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THE MOST BEAUTIFUL GIRL

MEIN LEBEN MIT PRINCE

MAYTE GARCIA

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

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1. Auflage 2018

© 2018 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe: © 2017 by Mayte Garcia
Die englische Originalausgabe erschien 2017 bei Hachette Books unter dem Titel The Most Beautiful.

This edition is published by arrangement with Hachette Books, New York, New York, USA. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Birgit Walter

Redaktion: Silke Panten

Umschlaggestaltung: Laura Osswald, angelehnt an das Original

Umschlagabbildung: © Randee St. Nicholas

Satz: ZeroSoft, Timisoara

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-86882-897-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-153-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-154-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

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Für Gia, meinen Engel

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Nachwort

Die Autorin über ihre Organisation Mayte’s Rescue

Dank

Bildnachweis

Was wir nun zu sehen bekommen werden,
präsentiert sich uns erst,
wenn wir leise das Reich der Genialität betreten
.

– FRANKENSTEIN JUNIOR

Vorwort

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Chanhassen, Minnesota, April 2016

Der Zaun, der das Anwesen Paisley Park umgibt, ist mit purpurnen Bändern und Rosen, Andenken, Abschiedsbriefen und Friedensgebeten geschmückt. Die Äste der hohen Pappeln und Ulmen sind noch winterkahl, die ausgedehnten Rasenflächen bräunlich gefärbt. Bis vor Kurzem lag Schnee, doch unter der kalten Oberfläche macht sich die Natur bereit, erneut zum Leben zu erwachen. Obwohl der Himmel wolkenverhangen ist, setze ich meine Sonnenbrille nicht ab – mein Gesicht sieht furchtbar aus, nachdem ich eine Woche lang geweint habe.

There is a woman who sits all alone by the pier

Her husband was naughty and caused his wife so many tears

Mir erscheint es bemerkenswert, dass Prince diese kleine traurige, abseits sitzende Figur in den Text des Songs »Paisley Park« integrierte, der eigentlich von fröhlichen Menschen und glücklichen Kindern handelt. In grüblerischen Momenten frage ich mich, ob er mich damit meinte. Ich höre den hellen, metallischen Klang der Fingerzimbeln. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ich stelle mir vor, wie Prince in einer dieser äußerst kreativen Stunden kurz vor Tagesanbruch an seinem Flügel sitzt. Einen kurzen Moment lang sieht er mich im Geiste vor sich. Er mustert mich, schreibt die beiden Zeilen auf seinem Notizblock nieder und erkennt damit in gewissem Maße einen Moment der Wahrheit aus vergangenen Zeiten an.

He died without knowing forgiveness and now she is sad, so sad

Maybe she’ll come 2 the Park and forgive him and life won’t be so bad …

Ein vertrauter Hauch Mittleren Westens liegt in der Luft. Der Frühling in Paisley Park riecht nach Nebel, nassen Tannen und entferntem Stadtverkehr. Ich atme bedächtig ein und aus. Meine vierjährige Tochter Gia zupft an meinem Mantelärmel.

»Mama, gehen wir?«, fragt sie zum tausendsten Mal.

»Ein paar Minuten noch.«

Ich habe mir alle Mühe gegeben, ihr zu erklären, warum so viele Menschen so viele Blumen niedergelegt haben. Ich habe ihr gesagt, dass der Mann, der Prince hieß, gestorben ist.

»Prince ist jetzt im Himmel?«, hakt Gia nach.

»Ja. Er ist im Himmel.«

»Bei Boogie?«, erinnert sich Gia an die Erklärung, die ich ihr nach dem Tod unseres geliebten Golden Retrievers gab.

»Ja. Er ist bei Boogie im Himmel.«

»Mama, können wir eine Leiter holen? Wir könnten hinaufklettern und ihn abholen.«

Typisch Gia. Sie steckt voller liebenswerter Überraschungen.

Gia weiß, dass ich de facto ihre Mama bin. Eines Tages werde ich ihr erklären, wie ihre leibliche Mutter und ich dem Schicksal auf die Sprünge geholfen haben. Ich werde ihr von ihrem Bruder Amiir erzählen, der im Himmel auf seinen Papa wartet. Ich werde ihr die Lieder vorspielen, die mein Mann für unseren Sohn gesungen hat.

tears go here

tears go here

Ich streichle ihre Wangen, die wegen des Frühlingswetters in Minnesota gerötet und ein wenig trocken sind. Ostern ist kaum vorbei und doch gab es 2016 bereits viele Todesfälle von berühmten Persönlichkeiten zu beklagen, vor allem in der Musikindustrie. Natalie Cole starb in der Silvesternacht. Zehn Tage später verschied David Bowie. Ihm folgten Glenn Frey von den Eagles, Maurice White von Earth, Wind & Fire und Vanity, deren Karriere Prince gefördert hatte. Kurze Zeit später verstarben Harper Lee, Autorin des Romans Wer die Nachtigall stört, Nancy Reagan und Patty Duke. Der Tod von Chyna erschütterte mich bis ins Mark – diese starke, beeindruckende Frau ist nur 46 Jahre alt geworden.

Der 21. April 2016 begann wie jeder andere Donnerstag. Ich brachte Gia zu meinem Vater und reihte mich in den dichten Verkehr von Los Angeles ein, um zum östlich der Stadt im San Gabriel Valley gelegenen Tierheim im Baldwin Park zu fahren. Ich wollte an einem Kurs teilnehmen, in dem das Frisieren von Hunden gelehrt wurde. Der Kursleiter war der Ansicht, dass das Arbeiten mit im Tierheim untergebrachten Hunden für die Teilnehmer weniger Erfolgsdruck bedeutete. Aufgrund meines großen Verantwortungsgefühls für schutzbedürftige Tiere sah ich das anders: Mir war daran gelegen, dass die kleinen Kerle absolut hinreißend aussahen, wenn Besucher die auf neue Besitzer wartenden Bewohner des Tierheims inspizierten. Bei diesen Tieren entscheidet der erste Eindruck oft maßgeblich über ihr Überleben: Vielen Menschen fällt es schwer, in ihnen ein neues Familienmitglied zu erkennen, wenn sie nicht picobello aussehen. Ich war fest entschlossen, meine Aufgabe nicht zu vermasseln.

Ich hatte den Kursleiter gebeten, meinen Kater mitbringen zu dürfen, da ich mir zeigen lassen wollte, wie ich mein Haustier richtig frisiere.

Der Kursleiter hatte zugestimmt. Während der Fahrt auf der Autobahn zeigte mein Kater Willy jedoch durch Schreien und Knurren an, dass er mit diesem Vorhaben ganz und gar nicht einverstanden war. Da der Benachrichtigungston meines Handys in Willys lautstarkem Protest unterging, hätte ich Manuelas SMS beinahe nicht bemerkt. Von der eigentümlichen Verbindung, die zwischen Manuela und mir besteht, werde ich später erzählen. Für den Moment sei nur gesagt, dass Manuela Testolini, die zweite Exfrau von Prince, nur selten ihr Handy benutzt und es deshalb für mich umso überraschender war, aus den Augenwinkeln ihre kurze Botschaft zu lesen:

Ruf mich sofort an.

Mein erster Impuls war, die Aufforderung zu ignorieren und mich erst vom Tierheim aus zu melden. Irgendetwas veranlasste mich jedoch dazu, am Straßenrand anzuhalten.

»Hallo Manuela.« Ich bemühte mich, meine Ungeduld zu verbergen. »Was gibt’s?«

Manuelas Stimme klang matt und tränenerstickt. »Ich wollte dir Bescheid sagen, bevor du es in den Nachrichten hörst. Prince ist tot.«

»Wie bitte?«

»Ja. Ich – ich drehe durch. Ich stecke mitten in den Vorbereitungen zu einem Vortrag, den ich am Tag der Erde in der Schule meiner Tochter halten soll – und er ist tot. Er wurde in einem der Aufzüge in Paisley Park gefunden.«

Dumpfer Schock breitete sich in mir aus, während ihre Worte in mein Bewusstsein drangen. Dann fühlte es sich an, als wäre ich von einem Tornado erfasst worden. Die Welt um mich herum geriet aus den Fugen – Autos rasten an mir vorbei, vom Rücksitz ertönte Willys unablässiges Quengeln und vor meiner Windschutzscheibe schien der Himmel einzustürzen. Ich hörte mich schreien: »Nein, nein, nein, nein, nein …«

Nicht er. Nicht so. Nicht allein. Nicht jetzt.

Ich kann mich an das weitere Gespräch mit Manuela nicht erinnern. Ich weiß nur, dass wir beide weinten. Ich habe noch vor Augen, dass ich meine Hände ans Lenkrad legte, mich dazu zwang zu atmen, meinen Blick auf die Straße zu richten, mich wieder in den Verkehr einzuordnen und eine Möglichkeit zum Wenden zu suchen. Ich musste nach Hause. Ich musste meine Mutter anrufen.

In den darauffolgenden Stunden versank ich in einem Strudel der Gefühle und Erinnerungen, die mir realer erschienen als die von der Presse verbreitete Flut an Gerüchten. Ich lief auf meiner Veranda auf und ab, bis mir Gladys, meine Managerin, eine MMS mit der kurzen Botschaft »Geh ins Haus« und ein pixeliges, mit einem Zoomobjektiv aufgenommenes Foto von mir schickte, das soeben im Internet aufgetaucht war. Mein Exmann hatte stets darauf bestanden, dass ich mich nur mit perfekter Frisur und einwandfreiem Make-up in der Öffentlichkeit zeigte. Dieses Foto entsprach dieser Anforderung in keiner Weise. Ich versuchte, in mir ein Gefühl von Betroffenheit wegen meines Erscheinungsbilds zu wecken, doch ich empfand lediglich einen Anflug von Ironie. Ich ging langsam ins Haus und verbrachte die nächsten zwei Tage hinter verschlossenen Rollläden. Die Reporter brachen ihr Lager nicht ab. Sie richteten ihre Kameras auf die Fenster meines Hauses und riefen meinen Namen, sobald irgendjemand durch die Tür ging.

Die Nachrichtensender berichteten unaufhörlich über den Tod von Prince. Die Schlagzeilen waren zunächst sachlich: PRINCE IM ALTER VON 57 JAHREN GESTORBEN. Dann sentimental: DIE WELT TRAUERT UM DEN LEGENDÄREN MUSIKER. Dann spekulativ: DIE ARZNEI, DIE PRINCE TÖTETE – WAS IST FENTANYL? Und zuletzt, wie zu erwarten, schmutzig: SEXWÜTIGER PRINCE LEBTE DIE LETZTEN ACHT JAHRE LANG KEUSCH. Im Internet wimmelte es von Posts – unzählige Menschen, die Prince persönlich gekannt hatten oder auch nicht, meldeten sich zu Wort. Mein Telefon klingelte permanent und auch der Apparat meiner Mutter stand nicht still. Wir wurden mit Anfragen von Fernseh- und Radiosendern überhäuft, die darauf brannten, mit der ersten Ehefrau von Prince zu sprechen.

»Sie gibt keine Interviews«, erklärte meine Mutter immer wieder.

»Sie sollte zumindest einen Kommentar abgeben«, forderten die Journalisten.

Ein Statement war mir nicht möglich. Wirklich nicht. Was ich über Prince zu sagen hatte, ließ sich nicht auf einen dreiminütigen Beitrag im Frühstücksfernsehen reduzieren. Ich hatte eine Geschichte zu erzählen und wollte dies, wann immer ich die Zeit für gekommen hielt, auf meine eigene Art tun – nicht in Form von Zitaten, die sich die Medien passend zu ihrer Form der Berichterstattung über den toten Rockstar zurechtlegten, und nicht in einer Situation, in der ich mich kraftlos und verwundbar fühlte. Im Moment hatte ich nur ein einziges Bedürfnis: nach Paisley Park zu fahren. Ich hatte gehört, dass auf dem Anwesen ein Gedenkgottesdienst stattfinden sollte, konnte aber keine genauen Informationen erlangen. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob ich eingeladen werden würde.

»Es ist seltsam. Das Anwesen ist komplett abgeriegelt«, erfuhr ich von Manuela.

Da die Musiker, mit denen Prince zusammengearbeitet hatte, nicht nur für ihn, sondern auch für mich wie eine Familie waren, rief ich Wendy Melvoin und Lisa Coleman an, die bei Purple Rain mitgewirkt hatten. Auch zu Sheila E., der langjährigen Freundin und ehemaligen Verlobten von Prince, mit der er immer wieder gemeinsam Musik gemacht hatte, nahm ich Kontakt auf.

»Komm«, sagten Wendy und Lisa. »Du gehörst zu uns.«

»Du bist meine Schwester«, erklärte Sheila. »Wir sind alle eine Familie.«

Nun also bin ich hier – zusammen mit den anderen Familienmitgliedern, mit Fans und vielen weiteren Menschen, die den außergewöhnlichen Künstler kannten und liebten und mit ihm zusammengearbeitet hatten. Das Haus, das ich mit Prince bewohnt hatte – das Haus, in dem wir uns ein gemeinsames Leben aufgebaut und zwei Kinder gezeugt hatten –, steht nicht mehr. Prince ließ es vor einigen Jahren aus tiefster Verzweiflung abreißen, die Einrichtungsgegenstände wurden verbrannt. Auch den wunderbaren Spielplatz, den er für unsere Kinder angelegt hatte, ließ er beseitigen. Er wollte an dieser Stelle ein Restaurant erbauen lassen, damit er nicht immer auswärts essen musste. Da es jedoch, soweit ich weiß, nicht gelang, für den Betrieb die erforderliche Genehmigung zu erhalten, wurde der Plan nicht in die Tat umgesetzt. Ich lasse den Blick über das Gelände mit dem reichen Baumbestand schweifen. Es ist Bauland erster Güte. Vermutlich werden also die Wälder, die den Bürokomplex des Anwesens umgeben, ebenfalls bald verschwunden sein.

»Mama, gehen wir?«, fragt Gia zum tausendundersten Mal.

»Gleich. Ich möchte noch ein Foto von dir machen.«

»Mama, nein!«, jammert Gia genervt. »Kein Foto von mir.«

Ich muss lachen. Gia steht vor der Glastür genau an der Stelle, an der mein Vater vor 20 Jahren ungebeten ein Bild von mir gemacht hatte. Just in dem Moment, in dem ich durch die Tür schritt, zückte er seine Kamera. »Papa, nein!«, schalt ich ihn. »Prince möchte nicht, dass in diesen Räumen fotografiert wird.«

»Glaub mir«, antwortete mein Vater, »eines Tages wirst du dich über dieses Bild freuen.«

Die Erinnerung an diese Episode treibt mir Tränen in die Augen. Natürlich hatte mein Vater recht: Heute ist dieses Foto für mich sehr wertvoll.

»Glaub mir«, sage ich zu Gia, »eines Tages wirst du dich über dieses Andenken freuen.«

Ich möchte diesen Moment festhalten. Ich möchte die Erinnerung wachhalten – an 25 Jahre, über die Hälfte meines Lebens, voller Höhenflüge und Tiefschläge, voller Bereicherungen und Verluste und voller Freude und Schmerz, an unsere lauten, furiosen Auftritte vor Millionen Fans ebenso wie an unseren gemeinsamen Weg, den wir in aller Stille gingen und von dem nur unsere beiden Seelen wissen.

Als ich ein Kind war, gefiel mir die Musik von Prince recht gut, meine Schwester war ein echter Fan. Im Alter von 16 Jahren sah ich Prince live auf der Bühne stehen. Dieses Konzert veränderte mein Leben. Interessanterweise erzählte mir Prince später, dass es ihm nicht anders ergangen war, nachdem er mich zum ersten Mal tanzen gesehen hatte. Zwischen Prince und mir entbrannte sofort eine – völlig unschuldige – Leidenschaft, die uns auf einen Weg führte, den wir uns beide niemals hätten vorstellen können. In erster Linie waren wir Freunde. Zwei Jahre später wurde Prince mein Chef. Eines Tages überschritten wir die Grenze und ich war »sein Mädchen«. Von diesem Tag an prägte die Verbindung zu Prince meine Persönlichkeit und die Erfahrungen, die ich in meinem Leben machte.

Von 1990 bis 1996 – von meiner ersten Begegnung mit Prince bis zu unserer Hochzeit also – wirkte ich in 129 Konzerten auf fünf Welttourneen, Hunderten Aftershows und Einzelkonzerten sowie Dutzenden von Musikvideos und Albumtracks (mit und ohne Namensnennung) mit. Außerdem absolvierte ich viele Auftritte im US-amerikanischen Fernsehen sowie unzählige Fotosessions, Radiointerviews und Pressetermine. Über diese Ereignisse Bilanz zu ziehen, nun da ich versuche, den Charakter meiner Beziehung zu Prince genau zu beschreiben, ist nahezu überwältigend. Seit ich Prince kennengelernt hatte, ist kein einziger Tag und keine der rund 6000 Nächte ohne irgendeinen Gedanken an ihn vergangen.

Prince betonte immer wieder – vor den Augen der Öffentlichkeit wie im Privaten –, dass seine Liebe zu mir ihn als Menschen veränderte und dass ihn die Musik, die er in unseren gemeinsamen Jahren komponierte, entscheidend beeinflusste. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass ich die einzige Frau bin, die er liebte, doch die Erfahrungen, die wir als Eheleute und Eltern in guten wie in schlechten Tagen machten, führten uns auf eine Ebene, die wir an der Seite eines anderen Menschen niemals hätten erreichen können.

Der Tod von Prince kam völlig überraschend. Ich war nicht darauf vorbereitet. Ich hatte Prince zwar seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen, doch ich hatte unsere gemeinsame Vergangenheit stets in Ehren gehalten und seine Privatsphäre geachtet. Nach seinem Tod trat so vieles ans Tageslicht – für mich und viele andere, die ihn liebten, verbleiben zahlreiche Rätsel, viele Fragen sind, wie eine Kadenz, die keinen Abschluss findet, bis heute offen. Ich lechze danach, Geschichten über das Leben von Prince zu hören, die mir fehlende Informationen liefern. Ich weiß um die Kraft des Mysteriums – und auch ich habe mich dazu entschieden, nicht alles öffentlich zu machen. Stillschweigen bedeutet aber auch oft Einsamkeit. Ich möchte den Schleier lüften und Ihnen den Mann vorstellen, den ich liebte – all die guten wie die schlechten Facetten unserer Beziehung, die traurigen wie die wunderbaren Momente.

Ich werde dieses Kapitel meines Lebens niemals ganz abschließen. Ich habe mir die Entscheidung, dieses Buch zu schreiben, nicht leicht gemacht, da es mir, obwohl sehr viel Zeit vergangen ist, lieber gewesen wäre, das Einverständnis von Prince einholen zu können. Ich hoffe, mit meinem Rückblick auf die Ereignisse Einblicke zu gewähren und Impressionen zu liefern, die den Erinnerungsprozess erhellen, nun da jeder für sich selbst entscheiden muss, wie er Prince im Gedächtnis behalten möchte.

Mir wird Prince als hoffnungsloser Romantiker und hingebungsvoller Vater in Erinnerung bleiben. Prince sehnte sich danach, der Vater zu sein, den er selbst nie hatte. Ich allein habe den Ausdruck auf seinem Gesicht gesehen, als unser Sohn geboren wurde. Diesen Moment werde ich nie vergessen. Ich wünschte, ich könnte ihn in einem Gemälde festhalten. Ich wünschte, ich könnte ihn tanzen. Ich bin mir nicht sicher, ob er sich mit Worten beschreiben lässt, und doch baue ich nun auf die Kraft der Erzählung. Ich möchte mit Ihnen gemeinsam über die lustigen Äußerungen lachen, die Prince immer wieder machte. Ich möchte Ihnen davon berichten, dass er zuweilen in meine Kleider schlüpfte und meine Mascara stibitzte und dass er jeden Morgen von liebenden Armen umschlungen auf parfümierten Laken erwachte, während vor dem Bett ein kleiner Hund bellend um einen Spaziergang bat und ein neuer Tag harter Arbeit auf ihn wartete. Ich möchte Ihnen schildern, wie wir, obwohl wir in vielerlei Hinsicht einen gewöhnlichen Alltag lebten, seiner Überzeugung folgten, dass das Leben ein Kunstwerk sei.

Familienmitglieder, Freunde und Fans – jeder, der diesen außergewöhnlichen Menschen kannte, hat seine eigene Geschichte zu erzählen. Ich wünsche mir, dass alle von ihren Erlebnissen berichten, auch wenn einige Darstellungen für mich schmerzhaft sein werden. Ich wünsche mir, dass ein Musikwissenschaftler ein Werk verfasst, das die immense Bandbreite des Schaffens von Prince beschreibt, die beeindruckenden Künstler nennt, die sich Prince an seine Seite holte, und den großen Einfluss herausstellt, den Prince auf die Musikindustrie, die Popkultur und die Kunst des Rock ’n’ Roll ausübte. All dies ist nicht Gegenstand dieses Buches.

In diesem Buch erzähle ich meine Geschichte – meine persönliche Liebesgeschichte, die allein mir gehört und die ich nur in der für mich passenden Weise nach außen tragen kann, so wie Prince es auf seine Art tat. Seine Songs erzählen hinter den Rhythmen und zwischen den Zeilen von Liebe, Schicksalsschlägen und Schmerz. Seine Lieder erzählen auch von Stärke, Hoffnung und innerem Frieden, wenngleich dies schwieriger herauszuhören ist.

Die Geschichte, die Sie nun lesen werden, werde ich eines Tages auch Gia erzählen: die Geschichte von meinem Leben mit Prince und von meinem Leben ohne ihn, von der Karriere, die ich verfolgte, bevor ich Prince kennenlernte, und von meinem Ringen darum, nach unserer Trennung wieder nach vorne blicken zu können. Hätte ich diese Geschichte in jungen Jahren niedergeschrieben, hätte sie davon erzählt, wie ich meinem Seelenverwandten begegnete, meinem über alles geliebten Ehemann. Hätte ich dieses Buch verfasst, nachdem mir das Herz gebrochen worden war, hätte es davon berichtet, wie ich zu mir selbst fand. Nun, da ich meine Tochter vor dem Anwesen Paisley Park stehen sehe, wird mir jedoch bewusst, dass diese Geschichte davon handelt, wie wir alle zueinandergefunden haben.

Im Video zum Song »The Most Beautiful Girl in the World« spricht zu Beginn eine Frauenstimme den Text: »You have just accessed the Beautiful Experience. This experience will cover courtship, sex, commitment, fetishes, loneliness, vindication, love, and hate – Sie haben soeben Zutritt zur wunderbaren Erlebniswelt erlangt. Diese Welt beinhaltet Verliebtsein, Sex, Hingabe, Fetische, Einsamkeit, Wiedererstarken, Liebe und Hass.«

Diese Worte beschreiben die Geschichte, die ich nun endlich bereit bin zu erzählen, sehr gut.

Please enjoy your experience – genießen Sie das Erlebnis.

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An Daumen und Zeigefinger nur einen Hauch voneinander entfernt gehalten, bieten Fingerzimbeln unbegrenzte Möglichkeiten. Durch den simplen Vorgang, sie immer wieder gegeneinanderzuschlagen, lässt sich eine unendliche Bandbreite nuancierter Klänge und rhythmisch wiederkehrender Strukturen erzeugen. Ich weiß nicht genau, wann ich den unwiderstehlichen Klang von Fingerzimbeln – von dem Typus, bei dem die Fingerschlaufe durch zwei Löcher geführt wird, oder von der schwieriger zu spielenden ägyptischen Sagat, die mit nur einem Loch versehen ist – zum ersten Mal gehört habe. Es muss jedoch lange vor meiner Geburt gewesen sein. Wenn es stimmt, dass unsere Seelen sich nach unserem Tod immer wieder in empfindsamen Wesen manifestieren – und ich glaube an Reinkarnation –, erscheint es mir folgerichtig, dass uns bestimmte Elemente von Leben zu Leben, von Wiedergeburt zu Wiedergeburt begleiten. Der Klang der Zimbeln ist mir auf unerklärliche Weise vertraut. Er spricht mich tief in meinem Innersten an. Ich höre den Klang und beginne zu tanzen.

if u ever get the chance 2 travel back 2 ancient dance

Für meinen Mann, meinen Seelenverwandten, empfinde ich dasselbe Gefühl tiefer Vertrautheit. Wie ich war auch Prince davon überzeugt, dass er in diesem Leben mein Geliebter war, während wir in einem anderen vielleicht als Brüder gelebt hatten. Vielleicht sind wir einst auch Schwestern, Mutter und Kind oder erbitterte Feinde gewesen. Immer wenn wir in ein neues Leben traten, waren wir nur einen Hauch voneinander entfernt. Wir waren vom Schicksal dazu bestimmt, uns aneinander anzunähern und uns wieder voneinander zu entfernen, in der Gewissheit, dass wir erneut zueinanderfinden würden – wie Zimbeln, die man zum Klingen bringt. Bei unseren wiederkehrenden Begegnungen mögen uns nicht immer sofort der Name oder das Aussehen des anderen bekannt gewesen sein, doch wir beide wussten, dass diese beiden Eigenschaften im Vergleich zu anderen Merkmalen, die jeder von uns in sich trug, von geringer Bedeutung waren. Ich erkannte meinen Geliebten, wenn auch erst nach einiger Zeit, und Prince verehrte mich. Und doch verstand er es nicht, mich an seiner Seite zu halten.

Prince Rogers Nelson wurde am 7. Juni 1958 in Minneapolis, Minnesota, geboren. Seine Mutter Mattie war Jazzsängerin. Sein Vater John trat als Musiker unter dem Namen Prince Rogers auf. Prince sprach selten über seine Kindheit. Er erzählte mir jedoch, dass er sich daran erinnerte, manchmal im Schrank eingesperrt worden zu sein. John und Mattie trennten sich, als Prince zehn Jahre alt war. Seines sicheren Hafens beraubt, lebte Prince fortan teils bei seiner Mutter und seinem Stiefvater, teils bei seinem Vater. Oft übernachtete er bei Freunden. Obwohl Prince ein kleiner, hagerer Junge war – er wurde keine 1,60 Meter groß –, war er ein hervorragender Basketballspieler. In der Schulmannschaft der Bryant Junior High freundete er sich mit Andre Simon Anderson an, der später unter dem Namen André Cymone Teil der Band um Prince wurde. Als dürrer kleiner Kerl mit afroamerikanischen Wurzeln erlebte Prince, wie man sich vorstellen kann, die Zeit des Heranwachsens als äußerst schwierig. Zwei Dinge aus seiner Jugend nahm er jedoch in das Erwachsenenleben mit: seine Liebe zum Basketball und seine Freundschaft zu André.

Am 12. November 1973 erblickte ich, während Prince mit seinem Kumpel ein paar Körbe warf, auf dem Militärstützpunkt in Enterprise, Alabama, auf dem mein Vater John eine Ausbildung bei der Luftwaffe absolvierte, das Licht der Welt. Meine Eltern stammen beide aus Puerto Rico. Meine Mutter Nelly – bis heute eine echte Schönheit – war schon immer zielstrebig und selbstbewusst. Ihre streng katholischen Eltern setzten alles daran, ihre Freiheit zu beschneiden, doch meine Mutter war und ist ein unabhängiger Geist, der sich mit der Rolle eines Vogels im Käfig nicht arrangieren kann. Ihrer Geschichte liegt eine einfache Kausalkette zugrunde: Sie rebellierte gegen die strenge Erziehung, die ihr ihre Eltern angedeihen ließen. Aus Protest entstand der Wunsch, Puerto Rico zu verlassen. Meine Mutter traf sich deshalb nur noch mit Männern, die dem Reserve Officer Training Corps, einem Ausbildungsprogramm der US-Streitkräfte zur Rekrutierung von Offizieren, angehörten – in der Hoffnung, eine Beziehung einzugehen, die ihr ein Ticket Richtung Kontinent sichern würde.

Mein Vater, ein liebenswürdiger und attraktiver Mann – ein ehemaliger Bodybuilder, der in seiner Heimat den Titel des »Mr. University of Puerto Rico« errungen hatte –, war ein perfekter Kandidat für ein solches Date. Nach dem Vorbild seines Vaters hatte er sich für eine militärische Laufbahn entschieden. Er stieg zum Offizier auf – einen solch hohen Rang zu bekleiden, war seinem Vater nicht gelungen. Die Beziehung meiner Eltern dauerte schon ein ganze Weile an, als meine Mutter bemerkte, dass sie schwanger war: Sie war bereits im sechsten Monat. Die Eltern meines Vaters und meiner Mutter standen Kopf und zwangen die beiden, rasch zu heiraten.

Meine Mutter bedauert es bis heute, keine glanzvolle Hochzeit gehabt zu haben. Umso größer war ihre Begeisterung, als ich Prince in einer bezaubernden Zeremonie heiratete. Meine streng katholische Großmutter, deren eigener Vater ein Schwarzer war, blieb meiner Hochzeit fern. Am Telefon teilte sie mir mit: »Wenigstens ist seine Hautfarbe nicht allzu dunkel. Und er ist, wer er ist. Ich kann damit leben.« Mehr muss man über meine Großmutter nicht sagen.

Meine Schwester Janice kam 1969 zur Welt. Rasch wurde meiner Mutter klar, dass der nun einsetzende typische Alltag einer Soldatenfamilie, der aufgrund der regelmäßigen Versetzungen an andere Militärstützpunkte mit zahlreichen Wohnortwechseln verbunden war, nicht dem Leben entsprach, dass sie sich nach dem Verlassen Puerto Ricos erträumt hatte. Als Jan vier Jahre alt war, beschlossen meine Eltern, ein zweites Kind zu bekommen. Sie wünschten sich einen Jungen. Am Tag meiner Geburt stand für meinen Vater ein wichtiger Übungsflug auf dem Programm, den er fraglos als Bester seiner Einheit absolviert hätte. Da er an der Prüfung jedoch nicht teilnahm, belegte er den zweiten Rang. Janice war begeistert, dass sie nun eine kleine Schwester hatte. Meine Mutter jedoch war, nachdem sie den Ausruf »Es ist ein Mädchen!« vernommen hatte, so wütend und enttäuscht, dass sie mich nicht sehen wollte. Also brachte man mich rasch aus dem Kreißsaal hinaus.

Als mich meine Mutter schließlich doch in Augenschein nahm, hatte ich an beiden Beinen Gipsverbände. Ich war mit einer ausgeprägten Fehlstellung der Beine geboren worden. Ein Orthopäde, der am Tag meiner Geburt zufällig im Krankenhaus anwesend war (man mag es eine glückliche Fügung des Schicksals nennen), erklärte meinen Eltern, dass meine krummen Beinchen begradigt werden mussten – zunächst mithilfe von Gipsverbänden und dann drei Jahre lang durch das Anlegen von Schienen, die dafür sorgen sollten, dass meine Knochen und Gelenke die richtigen Positionen einnahmen – eine schmerzhafte Prozedur.

Meine Mutter, die ihre Liebsten in allen Belangen eisern unterstützt, handhabte den Einsatz der Schienen rigoros. Sie setzte alles daran, mich zu einem Mädchen mit starken, gesunden Beinen zu machen. Meine Behandlung war statt nach drei Jahren schon nach 18 Monaten abgeschlossen, da mich meine Mutter die Schienen – kleine Schuhe, die mit Metallstangen versehen waren – rund um die Uhr tragen ließ. Oft schüttelten meine Verwandten mitleidig den Kopf und versuchten, mir die Beinschienen abzunehmen, doch meine Mutter setzte sich durch: Die Schuhe mit den Schienen blieben an. Zwar ist mir von einer Entzündung, die von den gegen Ende der Behandlung allzu eng anliegenden Schienen verursacht wurde, eine Narbe geblieben, ansonsten habe ich an meinen Beinen jedoch nichts auszusetzen. Sie haben mir stets gute Dienste geleistet. Vielleicht habe ich meine Fähigkeit, als Tänzerin über den Belastungsschmerz hinwegzugehen, bereits in jener Zeit erworben. Bevor ich laufen lernte, wurde mir die Lektion erteilt, dass man im Leben manchmal sehr stark sein muss.

Meine Mutter liebte den Namen Mayte, die spanische Kurzform für Maria Teresa. Im Baskischen bedeutet Mayte »die Liebenswerte«. Meiner Mutter begegnete dieser Name zum ersten Mal in einer Erzählung, die sie als Teenager las. Sie riss eine Seite des Buches, auf der der Name geschrieben stand, heraus. Jahrelang hing diese Buchseite an ihrer Schlafzimmerwand. Der zweite Vorname meiner Schwester Janice ist Mayte. Die Ende der 1960er-Jahre vorherrschenden gesellschaftlichen Konventionen beinhalteten das ungeschriebene Gesetz, dass es Kinder mit »amerikanischen« (sprich für die weiße Bevölkerungsschicht typischen) Vornamen leichter hatten. Im Falle meiner Schwester hatte sich meine Mutter diesem Diktum gebeugt. Als ich viereinhalb Jahre später zur Welt kann, fasste meine Mutter einen anderen Entschluss: Da sie nun schon nicht den Sohn bekommen hatte, den sie sich so sehr gewünscht hatte, würde sie es sich wenigstens nicht nehmen lassen, ihrem Mädchen den von ihr favorisierten Namen zu geben. Sie nannte mich Mayte Jannell. Mein zweiter Vorname ist die Kurzform für John und Nelly.

Zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit – als wir noch kein Paar waren, sondern Freunde und Arbeitskollegen – kam Prince auf die Idee, dass ich meinen Vornamen ändern und mich Arabia nennen sollte.

»Es wäre cool, wenn du Arabia heißen würdest!«, sagte er immer wieder.

Prince hatte eine ganz spezielle Art, Menschen für Ideen wie diese zu begeistern. Seine Genialität – nicht nur sein musikalisches Talent, sondern auch seine Begabung, eine Kunstfigur zu erschaffen – schlug viele in seinen Bann. Wenn Prince eine besondere Eigenschaft in einem Menschen erkannte, hob er diese immer wieder hervor. Er setzte niemanden unter Druck. Er erwähnte nur immer wieder höflich, dass es cool wäre, wenn sein Gegenüber den Namen XY annehmen würde. Apollonia beispielsweise. Oder Vanity. Das wäre doch cool, nicht wahr?

Als Prince mich zum vierten oder fünften Mal fragte: »Wäre es nicht cool, wenn du Arabia heißen würdest?«, antwortete ich rundheraus: »Nein, ganz und gar nicht. Meine Mutter würde mich umbringen.«

Der Zorn meiner Mutter wog in jener Zeit für mich schwerer als die Gunst von tausend Rockstars.

Meine Mutter wäre gerne Tänzerin geworden, doch in ihrem streng katholischen Elternhaus war dieses Vorhaben nicht umzusetzen. Sie versuchte, meiner Schwester Tanzstunden schmackhaft zu machen, doch Jan war ein Wildfang, der sich dem Ziel meiner Mutter, als Ausgleich für die vereitelte eigene Karriere eine Ballerina großzuziehen, widersetzte. Jan begeisterte sich für Sport. Sie spielte Volleyball und Fußball. Ich war das typische Mädchen, trug Tutus und schicke Kleidchen. (Gia scheint den Mittelweg einzuschlagen. Sie fühlt sich in einem hübschen Kleid und Turnschuhen am wohlsten.) Als ich drei Jahre alt war, wollte ich, zur Freude meiner Mutter, unbedingt tanzen lernen. Die meisten Tanzschulen nahmen Kinder allerdings erst ab dem Alter von fünf Jahren auf. Da wir inzwischen nach North Carolina gezogen waren, fiel es meiner Mutter jedoch leicht, in der Nähe des Militärstützpunkts eine Ballettschule ausfindig zu machen, an der niemand unsere Familie kannte.

»Wenn du gefragt wirst, wie alt du bist, machst du so«, wies mich meine Mutter an. Sie hielt eine Hand hoch, alle fünf Finger ausgestreckt. Nachdem sie mich in der Ballettschule abgeliefert hatte, streckte ich, wie sie mir gezeigt hatte, die Hand empor. Ich weiß nicht, ob mir die Ballettlehrerin glaubte. Sie muss jedoch den Eindruck gehabt haben, dass ich für den Unterricht geeignet war, denn sie führte mich an die Ballettstange. Von diesem Moment an gab es für mich kein Zurück. Über die Jahre hinweg war mir auch in den turbulentesten Zeiten meines Lebens das Tanzen eine Zuflucht. Es fiel mir nie schwer, für das Training die erforderliche Konzentration und Disziplin aufzubringen. Jede einzelne Stunde bedeutete für mich pures Glück, selbst wenn die Übungen Schmerzen verursachten. Ich liebte es, die Musik in meinen starken, geraden Knochen zu spüren.

Mitte der 1970er-Jahre war in unserem örtlichen Sportzentrum Bauchtanzen in Mode. Der Trend, der sich um den orientalischen Tanz entspann, war vergleichbar mit der Begeisterung, die jüngst durch Zumba ausgelöst wurde. Meine Mutter meldete sich spaßeshalber für einen der Kurse an und entdeckte sofort ihre Leidenschaft für diesen Tanz. Sie trat einem Ensemble bei, das Auftritte absolvierte und Workshops veranstaltete. Ich sah meiner Mutter mit derselben Faszination beim Üben zu, die Gia heute an den Tag legt, wenn sie mich beim Training beobachtet: Vom Rhythmus der Tablas und Trommeln in den Bann gezogen, verfolgte ich mit weit aufgerissenen Augen die Geschichte, die der Tanz erzählte, und ahmte instinktiv mit meinen Händen die Bewegungen nach. Nie konnte ich der Versuchung widerstehen, aufzustehen, mich hinter meine Mutter zu stellen und mit ihr zu tanzen – so wie Gia heute meinen Bewegungen folgt, sodass neben meinem großen ihr kleiner Schatten an der Wand des Raumes erscheint.

»Hast du Lust, mit mir zusammen beim Mittagessen der Offiziersfrauen aufzutreten?« Begeistert bejahte ich die Frage meiner Mutter sofort. Ich hatte keinerlei Bedenken, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Die Musik war mir in Fleisch und Blut übergegangen und ich besaß eine natürliche Begabung für die Bewegungen. Beim Bauchtanz verändert sich die Choreografie ständig – ein Grund, warum ich diese Art zu tanzen so sehr liebe: Sie bietet uneingeschränkte Ausdrucksmöglichkeiten. Gleichzeitig verlangt sie der Tänzerin ab, sich ganz auf den gegebenen Moment zu konzentrieren. Aufgrund dieser Eigenschaften sollte sich der Bauchtanz als perfekte Vorbereitung für meine Arbeit als Mitglied der New Power Generation, der Begleitband von Prince, erweisen.

Die Offiziersgattinnen reagierten begeistert auf die Ankündigung, dass ich bereits eine ernst zu nehmende Tänzerin war, und zollten Lob und Anerkennung. Meine Mutter – ganz Mutter eines Stars – sog die Bewunderung in sich auf. Sie fertigte ein Kostüm für mich an, das zu ihrem eigenen passte, einen Traum aus weich fließendem, buntem Chiffon, der überreich mit Pailletten geschmückt war. Die größte Sensation für mich war jedoch, dass ich bei meinem Auftritt Lipgloss tragen durfte. Für mich als Fünfjährige war Lipgloss eine Art Zauberelixier, das Sterbliche in magische Kreaturen von vollkommener Schönheit verwandelte. Meine Begeisterung für Lipgloss war so groß, dass ich eines Tages versuchte, in dem Supermarkt auf unserem Militärstützpunkt ein Fläschchen zu klauen. Meine Mutter rief sofort einen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes herbei, der mir eine Standpauke hielt, die mich in Tränen ausbrechen ließ. Im Alltag Lipgloss zu tragen, war mir verboten, da mein Vater befürchtete, es würde mich dazu verleiten, einen Jungen zu küssen. Nun also hatte ich endlich die Gelegenheit. Für Lipgloss hätte ich alles getan.

Fast alles. Alles, nur nicht das. Es stellte sich heraus, dass ich keinesfalls diese Bühne betreten konnte. Als ich aus dem Hintergrund einen Blick auf das Publikum warf, wurde ich vom Lampenfieber übermannt. Meine Schockstarre traf meine arme Mutter vollkommen unvorbereitet.

»Mayte, unsere Musik läuft«, zischte sie mir zu. »Wir sind dran!«

Ich schüttelte den Kopf. Ich war nicht einmal dazu in der Lage, die Worte »Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht« hervorzubringen.

Ich blieb wie angewurzelt hinter dem Vorhang stehen, während meine Mutter ein gekünsteltes Lächeln aufsetzte und die Bühne betrat, um die Offiziersfrauen nun ganz allein zu begeistern. Eine freundliche Dame nahm mich an die Hand, führte mich an einen Tisch und versorgte mich mit Mini-Donuts und einem Glas Milch. Meine Mutter warf mir während ihres ungewollten Soloauftritts immer wieder vernichtende Blicke zu.

Von einer puerto-ricanischen Mutter mit einem vernichtenden Blick bedacht zu werden, fühlt sich an, als würde man von einem Speer durchbohrt. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ich, sobald meine Mutter ihre Darbietung beendet haben würde, nie wieder einen Moment des Friedens und der Liebe erleben, geschweige denn noch einmal in den Genuss kommen würde, Lipgloss zu tragen. Ich verschlang die Mini-Donuts, als hätte ich zu befürchten, sie seien meine letzte Mahlzeit. Die Wahrheit lag nicht weit davon entfernt: Eine ganze Woche lang sprach meine Mutter kein Wort mit mir und setzte mir nichts zu essen vor. Mein Vater sprang für sie ein. Er versorgte mich mit Speisen und kümmerte sich geduldig und einfühlsam um mich. Ich war dennoch deprimiert – nicht weil ich von meiner Mutter bestraft wurde, sondern weil ich sie blamiert hatte. Ich versicherte meiner Mutter (und schwor mir selbst), dass ich, sollte sie mir noch einmal eine Chance geben, nicht wieder kneifen würde. Und als ich meine zweite Chance bekam, machte ich tatsächlich keinen Rückzieher.

Gott sei Dank, denn sobald ich zu tanzen begann, verschwand das Lampenfieber und ein Glücksgefühl setzte ein, das mir eine unbeschreibliche Energie verlieh und mich ganz in meiner Darbietung aufgehen ließ. Schnell wurde ich süchtig nach der Euphorie, die ich auf der Bühne empfand. Meine Mutter und ich wurden immer öfter eingeladen, in Restaurants und auf Partys zu tanzen. Wir wurden in unserer Stadt tatsächlich ein bisschen berühmt. Als ich sieben Jahre alt war, besuchten uns Redakteure der Nachrichtensendung PM Magazine, die von mehreren Programmanbietern ausgestrahlt wurde, und drehten einen Filmbeitrag über uns. Für mich war das zwar ein großartiges Ereignis, doch ich begann schon zu jener Zeit ein Selbstverständnis als Tänzerin – als Künstlerin – zu entwickeln, bei dem die Aussicht, mit der eigenen Leistung Geld zu verdienen oder Ruhm zu ernten, grundsätzlich nicht im Vordergrund steht.

Nachdem wir eine Zeit lang zu zweit auf der Bühne gestanden hatten, teilte ich meiner Mutter mit: »Ich möchte allein auftreten. Ich möchte nicht, dass das Publikum denkt, ich würde dich nur kopieren.« In Wahrheit wollte ich dafür sorgen, dass meine Mutter die alleinige Aufmerksamkeit erhielt. Wenn wir gemeinsam tanzten, konzentrierten sich die Zuschauer oft auf mich. Ich wollte meiner Mutter zu ihrem wohlverdienten Platz im Rampenlicht verhelfen.

Das Tanzen bot mir Zuflucht, als mein Leben zu Hause und in der Schule immer komplizierter wurde. In jener Zeit gab es an den Grundschulen in North Carolina nur wenige Mädchen lateinamerikanischer Herkunft. Immer wieder wurde ich von meinen Mitschülern gefragt: »Bist du eine Weiße oder eine Schwarze?«

»Weder noch«, lautete meine Antwort. »Meine Eltern stammen aus Puerto Rico.«

»Was soll das denn heißen?«, rümpften die Kinder die Nase.

Ich versuchte ihnen zu erklären, dass meine Großmütter auf einer wunderschönen Insel lebten, die zwar zu den Vereinigten Staaten von Amerika gehörte, aber kein Bundesstaat war. »Nein«, stellte ich immer wieder richtig, »Puerto Rico ist auch nicht so etwas wie Mexiko.« Von den weißen Kindern wurde ich nicht akzeptiert, weil meine Hautfarbe nicht hell genug war. Die schwarzen Kinder grenzten mich aus, weil ich »glatte Haare« hatte. Jeden Tag war ich nach Schulschluss vor irgendjemandem auf der Flucht. Ich rannte stets schnurstracks auf den Bus zu, um nicht verprügelt zu werden.

Mein Vater liebte es, uns ab und zu zum Essen auszuführen. Wenn er in einem Restaurant einen Tisch reservierte, gab er stets den Namen Rockefeller an. Meine Schwester und ich rollten kichernd die Augen. »Papa, wir heißen Garcia«, ermahnten wir ihn.

»Ja«, erwiderte mein Vater, »aber wenn die Dame am Empfang den Namen Rockefeller liest, weiß sie, dass sie wichtige Persönlichkeiten zu Gast hat.« Mein Vater machte dem von ihm gewählten Namen alle Ehre, wenn er von der Empfangsdame an den für uns reservierten Tisch geführt wurde: Er schritt erhobenen Hauptes hinter ihr her und warf allen im Raum ein Lächeln zu – ganz egal, ob die Leute zurücklächelten oder nicht. Mir gefiel mein Vater in der Rolle als Mr. Rockefeller. Erst als ich erwachsen war, wurde mir bewusst, dass es meinem Vater auf diese Weise gelang, positiv mit der Tatsache umzugehen, dass uns vermutlich ein weniger aufmerksamer Service zuteilgeworden wäre, hätte der Name Garcia auf der Reservierungsliste gestanden.

Mein Vater liebte es, Videofilme aufzunehmen, und begeisterte sich für die neumodischen Kameras, die Anfang der 1980er-Jahre plötzlich auf den Massenmarkt strömten und damit auch für Amateure erhältlich waren. Bei jedem unserer Auftritte stellte er vor der Bühne ein Stativ auf, befestigte die voluminöse Kamera daran, legte eine VHS-Kassette ein und zeichnete die gesamte Darbietung auf. Da er inzwischen gelernt hatte, Tamburin und Tabla (die wegen ihrer Kelchform auch Doumbek genannte ägyptische Trommel) zu spielen, war er außerdem Teil unseres kleinen Ensembles. Damals erschien es mir so, als würden wir eine wunderbare Zeit zusammen verbringen. Heute weiß ich jedoch, dass mein Vater und meine Mutter sich damals gegenseitig betrogen.

Mein Vater verbrachte einige Zeit in Korea. Nach seiner Rückkehr warfen einige Fotos, auf denen er zusammen mit einer Frau zu sehen war, für meine Mutter unangenehme Fragen auf. Mein Vater war ein hemmungsloser Charmeur. Oft genug bereitete mir sein Verhalten Unbehagen. Ich begleitete meinen Vater regelmäßig, wenn er sich in Leihhäusern und Elektronikläden nach Videozubehör umsah und sich über die rasante technologische Entwicklung der Kameras und Aufnahmegräte informierte. Ich sehe mich noch heute neben ihm stehen, wenn er attraktive Frauen ansprach. Manchmal zogen sich diese Gespräche ungebührlich in die Länge. Dann packte ich meinen Vater am Handgelenk und forderte ihn mit Nachdruck auf: »Papa, lass uns gehen. Mama wartet auf uns.«

Irgendwann legte sich auch meine Mutter einen Liebhaber zu. Das Verhältnis zwischen meinen Eltern wurde immer angespannter. Ihr Gezänk wuchs sich zu hässlichen Streitereien und Beschimpfungen aus. Die Ehe meiner Eltern begann zu zerbrechen.

In dieser Zeit hielt sich ein angeblicher Freund der Familie oft bei uns zu Hause auf. Er präsentierte sich als der netteste Mann der Welt. Meine Eltern vertrauten ihm, doch er missbrauchte das Vertrauen, das wir ihm alle entgegenbrachten. Da ich erst sieben Jahre alt war, begriff ich zuerst nicht, was passierte, wenn er mich auf den Schoß nahm. Ich verstand nicht, was er tat und warum er es tat. Ich wusste nur, dass es sich schrecklich anfühlte. Es machte mich auf eine Art und Weise krank, die ich nicht erklären konnte. Ich versuchte zu erzählen, was passiert war. Wie es so oft der Fall ist, verfügte ich jedoch nicht über das notwendige Vokabular, um die Geschehnisse zu beschreiben. Niemand wollte mir glauben. Ich setzte alles daran, diesem Mann aus dem Weg zu gehen, doch es gelang ihm immer wieder, mich in die Enge zu treiben. Mehrmals schlug er vor, mich in seinem Auto mitzunehmen, um etwas aus seinem Büro zu holen.

»Es wäre besser, wenn Jan dich begleiten würde«, antwortete ich jedes Mal, in dem Glauben, dass es ihm nicht gelingen würde, Jan, die größer und älter war als ich – ein Wildfang von 11 Jahren –, Schaden zuzufügen.

Es dauerte viele Jahre, bis es Jan und mir möglich war, über diese Vorfälle zu sprechen. Dieser Mann hatte sich auch an meiner Schwester vergangen. Wir waren beide über 20 Jahre alt, als mir Jan bei einem Besuch in meinem Apartment in Eden Prairie, Minnesota, anvertraute, dass sie von diesem angeblichen Freund der Familie sexuell belästigt worden war. Die Trauer und die Schuldgefühle, die ich nach ihrer Offenbarung empfand, wurden rasch von unbändigem Zorn abgelöst. Meine Wut angesichts dessen, was dieser Mann meiner Schwester und mir, als ich zarte sieben Jahre alt gewesen war, angetan hatte, war grenzenlos. Sein Verhalten hatte mich, wie mir nun plötzlich bewusst wurde, zum ersten Mal in meinem Leben Scham empfinden lassen und mich meiner Kraft und Lebendigkeit beraubt. Ich beschloss, ihn zur Rede zu stellen. Ich suchte im Telefonbuch nach seiner Nummer und legte mir die Worte zurecht, die ich ihm entgegenschleudern wollte: Spreche ich mit dem Mann, der ein siebenjähriges Mädchen vergewaltigt hat? Den ich für einen Freund der Familie hielt? Der in unserem Zuhause uneingeschränktes Vertrauen genoss? Der mit einem siebenjährigen Kind Dinge tat, die nur Erwachsene miteinander tun? Sind Sie dieser abscheuliche Mensch?

Meine Hände zitterten, als ich seine Nummer wählte. Bevor er abheben konnte, legte ich auf. Bei dem Gedanken, seine Stimme zu hören, wurde mir übel. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Erinnerung an seine Taten tief in meinem Gedächtnis zu vergraben. Damit kam ich viele Jahre lang gut zurecht. Eines Tages jedoch, es ist noch nicht allzu lange her, wurde mir beim Anblick meiner schlafenden Tochter bewusst, wie zart und kostbar sie ist – so unschuldig und verletzlich – und wie wichtig es ist, dass sie eine sorglose, glückliche Kindheit erlebt. Der Gedanke, dass sie jemand ihrer Unschuld, ihrer Lebensfreude und ihres Seelenfriedens berauben könnte, ließ völlig unerwartet meinen alten Zorn wieder in mir aufsteigen.

Ich versuchte, den Mann, der sich an mir und meiner Schwester vergangen hatte, im Internet ausfindig zu machen, getrieben von dem Wunsch, Anklage gegen ihn zu erheben, seinen Namen öffentlich zu machen und ihn zur Verantwortung zu ziehen. Nun hatte ich es in der Hand, Macht über ihn auszuüben und in ihm das Gefühl von Scham zu wecken. Ich konnte Rache nehmen, wenn ich wollte. Während meine Finger über die Tastatur glitten, dachte ich jedoch darüber nach, welche Konsequenzen mein Racheakt für mich und Gia haben würde. Als ich mir der Auswirkungen auf das friedliche, glückliche Leben, das ich für meine Tochter aufgebaut hatte, bewusst wurde, ebbte mein Bedürfnis nach Vergeltung ab. Ich glaube an das Gesetz des Karma. Gott wird über diesen Mann richten, wenn dessen Zeit auf dieser Welt abgelaufen ist. Dieser Mann ist nun alt, sein Leben neigt sich dem Ende zu. Ich hoffe, seine Kinder wissen über ihn Bescheid. Mir ist heute bewusst, dass ich für sein Handeln nicht verantwortlich bin und dass ich keine Schuld daran trage, dass er sich an meiner Schwester verging. Mir die Last aufzubürden, zu denken, dass es mein Fehler war, dass ihr Leid zugefügt wurde – auch dazu hatte er kein Recht gehabt.

Beim Anblick von Gia wird mir bewusst, wie klein und hilflos Jan und ich waren, als sich um uns herum das Chaos der zerrütteten Ehe unserer Eltern entspann – auch wenn wir uns damals für stark hielten. Als meine Mutter aus der gemeinsamen Wohnung auszog und uns bei unserem Vater zurückließ, entspannte sich die Situation ein wenig. Der Mann, der mich und meine Schwester missbrauchte, tauchte nicht mehr bei uns auf. Die ständigen Streitereien zwischen meinen Eltern wichen einem vorsichtigen Waffenstillstand. Obwohl meine Mutter in einer eigenen Wohnung lebte, trafen Jan und ich sie jeden Morgen in unserer Küche an. Abends war sie da, um uns Kindern das Abendessen zuzubereiten und uns ins Bett zu bringen. Ich fühlte mich nie von ihr im Stich gelassen. Ganz im Gegenteil: Meine Mutter hatte alles im Griff und war meine engste Vertraute. Das ist sie noch heute.

1980, als Prince mit seiner damaligen Band als Vorgruppe von Rick James auftrat, die Probleme seiner Kindheit in Songs verarbeitete, die später auf dem Album Purple Rain erschienen, und Kraft aus dem Erfolg seines jüngsten Werkes schöpfte, das in den USA Platinstatus erlangt hatte, waren meine Mutter und ich ebenfalls viel beschäftigt: Unser Terminkalender war mit Tanzvorführungen und Workshops prall gefüllt. Ich tanzte während des gesamten, für mich so schrecklichen Jahres. Wenn ich tanzte, war ich unangreifbar. Das Tanzen war meine geheime Macht, mein Katapult in eine andere Dimension, in der es nichts außer Schönheit, Musik und Liebe gab.