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Carsten K. Rath

FÜR HERZLICHKEIT
GIBT’S KEINE APP

Carsten K. Rath

FÜR HERZLICHKEIT
GIBT’S KEINE APP

Service-Excellence
in digitalen Zeiten

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Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-825-2

ISBN epub: 978-3-95623-689-1

Lektorat: Christiane Martin, Köln | www.wortfuchs.de

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Autorenfoto (Umschlag): Giorgio Balmelli

Illustrationen, Satz und Layout: Judith Hilgenstöhler, Hamburg | www.daisydraft.com

© 2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2018 erschienenen Buchtitel “Für Herzlichkeit gibt’s keine App” von Carsten K. Rath, ©2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

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INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT VON FRANK MARRENBACH

PROLOG

Die Antwort ist immer Service

1. SERVICE MACHT DIE MARKE

Wie Sie Ihre Kunden zu Fans fürs Leben machen

2. SERVICE IST IMMER PERSÖNLICH

Warum Sie das Zielgruppendenken vergessen können

3. POSTDIGITALE KUNDENBEGEISTERUNG

Warum Service die beste Digitalisierungsstrategie ist

4. ALLEINSTELLUNGSMERKMAL SERVICE

Wie Sie sich für den digitalen Wettbewerb wappnen

5. SERVICE BRAUCHT FREIRÄUME

Warum die besten Leader den besten Service haben

SERVICE-EXCELLENCE:

Zehn Schritte zur Kundenbegeisterung

NACHWORT VON REGINE SIXT

QUELLENVERZEICHNIS

DER AUTOR

VORWORT VON FRANK MARRENBACH

„Für Herzlichkeit gibt’s keine App“ – der Titel dieses Buches hat mich sofort aufhorchen lassen. Wie treffend diese Erkenntnis in einer Zeit, in der sich scheinbar alles um die Digitalisierung dreht und alles andere in den Hintergrund zu rücken droht. Ohne Frage wird die Digitalisierung uns alle verändern – wir stecken schon mittendrin in diesem Prozess. Gerade deshalb trifft dieser Titel bei mir einen Nerv: Gnadenlos aus Kundensicht zu denken wird im digitalen Kosmos noch bedeutsamer sein als je zuvor.

Mit Carsten K. Rath verbindet mich eine lange Freundschaft. Er weiß, wovon er spricht, und vor allem tut er, was er sagt. Das „Enfant terrible“ in ihm hat Carsten schon sein ganzes Berufsleben lang zu demjenigen gemacht, der den Status quo infrage stellt – auch gegen den Strom –, wenn andere noch daran festhalten. Sein sicheres Gespür für Menschen und ihre Bedürfnisse, sein kosmopolitisches Verständnis für Entwicklungen und Trends und seine Neugier machen ihn zu einem geistreichen Beobachter.

Doch als Unternehmer geht Carsten immer auch den nächsten Schritt: Er gestaltet, motiviert und inspiriert. Und wenn es nötig ist, dann polarisiert er auch.

Besonders beeindruckt hat mich im Laufe der Jahre auch immer wieder Carstens Fähigkeit, Menschen zu begeistern. Mehrfach durfte ich bei seinen Hoteleröffnungen dabei sein, und die Ausstrahlung seiner Mitarbeiter war stets grandios. Ich bin überzeugt, dass diese besondere Fähigkeit auch seinen Unternehmen zu ihrer Strahlkraft verholfen hat. Nicht nur hat Carsten Marken geschaffen – er ist über die Zeit selbst zur Marke geworden.

Dieses Buch lebt nicht nur von seinen innovativen Thesen über die Gegenwart und die Zukunft des Service; der Autor hat für jede seiner Erkenntnisse auch ein Beispiel aus seinem spannenden Leben als Service-Pionier und Unternehmer parat. Deshalb ist die Lektüre nicht nur reich an Einsichten, sondern auch äußerst unterhaltsam. Dieses Buch ist wie Carsten: Es ist einzig und nicht artig. Das macht es zu einem spannenden Erzählwerk mit hohem praktischen Nutzen für alle Service-Profis und jene, die es werden wollen.

Überlassen wir den SEMOs und COMOs nicht das Spielfeld! Unsere Kunden haben Besseres verdient.

Frank Marrenbach

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SERVICE-KUNST UND SERVICE-HANDWERK

Service ist eine Kunst. Niemand, der schon einmal einen Tag lang in irgendeiner Weise im Service tätig war, wird das bestreiten. Ganz gleich, ob wir über ein hochtrabendes, philosophisch angehauchtes Service-Verständnis sprechen wie ein Automobilbauer, der gerade angestrengt über die Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft nachdenkt, oder über Service im Sinne des Kellners, der Ihnen ein schönes Steak bringt. Beides ist eine Kunst, und alles dazwischen auch. Auf der Ebene der Führung und auf der Ebene der Ausführung. Das liegt daran, dass Service – wie alle Kunst – dem Ziel dient, Menschen zu begeistern. Und wir Menschen sind nun einmal anspruchsvoll.

Service ist auch Handwerk. Er kommt nicht ohne Standards, Maßstäbe und Zielsetzungen aus. Ein Auto gut zu verkaufen, ein Steak richtig zu servieren, ein User-Interface kundenfreundlich zu gestalten, kann man lernen. Doch exzellent wird Service auf der Ebene, wo er zur Kunst avanciert: wenn wir Menschen emotional ansprechen, berühren, verzaubern, überraschen und manchmal sogar ihr Leben verändern. Das ist die Ebene, auf der Service sich über die reine „Dienst-Leistung“ erhebt und zum besten USP – auf Deutsch Alleinstellungsmerkmal – wird, den ein Unternehmen haben kann.

Es ist meine feste Überzeugung, dass das Nachdenken über Service und die konsequente Ausrichtung an einer individuellen Service-Philosophie schon heute und mehr noch in Zukunft den Unterschied zwischen einem erfolgreichen Unternehmen und einem nicht erfolgreichen Unternehmen macht.

Service ist unsere Zukunft.

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JA, ABER DIE DIGITALISIERUNG!

Ich weiß ja, die Digitalisierung. Sollten wir nicht lieber darüber reden? Liegt da nicht der Schlüssel zur Zukunft? Doch, ja, die Digitalisierung ist von entscheidender Bedeutung. Sie wird oft Thema sein in diesem Buch und auch ihre Auswirkungen auf den Service. Doch die Digitalisierung an sich ist nicht das Erfolgsrezept. Digital werden wir nämlich alle sein. Die Frage ist wie. Und bei der Antwort auf diese Frage spielt der Service eine entscheidende Rolle. Die erfolgreichsten Digitalisierungsstrategien schlagen deshalb ein wie eine Bombe, weil sie aus Kundensicht gedacht sind. Das heißt:

Die besten Digitalisierungsstrategien sind immer auch Service-Strategien.

Deshalb denke ich in diesem Buch auch dann, wenn ich über Digitalisierung nachdenke, vor allem über Service nach: Service unter digitalen Bedingungen. Denn das ist die Digitalisierung: eine gegebene Bedingung der zukünftigen Unternehmenswelt. Ich erwähnte es schon: Wir werden alle digital sein. Aber wir werden nicht alle erfolgreich sein, nur weil wir digital sind. Früher waren ja auch nicht alle Unternehmen erfolgreich, nur weil sie von manueller auf maschinelle Produktion umgestellt haben. Industrielle Revolutionen verändern die Bedingungen des Erfolgs. Darüber, wer erfolgreich sein wird und wer nicht, entscheiden andere Stellschrauben. Und die alles überragende und effektivste dieser Stellschrauben ist in meinen Augen:

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Deshalb lade ich Sie in diesem Buch ein, darüber mit mir nachzudenken. Und natürlich gebe ich Ihnen darüber hinaus auch eine Fülle von konkreten Tipps und Strategien für Ihre tägliche erfolgreiche Service-Praxis mit, damit Sie vom Nachdenken direkt ins Handeln kommen können. Meine praktischen Service-Impulse sind auf der Basis meiner Beobachtungen gewachsen – vor allem aber auf jahrzehntelanger Erfahrung als Unternehmer, Führungskraft und nicht zuletzt auch als Mitarbeiter im Service. Heute führe ich mehrere Unternehmen, in denen es um Service geht – ausführend und beratend. Zuvor habe ich viele Jahre lang Tausende Service-Mitarbeiter auf vier Kontinenten geführt. Und davor war ich selbst einer von ihnen – erst als Terrassenkellner, dann als Rezeptionist und viel später dann als Hotelmanager.

Deshalb geht es in diesem Buch nicht um abstrakte Theoriemodelle, sondern um ein umfassendes Verständnis von Service. Beobachtungen, Ideen und erprobte Praxis gehen Hand in Hand. Es geht um Erfolg im Hier und Jetzt, auf dem Weg in die Service-Welt von morgen.

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DIE WETTE AUF DIE ZUKUNFT

Dies ist nicht das Buch eines Zukunftsforschers, denn das bin ich nicht. Es ist ebenso wenig das Buch eines Historikers, der die Zukunft aus der Vergangenheit herauszulesen versucht. Auch nicht das Buch eines Philosophen, der auf der Basis bewährter logischer Formeln einen mehr oder weniger schlauen, letztlich aber spekulativen Blick in die Glaskugel wagt. Dies ist das Buch von einem, der seit 30 Jahren Service lebt. Der als Führungskraft mit der Verantwortung für die Service-Qualität einerseits oft genervt davon war, wie langsam manche notwendige Veränderung in den verkrusteten Strukturen großer Unternehmen vorangeht. Und der andererseits viele Trends im Service hat kommen und gehen sehen, die zwar hochgejubelt wurden, den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen im Alltag aber doch nicht standhielten.

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An dieser Stelle erlaube ich mir einen ebenso banalen wie notwendigen Einwurf. Den folgenden Satz werde ich in diesem Buch noch mehrfach wiederholen, denn er ist es wert, wiederholt zu werden:

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Wenn wir über Service nachdenken, dann heißt das immer zuerst: über Menschen nachdenken. Und genau das vergessen wir viel zu oft. Besonders bei den gehypten Kopfgeburten und bei den Versuchen der Bestandswahrung. Dabei geht es im Service doch um nichts anderes als das: Was braucht der Mensch wirklich, genau dieser Mensch, genau jetzt? Von dieser einen Überlegung leben wir, leben alle Unternehmen eigentlich. Ich gebe es gern zu: Es ist die vielleicht schwierigste Frage von allen.

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Deshalb wird sie auch so gern mal vergessen oder die Antwort verwässert – durch all die anderen Dinge, die in einem Unternehmen täglich so zu bewältigen sind. Ganz gleich, ob es sich um ein produzierendes oder um ein Dienstleistungsunternehmen handelt.

Wenn wir bei RichtigRichtig.com, meiner Managementberatung für Kundenbegeisterung, Unternehmen auf ihrem Weg in die Zukunft begleiten, spüren wir jeden Tag, welche Unsicherheit in vielen Unternehmen angesichts der Zukunft herrscht. Unsere Vision ist es, dass Sie mit Ihrem Unternehmen die Lücke zwischen Kundenerwartung und Kundenerfahrung schließen. Doch auf dem Weg dahin gibt es oft erst einmal viele alte Glaubenssätze zu überwinden und strategische und operative Barrieren aus dem Weg zu räumen. Sie stammen aus einer anderen Zeit, als sich das System noch um das System drehte und nicht um den Kunden. Überall gibt es dieselben Probleme, dieselben Zukunftsängste, dieselben Zielkonflikte. Überall ist anderes immer dringender.

Dringender vielleicht, aber nicht wichtiger.

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Service also.

Service zu machen, ist an der Basis, im direkten Kontakt mit den Kunden schon eine Kunst. Service zu machen, im Sinne eines Konzepts für die Zukunft, als Bestandteil der täglichen Führungsarbeit, ist ein zermürbendes Geschäft. Aber es ist in steigendem Maße der bestimmende Teil der Strategiearbeit. Service ist für immer mehr

Branchen und einen immer größeren Teil der Unternehmenslandschaft weltweit die Zukunft. Auch und gerade für die Branchen, die durch die Digitalisierung besonders bedroht sind.

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DIE GRENZEN DER DIGITALISIERUNG SIND DIE CHANCEN DES SERVICE

Zu den von der Digitalisierung besonders betroffenen Bereichen gehört nach Meinung der Forscher paradoxerweise ausgerechnet die Service-Industrie oder das, was allgemein als „Dienstleistungssektor“ bezeichnet wird. Einige Studien sehen hier längerfristig eine Digitalisierungsquote von über 50 Prozent der Arbeitsplätze. Ob man sich diesen Spekulationen an diesem Punkt anschließen möchte oder nicht, ist eine Glaubensfrage. So oder so lautet auch hier die Antwort: Service. Nicht aus Romantik oder aus Verzweiflung schreibe ich das, sondern aus Überzeugung:

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Denn sie beziehen sich immer auf das Was, auf das Produkt oder die Dienstleistung an sich. Das Potenzial der menschlichen Begegnung, des Bedürfnisses des Menschen nach sozialem Kontakt ist dagegen unbegrenzt. Denn hier geht es um das Wie, und das Wie kennt keine Grenzen. Das Wie erlaubt einem Unternehmen, sich immer wieder neu zu erfinden und es immer wieder anders zu machen als der Mitbewerber. Und noch etwas kann Service, das keine andere Digitalisie-rungsstrategie kann: Service ist das Spielfeld der Exzellenz.

Mit Service können sich Unternehmen nicht nur abgrenzen, sondern auch nach oben absetzen. Momentan liegt der Schwerpunkt aller Debatten einseitig auf der Digitalisierung als eierlegender Wollmilchsau. Doch Digitalisierung hat in Bezug auf die Kundenorientierung einen entscheidenden Nachteil: Sie beruht letztlich immer auf Algorithmen. Und bei Algorithmen geht es immer darum, eine Regel aus Normwerten abzuleiten. Algorithmen wollen immer gleichmachen. Für das, was bei jeder Kundenbegegnung wirklich zählt – Neugier, Emotion, Kreativität, Empathie und vor allem Herzlichkeit –, gibt es nun einmal keine App. Algorithmen sind vernagelt.

Genau das, was Unternehmen heute nicht sein dürfen. Und deshalb ist eine unreflektierte Digitalisierungseuphorie kein Allheil- und schon gar kein Wundermittel, sondern eine Gefahr. Digitalisierung ist gut und richtig, aber nicht ohne Service. Wer A sagt, muss auch B sagen – oder für immer schweigen.

Digitalisierungslemminge sind vom Aussterben bedroht.

In manchen Unternehmensbereichen und für manche Einsatzzwecke ist die Digitalisierung ein Segen. Die Digitalisierung kann uns sogar helfen, den Service an bestimmten Schnittstellen noch individueller zu gestalten. Dazu später mehr. Eins kann man ohne jede Kaffeesatzleserei schon heute vorhersagen: Der Service der Zukunft wird eine Mischform aus digitalen und analogen Lösungen sein. Die digitalen Optionen stehen jedem offen. Jeder kann sie auf die gleiche Weise bedienen – und kopieren. Die analogen Optionen nicht. Ihr Konkurrent kann Ihre Digitalstrategie kopieren – Normen und Standards verbreiten sich schnell. Ihre Mitarbeiter, deren Haltung und ihre Interaktion mit Menschen klonen kann er nicht. Und was zu Ihnen und Ihrer Marke passt, wird nie und nimmer genauso gut zu seiner Marke passen. Service hat den großen Vorteil, enorm individuell zu sein. Nicht nur im Sinne der Kundenorientierung, sondern auch in der Ausführung. Denn, und jetzt kommt noch ein Satz, der sinngebend für dieses Buch ist:

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Und als solche in Zeiten der digitalen Standards wertvoller als je zuvor. Denn sie, und nur sie, machen jenen Service jenseits der Norm.

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DIE MAGIE DES EINZELFALLS

Und genau das ist das Thema dieses Buches: Service, der mehr erfüllt als seinen Zweck. Es geht mir um Service, der sein volles Potenzial ausschöpft und seine volle emotionale Wirkung erzielt: für das Unternehmen, für die Menschen, die ihn gestalten, und für die Kunden. Von welcher Seite ein Teller angereicht wird und nach welchem Standard Kunden am Telefon begrüßt werden, ist nicht Gegenstand dieses Buches. Die Standards werden anderswo hervorragend beschrieben und variieren von Branche zu Branche, von Unternehmen zu Unternehmen. Hier dreht sich alles um die Magie des Einzelfalls. Um die Individualität jeder einzelnen Interaktion, in der die universelle Macht der Kundenbegeisterung steckt. Um flexible, anwendbare Strategien und praktische Lösungsideen.

Nicht um die Regel, sondern um die Haltung. Nicht um die Technik, sondern um die Idee. Nicht um die Weisungsbefugnis, sondern um die Gestaltungsmacht der Führung. Nicht um die Stellenbeschreibung als Mitarbeiter, sondern um ihre Rolle als Menschen und nicht um die Pflicht, sondern um die Freiheit, den Kunden zu begeistern.

Nicht um graue Theorie oder spekulative Kopfgeburten soll es gehen, sondern um den Service, den wir täglich machen. Sie und ich. Analog und digital. Von Menschen, mit Menschen, für Menschen. Vom Verkäufer, der Staubsauger verkauft und mit Amazon im Wettbewerb steht, über den Rezeptionisten, der Gäste betreut und dabei gegen Roboter antritt bis hin zum produzierenden Unternehmer, der mit physischen Produkten allein seinen Umsatz nicht mehr halten kann, und dem Automobilbauer, der sein Geschäftsmodell über den Haufen werfen und zum Dienstleister werden muss. Es geht um die Realität im Service, wie sie heute ist, auf dem Weg zum Service, wie er morgen sein wird. Nicht übermorgen, aber auch nicht vorgestern – heute und morgen. Nicht mehr und nicht weniger.

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SERVICE-WÜSTEN-BEGRÜNER

Wie jede Kunst verfolgt Service das Ziel, Menschen zu begeistern – oder sollte es tun. Und tut es viel zu oft eben nicht. Das ist ein Ansatz, mit dem wir jenseits aller Zukunftsmusik hier und heute schon sehr viel verändern und für unsere Zukunftsfähigkeit tun können. Diese Baustelle ist groß genug, tatsächlich, immer noch. Denn:

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Das klingt unfreiwillig komisch und ist es auch. Schlechter Service ist noch immer nicht die Ausnahme. Und weil Service immer wichtiger für das Überleben von Unternehmen wird, ist das ein gewaltiges Problem – aber auch eine gewaltige Chance.

Service könnte in so vielen Unternehmen heute schon so viel mehr zum Erfolg beitragen, wenn das Thema ernster genommen würde. Hier spreche ich besonders die Führungsetagen an, aber auch die Mitarbeiter und Führungskräfte auf allen Ebenen mit ihren täglichen Möglichkeiten.

Was lassen wir für Chancen liegen! Es ist beängstigend. Jeder Kunde, der auch nur einmal hervorragenden Service erlebt hat und einigermaßen reflektiert durch die Welt spaziert, muss immer wieder verständnislos den Kopf schütteln darüber, wie blöd wir uns oft anstellen. Und ich sage ausdrücklich: wir! Auch ich finde immer wieder Ecken und Winkel und manchmal großflächige Schluchten in meinen Unternehmen, die nur so danach schreien, mit einer sinnvollen Service-Lösung geschlossen zu werden. Weil ich sie zuvor einfach nicht gesehen habe oder weil es diesen konkreten Bedarf vor Kurzem einfach noch nicht gab.

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Manchmal sind es aufregende, hochtrabende Geniestreiche, die die Kundenerfahrung von Grund auf verändern. Doch viel öfter sind es die Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied machen. Ihnen kommen wir auf die Spur, indem wir den Kunden frei nach Martin Luther quasi aufs Maul schauen – also wirklich hinsehen, hinhören, hinspüren. Wenn wir das tun, zapfen wir einen unerschöpflichen Quell von Ideen und Optimierungsmöglichkeiten an: der aufgeblasene, viel zu komplizierte, ressourcenverschwendende Prozess, aus dem endlich die Luft rausgelassen wird. Der kleine Gewinn an Schnelligkeit an der entscheidenden Stelle, der für den eiligen Kunden eine Wohltat ist. Die vorausschauende Aufmerksamkeit einer Service-Mitarbeiterin, die sich daran erinnert, dass dieser Kunde immer zuerst einen Cappuccino trinkt, und ihn gleich bei der Begrüßung bereithält. Der kleine Funken Menschlichkeit in einer durchgetakteten, hochtechnisierten Welt, der dem gestressten Manager oder der erschöpften Mutter den Tag rettet.

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Service ist die Kunst und das Handwerk, das Gefühl und die Expertise. Service ist das, was Kunden begeistert und Unternehmen rettet. Die Erfüllung der Erwartungshaltung und die Überraschung, wenn sie übertroffen wird. Service ist das A und das O der Kundenorientierung, der Unterschied zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbeschwerde.

Exzellenter Service ist der Anfang und das Ende jeder großen Erfolgsgeschichte, und schlechter Service ist der Anfang vom Ende.

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WAS STEHT BEI IHNEN AUF DEM SPIEL?

Was wollen die Kunden von heute und morgen wirklich? Wo stehen wir im Wettbewerb mit der neuen digitalen Konkurrenz? Wie können wir (noch) besser werden? Was werden wir morgen tun, um Kunden zu begeistern? Warum fallen Unternehmen so oft hinter die Kundenerwartungen zurück? Wozu werden wir in einer digitalen Welt fähig sein? Wer sind wir als Führungskräfte und Mitarbeiter, und wenn ja, wie viele?

Fragen über Fragen – und Service ist die Antwort. Egal, was in Ihrem Unternehmen gerade ansteht: Die Antwort ist immer Service. Ob sie vom Silicon Valley bedroht werden, ob Sie mit unzufriedenen Kunden zu kämpfen haben, ob der Umsatz schwächelt oder ob Sie einfach nur die Besten in Ihrer Branche werden wollen: Mit Service kriegen Sie jede Ihrer Herausforderungen in den Griff.

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Einem aber gefällt diese Antwort nicht. Und diesen Zeitgenossen möchte ich Ihnen vorstellen, bevor es losgeht, denn er wird Sie durch dieses Buch begleiten. Und seinen besten Kumpel zerren wir auch gleich hinter den Kulissen hervor, denn der eine kann ohne den anderen nicht existieren: der SEMO und der COMO.

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Exkurs in die freie Wildbahn: SEMO und COMO – zwei gegen den Kunden

SEMO, der Service Monkey

Gestatten: Das ist SEMO, der Service Monkey. SEMO ist die personifizierte Service-Wüste. Wo er auftaucht, sind wütende Kunden nicht weit. Denn SEMO ist der Wutbürger unter den Dienstleistern: Er ist vor allem anti. Anti Innovation. Anti Empathie. Anti Sonderwünsche. Anti Digitalisierung. Anti Herzlichkeit. Anti Kundenbegeisterung. Anti Freude. Anti alles, worauf man sich persönlich einlassen muss. Für SEMO ist der Kunde eine Bedrohung und die Wünsche des Kunden sind Stolpersteine auf dem Weg in den frühen Feierabend. Er will nicht nachdenken. SEMO steht total auf Prozesse, auf AGB, auf Fristen und auf Kundenabwehrmaßnahmen. „Nein, das geht nicht!“ ist sein Lieblingssatz. Einen Punkt auf der Liste abhaken, das macht SEMO glücklich.

Aber wenn ein Kunde einen Sonderwunsch hat oder gar individuelle Betreuung erwartet, will SEMO weg. Nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Hilflosigkeit. SEMO ist eindeutig ein Fluchttier. In einem Satz: SEMO ist der Mitarbeiter, der lieber erst mal den Chef fragt. Es sei denn, er kriegt es selbst hin, den Kunden effektiv zu verprellen.

Mehr muss ich Ihnen über SEMO nicht erzählen. Sie haben längst ein Bild davon, wen ich meine. Denn selbst, wenn es in Ihrem Unternehmen keine SEMOs geben sollte (und ich muss Ihnen leider sagen: Das ist nicht sehr wahrscheinlich), kennen Sie unzählige SEMOs aus leidvoller Erfahrung als Kunde.

Und SEMO ist in seiner Mission, Kunden zu verprellen, nicht allein. SEMO hat einen Bruder im Geiste – und die beiden treten fast immer gemeinsam auf. Denn SEMO ist ein enger Verwandter von COMO, dem Corporate Monkey – dem Protagonisten meines Buches Ohne Freiheit ist Führung nur ein F-Wort. Um ihn geht es hier nicht, doch auch ihm werden Sie in diesem Buch zwangsläufig hin und wieder begegnen – insbesondere in Kapitel 5, wo es um die Wirkung von Führung auf Service-Excellence geht. Denn wo es SEMOs gibt, sind die COMOs nicht weit. Deshalb gestatten Sie mir, Ihnen auch COMO kurz vorzustellen.

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COMO, der Corporate Monkey

COMOs sind Führungskräfte mit großen Ambitionen und wenig Engagement. Diese beiden Attribute verwechseln wir gern: Dass jemand ambitioniert ist, heißt ja noch nicht, dass er sich wirklich reinhängen wird. COMOs klettern nur aus einem Grund die Karrierepalme nach oben: Sie sind scharf auf die Kokosnuss, ihren eigenen geldwerten Vorteil. Das Unternehmen ist ihnen egal.

Die COMOs sind die Speerspitze des Monkey Business, wo Freiheit ein Schimpfwort ist. Diese Führungskräfte gibt es in jedem Unternehmen. Auf allen Ebenen sind sie anzutreffen. Von ganz unten in der Hierarchie bis hinauf in den Vorstand. Das sind die Führungskräfte, die sich pudelwohl fühlen im Zwangskorsett der Abhängigkeiten. Sie tragen den richtigen Anzug. Sie hangeln sich mehr oder weniger elegant die Karriereleiter hoch. Sie küssen im Vorbeigehen die richtigen Hintern. Sie scheinen immer den richtigen Riecher zu haben, um es noch einen Schritt weiter nach oben zu bringen. Aber eigentlich ist alles, was sie tun und sagen, irrelevant.

Was sie tun, das nennen sie Führung. Sie jagen alle der gleichen Kokosnuss hinterher. Und diese Kokosnuss, die nennen sie dann auch noch Erfolg. Corporate Monkeys machen Führung durchschnittlich – und durchschnittliche Führung macht Corporate Monkeys.

Dieser Spezies fehlt das, was Führung erst ihren Sinn gibt: der Wille zur Freiheit.

SEMO und COMO: Zwei wie Pech und Schwefel

COMO hat in diesem Buch nur ein Gastspiel. Doch ihn zu kennen ist wichtig, um zu verstehen, wo die SEMOs herkommen. Im staubtrockenen, bürokratiefreundlichen Klima der Abhängigkeit, das die COMOs geschaffen haben, gedeiht die Spezies famos, die Ihnen auf den folgenden Seiten immer wieder begegnen wird: SEMO. Denn COMOs züchten SEMOs. Sie brauchen sie dort, wo ihr gemeinsamer Feind auftritt: an den Schnittstellen des Unternehmens mit dem Kunden. Also: im Service.

COMO braucht SEMO, damit der ihm den Kunden vom Leib hält, mit seinen sich ständig wandelnden Bedürfnissen und Sonderwünschen. Denn die Veränderungen in der Lebenswelt der Kunden sind der Grund für den Wandel in unseren Unternehmen. Und wenn es etwas gibt, das COMO gar nicht leiden kann, dann, etwas verändern zu müssen am bequemen System, das er sich eingerichtet hat. SEMO ist COMOs Wachhund – abgerichtet, um den Kunden zu verbellen. Und SEMO fühlt sich wohl in dieser Rolle. Denn während COMO das Unternehmen egal ist, ist SEMO vor allem der Kunde egal. Er verbellt ihn mit Freude – das ist nämlich einfacher, als auf ihn einzugehen. SEMO, der Wachhund, ist das personifizierte Wartezimmer oder vielmehr: die besonders unfreundliche Sprechstundenhilfe in diesem Wartezimmer. Das Gesicht zur Faust geballt, den Kunden mit gefletschten Zähnen fixiert, macht er brav seinen Job – indem er seinen Job eben nicht macht.

Duo infernale

Deshalb verstehen sich SEMO und COMO so gut: Der eine profitiert von dem System der Abhängigkeiten, das der andere eingerichtet hat. Das System von Weisung und Kontrolle, in dem man immer nur abarbeiten muss und nie nachdenken. COMOs machen alles, nur nicht führen. Und SEMOs machen alles, nur nicht Service.

SEMO und COMO sind zwei wie Pech und Schwefel. Wie Dick und Doof, Starsky und Hutch oder Erkan und Stefan. Wir dürfen über sie lachen, denn Lachen ist der beste Weg zur Erkenntnis. Nur eines dürfen wir dabei nicht vergessen: Der Kunde hat bei diesen beiden rein gar nichts zu lachen. Und es ist an uns, daran etwas zu ändern.

Der Schocker kommt zum Schluss: Wir sind alle ein bisschen SEMO. So wie wir in der Führung auch alle ein bisschen COMO sind. Ich nehme mich dabei nicht aus. Auch ich habe Service von SEMOs gelernt, und Führung von COMOs. Auch ich habe einen langen Weg hinter mir. Auch ich kämpfe immer wieder mal gegen den SEMO und gegen den COMO in mir. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, sich aus dem alten System Weisung und Kontrolle zu verabschieden. Und ich weiß auch, dass es nicht leicht ist, anspruchsvolle Kunden zu begeistern. Gerade deshalb habe ich dieses Buch geschrieben: Es ist eine Therapiemaßnahme im Umgang mit dem ewigen SEMO in mir. Und ich wünsche mir, dass es Ihnen denselben Dienst erweist.

Nun wissen wir, mit wem wir es zu tun haben: Zwei schlitzohrige Halunken sind es, die den Unterschied zwischen Kundenbeschwerde und Kundenbegeisterung machen.

Kundenbegeisterung entsteht durch exzellenten Service. SEMOs machen alles, nur keinen exzellenten Service. Und die COMOs haben den SEMOs mit ihrer schlechten Führung ein Biotop geschaffen.

Es wäre einfach, SEMO anzuklagen, zu verurteilen und zu vertreiben. Und COMO am besten gleich mit. Doch so einfach ist es nicht, denn: Ein bisschen SEMO steckt ja in jedem von uns. Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger.

Wir sind die, die den Wandel gestalten. Wir sind die, die eine Wahl haben: verändern oder verweigern. Wir sind SEMO. Wenn wir unseren Kunden exzellenten Service bieten und unsere Unternehmen erfolgreich in die Zukunft führen wollen, gibt es nur eine Lösung: SEMO aus der Gefangenschaft befreien, sein Wachhund-Dasein beenden und ihn dabei unterstützen, endlich seine wahre Bestimmung zu erfüllen: als Kundenbegeisterer.

Wenn dieses Buch nur ein Ziel hat, dann dieses: aus SEMO eine echte, herzliche Service-Persönlichkeit zu machen. Machen wir aus SEMO einen Gastgeber, einen Service-Enthusiasten, einen Herzlichkeitsexperten! Machen wir SEMO handlungsfähig!

Damit bleibt eigentlich nur noch eine Frage offen: Wie stellen wir das an? Wie geht exzellenter Service? Und ich bin froh, dass Sie fragen, denn wir reden immer viel zu viel über das Was und viel zu wenig über das Wie. Das ist ein weiteres Prinzip, von dem Sie in diesem Buch nicht zum letzten Mal gelesen haben.

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Ab hier geht es um die Frage nach dem Wie. Und für die Antwort auf diese Frage brauche ich mehr als ein Wort. Ich versuche es mal auf 250 Seiten. Wenn Sie danach immer noch nicht genug haben – und das hoffe ich sehr –, lassen Sie uns weiterreden. Kontaktieren Sie mich gern unter www.carsten-k-rath.de. Wenn Sie mögen und auf dem Laufenden bleiben wollen, lesen Sie meinen Blog und folgen Sie mir gern auch auf meinen Social-Media-Kanälen. Schreiben Sie mir und nutzen Sie die Gelegenheit, meine Beiträge zu kommentieren. Die offene Diskussion macht uns alle nicht nur schlauer, sondern auch besser. Denn Service bleibt nicht stehen, weil der Mensch mit seinen Bedürfnissen sich immer weiterentwickelt. Entweder entwickeln wir uns mit oder wir bleiben zurück.

Es geht immer um alles!

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Jeder hat ein konkretes Bild vor Augen, wenn er das Wort „Service“ hört. Sie bestimmt auch. Der eine denkt an den livrierten Pagen, der ihm vor dem Hotel das Gepäck abnimmt. Ein anderer denkt an die freundliche Flugbegleiterin, die ihm eine Decke bringt – weil sie gemerkt hat, dass ihm kalt ist. Wieder ein anderer denkt an die Verkäuferin, die aus Kulanz den Pullover zurücknimmt, obwohl die Umtauschfrist schon vorbei ist. Das alles nennen wir Service.

Erkennen Sie das Muster? Eigentlich ist das mit dem Service ganz einfach.

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Völlig egal, was das ist. Und das, was Ihr Kunde will – das ist das, was Sie brauchen. Das Wesen des Service ist das Prinzip radikaler Kundenorientierung. Wir verhelfen dem Kunden zu einem schönen Leben – la dolce vita –, und sei es auch nur in diesem einen Augenblick. Und wenn er uns damit identifiziert, dann ist der Zustand der Kundenbegeisterung erreicht, nach dem wir alle streben.

Ich habe von einem früheren Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gelernt, wie man mit Service-Excellence identifiziert und zur Lieblingsmarke wird. Der Name meines Service-Helden Nr. 1 lautet: Bill Clinton.

Das mag Sie ein wenig überraschen. Bill Clinton ist ja für vieles bekannt. Jüngst etwa dafür, dass er im fortgeschrittenen Alter, viele Jahre nach dem Ende seiner eigenen Amtszeit als Staatsoberhaupt, um ein Haar auch noch First Gentleman der USA geworden wäre. Neben seinen Errungenschaften als Präsident ist auch das eine oder andere Skandälchen in der öffentlichen Erinnerung hängengeblieben.

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Für seine Service-Expertise hingegen ist William Jefferson „Bill“ Clinton eigentlich nicht bekannt. Wenn Sie mich fragen: eine Wissenslücke im allgemeinen Narrativ. Der Mann ist ein Menschenbegeisterungsgenie. Ich habe es am eigenen Leib erlebt, und ich zehre noch heute davon. Meine Begegnung mit Bill Clinton hat meine Philosophie der Service-Excellence geprägt wie keine andere.

Das Ziel von exzellentem Service ist es, Kunden zu Fans fürs Leben zu machen. Manche von uns – ich zum Beispiel – verbringen Jahrzehnte damit, die Geheimnisse der Service-Excellence zu ergründen. Wir widmen unser Leben dem Service und kämpfen jahrein, jahraus um die Gunst unserer Kunden.

Wissen Sie, wie lange Bill Clinton gebraucht hat, um mich zu einem Fan fürs Leben zu machen? Fünf Sekunden.

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EIN ABEND DER EXZELLENZ