrale Frage dieses Buches sein.

Siedlungspolitischer Sonderweg

Bei einem Vortrag auf der Stuttgarter Arbeitstagung des Reichsheimstättenamtes der Deutschen Arbeitsfront kam Jonathan Schmid, der Innen- und Wirtschaftsminister von Württemberg während der NS-Zeit, auf diesen siedlungspolitischen Sonderweg zu sprechen. Nicht ohne Stolz konnte Schmid feststellen:

»Wenn man sich umschaut, wo Beispiele einer glücklichen Planung vorhanden sind, so wird allenthalben und überall das Beispiel unserer Heimat Württemberg genannt. Das Thema ›Württemberg‹ ist geradezu modern geworden.«

Schmid versuchte zudem eine Antwort darauf zu finden, warum Württemberg in puncto Wohnungsbau besser dastand als Ostpreußen oder Bayern. Für ihn gab es zwei Gründe für das gute Abschneiden Württembergs. Neben der heute absurd klingenden kulturellen und biologischen Veranlagung des Württembergers nannte er die dezentrale Siedlungspolitik:

»Die tatsächliche Gemeinschaftsleistung des schwäbisch-fränkischen Volkes in Württemberg hat ihre Grundlagen zuerst selbstverständlich in der gegebenen biologischen Veranlagung unserer Menschen, in ihrem Fleiss, ihrer Ausdauer und ihrer fast sprichwörtlich gewordenen Sparsamkeit. […] Und es wurde seit den Jahren des letzten Jahrhunderts vor dem Krieg durch staatliche Institutionen die einzige, wahrhaft völkische Wirtschaftsplanung durchgeführt und der Versuch gemacht, Zusammenballung der Industrie, der Betriebe an einem Ort zu verhindern, und sie systematisch auf das Land zu verteilen«17

Bevor auf den württembergischen Sonderweg detailliert eingegangen wird, soll an dieser Stelle die Genese der Landeskreditanstalt behandelt werden, mit der der württembergische Staat die Wohnungsnot erfolgreich bekämpfen konnte.

Gedankenspiele

Ohne den Ersten Weltkrieg wäre die Gründung der Landeskreditanstalt mit großer Wahrscheinlichkeit früher erfolgt. Denn bereits am 16. Juni 1913 stellte die württembergische Zentrumsfraktion in der Zweiten Kammer des Landtags in Stuttgart einen Antrag an die königliche Staatsregierung. Die Partei versuchte

»die Errichtung eines Landeskreditinstituts in die Wege zu leiten, das mit Hilfe des Staats dem strebsamen und kreditwürdigen Mittelstand in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel einen billigen Kredit gewährt.«18

Dieses Dokument für den Mittelstand unterschrieben unter anderem Johannes Baptist von Kiene, Josef Andre, Eugen Bolz, Adolf Gröber und Eugen Graf; allesamt führende Persönlichkeiten der Zentrumspartei.

Nachdem sich das bisherige Themenangebot der Zentrumspartei – der Eintritt für »politische Belange und kirchliche Freiheiten der deutschen Katholiken« – nach der Entlassung Bismarcks erweitern konnte, avancierte das Zentrum zu einer Volkspartei.19 Vor allem in Württemberg begann sich das Zentrum immer stärker für die Wählerstimmen des Mittelstands und der Arbeiter zu interessieren.20 Der Jurist Gröber, ein guter Redner, gehörte bereits vor dem Ersten Weltkrieg zu den bedeutendsten Figuren der Zentrumspartei; auch außerhalb Württembergs. Seit 1917 war Gröber Fraktionsführer des Zentrums im Reichstag. Er setzte sich in seinen Reden vor allem für christliche Gewerkschaften ein.21 Bolz war zu diesem Zeitpunkt bereits Landtags- und Reichstagsabgeordneter. Nach Gröbers Tod im Jahre 1919 wurde Bolz zum wichtigsten Mann des württembergischen Zentrums. Bolz wurde während der Weimarer Republik erst Justizminister, dann Innenminister und schließlich auch Staatspräsident von Württemberg. Er war für die Politik in Württemberg daher maßgeblich verantwortlich.22 Vor Bolz war Kiene Justizminister; er starb überraschend am 24. Juli 1919.23 Graf wurde nach dem Krieg erst Ernährungs- und dann Innenminister. Er starb allerdings ebenfalls recht früh am 7. Mai 1923.24 Nur der gewerkschaftsnahe Andre gehörte wie Bolz bis 1933 dem Landtag an.25 Beide setzten sich dort immer wieder für die Landeskreditanstalt ein und waren später prominente Gegner der Nationalsozialisten.

Am 4. April 1914 fasste der Abgeordnete Eugen Graf aus Biberach die wichtigsten Punkte des Antrags vor dem Plenum noch einmal zusammen. Vor allem erhoffte er sich

»eine weitgehende Befreiung des Mittelstands in Landwirtschaft, […] die Erleichterung der Gründung einer selbstständigen Existenz und deren Erhaltung; […] eine wirksame Bekämpfung der Landflucht; […] die Ermöglichung des wirtschaftlichen Aufstiegs von Leuten aus den unteren Klassen des Volkes in wirtschaftlich bessere Verhältnisse [sowie] die Förderung des Kleinwohnungsbaus.«26

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte jedoch, dass über die Errichtung eines Landeskreditinstituts weiter debattiert und abgestimmt wurde. Die Materialschlachten des Ersten Weltkriegs führten unweigerlich zu anderen Prioritäten. Die staatliche Ausgabe von niedrig verzinsten Darlehen musste auf Grund der immensen Kriegskosten verschoben werden. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Errichtung eines staatlichen Kreditinstituts wieder auf die politische Agenda gesetzt. Der Schwerpunkt lag in der turbulenten Nachkriegszeit allerdings eindeutig auf der Förderung des Wohnungsbaus. Nur die beiden Unterpunkte »Bekämpfung der Landflucht« und »Förderung des Kleinwohnungsbaus« waren in dem Antrag des 1919 errichteten Wohnungsbürgschaftsausschusses noch enthalten.

Beginn der Weimarer Zeit

Auch das eher überschaubare Württemberg wurde nach dem Ersten Weltkrieg von politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Ereignissen durchgeschüttelt. In Folge der Novemberrevolution 1918 wurde die Monarchie abgeschafft und die Republik ausgerufen. König Wilhelm II. hatte Stuttgart fluchtartig verlassen müssen und verzichtete am 30. November 1918 schließlich für sich auf den Thron. Am 12. Januar 1919 wurde die parlamentarische Demokratie mit der Wahl zu einer verfassungsgebenden Landesversammlung in die Tat umgesetzt, am 29. Januar 1919 die bisher provisorische Regierung bestätigt und am 7. März 1919 der sozialdemokratische Politiker Wilhelm Blos (SPD), ein studierter Historiker, offiziell zum Staatspräsidenten ernannt. Die württembergische Regierung setzte sich zu diesem Zeitpunkt aus dem Innenminister Hugo Lindemann (SPD), dem Justizminister Johannes Baptist von Kiene (Zentrum), dem Finanzminister Theodor Liesching (DDP), dem Arbeitsminister Alexander Schlicke (SPD), dem Ernährungsminister Julius Baumann (DDP), dem Kriegsminister Immanuel Herrmann (SPD) und dem Ministerpräsidenten Blos zusammen. Damit regierten in Württemberg dieselben verfassungstreuen Parteien, welche auch die Geschicke des Deutschen Reiches lenkten. Unter der »Weimarer Koalition« wurde der Grundstein für die Gründung der württembergischen Wohnungskreditanstalt gelegt, noch bevor die endgültige Verfassung des freien Volksstaates am 25. September 1919 in Kraft getreten war.27

Wohnungsbürgschaftsgesetz

Die ursprüngliche Initiative der württembergischen Zentrumspartei aus dem Kaiserreich wurde nun leicht abgeändert von allen Parteien in die Tat umgesetzt. Denn am 16. April 1919 hatte die Landesversammlung einen Sonderausschuss aus 24 Mitgliedern für den »Entwurf eines Wohnungsbürgschaftsausschusses« gebildet. Abgeordnete aller württembergischen Parteien waren in diesem Sonderausschuss vertreten: Wilhelm Benz (SPD), Matthias Fleig (SPD), Gustav Kittler (SPD), Friedrich Göhring (SPD), Karl Sperka (SPD), Albert Stuber (SPD), Heinrich Schäfer (SPD), Hermann Etter (DDP), Julius Keck (DDP), Maria Keinath (DDP), Karl Kübler (DDP), Rudolf Linkenheil (DDP), Adolf Scheef (DDP), Eugen Graf (Zentrum), Johannes Groß (Zentrum), Camillus Hepp (Zentrum), Friedrich Nothelfer (Zentrum), August Pollich (Zentrum), Wilhelm Bazille (Bürgerpartei), Wilhelm Benkert (Bürgerpartei), Theodor Körner (Bauern- und Weingärtnerbund), Friedrich Vogt (Bauern- und Weingärtnerbund) und Franz Engelhardt (USPD).28 Am 16. Mai 1919 stellte der Demokrat Julius Keck den Entwurf des Wohnungsbürgschaftsausschusses dem Plenum vor. Die Abgeordneten des Landtags gingen daraufhin Paragraf für Paragraf gemeinsam durch. Man war sich parteiübergreifend einig, dass der Staat für die Bekämpfung der Wohnungsnot die Verantwortung übernähme.29

Das Wohnungsbürgschaftsgesetz vom 30. Mai 1919 bildete die rechtliche Grundlage für die Gründung der württembergischen Wohnungskreditanstalt im März 1924. Die verfassungsgebende Landesversammlung hatte »unter Anerkennung der Dringlichkeit« das Wohnungsbürgschaftsgesetz beschlossen, das als das Schlüsseldokument der südwestdeutschen Landeskreditanstalten zu lesen ist. Sein Artikel 1 lautete:

»Um zu Gunsten der minderbemittelnden Bevölkerung und der wirtschaftlich schwachen Teile des Mittelstandes das Baukapital für solche Kleinwohnungsbauten, vorzugsweise Neubauten, zu verbilligen, die nicht der Gewinnerzielung aus künftiger Steigerung des Verkaufs- oder Vermietpreises dienen sollen und allgemein anerkannten Forderungen der Wohnungspolitik entsprechen, werden der Staat und die Gemeinden gemeinsam Bürgschaft für Baukapitaldarlehen übernehmen.«

Der Artikel 6 des Gesetzes regelte dann ausdrücklich, dass

»die Geschäfte […], abgesehen von den Ministerien des Inneren und der Finanzen vorbehaltenen Entscheidungen, von einer rechtsfähigen, öffentlichen Landesanstalt für Wohnungsfürsorge wahrzunehmen«

seien, deren Verfassung durch eine Verordnung noch bestimmt werde.30 Es herrschte im Württemberg der unmittelbaren Nachkriegszeit daher ein parteipolitischer Konsens, finanzschwachen Bürgern beim Bau von Wohnungen unter die Arme zu greifen. Der Staat und die Gemeinden verpflichteten sich, eine gemeinsame Haftung für die Baudarlehen zu übernehmen. Durch diese öffentliche Besicherung sollte die Zinslast auch von der finanzschwachen Bevölkerung getragen werden können. Die ökonomischen und politischen Krisen in der unmittelbaren Nachkriegszeit verzögerten jedoch das Vorhaben, die geplante staatliche Anstalt für die Finanzierung des öffentlichen Wohnungsbaus zeitnah zu gründen.

Nicht nur in Württemberg schlug man nach dem Ersten Weltkrieg einen neuen Weg ein, der die im Kaiserreich betriebene Laissez-faire-Politik beenden sollte. Alle wohnungswirtschaftlichen und städtebaulichen Maßnahmen waren seinerzeit dem freien Markt überlassen worden.31 Von einer staatlich geförderten Wohnungsbaupolitik konnte vor 1918 definitiv nicht die Rede sein. Erst durch den sozialstaatlichen Transformationsprozess nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich ein Wohlfahrtsstaat, der nicht nur im Bereich der Wohnungsbau- und Siedlungspolitik neue Akzente setzte.32 Der Bau von bezahlbaren Wohnungen wurde nach dem Ersten Weltkrieg zu einem politischen Thema von großer Reichweite und Wichtigkeit, da die überall in Deutschland grassierende Wohnungsnot nicht mehr zu übersehen war. Gab es vor dem Krieg noch mehr Wohnungen als Haushaltungen, so änderte sich die Lage nach dem Ersten Weltkrieg schlagartig. Der sprunghafte Anstieg der Eheschließungen, der durch das verkleinerte Reichsgebiet verursachte Flüchtlingsstrom und der allgemeine Mangel an Rohstoffen und Baumaterialien verursachten einen Wohnungsmangel, der von den privaten Bauunternehmen nicht mehr befriedigt werden konnte.33 Die parlamentarische Demokratie musste nach Lösungen Ausschau halten, um den Mangel an bezahlbaren Wohnungen zu bereinigen.

Obwohl mit Artikel 155 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung gesetzlich festgelegt wurde,

»jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsheimstätte zu sichern«34,

war man in den Nachkriegsjahren weit davon entfernt, dieses Versprechen in die Tat umzusetzen, auch wenn sich populäre und sprachmächtige Politiker für eine gerechtere Verteilung und Nutzung des Bodens stark machten.35 Der Mangel an Baustoffen unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg führte vielmehr zu einer gesetzlich verordneten Wohnungszwangswirtschaft, die den Bau von neuen Wohnungen trotz Gewährung von Baukostenzuschüssen verhinderte. Die staatlichen Reglementierungen und Normierungen durch das Wohnungsnotgesetz vom 21. Februar 1921, das Reichsmietengesetz vom 24. März 1922 und das Reichsmieterschutzgesetz vom 1. Juni 1923 führten zu keiner nennenswerten Entlastung auf dem angespannten Wohnungsmarkt.36 Die künstliche Drosselung der Mieten und die Wohnraumlenkung der vorhandenen Altbauwohnungen konnten die Wohnungsnot nicht besiegen, da »die Erhaltung, Erfassung und Verteilung« des bereits vorhandenen Wohnraums noch immer an erster Stelle stand. Das erfolglose System der Wohnungszwangswirtschaft bestimmte bis zum Jahre 1924 die öffentliche Wohnungsbaupolitik in Deutschland.37 Obwohl diese staatlichen Reglementierungen für den Bau neuer Wohnungen folgenlos blieben, wurde in der Nachkriegszeit ein Mieterschutz etabliert, der während der Weimarer Republik weiter ausgebaut wurde. Die deutsche Mieterbewegung war daher »ein Reflex der wachsenden Wohnungsnot«38.

Durch die Hyperinflation der Jahre 1922/23 veränderten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Gerade der Wohnungsmarkt stürzte immer tiefer in die Krise. Die von der Inflation verursachte Kapitalknappheit machte eine Verbesserung der Lage nahezu aussichtslos.39 Die ohnehin nicht für die minderbemittelte Bevölkerung in Frage kommenden Kapitalgeber wie die Sparkassen oder die Landesversicherungsanstalten zogen sich aus der Finanzierung des Wohnungsbaues immer stärker zurück, da das Problem der Beleihungsgröße durch die immer schneller werdende Geldentwertung nicht mehr behoben werden konnte.40 Mit der Entkapitalisierung Deutschlands verschlechterte sich die Situation spürbar, so dass im Jahre 1923 um die 600 000 Haushalte in Deutschland ohne eigene Wohnung waren.41 In der Zeit von 1914 bis 1921 waren in Deutschland insgesamt nur noch 450 000 Wohnungen gebaut worden, während vor dem Krieg noch jährlich um die 200 000 Wohnungen erstellt worden waren.42 Otto Wölz, Ministerialrat aus dem Reichsarbeitsministerium, schilderte die Lage nach dem Ersten Weltkrieg mit folgenden treffenden Worten:

»Schon mit Beginn des Jahres 1920 waren freie Wohnungen nicht mehr vorhanden; es begann die krasseste Wohnungsnot in immer wachsendem Umfang; ein Übermaß von Familiengründungen – teilweise mehr als das Doppelte wie in Vorkriegszeiten – war zu verzeichnen, und eine völlige Unterbindung der wirtschaftlichen, namentlich finanziellen Unterlagen des Neuwohnungsbaues trat ein.«43

Hauszinssteuer

Erst nach der Hyperinflation änderte der Staat seine Vorgehensweise, indem er anstelle der Wohnungszwangswirtschaft auf eine Steuer setzte, um das bevölkerungspolitische Problem besser in den Griff zu bekommen: die sogenannte Hauszinssteuer. In dieser Hauszinssteuerära wurde schließlich die württembergische Wohnungskreditanstalt gegründet, deren Aufbau und Tätigkeit in enger Verbindung zur Gebäudeentschuldungssteuer – so der offizielle Name in Württemberg – stand. In Württemberg war die Übertragung der Hauszinssteuer anders geregelt, da die Einnahmen aus der Hauszinssteuer von einer staatlichen Institution – der württembergischen Wohnungskreditanstalt – verwaltet wurden:

»Während in den anderen Ländern die Hauszinssteuerhypotheken entweder unmittelbar vom Staat und den Gemeinden oder von letzteren allein gegeben werden, hat sich in Württemberg der Staat für die Förderung des Wohnungsbaus eine besondere Einrichtung in der Württ. Wohnungskreditanstalt geschaffen.«44

Wohnungsbaupolitik

Vor dem Ersten Weltkrieg bestimmte allein der Markt, was gebaut werden sollte. Erst nach dem Krieg versuchte der Staat, mit Gesetzen den Wohnungsbau zu lenken. Von 1918 bis 1920 lag die Finanzierung des Wohnungsbaus noch ausschließlich in den Händen des Reiches. Die Länder spielten als Träger der öffentlichen Wohnungsbaufinanzierung keine Rolle. In den folgenden Jahren zog sich das Reich aus der Wohnungsbauförderung immer stärker zurück.45 Seit dem 1. April 1924 – an diesem Tag wurde auch die württembergische Wohnungskreditanstalt gegründet – waren es dann vor allem die Länder, die für die öffentliche Wohnungsbaufinanzierung verantwortlich waren.46 Die Wohnungsbaupolitik wurde somit zu einer Angelegenheit der Länder, deren Ministerien sich nun um die Wohnungsbaufinanzierung kümmerten. Seit diesem Tag wurde von den Ländern ein »Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundstücken«47 erhoben, der während der Weimarer Republik nahezu 13 Prozent des gesamten deutschen Steueraufkommens ausgemacht hatte. Diese Hauszinssteuer war eine »kräftig sprudelnde Finanzquelle«, die von 1924 bis 1930 nahezu 50 Prozent aller Neubauten finanzierte.48 Obwohl die Hauszinssteuer auch in der Kritik stand49, darf man mit einem Beamten der württembergischen Landeskreditanstalt feststellen, dass »ohne die Hauszinssteuer […] der Wohnungsbau in den ersten Jahren nach der Stabilisierung überhaupt nicht durchzuführen gewesen«50 wäre.

Die Geschichte der Hauszinssteuerära51 ist komplex, da das Reich es den einzelnen Ländern überließ, wie die Steuer en détail zu verwalten und zu verwenden war. Das Reichsgesetz besagte nur, dass mindestens 10 Prozent der Steuereinnahmen zur Förderung der Neubautätigkeit verwendet werden mussten. Die restlichen 90 Prozent konnten sowohl für den Wohnungsneubau als auch für den allgemeinen Finanzbedarf des Landes genutzt werden.52 Sowohl der Steuersatz53 als auch der Prozentsatz des Wohnungsbauanteils wurden in den einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt und bemessen. Die Bandbreite des Anteils für den Wohnungsbau erstreckte sich in den einzelnen Ländern von 15 bis 26 Prozent und änderte sich zudem jährlich.54

Nicht nur Ministerialrat Otto Lehmann vom Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt, das bis 1932 für die Wohnungsbau- und Siedlungspolitik in Preußen zuständig war, äußerte sich über die Unübersichtlichkeit auf dem Gebiet der öffentlichen Wohnungsbaufinanzierung:

»Wer bauen will, braucht Geld. An dieser Tatsache hat sich naturgemäß trotz aller Umwälzungen, die wir namentlich auf wirtschaftlichem Gebiete erlebt haben, nichts geändert. Nur die Wege, die zu den Geldquellen führen, sind von Grund auf anders geworden. Für alle beteiligten Kreise wird es von Tag zu Tag schwieriger, sich durch das Gestrüpp von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen zur klaren Erkenntnis des Notwendigen hindurchzuarbeiten.«55

Dieser »föderale Charakter der öffentlichen Wohnungsbauförderung in der Weimarer Republik«56 bewirkte nun, dass die jeweiligen Länder eigene Handschriften entwickelten. So sprach man in Sachsen beispielsweise von einer Mietzinssteuer, in Baden von einer Gebäudesondersteuer, in Württemberg von einer Gebäudeentschuldungssteuer, in Preußen von der Hauszinssteuer, in Hessen von einer Sondersteuer vom bebauten Grundbsitz und in Bayern von einer Geldentwertungsabgabe.57 In jedem Land war zudem ein anderes Ministerium für die Wohnungsbau- und Siedlungspolitik zuständig. In nicht seltenen Fällen wurde die Verwaltung der Wohnungsbau- und Siedlungspolitik alle paar Jahre von einem anderen Ministerium übernommen, wie zum Beispiel in Baden.58

Im Großen und Ganzen war die Hauszinssteuer ein »Solidarbeitrag«596061