cover
PETER M. SCHNEIDER
GOLDRAUSCH IM ALL
Silicon Valley, NewSpace und die Zukunft der Menschheit
PETER M. SCHNEIDER
GOLDRAUSCH IM ALL
Wie Elon Musk, Richard Branson und Jeff Bezos den Weltraum erobern
bodymatter
Für Fragen und Anregungen:
info@finanzbuchverlag.de
1. Auflage 2018
© 2018 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Redaktion: Diana Napolitano
Korrektorat: Hella Neukötter
Umschlaggestaltung: Marc Fischer
Umschlagabbildung: shutterstock, Vadim Sadovski
Satz: Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN Print 978-3-95972-085-4
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-144-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-145-5

INHALT

Einleitung
TEIL 1 – EGOS IM WELTRAUM – Die Battle der Milliardäre
1Die Superreichen als Treibstoff für die Raumfahrt
Tor für Elon Musk
Die Normalisierung der Träume
Was treibt die Milliardäre in den Weltraum?
2Musk vs. Bezos: Duell der Raketenbauer
Zu nah für Freundschaft
Erst Internet-Guy, dann Transport-Guy
Der Diamantenmacher
Kampf mit dem alten Drachen
Falcon 9: Marke Eigenbau
Der Designer-Drache
»Einer der besten Momente meines Lebens«
Die Rückkehr
Streit ums Hightech-Kochbuch
Der Alles-Bezos
Bezos’ Rakete Super Royal
Eitle Scharmützel
Geheimnis im Nirgendwo
Die Konkurrenz-Rakete
Schwarze Null statt Goldesel
3Der Mars: Plan der Pläne
Die fantastischen 60er
Mars – der Heilige Gral
Leben auf dem Mars
Musk rockt die Raumfahrt
Elon, der Marsianer
Verplant
4Raumschiff mit Aussicht: Touristen im All
Mojave
Raumfahrt-Ultras
Deal der Raumfahrt-Nerds
Gewinnertyp
Branson, der Galaktische
Die Luxus-Astronauten
Die Katastrophe
Restart
Menschenfänger
Knotenpunkte ins All
Bezos vs. Branson: Wettlauf der Systeme
Hotellabor Erdblick
5Wettlauf zum Mond 2.0
Die Renaissance des Mondes
Google Lunar X-Prize
Das Raumschiff aus Marzahn
Alle Mann zum Mond
6Die jungen Wilden: Kampf der Micro Launcher
Panoptikum der Raketenbauer
Raketen-Hipster
Der Drache aus dem Meer
In Zeitlupe gen Himmel
Tabellenführer mit Standortvorteil
Paul Allens Fabelwesen
Das kosmische Mädchen
Die Killer-Visionäre
7Exkurs: Auf der Suche nach dem Wow!-Signal
8Space-Miner – Billionäre aus dem All?
Unendliche Zahlen
Platinrausch
NEAs: So nah und doch so fern
Schatzkarte für Wasser
Treibstoff fürs All
Staatliche Hilfsdienste
Schmutz als Tarnung
Wasser, aber kein Durst
Die Grenzen des Reichtums
TEIL 2 – NEWSPACE – Die neue Raumfahrt
1Einfacher, billiger, schneller
Nährboden für die neue Raumfahrt
Neue Helden
Teil der Raumfahrt-familie
2COTS – preiswert ins All
Das Zauberwort der Satelliten-Bauer
Abwehrschlacht gegen die Naturgewalten
Gretchenfrage: COTS oder space proved?
Plädoyer für die Kompliziertheit
3Im digitalen Raum
Neue digitale Infrastruktur
Raketen aus dem Drucker
Fabrik im Weltraum
Schwerelose Veredelung
4Little Big Brother: Die Cube-Sat-Revolution
Von Cubes und Star-Chips
Geomonitoring
Schwarm-Daten
Die Empfänger
Auf Kollisionskurs
TEIL 3 – KABALE UND LIEBE – NewSpace und die NASA
1Ohne NASA geht es nicht
Mission accomplished
Fixstern für NewSpace
Treibstoff für das Rennen im All
2Im Bett mit der NASA
Legenden im Kreuzfeuer
Der Deal: Fixpreis plus Marge
Strafe und Belohnung
OldSpace darf nicht auf die Rampe
So schwer die neue Zeit
3Gesetze fürs Weltall
Angriff auf den Weltraumvertrag
Willkommene Regulierung
4Rückschau: Der Staat als Weltraum-Spediteur
Das Shuttle als Hemmschuh
Europa hebt ab
Ein Unglück rebootet die Raumfahrt
5Neustart
Das Shuttle-Ende, das russische Joch und die ISS als Umsatzgarant
Im Rausch des Wettbewerbs
Alte Helden revoltieren
TEIL 4 – DIE GRÜNDER – Disrupt!
1Die Unternehmerkultur von NewSpace
Impuls aus dem Silicon Valley
Disruption – die Zerstörung des Vertrauten
NewSpace – eine Start-up-Community
2Das Venture Capital
Straße des Geldes
Shooting for the Moon
Im Tal des Todes
3Die Gründer und die Kapitalisten
Kuppelshow des Kapitalismus
Objekte der Investoren-Begierde
4Finanztod im All
Investment in Walhalla
Ein Milliardengrab als Investoren-Scheuche
Gebrochene Versprechen
5Goldrausch in der Raumfahrt
Kleinere Einsätze im Space-Monopoly
Investoren-Porno
Zahlenrausch im Weltraum
… to start as a billionaire
Epilog – NewSpace, die Menschheit und ich
Danksagung
Quellen
Stichwortverzeichnis
Meinem Vater, Dr. Norbert Schneider,
1926-2010

EINLEITUNG

Die spektakulärste Weltraumschlacht findet im Twitter-Universum statt. Dort tragen die Gründer von Amazon und SpaceX, die Milliardäre Jeff Bezos und Elon Musk, ihren persönlichen Kampf ums All aus. »Welcome to the club«1, zwitscherte Bezos Musk an, als dessen Raketenoberstufe bei der Rückkehr aus dem All landete und dabei nicht explodierte. Ein vergiftetes Kompliment, denn Bezos wusste genau, wie es Musk wurmte, dass der Amazon-Chef seine Rakete als Erster sicher gelandet hatte. Musk hatte bereits zuvor Bezos auf die Plätze verwiesen. »Space ist nicht Orbit«2, womit er darauf hinwies, dass seine Raketen in den Orbit fliegen und nicht nur kurze Zeit an der Grenze zum Weltraum kratzen. Bisher konnte jeder der beiden Etappensiege feiern, keiner aber den anderen entscheidend aus dem Feld schlagen.
Nicht die gelungenen Landungen wiederverwendbarer Raketen und neue Raumschiff-Kapseln sind hier die eigentliche Sensation, sondern die Tatsache, dass diese Milliardärs-Battle überhaupt stattfindet. Denn Raumfahrt ist wieder sexy. Ihre Hauptdarsteller sind es, die Technik ist es, und die Ziele sind es auch. Während herkömmliche Milliardäre sich um Superyachten streiten (»Meine ist länger!«), machen die beiden Topstars unter den Silicon-Valley-Promis Schlagzeilen mit ihren Raketen. Diese Space-Gurus und sehr viel Wagniskapital leiten womöglich eine neue Epoche der Menschheit ein. Der Mensch greift wieder nach den Sternen. Ein Hotel im Orbit, ein Dorf auf dem Mond, eine Mission zum Mars – seit Ende der Mondlandung 1969 gab es keine so exaltierten Träume und Pläne mehr wie heute.
Tatsächlich lässt sich vom Beginn eines Booms im All sprechen, der nicht nur in den Köpfen von Träumern stattfindet, sondern in den Hightech-Werkstätten auf dem gesamten Globus. Seit 2000, dem Jahr des Dotcom-Crashs, der die Raumfahrt ebenfalls in Mitleidenschaft zog, wurden von privater Hand mehr als 20 Milliarden Dollar in Raumfahrt-Startups investiert,3 mehr als die Hälfte davon in den vergangenen fünf Jahren und völlig unabhängig von staatlichen Mitteln! Und ein Ende des Geldstroms ist nicht in Sicht. Die aktuelle Entwicklung in der privat finanzierten Raumfahrt hat alles, was eine epische Geschichte ausmacht: ein großes Ziel, einen Kampf von Giganten, die Welt als Publikum und den größten aller Preise – ewiger Ruhm.
Den neuen Rush in den Weltraum, den Superreiche mit teilweise irren Plänen und Start-ups mit neuen Techniken und Geschäftsmodellen betreiben, nennt die Raumfahrt-Gemeinde NewSpace. Wie wir sehen werden, ist das ein regelrechter Wildwest-Begriff. Das passt zum einen, weil die Raumfahrt, von der in diesem Buch die Rede ist, zu einem großen Teil in den USA stattfindet. Und außerdem lässt sich das nicht anders bezeichnen, der Weltraum ist heute noch ähnlich gefährlich, unbekannt und unerschlossen wie der amerikanische Westen im 19. Jahrhundert. Die Unternehmungen sind auf gleiche Weise kühn und riskant, und ihr Ausgang ist so offen wie die Aussicht auf Reichtum groß. NewSpace hat bereits so viel Fahrt aufgenommen, dass es mehr ist als nur ein teures Milliardärs-Hobby. Vielmehr setzt die kommerzielle Raumfahrt eine kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung in Gang, die unser Leben verändern könnte. Das machen die zahlreichen neuen Anwendungsmöglichkeiten deutlich, die ich im weiteren Verlauf dieses Buches im Einzelnen schildern werde: preiswerte Raketen, Weltraumtourismus, globale-Echtzeit-Überwachung, Rohstoffausbeutung und sogar Fabriken im All.
Die jungen Wilden im All profitieren von einer Reihe technologischer Neuerungen. So hat die Digitalisierung erst für die Grundlagen gesorgt, mit der der Weltraum auf vergleichsweise einfache Weise erschlossen werden kann. Starts, Landungen, Flugbahnberechnung, Kommunikation, Standortbestimmung, robotische Missionen: alles undenkbar ohne digitale Technologie. Und mit preiswerter Hardware von der Stange lassen sich Satelliten und andere Raumfahrzeuge deutlich billiger bauen als in der Vergangenheit.
Natürlich hat diese Entwicklung nicht wenige Kritiker, denn die Raumfahrt, wie sie bisher strukturiert war, hat eine lange Vorgeschichte, die sich nicht in Milliarden, sondern über die Jahrzehnte hinweg in Billionen berechnet – finanziert zum großen Teil von der Öffentlichkeit. Raumfahrt-Skeptiker würden das Abenteuer am liebsten ganz einstampfen und das Geld für Probleme auf der Erde im All verwenden, anstatt abstrakte Gelüste von Akademikern und Milliardären zu befriedigen. Doch das ist zu kurz gesprungen. Denn die Raumfahrt steht für eine Zukunft, die bereits begonnen hat und alle Menschen auf der Erde betrifft.
Eine Anmerkung: Dieses Buch versucht, nur Raumfahrzeuge zu beschreiben, die es schon gibt oder die konkret in der Entwicklung sind, wie Blue Origins New Glenn oder die bemannte Dragon-Kapsel. Daneben gibt es eine Unzahl exotischer, aber durchaus einleuchtender Konzepte, die als Blaupausen in der Branche und den Medien kursieren. Es ist unglaublich verführerisch, sie als baldige Zukunft zu präsentieren, gemäß dem Motto: »Seht her, so werden wir bald leben und durch Zeit und Raum reisen!« Dann läuft man schnell Gefahr, Science-Fiction im Stile eines Sachbuchs zu schreiben, die jedoch mit der Realität der Gegenwart und der nahen Zukunft nicht viel gemein hat. Eine Ausnahme sei hier explizit erwähnt: Die Marspläne von Elon Musk sind aus einem einfachen Grund Teil dieses Buches. Bisher hat er einen Großteil seiner Ankündigungen wahrgemacht und daher wollen wir wissen, wie er sich eine Marsmission vorstellt.

TEIL 1 – EGOS IM WELTRAUM – DIE BATTLE DER MILLIARDÄRE

1 DIE SUPERREICHEN ALS TREIBSTOFF FÜR DIE RAUMFAHRT

»Ich möchte einfach an die Zukunft denken und dabei nicht traurig werden.«
Elon Musk auf die Frage, warum er die Raumfahrt und andere Zukunftstechnologien vorantreibt.

TOR FÜR ELON MUSK

Cape Canaveral, Florida, 22. Dezember 2015, 1:29 UTC. Eine Falcon 9 startet in den nächtlichen Himmel. Elon Musk verfolgt den Start von einem kleinen Kontrollraum aus, und der Zuschauer sieht, wie er besorgt jede Statusmeldung der Rakete aufsaugt.4 Seine Nervosität ist echt. Kein Wunder, noch ein paar Raketenabstürze und sein Traum von den Sternen hat sich erledigt. Er rennt ins Freie, um zu sehen, was passiert. Schließlich trennt sich die erste Raketenstufe und fällt zur Erde zurück, die Oberstufe zündet und fliegt weiter ins All. Im Kontrollraum bricht Jubel aus, die Raketenbauer liegen sich in den Armen. Musk starrt in den schwarzen Himmel und fängt an zu zweifeln, ob die erste Stufe heil zurückkehrt. »This is bad!«, ruft er, obwohl er kaum wissen kann, ob irgendwas schlecht läuft – die fallende Stufe ist nichts weiter als ein kleiner fallender Lichtpunkt am Himmel. Dann zündet das Triebwerk, die Landebeine schwenken aus, und der untere Teil der Rakete landet ohrenbetäubend laut auf der Erde. »It’s standing up!« Musk rennt jubelnd zurück in den Kontrollraum und klatscht seine Mitarbeiter ab. Ein kleiner Junge, der sich freut, dass er ein Tor geschossen hat. Und was für eins. Der Falcon-9-Flug-205 war kein normaler, denn das erste Mal in der Geschichte der Raumfahrt landete die erste Stufe einer Rakete nach dem Start wieder auf der Erde. Elon Musk hatte allen Grund, sich wie ein Kind zu freuen.
Selbst Milliardäre wie Musk, Galionsfigur der neuen Raumfahrt, verwandeln sich im Erfolg wie in der Niederlage schlagartig zu gewöhnlichen Menschen mit gewöhnlichen Gefühlen. Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zur herkömmlichen Raumfahrt mit den betont sachlichen Raumfahrt-Agenturen NASA und ESA sowie seriös gesichtslosen Riesenunternehmen wie AirbusI und Boeing, die die wahren Emotionen ihrer Erfolge und Misserfolge hinter einer undurchdringlichen Wand aus perfekter Public Relation verstecken.II Musk und eine Reihe weiterer sehr reicher Menschen sind daher der sichtbarste Teil einer Raumfahrt-Geschichte, wenn nicht sogar Menschheitsgeschichte, die gerade geschrieben wird. Sie rührt an den Emotionen der Zuschauer, weil hier echte Menschen agieren – und weil die Fallhöhe der Erfolgreichen und Superreichen besonders hoch ist. Und weil einige der Space Billionaires, wie sie in der englischsprachigen Welt genannt werden, öffentlichkeitswirksam fantastische Bilder über die Eroberung des Weltalls und sogar seine Besiedelung entwerfen.
Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit den Motiven und Zielen dieser Reichen. Wer sind diese Menschen, die wie absolute Monarchen der Neuzeit in ihren Unternehmensreichen herrschen? Ist es realistisch, dass wir ein Raumschiff von Elon Musk auf dem Mars landen sehen? Wird es normal sein, dass wir uns schon bald einen Kurztrip für das Touristen-Raumschiff von Richard Branson kaufen wie einen Hubschrauberrundflug übers Matterhorn? Sind Musk und Branson nur die bunten Attraktionen im Kosmos der Raumfahrt oder erschaffen sie nachhaltig eine neue Raumfahrt-Wirtschaft?
Fest steht, sie treiben die traditionelle Raumfahrt, wenn es denn so etwas gibt, vor sich her. Die stärksten Impulse in der Raumfahrt kommen derzeit nicht von den üblichen Verdächtigen, prominenten Astronauten und mächtigen Raumfahrt-Managern von NASA und ESA. Sondern von privaten Unternehmen, die ihr Geld außerhalb der Raumfahrt gemacht haben. Nicht weniger als 25 Dollar-Milliardäre investieren derzeit in mehr oder weniger starkem Maß in die Raumfahrt.6 Es ist kein Zufall, wenn hier von Dollar-Milliardären die Rede ist. Im weiteren Verlauf des Buches sind zahlreiche Preisschilder in Dollar angegeben, wenn es darum geht, die Kosten von Raketen und Starts zu bemessen.I Das hat einen simplen Grund: Die kommerzielle Raumfahrt findet im Wesentlichen in den USA statt. Es geht dabei nicht darum, die europäische, russische und asiatische Raumfahrt zu ignorieren oder kleiner zu machen, als sie ist. Doch Amerika ist nach wie vor mit Abstand die führende Raumfahrt-Nation der Welt – ungeachtet der Tatsache, dass die USA jahrelang nicht in der Lage waren, die eigenen Astronauten ins All zu befördern. Das Gleiche gilt für die Terminologie. Im Business spricht man nicht etwa von Starts, sondern von Launches.
So sind auch die drei bekanntesten Raumfahrt-Milliardäre in den Vereinigten Staaten aktiv: SpaceX-und Tesla-Chef Elon Musk, Amazon-Gründer Jeff Bezos und Richard Branson, Besitzer unzähliger Virgin-Unternehmen. Dazu kommt aber noch eine weitere Reihe von Männern, die bereits im Digitalgeschäft Superstars sind. Darunter sind Microsoft-Mitbegründer Paul Allen, Internet-Investmentguru Juri Milner, Facebook-Gründer Marc Zuckerberg, PayPal-Mitgründer Peter Thiel und die Google-Alphas Sergey Brin und Larry Page. Was sie in der Regel auszeichnet: Sie sind nicht nur erfolgreiche Unternehmer, sondern auch Nerds. Es sind Menschen, die ihre Produkte kennen, weil sie sie selbst entwickelt haben.
Dazu kommen Magnaten, die wir in Deutschland nicht kennen, in ihren Heimatländern jedoch Superstars sind. Einige Beispiele: Der 51-jährige Chinese Ma Huateng ist laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes sagenhafte 49 Milliarden Dollar schwer (Stand Anfang 2018; ein Jahr zuvor waren es noch 16). Die Herkunft seines Reichtums: eine Palette breit gestreuter Internet-Unternehmungen. Ein Teil seines Geldes hat der Informatiker und bekennende Raumfahrt-Fan gleich in mehrere Space-Start-ups investiert, darunter in Moon Express7, ein Unternehmen aus dem Silicon Valley, das nicht nur einen Rover auf dem Mond landen und einen lunaren Speditionsdienst anbieten, sondern dort später einmal Rohstoffe abbauen will. Der Mexikaner Ricardo Salinas ist mit gut neun Milliarden Dollar in der Top Five seines Landes8 und macht sein Geld unter anderem mit Telekommunikation. Da er nicht alle Mexikaner per Kabel oder Sendemast erreichen kann9, hat sein Unternehmen Grupo Salinas in OneWeb investiert. Dieser Satelliten-Betreiber möchte per Satelliten-Schwarm Internet in die entlegensten Weltgegenden bringen. Der Amerikaner Sheldon Adelson, ein mehr als 30 Milliarden Dollar schwerer Casino-und Hotel-Magnat aus Las Vegas, hat 16 Millionen Dollar in SpaceIL investiert, eine Non-Profit-Organisation aus Tel Aviv, die den ersten israelischen Roboter auf dem Mond landen möchte, das neue Ziel im All – mithilfe einer Falcon 9 von SpaceX.10 Der Amerikaner Robert Bigelow, Besitzer der Hotelkette Budget Suites of America, hat es zwar nie auf die Forbes-Liste der 400 Reichsten geschafft. Wir dürfen ihn aber mit einem Vermögen von geschätzten 700 Millionen Dollar ohne schlechtes Gewissen zum Club der Superreichen zählen. Der Exzentriker aus Las Vegas hat angekündigt, etwa 500 Millionen Dollar – also einen Großteil seines Vermögens – in eine aufblasbare Raumstation zu investieren. Eine kleine Testversion hängt bereits an der Internationalen Raumstation ISS.
Und so geht es fort.
Raketenstarts: Entscheidend ist der Kilopreis
Wie für die Trauminsel Bali gilt auch für den Weltraum: Wäre die Reise dorthin billiger, würden wir öfter mal vorbeischauen. Da Jeff Bezos und Elon Musk vorhaben, den Transport drastisch zu verbilligen, wollen wir schauen, was dahintersteckt.
Das wirtschaftliche Qualitätsmerkmal einer Rakete ist nicht ihre Ladekapazität oder ihr Startpreis, sondern wie viel Geld es durchschnittlich kostet, ein Kilogramm Ladung in den Weltraum zu heben. Nehmen wir ein bekanntes Beispiel: das Spaceshuttle. Da das Programm bereits beendet ist, kennen wir seine Gesamtkosten recht genau. Berücksichtigen wir die Inflation, hat die NASA insgesamt über 200 Milliarden heutige Dollar dafür ausgegeben.11 Ergibt bei 135 Launches einen Durchschnitt von knapp 1,5 Milliarden Dollar pro Mission! Teilt man diesen Betrag durch die 22.500 Kilogramm Nutzlast, die es in den niederen Orbit transportieren konnte, erhält man einen theoretischen Kilopreis von etwa 60.000 Dollar. Tatsächlich hat das Shuttle aber nur insgesamt 1.593.759 Kilogramm in den Orbit gebracht (der Orbiter selbst zählt hier nicht). Macht im Endeffekt also 125.000 Dollar pro Kilogramm. Fairerweise muss man sagen, dass das Shuttle zugleich Astronauten in den Weltraum und auf die ISS gebracht hat. Ein bemanntes, wiederverwertbares System ist viel teurer als eine unbemannte Rakete, die nicht auf die Erde zurückkehrt. Trotzdem, diese astronomische Summe war für die amerikanische Regierung der Grund, kommerzielle Startanbieter zu fördern.
Daher ist nun der Startpreis entscheidend – der Betrag, zu dem ein Anbieter einen Start verkauft. Für eine Falcon 9 ohne Extras berechnet Elon Musk 62 Millionen Dollar. Bei einer Transport-Kapazität von 22.800 Kilogramm in den erdnahen Orbit kostet ein Kilogramm im Schnitt also etwa 2.720 Dollar. Der Kilopreis der zwei großen US-Raketen Atlas V und Delta IV hingegen beträgt im kommerziellen Basispaket mindestens 9.500 beziehungsweise 14.000 Dollar (siehe Abbildung 1 »Kommerzielle Träger nach Ländern«, S. 20). Auch die erfolgreiche Ariane 5 kommt auf mehr als 8.000 Dollar. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Warteliste von SpaceX so lang ist. Dazu sei gesagt: Die Zusammenhänge von Entwicklungs-, Bau-und Startkosten sind je nach Unternehmen sehr undurchsichtig. Das macht den direkten Kostenvergleich unterschiedlicher Raketen äußerst schwierig.
bodymatter
Abbildung 1: Die Nutzlast-Kapazitäten und Startpreise gegenwärtiger kommerzieller Raketen. Kaum verwunderlich: Die preiswertesten werden regelmäßig, die teuersten selten bis gar nicht gebucht. (Quelle: GAO)

DIE NORMALISIERUNG DER TRÄUME

Die Milliardäre sind ein Glücksfall für die Raumfahrt. Sie sorgen mit ihren Raketen nicht nur für einen billigeren Zugang zum All, sondern bringen weltweit Bewegung in die private Raumfahrt. Sie sind zwar nicht allein dafür verantwortlich, dass die kommerzielle Raumfahrt einen Boom erlebt – das resultiert zugleich aus der Digitalisierung, die sich in einer Raumfahrt 2.0, einer neuen NewSpace-Welle äußert. Dennoch, ihre Milliardeninvestitionen befeuern zweifellos einen Wettbewerb unter den privaten Raumfahrt-Unternehmen, der Raumfahrt schneller, preiswerter und vielseitiger macht. Daher lässt sich ohne Zweifel von einem Wettrennen ins All sprechen, von einem Goldrausch. Denn wer in der Lage ist, zu günstigen Preisen Nutzlast ins All zu schießen, dem winkt das große Geld. Elon Musks Rakete Falcon 9 und die Rakete Antares des Unternehmens Orbital ATK haben es schon bewiesen, denn sie versorgen die Internationale Raumstation.
Das ist erst der Anfang, es stehen schon eine ganze Reihe anderer Unternehmer in den Startlöchern. »Es ist wirklich cool, so viele energische und erfolgreiche Leute zu haben, die die Industrie vorantreiben«, meint Andrew Rush, CEO von Made In Space, einem Unternehmen, das 3-D-Drucker für den Weltraum entwickelt.12 »Sie sind in gewisser Weise auch Vorbild für uns, weil sie Leidenschaft besitzen und Vision.« Nicht nur das. Die Nerd-Milliardäre verschaffen der Raumfahrt wieder Gehör und verleihen ihren Fürsprechern – vor allem denen mit etwas weitgefassteren Zielen – wieder eine gewisse Glaubwürdigkeit. Nach 50 Jahren Raumfahrt, die nur selten über den erdnahen Orbit hinausging, haben wir uns daran gewöhnt, die Gedankenspiele aus den 60er-Jahren als Fantastereien abzutun. »Der Einfluss dieser Leute auf das (Raumfahrt-)Milieu ist erstaunlich!«, sagt Peter Stibrany, Chief Business Developer bei Deep Space Industries, einem Unternehmen im Silicon Valley mit besonders ambitionierten Plänen: Der Gewinnung von Wasser von Asteroiden. »Vor zehn Jahren durfte man nirgendwo erzählen, dass der Mensch eines Tages zum Mars reist oder im All leben wird. Man wäre ausgelacht und nie wieder eingeladen worden. Heute ist das anders. Ich kann mich an eine Präsentation von Elon Musk erinnern, in der er erzählte: ›Unser Plan ist es, dass irgendwann Tausende Menschen auf dem Mars leben‹ – und niemand lachte! Da dachte ich, okay, das ist der Wendpunkt! Die Tatsache, dass diese Leute Milliarden in die Raumfahrt investieren, bedeutet, dass diese Ziele für die Leute quasi ›normalisiert‹ werden.«13
Ihr Geld macht diese Menschen eigenständig, selbstbewusst und zu einem bestimmten Grad unabhängig. Leute wie Jeff Bezos, dem mehr Geld zur Verfügung steht als manchen Staaten, können selbst entscheiden, wie riskant es ist, einen ambitionierten Plan umzusetzen. CEOs großer Unternehmen mit allzu visionären Vorstellungen, die obendrein die Gewinne schrumpfen lassen, überleben selten die nächste Aufsichtsratssitzung, und ihre Pläne schon gar nicht.
Mit ihren überdurchschnittlichen Fähigkeiten und ihrer Begeisterungsfähigkeit sind sie in der Lage, ihr Ziel im Auge zu behalten und ihre Mitarbeiter auf eine durchaus ungewisse Reise mitzunehmen. Dank dieser Menschen ist die gegenwärtige Raumfahrt nicht nur mehr ein Zukunftsprojekt der Menschheit, sondern auch eine große Space-Show. Diese absoluten Fürsten der Neuzeit kennen die Wirkung ihres Erfolgs und die Strahlkraft ihres sagenhaften Reichtums auf die Öffentlichkeit genau und versuchen sie für ihre Ziele im All zu nutzen – sei es um Weltraumtickets zu verkaufen oder immense öffentliche Förderung zu rechtfertigen.
Nicht alle dieser Leute haben eigene Raumfahrt-Unternehmen gegründet, sondern stattdessen in bestehende investiert; die einen ein paar Millionen Dollar, andere ein paar Hundert Millionen Dollar. Obwohl auch diese enormen Investitionssummen als treibende Kraft für die Raumfahrt nicht zu unterschätzen sind, wollen wir uns auf diejenigen konzentrieren, die ein klares Ziel vor Augen haben und dafür ihre eigenen Unternehmen gegründet haben. Elon Musk, Jeff Bezos, Paul Allen, Richard Branson und Robert Bigelow. Es gibt zwar noch weitere äußerst wohlhabende Menschen mit faszinierenden Ideen, etwa der Internet-Investor Juri Milner, der 100 Millionen Dollar für die Suche nach außerirdischem Leben und der Erkundung des interstellaren Raums ausgeben möchte. Aber sie sind für die Entwicklung der Raumfahrt nicht im gleichen Maße von Bedeutung wie diese Big Five.
Wenn wir von einem Goldrausch im All oder einem neuen Wettlauf ins All sprechen, dann sind damit zahlreiche Aspekte der Raumfahrt gemeint: Der private Raumtransport, also Raketen und Raumgleiter; Bergbau auf Asteroiden und anderen Himmelskörpern; Business-Modelle mithilfe von erdbeobachtenden Satelliten-Schwärmen und nicht zuletzt das Rennen zum Mars. All diese Ziele sind zwar irgendwie verbunden und bedingen sich gegenseitig, aber ihre Protagonisten konkurrieren nicht notwendigerweise direkt miteinander, sondern versuchen zunächst auf ihrem Gebiet eine Vormachtstellung zu erlangen. Berührungspunkte ergeben sich womöglich erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Gewinner der Teilebenen beginnen, nach größeren Zielen zu greifen. Das haben wir in jüngster Zeit bereits im Falle der digitalen Superunternehmen erlebt. Zu Beginn war die Rollenverteilung ganz eindeutig. Bei eBay konnte man gebrauchtes Allerlei ersteigern, bei Amazon Bücher bestellen, mit Google gezielt ziellos das Web durchstöbern und bei Facebook schauen, was die Freunde am Vorabend angestellt haben. Heute sind all diese Unternehmen Konkurrenten auf demselben Markt der Daten-Aggregatoren. Ihr wichtigstes Produkt ist der Mensch selbst. Seine Vorlieben, sein Verhalten und sein Portemonnaie. So ähnlich könnte es auch laufen, wenn sich erst einmal eine größere und sich selbst erhaltende Raumfahrt-Wirtschaft etabliert hat.
Bis dahin beschränkt sich der Wettlauf ins All auf kleinere Duelle. Bezos und Musk bauen Großraketen und buhlen um schwere Nutzlasten. Paul Allen und Richard Branson bauen Flugzeuge, um davon kleine bis mittelgroße Raketen zu starten. Robert Bigelow baut – bisher ganz ohne Milliardärs-Konkurrenz – aufblasbare Raumstationen. Und die Paarung Branson und Bezos wetteifert, die ersten Touristen ins All zu fliegen.
Obwohl die Wege ganz unterschiedlich sind, ist das Ziel dasselbe: der Weltraum und mittendrin der Mensch. Auf die eine oder andere Art bauen diese Männer eine Infrastruktur im Weltraum auf, sodass der Mensch sich eines Tages einfacher als bisher darin bewegen kann. Mit anderen Worten: Sie bereiten dem Menschen einen Weg in den Weltraum und zu anderen Himmelskörpern, damit sie dort eines Tages leben und arbeiten.
Das ist keine Unterstellung, sondern ein Plan, den beispielsweise Jeff Bezos bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausführlich skizziert. »Wenn man sich die Dynamik in der Raumfahrt anschaut, dann ist nicht viel passiert in den vergangenen 50 Jahren. Weltweit gibt es jährlich etwa 40 Raketenstarts, das ist weniger als in der Vergangenheit. Der Peak lag in den 70ern. Wenn ich das mit dem Internet vergleiche, meinem Tagesgeschäft, dann sehe ich da sehr viel Dynamik, es gibt Tausende Unternehmer«, erklärte Bezos beispielsweise den Zuhörern der Code-Konferenz im kalifornischen Rancho Palos Verdes. Zu dieser Konferenz kommen in der Regel die Upper Ten der globalen Technologie-Elite (regulärer Eintrittspreis 6.500 Dollar, Premium 9.000 Dollar. Das darf aber nur bezahlen, wer eingeladen wird), Vortragsredner sind durchweg die CEOs und CTOs der globalen Silicon-Valley-Riesen. Allerdings ist die von Bezos genannte Zahl nicht ganz korrekt. In den vergangenen 25 Jahren lag die Zahl der Starts weltweit zwischen 60 und 90, mit einer Delle zwischen 2001 und 2005, in die zudem das Columbia-Unglück fiel (siehe Abbildung 2 »Zahl der weltweiten orbitalen Raketenstarts«, S. 24). Das sind etwa doppelt so viele, wie Bezos nennt. Tatsächlich starteten früher mehr Raketen in den Raum als heute. Allerdings lag der Peak nicht in der 70ern, sondern in den 60er-Jahren. Zwei Jahre vor der Mondlandung, 1967, starteten 141 Raketen, darunter eine bemannte Mission. 128 davon erreichten den Orbit, die restlichen waren auf die eine oder andere Art Fehlschläge. Seit 2005 ist ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen, Bezos hat aber sicher recht damit, wenn er behauptet, dass zumindest an der Zahl der Raketenstarts kein Boom zu erkennen ist.
bodymatter
Abbildung 2: Am häufigsten sind Raketen bisher in den 1960er-Jahren in den Orbit gestartet. Seiher sank die Zahl der Launches beständig und fand in den Jahren nach der Jahrtausendwende einen Tiefststand. Dass die Zahl der Launches seitdem wieder leicht ansteigt, liegt nicht notwendigerweise an der Falcon 9 von Elon Musk. SpaceX hat unter anderem einen Teil der Aufgaben des Spaceshuttles übernommen, und außerdem der notleidenden russischen Raumfahrt-Industrie kommerzielle Aufträge abgenommen. Quelle: www.spacelaunchreport.com
Die Besucher eines solchen Treffens wissen genau, wovon Bezos spricht. »Als ich Amazon gegründet habe, gab es mich und noch ein paar andere. Ich habe selbst Pakete ausgefahren und gehofft, mir eines Tages einen Gabelstapler leisten zu können. 20 Jahre später bedienen wir fast 300 Millionen Kunden und haben mehr als 100 Milliarden Dollar Umsatz. Wir sind Teil von etwas Riesigem, das vor einigen Dekaden noch nicht einmal existierte. Das ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was in der Raumfahrt passiert.« Zur Erinnerung: Amazon ist seit 1994 online, Google seit 1997, Facebook seit 2004 und WhatsApp seit 2009. Obwohl fast jeder mit einem Smartphone oder einem anderen Rechner täglich auf die eine oder andere Art mit diesen Unternehmen konfrontiert ist, können nur die jüngsten unter den Lesern sich eine Welt ohne soziale Netzwerke nicht vorstellen. Es gibt sie ja erst seit etwa 15 Jahren. Raketen fliegen hingegen schon seit mehr als 70 Jahren in den RaumI, ohne dass es zu einem exponentiellen technologischen Quantensprung gekommen und bewusst in unser Leben eingedrungen wäre.
bodymatter
Abbildung 3: Starts von Raketen mit privatwirtschaftlichem Charakter, die also nicht von einer Regierung oder einer Behörde bezahlt worden sind. Quelle: Heise / FAA
Jeff Bezos hat dafür eine simple Erklärung. »Wenn ich mir die Anfangszeiten von Amazon anschaue, da gab es schon all diese Infrastrukturen. Wir mussten nicht erst ein Bezahlsystem wie die Kreditkarte entwickeln. Die war schon viel früher entwickelt worden. Es gab schon viele Leute, die bereits eine Kreditkarte besaßen. Wir mussten auch kein Transportsystem der letzten Meile entwickeln, denn die Post und UPS waren ja nicht für den E-Commerce entwickelt worden. Wenn wir eine solche Logistik vor 20 Jahren erst hätten entwickeln müssen, hätte uns das Hunderte Milliarden Dollar gekostet. Das wäre für ein Unternehmen wie Amazon unmöglich gewesen. Das Gleiche gilt für Computer. Es stand schon einer auf jedem Tisch. Und warum wuchs das Internet so schnell? Weil die ganze Infrastruktur bereits da war, ebenfalls ursprünglich für einen anderen Zweck: nämlich für transkontinentale Telefongespräche. Was die Raumfahrt betrifft, sehe ich es als meine Aufgabe, eine Infrastruktur aufzubauen. Ich nutze meine Ressourcen, um eine Struktur zu schaffen, schwere Lasten ins All zu transportieren. Sodass zukünftige Generationen von Unternehmern ein Sonnensystem vorfinden, das dynamisch und interessant ist, so, wie wir das Internet heute vor uns sehen. Und um das zu erreichen, müssen wir den Zugang zum Weltraum drastisch verbilligen.«14

WAS TREIBT DIE MILLIARDÄRE IN DEN WELTRAUM?

Für diese supererfolgreichen Menschen ist der neue Wettlauf ins All the next big thing. Die wirtschaftlichen Vordenker unserer Zeit möchten auf keinen Fall den Zeitpunkt verpassen, wenn die Reviere der Zukunft abgesteckt werden. Sie begreifen sich als Menschen, die in der Lage sind, mit ihrem persönlichen Einsatz und ihrem Geld den Lauf der Welt zu verändern. Was aber ist das persönliche Motiv dieser Menschen? Der Wunsch nach Unsterblichkeit? Oder die Aussicht, der erste Billionär der Geschichte zu sein, also die schnöde Gier nach noch mehr Geld?
Für diese Menschen ist Reichtum zumindest kein Grund, die Füße hochzulegen. Wäre das von Anfang an ihr Antrieb gewesen, wären sie vermutlich kaum so weit gekommen. Das heißt nicht, dass sie ihren Wohlstand nicht genießen würden. Elon Musk kaufte sich einen sündhaft teuren F1-McLaren-Sportwagen, sobald er es sich leisten konnte. Und zerlegte ihn prompt kurze Zeit später ausgerechnet in der Sand Hill Road, der Straße im Silicon Valley, in der viele Risikokapital-Unternehmen ihren Sitz haben. 15 Sein sarkastischer Kommentar unmittelbar nach dem Crash: »Das Lustige daran ist, dass er nicht mal versichert ist.«I Paul Allen besitzt wie viele Superreiche eine Superyacht, 126 Meter lang, und Richard Branson steuert sein Firmenimperium von einer Hängematte auf Necker Island, seiner Privatinsel in der Karibik. Jedenfalls sagt er das.
Welchen Sinn hat das Leben also sonst, wenn ein Mensch Dutzende Milliarden Dollar angehäuft hat und alles erreicht hat, was jemand mit Ehrgeiz erreichen kann? Jeff Bezos hat die Frage schon ganz klar beantwortet. Auch Elon Musk sieht seinen Reichtum als Mittel zum Zweck, der Menschheit im All neuen Lebensraum zu erschließen.
»Ich möchte sagen, dass der Hauptgrund für mich, Vermögen anzuhäufen, der ist, das (eine Marsreise) zu finanzieren«, erklärte sich Musk bei einer Konferenz in Mexiko verschwurbelt, aber verblüffend direkt zu seinem sagenhaften Wohlstand. »Ich habe wirklich keine andere Motivation, persönliches Vermögen anzuhäufen, außer damit in der Lage zu sein, so viel wie möglich dazu beizutragen, Leben auf verschiedenen Planeten zu ermöglichen.«16 Wie gesagt, Musk ist nicht unempfänglich für die angenehmen Seiten eines luxuriösen Lebens. Doch investiert SpaceX schon beträchtliche Summen in die Entwicklung von Ausrüstung für eine Marsmission. Und das ohne ein konkretes Geschäftsmodell, mit dem er eine solche Mission direkt refinanzieren könnte. Hätte er nur die Steigerung seines Unternehmenswerts im Kopf, würde er diese kapitalvernichtende Strategie sicher vermeiden.
Aus Angst, nicht mehr frei zu entscheiden und die Ausrichtung seines Unternehmens (zum Mars) bestimmen zu können, hat sich Musk zudem bisher geweigert, mit SpaceX an die Börse zu gehen. Das hätte zwar den Vorteil, dass er vermutlich mit einem Schlag über ungeheure Mittel verfügen würde, doch es ist zweifelhaft, ob seine Aktionäre das überhaupt zulassen würden. Schließlich sehen Aktionäre ihren Einsatz an der Börse gewöhnlich als Investition, um damit Geld zu verdienen. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass eine Mehrheit sich mit den lukrativen Raketenstarts zufriedengibt und alle weiteren Ambitionen blockieren würde. Stattdessen »gewährt« er lediglich ausgewählten Investoren eine Runde. Darunter sind 20 Millionen Dollar vom Founders Fund von Peter Thiel, ausgerechnet zwei Tage vor dem dritten Fehlstart der Falcon 1 am 3. August 2008. Der größte Investor war bisher 2016 Google mit einer Milliarde Dollar.17 Beim digitalen Hightech-Unternehmen schlechthin scheint er sich sicher zu sein, dass es seine langfristigen und zweifellos teuren Pläne unterstützt. Wie viel Musk von SpaceX noch selbst besitzt, sagt er nicht. Ende 2015 waren es laut der US-Bundesbehörde für Kommunikationsregulierung FCC zumindest noch 54 Prozent, wobei er allerdings 78 Prozent der Stimmrechte vertrat.18
Jeff Bezos hat einen anderen Weg gewählt, um seinen Traum zu verwirklichen, der aber nicht viel weniger ambitioniert ist. »Ich möchte Weltraumhotels bauen, Vergnügungsparks und Kolonien für zwei bis drei Millionen Menschen im Orbit. Die Idee ist, die Erde zu bewahren. Am Ende sollte man die Menschen umsiedeln können und aus dem Planeten einen Park machen.« Das hat ernsthaft der Gründer von Amazon gesagt. Wir müssen ihm zugutehalten, dass er gerade einmal 18 Jahre alt war, als er seine Visionen während eines Interviews mit der Tageszeitung Miami Herald zum Besten gab. Die Ironie der Geschichte ist natürlich, dass niemand wissen konnte, dass der vermeintlich so naive Teenager eines Tages Amazon und mit seinen Milliarden schließlich ein Raumfahrt-Unternehmen, Blue Origin, gründen würde. Seine Ziele von damals formuliert er heute nicht viel anders, er baut in seine Vorhaben lediglich die betriebswirtschaftliche Einschränkung ein, man müsse Starts deutlich billiger machen. »Wollen wir zum Mars?«, stellte er Reportern Ende 2015 eine rhetorische Frage und gab sogleich die Antwort. »Auf jeden Fall, aber wir wollen überallhin!«19 Und dann fügt er seiner Aussage aus den 1980ern hinzu: »Die Vision für Blue Origin ist ganz einfach. Ich möchte, dass Millionen Menschen im All leben und arbeiten. Bis dahin wird viel Zeit vergehen, es ist jedenfalls ein lohnendes Ziel.« Sein Motiv mag nicht eindeutig sein, klar ist jedoch, dass er es ernst meint. Bezos selbst gibt an, jedes Jahr Amazon-Aktien für eine Milliarde Dollar zu verkaufen, um seine Raumfahrt-Aktivitäten zu finanzieren.20
Der Dritte im Pop-Triumvirat der Raumfahrt-Milliardäre, Richard Branson, gibt sich zumindest in dieser Hinsicht weniger altruistisch. Seine Weltraumaktivitäten haben einen deutlich kommerzielleren Charakter. Sein Vorzeigeprojekt, das SpaceShipTwo soll eines Tages Touristen ins All befördern, und zwar gegen viel Geld. Sein Motiv ist der unternehmerische Thrill, und das sagt er auch: »Seit meinem ersten unternehmerischen Versuch mit 16 Jahren, einer Schülerzeitung, bis heute mit etwas hochfliegenderen Unternehmen wie Virgin Galactic (...), hatte ich immer eine vorrangige Philosophie: Wenn ein Projekt oder ein Geschäftsmodell nicht meine unternehmerischen Säfte anregt, wenn es nicht etwas ist, bei dem ich denke, das ist was Neues und ich habe dabei Spaß!, dann lasse ich es lieber sein und suche mir was, das mich begeistert.«21
Diese Motive erklären vielleicht, warum sich diese Männer für die Raumfahrt interessieren, nicht aber, warum sie sich am Ende auf dieses Abenteuer einlassen. Gewöhnliche Menschen haben ja auch Träume und brechen nicht gleich zu unbekannten Ufern auf – vor allem wenn sie materiell bereits ausgesorgt haben. Warum also machen Musk, Bezos und Branson das?
»Wir haben hier Milliardäre, die alles erreicht haben, was es zu erreichen gibt, und immer noch den Drang haben, etwas Monumentales zu erzeugen«, meint Peter Platzer, CEO von Spire, einem jungen Satelliten-Betreiber aus San Francisco mit gutem Blick auf das nahegelegene Silicon Valley. »Weltraum ist etwas, was die Menschen fasziniert. Das ist genauso wie im 14. und 15. Jahrhundert, als die Spanier Christoph Columbus finanziert haben, um die Neue Welt zu finden. Die Menschen sind de facto Explorer. Die wollen immer das Unerforschte erkunden. Und der Weltraum ist eben der größte und unerforschte Bereich. Da sind zum ersten Mal privat Leute mit quasi unbeschränkten Mitteln, die sagen, wir wollen Raumfahrt machen.«22
________________
IGenauer: Airbus Defence and Space, der Unternehmensteil von Airbus, der für die Raumfahrt zuständig ist. Früher EADS.
IIOder kennt der Leser noch Felix Kracht? Der war in der 70ern einer der Gründungsväter und erster Produktionsdirektor von Airbus. Bekannter ist vermutlich Airbus’ erster Aufsichtsratschef. Diesen Posten hatte bis zum seinem Tod 1988 der bayerische Ministerpräsident, CSU-Übervater und Luftfahrt-Fan Franz Joseph Strauß inne.
IDie genannten Summen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Jahr 2017. Wer die Beträge in Euro umrechnen möchte, berücksichtige einen Kurs von etwa einem Dollar zu 0,85 Euro.
IDie deutsche Rakete Aggregat 4 (A4) alias V2 war die erste Rakete, die den Weltraum erreichte. Sie erreichte 1944 bei einem Testflug 189 Kilometer Höhe, bevor sie zur Erde zurückfiel. Unglücklicherweise war ihr Verwendungszweck ein kriegerischer. Hitler ließe sie im Bombenkrieg zynischerweise als »Vergeltungswaffe« mit Sprengkopf auf bewohnte Orte niedergehen.
IVor einigen Jahren legte sich Musk ein neues Spielzeug zu: den Lotus Esprit, mit dem James Bond in Der Spion, der mich liebte