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Kerroum-Otto2

Die Hexe von Kentigern

Atir Kerroum


Zwei Goldstücke für einen einfachen Handlangerdienst klingt nach leicht verdientem Geld für Zauberer Otto.

Leider hat sein Auftraggeber verschwiegen, dass der Weg ins Reich einer ebenso schönen wie mörderischen Hexe führt. Ein ganzes Kloster steht unter ihrem Bann, und was immer Otto versucht, um sich aus der Falle zu befreien, die Hexe ist schneller und setzt ihn schachmatt.


Kerroum-Otto3

Ecce Rege

Atir Kerroum


Zauberer Otto hat es geschafft. Er ist Hofzauberer des Gotenkönigs und damit in sicherer Position. Immer vorausgesetzt, es regnet endlich, der Erzbischof kriegt Otto nicht in seine Fänge und der König hat eine lange, prosperierende Regentschaft.

Für Regen kann Otto selbst sorgen, wozu ist er schließlich Zauberer. Die Kirche hält ihm der König auf Abstand. Aber was den Rest angeht ...



Über den Autor


Atir Kerroum wurde 1975 in Algier geboren. Er lebt und arbeitet als Rechtsanwalt in Ludwigshafen am Rhein. Er schreibt Prozessanträge, Gebührenrechnungen, SF und Fantasy. Der passioniert Roadsterfahrer ist aktives Gründungsmitglied der Schwertkämpfer Rhein-Neckar.

Kerroum-Schadenzauber

Landkarte



 

 

1. Liebe  

 

 

Ein Drittel aller niedergelassenen Zauberer scheiterte in den ersten zwölf Monaten. Zu wenig Kapital.

Mag. art. mag. Ottonus C. Agricola. Sprechzeiten nach Vereinbarung.

Das Messingschild mit den stolz glänzenden Lettern lag auf dem Tisch wie die Scherben seiner Existenz. Otto seufzte und nahm das Schild in beide Hände. 

Seine Ansprüche hatte er mittlerweile schon ziemlich heruntergeschraubt. Sogar als Tagelöhner hatte er sich verdingen wollen. Die Werber hatten ihn ausgelacht und Männer mit breiten Schultern und schwieligen Händen aufgerufen. Otto musste wohl oder übel bei der Zauberei bleiben. Er konnte nichts anderes.

Ein Gläubiger hämmerte gegen die Tür. Otto rührte sich nicht. Er war nicht da.

 Von draußen erklang eine fremde Stimme. „Maestro Agricola?“

Otto konnte sich beim besten Willen nicht entsinnen, einem Italiener Geld zu schulden. Er legte das Schild aus den Händen. Vorsichtshalber verstellte er die Stimme.

„Wer ist da?“

„Wir suchen den Maestro Agricola.“

„Was wollt Ihr von ihm?“

„Das ist vertraulich. Wir suchen einen Zauberer.“

Ein Klient! Otto stürzte zur Tür und öffnete. Vor ihm standen zwei vornehme Herren: Ein riesenhafter Skandi­navier, dessen blonde Haare behutsam ergrauten, und ein südländischer, leicht untersetzter Benediktinerpater. 

„Seid Ihre dere Maestro Ottonus Tscheh Agricola?“, fragte der Mann Gottes. Um Fassung und weltmännisches Auftreten bemüht verbeugte sich Otto übertrieben deutlich.

„Zu Euren Diensten.“

Die Herrschaften traten ein, ohne sich lange bitten zu lassen, und blickten sich mit einer aufdringlichen Sorgfalt in der Praxis um. 

„Hier soll das Officium sein. Das wurde uns jedenfalls gesagt, aber wir haben an der Tür kein Schild gesehen“, sagte der Hüne.

„Gewiss!“ Otto eilte zum Tisch und zeigte seinen Klienten das Messingschild. „Seht her! Ich wollte es gerade polieren.“

„Ich verstehe.“ Der blonde Nordmann schmunzelte. Er stellte sich vor als Hraldir Olafsson und deutete auf den welschen Priester. „Dies ist Pater Roberto Albizzi.“

Die Besucher nahmen Platz. Den eilends angebotenen Tee schlugen sie aus.

 „Nun“, fragte Otto, „wie kann ich Euch helfen?“ 

„Wir suchen jemanden, der sich mit Liebeszaubern auskennt“, sagte Albizzi.

„Wie der Zufall will, ist das mein... Spezialgebiet“, log Otto geistesgegenwärtig. Eigentlich hielt er es für unter seiner Würde, sich mit solchem Schwachfug abzugeben. Liebeszauber, das war etwas für alte Narren und hysterische Weiber. Diesen Stolz konnte er sich aber zur Zeit nicht leisten.

„Allerdings..., fügte er vorsichtig hinzu, „Ohne unver­schämt wirken zu wollen, möchte ich Euch doch darauf hinweisen, dass ein Liebeszauber selten die Lösung des Problem ist.

„In unserem Fall schon, dessen könnt Ihr Euch sicher sein. Jedoch ist die Angelegenheit heikel und nicht ganz einfach. Deshalb suchen wir auch einen Spezialisten.“

Otto erlaubte sich ein unbescheidenes Lächeln. „Für einen schwierigen Fall hättet Ihr keinen Besseren finden können“, behauptete er. „Sagt mir nur, wer sich in wen verlieben soll.“

Albizzi räusperte sich. „Gestattet mir eine Frage vor­neweg: Welchen Anteil nehmt Ihr an der Brautwahl Prinz Malwins?“

„Was hat denn das damit zu tun?“

„Bitte, beantwortet die Frage!“, verlangte Hraldir Olafsson mit Nachdruck. In seiner Stimme lag etwas Drohendes.

In der Stadt redete alles davon, dass Prinz Malwin von Burgund endlich heiraten sollte. Der König hatte ent­sprechende Schritte eingeleitet. Na und? Otto schüttelte den Kopf. „Politik interessiert mich nicht. Ich hoffe nur, dass sich Prinz Malwin bald entscheidet, damit das Theater vorbei ist.“

 „König Gundahar ist ein Wucherer“, schimpfte Roberto Albizzi plötzlich los. „Ein ganz übler Schuft. Wenn man eine Braut sucht, schickt man Brautwerber und handelt eine Mitgift aus. So lauten die Gepflogenheiten. Einzig Gundahar besitzt die Unverschämtheit, den Spieß umzudrehen, sieben Prinzessinnen an seinen Hof zu zitieren und frech zu fragen, was er noch dazu bekommt!“

„Malwin ist sein einziger Sohn und Erbe des Reiches“, wandte Otto ein. „Für ihn kann man schon eine anständige Mitgift verlangen und von den sonstigen Qualitäten seiner künftigen Schwiegertochter wird man sich ja wohl auch noch überzeugen dürfen.“

„Qualitäten!“, schnappte Albizzi. „Wisst Ihr, wie das zugeht am Hof? Da kommen die Gesandten von Ostland und bieten für ihre Prinzessin eine Grafschaft und 500 Pfund Gold. Nachdem die Gesandten von Ostland ge­gangen sind, kommen die Gesandten von Westland und bieten für ihre Prinzessin eine Grafschaft und 1000 Pfund Gold. Und dann kommen die Gesandten von Südland und bieten für ihre Prinzessin zwei Grafschaften und 500 Pfund Gold. Und so dreht sich die Spirale immer weiter. Mit jedem Tag, der vergeht, treibt Gundahar die Mitgift in neue Höhen. ‚Was kriege ich denn zu meiner Schwiegertochter noch dazu?’ Das ist dreist und unverschämt!“

„Ja“, nickte Otto und heuchelte Mitgefühl. „Leider zählte heute nur noch Geld.“ Sollten sie ruhig zahlen. Schließlich wurde niemand gezwungen, sich an der Bie­terschlacht zu beteiligen. Auch wenn seine beiden Besu­cher offenbar anderer Meinung waren. 

„Es ist eine Schande“, bestätigte Hraldir. „Wisst Ihr auch, welche Rolle Malwin in diesem Spiel spielt?“

„Keine, soweit mir zu Ohren gekommen ist“, erwiderte Otto.

„Ganz recht. Keine. Eigentlich geht es ja um seine Braut, so dass man meinen möchte, dass er ein Wörtchen mitreden wollte. Kein Gedanke! Der Schlappschwanz überlässt alles seinem Vater, diesem alten Gierlappen, der hinter dem Geld her ist wie der Teufel hinter der armen Seele. Es ist an der Zeit, dass sich Malwin endlich selbst um seine Angelegenheiten kümmert. Meint Ihr nicht auch?“

„Mich dürft Ihr nicht fragen. Ich interessiere mich nicht für Politik. Man ärgert sich nur, und ändern kann man sowieso nichts.“

Hraldir Olafsson lächelte. „Möglicherweise könnte dies in diesem besonderen Fall anders sein.“ 

Der Nordländer schwieg geheimnisvoll. Ratlos blickte Otto erst zu ihm, dann zu seinem Begleiter. Konnten diese Herren nicht einfach sagen, was sie wollten? 

Hraldir Olafsson räusperte sich. „Die Sache ist nun die“, sprach er ruhig. „Bislang hält sich Prinz Malwin aus der Sache heraus wie das fünfte Rad am Wagen und überlässt das Geschäftliche seinem Vater, der ekelhaft klebrige Hände hat. Unser... Auftraggeber wünscht, dass sich Prinz Malwin erklärt, sozusagen von der Schachfigur zum Schachspieler wird. Er soll sich für eine ganz gewisse Prinzessin entscheiden, und zwar unabhängig von der angebotenen Mitgift. Eine richtig schmalzige Liebesheirat soll es werden. Wie im Märchen.“

„Äh...“ Otto verstand immer noch nicht, was die Fremden von ihm wollten. Hilflos zuckte er mit den Ach­seln und lachte verlegen. 

Hraldir Olafsson klärte ihn auf: „Ich vergaß zu erwäh­nen, dass Ihr, dass Ihr fünfhundert Gulden verdienen könnt, wenn Ihr Erfolg habt und der Prinz die gewünschte Prinzessin heiratet. Natürlich kommt die Liebe nicht von alleine.“

Otto sollte die Brautwahl des Prinzen mit einem Lie­beszauber manipulieren. Die Herren hatten sich wohl in der Tür geirrt.

„Könnt Ihr das?“, fragte Albizzi.

„Das ist verboten!“

„Selbstverständlich ist es das. Aber könnt Ihr das auch?“

„Ja, aber das ist ein Verbrechen!“

Der schmierige Albizzi schmunzelte. „Wenn es legal wäre, gäbe es keine fünfhundert Gulden zu verdienen. Das dürfte sich ja wohl von selbst verstehen. Sagtet Ihr nicht, dass Euch die Brautwahl des Prinzen nicht die Bohne interessiere?“ 

„Das ist richtig, aber sie zu beeinflussen, das ist eine ganz andere Sache! Das ist Schadenzauber!“ 

„Juristisch gesehen ist es sogar Hochverrat“, präzisierte Hraldir Olafsson. „Nennen wir die Dinge ruhig beim Namen. Aber unsere Prinzessin ist mindestens so gut wie jede andere, und heiraten muss Malwin sowieso. Unser Auftraggeber ist stets ein Freund der Burgunder gewesen.“

„Das ist mir gleich“, erwiderte Otto. „Für kriminelle Machenschaften stehe ich nicht zur Verfügung. Ich muss Euch bitten zu gehen.“ 

Olafsson und Albizzi blieben sitzen.

„Auf der Stelle!“

Albizzi räusperte sich. „Ihr seid ein Mann von Ehre. Doch ich fürchte, dass Ihr Euch Euren Edelmut nicht leisten könnt.“

„Was soll das heißen?“

Albizzi betrachtete seine Fingernägel. „Es gibt Gerüchte.“

„Gerüchte?“

Der Benediktiner hob den Blick. „Über Eure Kredit­würdigkeit.“

„I-ich weiß nicht, was man Euch erzählt hat, aber ich habe Feinde, die Lügen über mich verbreiten, um meinen guten Namen in Verruf zu bringen.“

„Euer guter Name!“, höhnte Albizzi. „Gläubiger sind wirklich die übelsten Verleumder.“

Otto lachte gequält. „Fürwahr, da habt Ihr recht.“

„Und die Gläubiger sitzen vor Euch, denn wir haben Eure Schuldscheine aufgekauft.“

„Was?“

„Wir haben Eure Schuldscheine aufgekauft“, wiederholte Albizzi laut und deutlich. „Wir mussten uns schließlich absichern.“ 

Diese Leute hatten ihn ausgespäht. Sie hatten sich nicht durch Zufall zu ihm verirrt, sondern für ihre kriminellen Machenschaften gezielt einen bankrotten, ruinierten Zauberer gesucht, den sie erpressen konnten. Wenn Otto nicht bezahlte, landete er in der Schuldknechtschaft. Für den Rest seines jämmerlichen Lebens.

„Versteht uns nicht falsch“, bat Hraldir Olafsson ver­söhnlich, „wir haben keineswegs die Absicht, Euch Scha­den zuzufügen. Wir verlangen ja keinen Mord von Euch, sondern nichts weiter als eine glückliche Ehe und ein Bündnis zwischen Thule und Burgund, zum Vorteil beider Reiche. Diese eine Kleinigkeit müsst Ihr arrangieren, und Ihr seid Eure Schulden los und bekommt obendrein 500 Gulden. Was sagt Ihr? Ihr könnt dieses Angebot unmöglich ablehnen.“ 

„Und... wenn ich trotzdem ablehne?“, fragte Otto hei­ser.

Albizzi grinste. „Dann hat dieses Gespräch nie stattge­funden und im Übrigen wollen wir unser Geld, und zwar sofort.“ Nachdrücklich wedelte Albizzi mit den Schuldscheinen.

Otto hatte keine Wahl.

„Was ist mit Spesen?“, fragte er leise.

 

 

Diejenige, in die sich Malwin verlieben sollte, war Prinzessin Ansoalda von Thule.

„Sie ist wunderschön“, behauptete Hraldir Olafsson. „Prinz Malwin wird sehr glücklich werden.“

Otto bezweifelte das ernsthaft. König Harald Goldzahn war ein übler Bursche, der sich in seiner Jugend einen Namen durch Piraterie und Raubzüge gemacht hatte. 

Otto handelte zäh einen Auslagenvorschuss von zwanzig Gulden aus. Albizzi zierte sich und tat als ob Otto ihn betrügen wollte.

„Zwanzig Gulden für die Zutaten für einen simplen Liebestrank? Für wie dumm haltet Ihr uns?“

„Ich weiß ja nicht, welche Vorstellungen Ihr von Zau­berei habt“, beschied ihm Otto, „aber die Märchen über Liebestränke vergesst Ihr am besten. Die Prinzessin wird dem Prinzen einen verzauberten Ring überreichen. Dieser Ring muss angefertigt und verzaubert werden. Natürlich könnte der Ring auch aus Blech bestehen. Aber ich frage Euch: Würde sich der Prinz einen Ring aus Blech an den Finger stecken lassen? Wenn er es nicht tut, wirkt der Zauber nicht.“

 Albizzi grummelte etwas.

„Selbst ein Ring für zwanzig Gulden erscheint bescheiden am Finger eines Prinzen, aber ich vertraue auf das Talent Eurer Prinzessin. Außerdem wäre der Prinz ein Narr, wenn er einen Ring für zwanzig Gulden zurückwiese.“

„Er ist nicht so wie sein Vater“, erwiderte Hraldir Olafsson missbilligend. „Aber gut“, nickte er dann. „Kauft einen, wenn es notwendig ist.“

Hraldir Olafsson schnippte mit den Fingern, und ohne mit der Wimper zu zucken warf Albizzi einen Beutel mit klingender Münze herüber. Otto fing ihn auf. Das Gold wog schwer in seinen Händen.

„Ihr habt eine Woche“, erinnerte ihn Hraldir Olafsson, „dann will der König eine Braut präsentieren. Und wir hoffen für Euch, dass er die richtige Wahl trifft.“ 

„Denkt daran, Ihr müsst sicher stellen, dass der König die richtige Entscheidung bekannt gibt!“, warnte der Benediktiner.

Die beiden zogen ab. Otto machte sich sofort an die Arbeit.

Zuerst schraubte er sein Schild wieder neben die Haustür, denn er war wieder im Geschäft. Dann überlegte er, wie er den Auftrag abarbeiten wollte.

Liebeszauber! Die Liebe war schon schlimm genug. Nur absolute Narren zauberten so etwas freiwillig herbei. Man sah es ja: Der Prinz sollte aus Liebe eine Wahl treffen, die er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte nicht im Entferntesten in Erwägung zöge. Deshalb war es ja auch Schadenzauber und strafbar. Otto versuchte, nicht an die möglichen Konsequenzen zu denken.

Die Zauberformel zusammenzustellen erforderte einiges an Recherche. Auf einer Schiefertafel skizzierte er zunächst einige Überlegungen und notierte sich drängende Fragen. Dann machte er sich auf den Weg zur magischen Bibliothek. Ottos Haus stand wegen der günstigeren Miete einige hundert Meter außerhalb der Stadtmauer. Daneben breitete sich ein Zeltlager aus, in dem jene Gefolge der Prinzessinnen kampierten, für die sich in Worms kein Platz mehr gefunden hatte. Die Stadt selbst platzte durch den Ansturm aus allen Nähten. 

Otto hasste das Gedränge, die Überfremdung und die um sich greifende babylonische Sprachverwirrung. Nicht einmal seine Besorgungen konnte man noch ungehindert erledigen. Auf dem Domplatz zupfte ihn ein Fremder am Ärmel und wollte ihn nicht weitergehen lassen, bevor er eine Erklärung für die dort aufgebaute Fassade bekommen hatte.