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Peter Lynch

Manager des Fidelity Magellan Fund und John Rothchild

DER BÖRSE EINEN SCHRITT VORAUS

Wie auch Sie mit Aktien verdienen können!

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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

Copyright der Originalausgabe 1989:

Die Verwendung der Charts erfolgte mit freundlicher Genehmigung der Securities Research Company, einer Abteilung von Babson-United Investment Advisors Inc. Die Verwendung von Auszügen der Ford-Jahresbilanz erfolgte mit freundlicher Genehmigung der Ford Motor Company.

Covergestaltung: Johanna Wack

ISBN 978-3-86470-565-6
eISBN 978-3-86470-566-3

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Für Carolyn, meine Frau und zugleich mein bester Freund seit über 20 Jahren. Ihre Unterstützung und ihr gleichzeitiger Verzicht auf so vieles sind für mich über alle Maßen wichtig gewesen.

Für meine Kinder Mary, Annie und Beth, deren Liebe füreinander und für ihre Eltern so unsagbar viel bedeutet hat.

Für meine Kollegen bei Fidelity Investments, deren zusätzliche Leistungen maßgeblich zu Magellans hervorragender Entwicklung beitrugen, die aber bisher nie etwas von der positiven Publicity abbekamen.

Für die rund eine Million Anteilseigner des Magellan Fund, die mir ihre Ersparnisse anvertraut haben und mir in den vergangenen Jahren in Tausenden von Briefen und Telefonanrufen immer wieder Mut machten, wenn der Markt einmal fiel, und mich darin bestärkten, dass die Zukunft sicher Gutes bringen würde.

Ich danke Gott für den unvorstellbar großen Segen, den ich in meinem bisherigen Leben erfahren durfte.

INHALT

VORWORT DES VERLEGERS

VORWORT DES AUTORS

PROLOGErinnerungen an Irland

EINFÜHRUNGDie Vorteile des Laien

TEIL 1DIE VORBEREITUNG

KAPITEL 1Der Weg zum Aktienprofi

KAPITEL 2Die doppelzüngigen Börsenprofis

KAPITEL 3Sind Aktien etwa ein Glücksspiel?

KAPITEL 4Haben Sie das Zeug zum Börsianer?

KAPITEL 5Ist der Markt gerade günstig? Fragen Sie das bitte nie

TEIL 2AUSWAHL DER GEWINNER

KAPITEL 6Auf der Pirsch nach dem Tenbagger

KAPITEL 7Ich hab’s, ich hab’s, was ist es?

KAPITEL 8Die ideale Aktie – was für ein Geschäft!

KAPITEL 9Aktien, die ich meiden würde

KAPITEL 10Gewinne, Gewinne und noch mal Gewinne

KAPITEL 11Die 2-Minuten-Übung

KAPITEL 12Wie Sie an die Fakten kommen

KAPITEL 13Die wichtigsten Kennzahlen

KAPITEL 14Bleiben Sie am Ball

KAPITEL 15Zum Schluss eine Checkliste

TEIL 3AUF LANGE SICHT

KAPITEL 16Das Gestalten eines Depots

KAPITEL 17Der beste Zeitpunkt für Kauf und Verkauf

KAPITEL 18Die zwölf dümmsten Dinge, die Leute über Aktienkurse sagen

KAPITEL 19Optionen, Terminkontrakte und Leerverkäufe

KAPITEL 20Auch 50.000 Franzosen können sich irren

EPILOGAlles im Griff

DANKSAGUNGEN

VORWORT DES VERLEGERS
DER DEUTSCHEN AUSGABE

Wenn ich von einem Buch mit Fug und Recht sagen kann, es hat mein Leben geprägt, dann ist es dieses Buch, das Sie gerade in den Händen halten. Als ich im Jahr 1989 anfing, Börsenbücher für den damals noch im Entstehen begriffenen deutschen Anlagemarkt zu verlegen, war „Der Börse einen Schritt voraus“ mein Erstling.

Die Weisheiten des zu jener Zeit bereits legendären Fondsmanagers Peter Lynch begeisterten mich schon lange. In seiner Ära beim Fidelity Magellan Fund erzielte er eine unglaubliche Performance: im Durchschnitt knapp 30 Prozent pro Jahr über mehr als ein Jahrzehnt! Ihn getroffen und verlegt zu haben, bedeutet mir heute noch sehr viel.

Nach sieben erfolgreichen Auflagen und vielen Tausend verkauften Exemplaren war es nun an der Zeit, Peter Lynch ebenfalls der nächsten Börsianer-Generation zugänglich zu machen. Durch eine günstige Soft-cover-Ausgabe möchte ich auch Anleger erreichen, die sich Peter Lynch nicht als gewaltiges Hardcover in den Schrank stellen würden.

Wir haben bei dieser Neuausgabe bewusst auf jegliche Form der Aktualisierung verzichtet. Für mich ist dieses Buch ein Klassiker, der über die Jahre hinweg nichts von seiner Weisheit verloren hat. Aus Respekt davor haben wir die Charts und Beispiele übernommen, wie Lynch sie vor beinahe 30 Jahren persönlich für sein Buch ausgewählt hat, und bieten damit gleichzeitig eine Retrospektive in die Börsenwelt des Jahres 1989.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre dieses außergewöhnlichen Buches!

Bernd Förtsch, Verleger
Kulmbach, im Oktober 2017

VORWORT DES AUTORS
ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

In den 15 Monaten seit Erscheinen der ersten Ausgabe dieses Buches ist auf den Finanzmärkten der Erde einiges geschehen. Doch an meiner Auffassung von „investieren“ und der Art und Weise, wie dies bewerkstelligt werden sollte, hat sich nichts geändert. Warum auch? Solange es funktioniert, besteht dazu kein Anlass und dass es funktioniert, hat sich auch 1988 und 1989 wieder bewiesen: Die Wertsteigerung des Magellan Fund übertraf die des Gesamtmarktes in einem beträchtlichen Ausmaß. Mehr noch, über die letzten fünf Jahre gesehen schlug Magellan 99 % aller anderen Investmentfonds und das, obwohl er als größter Fonds der USA hierbei durchaus mit einem gewissen Nachteil zu kämpfen hat.

Die grundsätzliche Ansicht, die ich in meinem Buch vertrete, besteht unverändert fort: Der durchschnittliche Kapitalanleger verfügt über alle notwendigen Voraussetzungen, um im Aktienmarkt erfolgreich sein zu können, obwohl gerade das viele nicht von sich zu glauben scheinen. Darüber hinaus bin ich sogar der Meinung, dass der Amateurinvestor gegenüber den meisten Börsenprofis im Vorteil ist, denn die besten Anlagemöglichkeiten finden sich in der Welt, in der wir leben, nicht an der Börse.

Ein anderer Aspekt, den dieses Buch jedermann nahebringen soll, ist die Tatsache, dass man mit Aktien erfolgreich sein kann, auch ohne den Markt vorhersehen zu können. Ich kann ihn ebenfalls nicht vorhersehen! Ich wünschte, ich könnte – es würde meine Arbeit um vieles einfacher machen –, aber ich kann es nicht. Ich glaube zwar, dass wir uns nun, nach acht Jahren ständigen Anstiegs, im US-Markt einem oder zwei rückläufigen Jahren gegenübersehen, aber sicher weiß ich das auch nicht. Doch selbst wenn der Markt nachhaltig nach unten gehen würde, so wie es in der Vergangenheit des Öfteren geschehen ist, würde ich weiterhin Aktien kaufen, möglicherweise sogar mehr als vorher.

Auch die politischen Veränderungen in der Welt kann niemand vorhersagen. Eine Vielzahl von Investoren betrachten die jüngsten historischen Ereignisse in Deutschland und wünschten, sie hätten sie vorhersehen und mit einem schnellen Profit daran teilhaben können. Aber warum? Der bessere Weg, so meine ich, wäre, sich etwas Zeit zu nehmen und in denjenigen Branchen nach den besten Firmen Ausschau zu halten, die am meisten von diesem enormen politischen Umschwung profitieren werden: Technik, Bau, Telekommunikation und so weiter. Das jedenfalls habe ich getan – im vergangenen Herbst, als die ganze Welt bereits von den Geschehnissen wusste – und ich tue es noch immer.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass auch die besten Anlageprogramme Zeit brauchen, um gute Resultate hervorzubringen. Wenn ich zurückschaue, stelle ich fest, dass einige meiner erfolgreichsten Investitionen zwei, drei und sogar bis zu sieben Jahre benötigt haben, um sich letztendlich so zu entwickeln, wie ich das erwartete. Zeit ist ein wichtiger Bestandteil, wenn es um Geldanlage geht. Ich glaube, Sie sind auf dem richtigen Weg, wenn Sie sich die Zeit nehmen, dieses Buch zu lesen.

Ihr
Peter Lynch
Boston, im März 1990

PROLOG

ERINNERUNGEN AN IRLAND

Man kann heute das Thema „Börse“ kaum mehr aufgreifen, ohne die Ereignisse zwischen dem 16. und 20. Oktober 1987 zu analysieren. Es war eine der ungewöhnlichsten Wochen, die ich je erlebt habe. Wenn ich jetzt, mehr als ein Jahr später, mit einem gewissen Abstand daran zurückdenke, kann ich beginnen, die Sensationsmeldungen von den tatsächlich wichtigen Begebenheiten zu trennen. Was dabei der Erinnerung wert ist, stellt sich mir heute wie folgt dar:

imageAm 16. Oktober, einem Freitag, fuhren meine Frau Carolyn und ich kreuz und quer durch County Cork in Irland und verbrachten dabei einen herrlichen Tag. Da ich höchst selten Urlaub mache, war die Tatsache, dass ich überhaupt in Irland herumreiste, an sich bereits ungewöhnlich. Dass ich aber kein einziges Mal anhielt, um die Zentralen an der Börse notierter Firmen zu besuchen, war außergewöhnlich. Normalerweise mache ich Umwege von 100 Meilen, um die letzten Neuigkeiten über Umsätze, Lagerbestände und Gewinne in Erfahrung zu bringen, aber hier schien es in einem Umkreis von 250 Meilen kein infrage kommendes Unternehmen zu geben.

imageWir besuchten Blarney Castle, wo der sagenumwobene Blarney-Stein mehrere Stockwerke über dem Erdboden schlecht zugänglich auf der Spitze des Gebäudes in einem Gerüst platziert ist. Man muss sich auf dem Rücken liegend über ein Metallgitter hinweghangeln, das vor einer verhängnisvollen Falltür schützt, um dann, während man sich quasi zur eigenen psychologischen Unterstützung an einem Halteseil festklammert, den legendären Stein zu küssen. Den Blarney-Stein zu küssen ist tatsächlich so aufregend, wie erzählt wird, vor allem, wenn es anschließend darum geht, wieder heil herunterzukommen.

imageErholt haben wir uns vom Blarney-Stein, indem wir ein ruhiges Wochenende beim Golfspielen verbrachten – am Samstag in Waterville und am Sonntag in Dooks – sowie während der Fahrt auf der wunderschönen Küstenstraße von Kerry.

imageAm Montag, dem 19. Oktober, stand ich dann letztendlich einer Herausforderung gegenüber, die mir alles an Ausdauer und Konzentration abverlangte, was ich aufbringen konnte: den 18 Löchern des Killeen-Golfkurses in Killarney, einem der schwierigsten Kurse der Welt.

imageNachdem ich meine Golfausrüstung wieder im Auto verstaut hatte, fuhr ich mit Carolyn hinaus auf die Dingle-Halbinsel, wo wir uns im gleichnamigen Badeort in das Skellig Hotel einquartierten. Ich muss wohl müde gewesen sein, denn ich habe den ganzen Nachmittag das Hotelzimmer nicht mehr verlassen.

imageAbends waren wir dann mit unseren Freunden Elisabeth und Peter Callery in einem weithin bekannten Fischrestaurant namens „Doyle’s“ zum Essen verabredet. Am darauffolgenden Tag, dem 20. Oktober, flogen wir nach Hause.

Störungen am Rande

Natürlich habe ich es versäumt, ein paar geringfügige Störungen zu erwähnen. Im Nachhinein scheinen sie mir jedoch kaum der Rede wert zu sein, so wie man sich nach einem Jahr zwar noch an die Sixtinische Kapelle erinnert, nicht aber an die Blasen, die man sich lief, als man kreuz und quer durch den Vatikan marschierte. Im Rahmen einer vollständigen Wiedergabe meiner Erlebnisse erzähle ich Ihnen aber trotzdem, was mich damals wirklich quälte:

imageAm Donnerstag, als wir Richtung Irland abflogen, fiel der Dow Jones Index um 48 Punkte, und am Freitag, unserem Ankunftstag, fiel eben-dieser Index nochmals um 108,36 Punkte. Ich fragte mich, ob ich überhaupt im Urlaub sein sollte.

imageSelbst als ich den Blarney-Stein küsste, war ich in Gedanken beim Dow Jones. Das ganze Wochenende hindurch, auch zwischen den Golfrunden, sprach ich von jedem erreichbaren Telefon aus mit meinem Büro darüber, welche Aktien verkauft und welche zu Ausverkaufspreisen gekauft werden sollten, wenn der Markt noch weiter fallen würde.

imageAm Montag, als ich auf dem Killeen-Golfkurs in Killamey Golf spielte, fiel der Dow Jones um weitere 508 Punkte.

imageEs war dem Zeitunterschied zu verdanken, dass ich die Golfpartie mehrere Stunden vor Börsenbeginn beendete, ansonsten hätte ich sicher noch wesentlich miserabler gespielt. Trotzdem muss sich wohl seit Freitag in mir ein Gefühl des Unbehagens und des drohenden Unglückes gehalten haben. Das würde zumindest erklären, warum ich erstens schlechter einlochte als gewöhnlich, was ohnehin schon schlecht genug ist, und zweitens sogar die Zahl der benötigten Schläge vergaß. Eine andere Zahl jedoch bekam ich an diesem Montag nicht mehr aus dem Kopf: die rund eine Million Anteilseigner des Magellan Fund hatten in der vorangegangenen Börsensitzung gerade 18 Prozent ihres Vermögens verloren – umgerechnet zwei Milliarden Dollar!

Der Gedanke daran ließ mich auf dem Weg nach Dingle alles um mich herum vergessen. Ich hätte genauso gut an der Ecke 42. Straße und Broadway stehen können, ohne es zu merken.

Es war auch keineswegs so, dass ich im Skellig Hotel ein Nickerchen machte, wie das im vorigen Abschnitt Gesagte den Anschein erweckt haben mag. Stattdessen stand ich in ständigem Telefonkontakt mit meinem Büro in Boston, um zu entscheiden, welche der 1.400 in meinem Fonds befindlichen Aktienwerte verkauft werden sollten, um die Barmittel für die ungewöhnlich hohe Zahl von Zertifikatsrückgaben aufzutreiben. Wir haben zwar immer genug Barreserven für den normalen Geschäftsverlauf, nicht aber unter den Umständen dieses 19. Oktobers. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wusste ich nicht mehr, ob das nun das Ende der Welt bedeutete, ob es der Anfang einer Depression war oder ob die Dinge gar nicht so schlimm standen und lediglich der Börse der Garaus gemacht wurde.

Meine Mitarbeiter und ich verkauften, was wir verkaufen mussten. Zuerst trennten wir uns an der Londoner Börse von einigen britischen Aktienwerten. Am Montagmorgen notierten die Kurse in London im Allgemeinen noch höher als in New York, weil zufälligerweise, aufgrund eines sehr selten vorkommenden heftigen Sturmes, die Londoner Börse am vorausgegangenen Freitag geschlossen werden musste und so von dem starken Kursverfall dieses Tages verschont blieb. Danach verkauften wir in New York, und zwar vor allem zu Beginn der Börsensitzung, als der Dow Jones erst 150 Punkte gefallen war, aber schon kontinuierlich auf seinen Höchstverlust von 508 Punkten zusteuerte.

An diesem Abend hätte ich Ihnen nicht sagen können, welche Art von Fischgericht ich im „Doyle’s“ aß. Es ist unmöglich, Kabeljau von Krabben zu unterscheiden, wenn sich ihr Fondsvermögen gerade um den Gegenwert des Bruttosozialprodukts einer kleinen Seefahrernation dezimiert hat.

Am 20. Oktober flogen wir heim, weil ich einfach aufgrund der ganzen Geschehnisse so schnell wie möglich wieder in mein Büro zurück wollte. Auf diese Situation hatte ich mich ohnehin bereits seit unserem Ankunftstag in Irland vorbereitet. Kurz und gut, die Probleme hatten mich eingeholt.

Die Lektionen des Oktobers

Ich habe schon immer die Meinung vertreten, dass Aktionäre die Auf- und Abbewegungen des Gesamtmarktes ignorieren sollten. Glücklicherweise hielt sich auch die weitaus größere Anzahl der Investoren daran. So wechselten zum Beispiel während dieser verhängnisvollen Oktobertage von der einen Million Anteilseigner des Fidelity Magellan nur drei Prozent zu einem Geldmarktfonds. Aber aus Verzweiflung verkaufen heißt immer auch unter Wert verkaufen.

Selbst wenn Sie der 19. Oktober sehr nervös gemacht haben sollte, hätten Sie an diesem Tag nicht verkaufen müssen, nicht einmal am darauffolgenden Tag. Sie hätten Ihr Aktiendepot nach und nach reduzieren können und wären dennoch besser gefahren als die Panikverkäufer, denn ab Dezember stiegen die Kurse wieder stetig an. Bis Juni 1988 hatte der Markt 400 Punkte des Rückgangs aufgeholt, ein Zuwachs von mehr als 23 Prozent.

Zu all den Dutzenden von Lektionen, die wir aus dem Oktober gelernt haben sollten, kann ich drei weitere hinzufügen:

(1) Lassen Sie sich niemals durch irgendeinen
Unfug Ihr gutes Depot ruinieren.

(2) Lassen Sie sich niemals durch irgendeinen Unfug Ihren Urlaub ruinieren.

(3) Reisen Sie nie ins Ausland, wenn Sie nicht genug Bargeld haben.

Ich könnte wahrscheinlich noch mehrere Kapitel mit den Höhepunkten dieses Oktobers füllen, aber ich würde nur Ihre Zeit verschwenden. Ich ziehe es vor, über etwas zu schreiben, das Sie sicherlich für ungleich wertvoller erachten, nämlich, wie man die herausragenden Aktienwerte findet. Ob es sich nun um einen 508-Punkte-Tag oder einen 108-Punkte-Tag handelt, letztlich werden die überdurchschnittlichen Unternehmen Erfolg haben, während die mittelmäßigen Unternehmen scheitern werden – und die jeweiligen Aktionäre werden entsprechend belohnt.

Übrigens, sobald mir einfällt, was ich an jenem Abend bei „Doyle’s“ gegessen habe, lasse ich es Sie wissen.

EINFÜHRUNG

DIE VORTEILE DES LAIEN

Dies ist der Moment, in dem der Autor, selbst ein professioneller Investor, dem Leser verspricht, ihn auf den folgenden Seiten in die Geheimnisse seines Erfolgs einzuweihen. Aber die Regel Nummer 1 in meinem Buch lautet: Hören Sie nicht immer auf die Profis! 20 Jahre in diesem Geschäft haben mich davon überzeugt, dass jeder normale Mensch, der die üblichen drei Prozent seines Gehirnes benutzt, bei der Aktienauswahl mindestens genauso gut, wenn nicht besser liegen kann als der durchschnittliche Börsenexperte.

Sicherlich erwarten Sie kaum von einem Schönheitschirurgen den Rat, Ihr Gesicht selbst zu liften, noch von einem Installateur die Empfehlung, den Heißwasserboiler selbst einzubauen, oder von einem Friseur den Vorschlag, sich die Haare selbst zu schneiden. Aber hier geht es nicht um operieren, installieren oder frisieren. Hier geht es um investieren, wobei sich der Profi nicht immer so profihaft und der Laie nicht immer so laienhaft benimmt, wie man denkt. Der Laie ist nur dann der Dümmere, wenn er versucht, sich nach dem vermeintlich schlauen Profi zu richten.

Tatsache ist, dass der Amateuraktionär zahlreiche ungeahnte Vorteile hat, durch die er, wenn er sie richtig nutzt, sowohl die Börsenprofis als auch den Gesamtmarkt übertreffen kann. Wenn man sich schon seine Aktien selbst auswählt, dann sollte man auch die Experten überflügeln. Andernfalls brauchte man sich damit ja nicht zu befassen, oder?

Ich werde mich jedoch nicht dazu verleiten lassen, Ihnen zu empfehlen, nun alle Ihre Fondsanteile zu verkaufen. Wenn das in größerem Umfang geschehen würde, wäre ich schließlich meinen Job los. Abgesehen davon ist nichts an Fondsanteilen auszusetzen, besonders nicht an jenen, die ihren Käufern gute Profite bescheren. Ehrlichkeit, nicht Unbescheidenheit veranlasst mich in diesem Zusammenhang zu der Feststellung, dass bereits Millionen von Kleinanlegern mit ihrem Investment im Fidelity Magellan Fund satte Gewinne erzielt haben. Das war auch der Anlass, warum ich gebeten wurde, dieses Buch zu schreiben. Ein Publikumsfonds ist eine wunderbare Erfindung für all die Leute, die weder Zeit noch Lust haben, an der Börse ihre Talente zu erproben, oder nur kleinere Beträge anlegen können und durch Streuung das Risiko begrenzen wollen.

Wenn Sie sich aber entschieden haben, auf eigene Faust zu investieren, dann sollten Sie auch konsequent daran festhalten. Das bedeutet, dass Sie die heißen Tipps, die Brokerempfehlungen und die letzten „Da muss man dabei sein“-Ratschläge der bekannten Börsenzeitschriften zugunsten Ihrer eigenen Analysen gar nicht erst zur Kenntnis nehmen sollten. Es kann auch bedeuten, dass Sie Aktien, von denen Sie hören, dass ein Peter Lynch oder eine andere vergleichbare Autorität sie kauft, links liegen lassen.

Es gibt mindestens drei gute Gründe dafür, nicht zu kaufen, was Peter Lynch kauft:

(1) Er könnte falschliegen! (Eine lange Liste von Flops aus meinem Portfolio erinnert mich laufend daran, dass sich der sogenannte Börsenprofi in 40 Prozent aller Fälle ausgesprochen dumm verhält.)

(2) Selbst wenn er richtigliegt, erfahren Sie nie, wann er seine Meinung ändert und verkauft.

(3) Sie mögen die besseren Informationsquellen haben, und zwar direkt in Ihrer Umgebung. Was Ihre Informationsquellen in jedem Fall besser macht, ist die Tatsache, dass Sie sie selbst im Auge behalten können, so wie ich meine im Auge behalte.

Wenn Sie nur halbwegs wachsam bleiben, können Sie die interessantesten Unternehmen direkt im Umfeld Ihres Arbeitsplatzes oder im nächstgelegenen Einkaufszentrum aufspüren und dies lange bevor die Börse darauf stößt. Es ist fast unmöglich, dass Sie sich bei dem heutzutage allgemein ausgeprägten Verbraucherbewusstsein nicht ohnehin bereits einmal grundsätzliche Informationen über einige bestimmte Unternehmen beschafft haben – und wenn Sie in der Industrie tätig sind, ist das umso leichter und umso besser für Sie, denn gerade da finden sich auch die Tenbagger. Von meinem „Thron“ bei Fidelity aus habe ich das immer wieder festgestellt.

Diese wunderbaren Tenbagger

Im Börsenjargon ist ein Tenbagger eine Aktie, mit der man sein Geld verzehnfacht. Ich vermute, dass dieser Spezialausdruck aus dem Baseball entliehen wurde, wo allerdings nur bis zum Fourbagger (Vierfachpunkt) gezählt wird (auch „Homerun“ genannt). Ein Fourbagger ist nach meinem Dafürhalten zwar recht ansehnlich, aber wenn Sie jemals bei einer Aktienspekulation einen Tenbagger erzielt haben, dann wissen Sie, welchen außergewöhnlichen Reiz das ausüben kann.

Schon am Anfang meiner Karriere entwickelte ich eine Leidenschaft für das Verzehnfachen meines Geldes. Der Wert der ersten Aktie, die ich kaufte, Flying Tiger Airlines, vervielfachte sich derart oft, dass ich damit mein gesamtes Studium finanzierte. Im letzten Jahrzehnt haben ebendiese gelegentlichen Five- und Tenbagger und die selteneren Twenty-bagger meinem Fonds geholfen, die Konkurrenz hinter sich zu lassen – und das mit immerhin 1.400 verschiedenen Aktienwerten. In einem kleinen Depot kann bereits eine dieser bemerkenswerten Aktien eine schon verlorene Sache in eine gewinnbringende verwandeln. Es ist verblüffend, wie das funktioniert.

Am auffallendsten ist der Effekt in schwachen Aktienmärkten – ja, es gibt Tenbagger auch während schwacher Märkte. Lassen Sie uns zurückblicken auf 1980, zwei Jahre vor dem Erwachen des großen Bullenmarktes. Nehmen wir einmal an, Sie hätten am 22. Dezember 1980 jeweils 1.000 Dollar in die folgenden zehn Aktienwerte investiert und sie bis zum 4. Oktober 1983 gehalten; das wäre Strategie A gewesen. Strategie B unterscheidet sich nur durch die Hinzunahme einer elften Aktie, nämlich Stop & Shop, die sich dann zum Tenbagger entwickelt hat.

Das Resultat aus Strategie A wäre gewesen, dass aus Ihrer 10.000-Dollar-Investition 13.040 Dollar geworden wären, ein mäßiger 30,4-Prozent-Profit über eine Laufzeit von fast drei Jahren (der S&P 500 bot im selben Zeitraum einen Ertrag von 40,6 Prozent). Sie hätten also mit Fug und Recht behaupten können, dass man das Investieren doch lieber den Profis überlassen sollte. Wenn Sie allerdings Stop & Shop hinzugenommen hätten, dann wären aus Ihren 10.000 Dollar mehr als doppelt so viel geworden, nämlich 21.060 Dollar, was einem Gesamtertrag von 110,6 Prozent entspricht und Ihnen die Möglichkeit gegeben hätte, über die Durchschnittsbörsianer zu lachen.

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Wenn Sie darüber hinaus Ihre Position in Stop & Shop aufgestockt hätten, als Sie sahen, dass sich die Unternehmenslage weiter verbessert, hätte sich Ihr Gewinn nochmals verdoppeln können.

Um dieses spektakuläre Ergebnis zu erzielen, musste sich also unter den elf Aktienwerten nur ein „Gewinner“ befinden. Je mehr Sie mit einer Aktie richtigliegen, desto mehr können Sie mit allen anderen Aktien schiefliegen und trotzdem noch den Triumph des erfolgreichen Investors genießen.

Apples und Donuts

Nun meinen Sie vielleicht, dass sich Tenbagger nur mit Billigaktien irgendwelcher seltsamer Unternehmen erzielen lassen, wie zum Beispiel Braino Biofeedback oder Cosmic R and D, die Art von Firmen eben, in die eigentlich kein vernünftiger Mensch investiert. Weit gefehlt. In der Tat entwickelten sich zahlreiche Tenbagger aus Aktien von Unternehmen, deren Namen Ihnen bestimmt bekannt vorkommen: Dunkin’ Donuts, Wal-Mart, Toys „R“ Us, Stop & Shop und Subaru, um nur einige zu nennen. Wahrscheinlich kennen Sie diese Unternehmen und ihre Produkte sogar recht gut, aber hätten Sie gedacht, dass Sie heute Millionär wären, wenn Sie von Subaru nicht nur ein neues Auto gekauft, sondern gleichzeitig auch in die Aktien des Unternehmens investiert hätten?

Es ist tatsächlich wahr. Diese theoretische Kalkulation basiert auf folgenden Voraussetzungen: Erstens, dass Sie die Aktien 1977 zu ihrem Tiefstkurs von zwei Dollar kauften, und zweitens, dass Sie sie 1986 auf ihrem Höchstniveau von 312 Dollar verkauften (ohne Berücksichtigung eines Aktiensplits im Verhältnis 8:1)1. Das entspricht dem 156-Fachen des Einsatzes. Wenn Sie also 6.410 Dollar investiert hätten (was in etwa dem Kaufpreis eines Autos entspricht), wären Sie nach neun Jahren exakt eine Million Dollar reich gewesen. Anstelle eines alten, verbeulten Gebrauchtwagens hätten Sie genug Geld gehabt, um sich eine Villa zu leisten und einige Jaguars in der Garage.

Im Gegensatz dazu hätten Sie sicher kaum eine Million Dollar verdienen können, wenn Sie die Summe, für die Sie Donuts gekauft haben, in die Aktien von Dunkin’ Donuts investiert hätten – oder was meinen Sie, wie viele dieser gefüllten kleinen Kuchen kann ein Mensch wohl essen? Aber angenommen, Sie hätten ein Jahr lang neben den zwei Dutzend Donuts, die sie jede Woche kauften (eine Ausgabe von insgesamt 270 Dollar), den gleichen Betrag in Aktien angelegt, dann wäre vier Jahre später Ihr Aktienpaket 1.539 Dollar wert gewesen, nahezu sechsmal so viel. Eine Investition von 10.000 Dollar in Dunkin’ Donuts hätte in vier Jahren einen Profit von 47.000 Dollar gebracht.

Wenn Sie 1976 von GAP zehn Jeans im Wert von 180 Dollar gekauft hätten, so wären diese heute sicherlich bereits verschlissen. Zehn GAP-Aktien, gekauft für den gleichen Betrag (der damalige Emissionskurs lag bei 18 Dollar pro Stück), wären 1987 zum Markthöchststand 4.672,50 Dollar wert gewesen. Eine Investition von 10.000 Dollar hätte Ihnen 250.000 Dollar gebracht.

Hätten Sie 1973 während Ihrer Geschäftsreisen 31 Nächte in den Zimmern der La-Quinta-Motor-Inn-Motels verbracht (zu damals 11,98 Dollar pro Nacht) und für die entsprechenden 371,38 Dollar Übernachtungskosten gleichzeitig Aktien gekauft, so wären diese zehn Jahre später 4.363 Dollar wert gewesen. Eine Investition von 10.000 Dollar hätte Ihnen 107.500 Dollar gebracht.

Hätten Sie sich 1969 in der schmerzlichen Lage befunden, für das Begräbnis einer Ihrer Lieben an ein zu Service Corporation International gehörendes Bestattungsunternehmen 980 Dollar zahlen zu müssen und sich trotz Ihrer Trauer durchgerungen, nochmals 980 Dollar in deren Aktien zu stecken, dann wären die 70 Aktien, die Sie dafür bekommen hätten, bis 1987 auf einen Gesamtwert von 14.352,19 Dollar gestiegen. Eine Investition von 10.000 Dollar hätte Ihnen einen Profit von 137.000 Dollar eingebracht.

Wenn Sie 1982, als Sie für 2.000 Dollar einen der ersten Apple-Computer gekauft haben, damit sich Ihre Kinder in der Schule verbessern konnten und den Sprung auf die Universität schaffen würden, den gleichen Betrag in Apple-Aktien angelegt hätten, wären diese 1987 fast 12.000 Dollar wert gewesen. Genug, um ein Jahr lang das Studium eines Ihrer Kinder zu finanzieren.

Die Macht des gesunden Menschenverstandes

Um alle diese spektakulären Gewinne zu erzielen, hätten Sie immer exakt zum richtigen Zeitpunkt kaufen und verkaufen müssen. Aber selbst wenn Sie die Höchst- und Tiefstkurse verpasst hätten, wäre es sinnvoller gewesen, in die genannten, allgemein bekannten Gesellschaften zu investieren als in undurchschaubare Firmen, die kaum jemand richtig beurteilen kann.

Es gibt da eine berühmte Geschichte über einen Feuerwehrmann aus New England. Anscheinend kam er Anfang der 1950er-Jahre nicht umhin festzustellen, dass ein an seinem Wohnort gelegenes Werk der Firma Tambrands (später Tampax genannt) mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit expandierte. Er dachte sich, dass sie wohl kaum so schnell expandieren würden, wenn nicht das Geschäft glänzend liefe, und investierte aufgrund dieser Annahme 2.000 Dollar in die Aktie. In den nachfolgenden fünf Jahren legte er nochmals jährlich den gleichen Betrag an. 1972 war der Feuerwehrmann Millionär.

Ich weiß nicht, ob unser glücklicher Investor vorher Rat bei verschiedenen Anlageberatern oder anderen Experten eingeholt hatte. Ich bin allerdings sicher, dass viele ihm gesagt hätten, dass seine Theorie etwas oberflächlich sei und er besser beraten wäre, sich an die Blue Chips zu halten, die auch von den institutionellen Anlegern gekauft werden, oder in die zu jener Zeit favorisierten Elektronikwerte zu investieren. Glücklicherweise blieb der Feuerwehrmann bei seiner eigenen Einschätzung.

Sie haben vielleicht bisher geglaubt, dass es gerade die im hochgestochenen Fachchinesisch geführten Gespräche der Experten sind, die den Investitionsmöglichkeiten zugrunde liegen. Aber ich erhalte viele meiner Ideen auf dem gleichen Wege wie der Feuerwehrmann. Jedes Jahr spreche ich mit Hunderten von Unternehmen und verbringe Stunden um Stunden in heftigen Diskussionsrunden mit Vorständen, Finanzanalysten und meinen Kollegen im Fondsgeschäft, aber auf die großen Gewinner stoße ich in außerplanmäßigen Situationen, genauso, wie es Ihnen möglich wäre.

Auf die Taco-Bell-Restaurantkette wurde ich aufmerksam, weil mir während einer Kalifornienreise deren Snacks so gut schmeckten; von den La-Quinta-Motor-Inn-Motels erzählte mir jemand aus dem rivalisierenden Holiday Inn; Volvo: meine Familie und einige meiner Freunde fahren diese Automarke; für Apple-Computer interessierte ich mich, weil meine Kinder einen zu Hause hatten und der EDV-Leiter mehrere für die Büros kaufte; auf das Bestattungsunternehmen Service Corporation International stieß der Fidelity-Analyst des Elektronikbereichs (der mit Begräbnissen eigentlich überhaupt nichts im Sinn hat) durch Zufall auf einer Reise nach Texas; auf Dunkin’ Donuts brachte mich deren ausgezeichneter Kaffee und erst kürzlich empfahl mir meine Frau die wiedererstarkte Pier-1-Import-Kette. Carolyn ist übrigens eine meiner besten Informationsquellen. Sie war es auch, die L’eggs entdeckte.

L’eggs ist ein ideales Beispiel für die Macht des gesunden Menschenverstandes. Es wurde zu einem der beiden erfolgreichsten Konsumartikel der 1970er-Jahre. Am Anfang dieses Jahrzehnts, bevor ich Fidelity Magellan übernahm, arbeitete ich als Wertpapieranalyst für die Firma. Ich kannte die Textilbranche von meinen Geschäftsreisen, bei denen ich Textilunternehmen im ganzen Land besuchte. Ich analysierte und kalkulierte Gewinnspannen und Kurs-Gewinn-Verhältnisse und war mit allen Besonderheiten der Branche vertraut. Aber keine dieser Informationen war so wertvoll wie die von Carolyn. Im Rahmen meiner Analysen bin ich nicht auf L’eggs gestoßen, Carolyn dagegen fand es im Supermarkt.

Direkt neben der Kasse stach ihr dort, auffällig auf einem separaten Regal platziert, eine neue Frauenstrumpfhose ins Auge, die in farbige Plastikeier verpackt war. Für Hanes, die Firma, die L’eggs an mehreren Standorten des Landes versuchsweise anbot, diente auch der Bostoner Vorort, in dem meine Familie lebt, als Testmarkt. Als Hanes am Ausgang der Supermärkte Hunderte Frauen danach befragte, ob sie gerade Strumpfhosen gekauft hatten, bejahte dies ein hoher Prozentsatz, obwohl sie sich nicht mehr an den Namen des Produkts erinnern konnten. Hanes jubelte. Wenn ein Produkt bereits ein Verkaufsschlager war, ohne dass sich die Leute an den Markennamen erinnern konnten, wie würden sich dann erst die Verkäufe entwickeln, wenn kräftig die Werbetrommel gerührt würde.

Carolyn musste keine Textilanalystin sein, um darauf aufmerksam zu werden, dass L’eggs ein hervorragendes Produkt war. Sie musste lediglich ein Paar kaufen und anprobieren. Diese Strümpfe wurden aus strapazierfähigerem Material hergestellt, was sie im Allgemeinen weniger anfällig für Laufmaschen machte als die bisherigen Produkte. Außerdem saßen sie sehr gut. Aber der wesentliche Vorteil war, dass man L’eggs während des täglichen Einkaufs bequem im Supermarkt mitnehmen konnte, ohne extra in ein Kaufhaus oder Bekleidungsgeschäft gehen zu müssen.

Das reguläre Strumpfhosenprogramm von Hanes wurde bereits in Kaufhäusern und im Fachhandel angeboten. Hanes hatte jedoch herausgefunden, dass die Frauen normalerweise nur einmal in sechs Wochen dort einkaufen, während sie zweimal in der Woche in den Supermarkt gehen, sodass sie zwölfmal häufiger die Möglichkeit hatten, L’eggs zu kaufen als eine reguläre Marke. Strümpfe im Supermarkt zu verkaufen war eine ungeheuer populäre Idee. Dies konnten Sie allein schon an der Anzahl der Plastikeier in den Einkaufswagen der Frauen feststellen. Sie hätten sich leicht ausmalen können, welche Unmengen von L’eggs im ganzen Land verkauft werden würden, wenn es sich einmal herumgesprochen hatte.

Wie viele Frauen, die diese Strumpfhosen kauften, Supermarktangestellte, die das beobachteten, und Ehemänner, die ihre Frauen mit den neuen Strumpfhosen heimkommen sahen, wussten wohl vom Erfolg von L’eggs? Millionen! Zwei oder drei Jahre nach der erstmaligen Vorstellung des Produkts hätten Sie in Tausende von Supermärkten marschieren können, um festzustellen, dass es ein Verkaufsschlager war. Von da an wäre es eigentlich einfach gewesen herauszufinden, dass der Hersteller von L’eggs Hanes heißt und an der New Yorker Börse gehandelt wird.

Sofort nachdem Carolyn mich auf Hanes aufmerksam gemacht hatte, begann ich mit den üblichen Nachforschungen. Das Ergebnis war sogar noch besser als erwartet. Daher empfahl ich L’eggs mit der gleichen Zuversicht den Portfoliomanagern von Fidelity, mit der der Feuerwehrmann Tambrands gekauft hatte. Hanes versechsfachte sich, bevor das Unternehmen von Consolidated Foods (heute Sara Lee) übernommen wurde. Noch immer verdient Sara Lee mit L’eggs viel Geld und ich bin sicher, dass sich die Hanes-Aktie ohne die Übernahme verfünfzigfacht hätte.

Das Schöne an L’eggs war, dass man nicht von Beginn an über die Sache wissen musste. Selbst wenn Sie in Hanes im ersten, zweiten oder auch erst im dritten Jahr nach dem Anlaufen des landesweiten Vertriebs von L’eggs investiert hätten, wäre mindestens eine Verdreifachung des Einsatzes dabei herausgesprungen. Aber viele Leute taten das eben nicht. Das gilt vor allem für die Ehemänner. Die Ehemänner (auch „begnadete Anleger“ genannt) waren wahrscheinlich zu sehr damit beschäftigt, Aktien von Solarenergieunternehmen oder Herstellern von Satellitenantennen zu kaufen und dabei ihr letztes Hemd zu verlieren.

Nehmen wir zum Beispiel meinen Freund Harry Neunmalklug – dessen Namen ich allerdings geändert habe, um den Unglücklichen nicht bloßzustellen. Dieser begnadete Anleger (jede Familie scheint übrigens einen zu haben) hat gerade den Morgen damit verbracht, das Wall Street Journal und einen für 250 Dollar im Jahr abonnierten Börsenbrief zu lesen. Er sucht wieder einmal nach einer neuen, aufregenden Aktienspekulation, natürlich eine mit begrenztem Risiko, aber hohem Gewinnpotenzial. Sowohl im Wall Street Journal als auch in seinem Börsenbrief wird Winchester Disk Drives als kleines, äußerst aussichtsreiches Spezialunternehmen mit prima Zukunftsaussichten positiv erwähnt.

Obwohl Neunmalklug eine Diskette nicht von einer Tontaube unterscheiden kann, telefoniert er mit seinem Anlageberater und erfährt, dass Merrill Lynch gerade ebenfalls Winchester nachdrücklich zum Kauf empfiehlt.

Das kann doch alles kein Zufall sein, denkt Neunmalklug und ist davon überzeugt, dass es eine glänzende Idee sei, 3.000 Dollar seines schwer verdienten Geldes in Winchester-Aktien zu investieren. Schließlich hat er ja Nachforschungen angestellt.

Neunmalklugs Ehefrau Henrietta – auch bekannt als diejenige Person, die von ernsthaften Geldgeschäften keine Ahnung hat (diese Rollen ließen sich auch vertauschen, aber gewöhnlich stimmt es so) – ist gerade vom Einkaufszentrum zurückgekommen, wo sie ein bemerkenswertes neues Geschäft für Damenmode entdeckt hat, das sich The Limited nennt. Der Laden war gerammelt voll mit Kunden. Sie kann es gar nicht erwarten, ihrem Mann von den freundlichen Verkäuferinnen und den tollen Sonderangeboten zu erzählen. „Ich habe gerade Jennifers gesamte Herbstgarderobe gekauft“, freut sie sich, „und alles zusammen für nur 275 Dollar.“ „Zweihundertfünfundsiebzig Dollar?“, fragt der begnadete Anleger entsetzt. „Während du draußen herumläufst und das Geld zum Fenster hinausschmeißt, sitze ich zu Hause und überlege, wie man welches verdienen kann. Und die Antwort heißt Winchester Disk Drives, so sicher wie das Amen in der Kirche. Wir werden 3.000 Dollar investieren.“

„Ich hoffe, du weißt was du tust“, sagt die Person, die von ernsthaften Geldgeschäften nichts versteht. „Erinnerst du dich noch an Havalight Photo Cell? Das war auch so eine sichere Sache, die dann von sieben Dollar auf dreieinhalb Dollar gefallen ist. Wir haben 1.500 Dollar verloren.“

„Ja, ja, aber das war Havalight. Hier geht es um Winchester. Das Wall Street Journal bezeichnet Diskettenlaufwerke als eine der großen Wachstumsindustrien dieses Jahrzehnts. Wieso sollten wir als einzige nicht dabei sein?“

Sich den Rest der Geschichte vorzustellen fällt nicht schwer. Entweder durchläuft Winchester ein schlechtes Quartal oder es treten nicht erwartete Konkurrenten auf den Plan, sodass der Kurs von zehn auf fünf Dollar fällt. Weil unser begnadeter Anleger nicht in der Lage ist zu verstehen, worauf er sich da eingelassen hat, entscheidet er sich für den Verkauf des ungewissen Wertes und ist froh, dass er lediglich 1.500 Dollar verloren hat – etwas mehr als fünfmal die Kosten für Jennifers Garderobe.

Von Neunmalklug unbemerkt ist inzwischen die Aktie von The Limited, der Ladenkette, die seine Frau Henrietta so beeindruckte, stetig gestiegen – von weniger als 50 Cent (bereinigt um Splits) im Dezember 1979 auf neun Dollar im Jahre 1983. Sie ist also schon bis dahin ein 20-Bagger. Aber selbst wenn er die Aktie erst bei neun Dollar gekauft und trotz eines zwischendurch stattgefundenen Kursverfalls bis auf fünf Dollar behalten hätte, würde er sein Geld mehr als verfünffacht haben, denn sie schnellte auf 52 ⅞ Dollar hoch – auf über das Hundertfache des Anfangkurses. Hätte Neunmalklug früh genug seine 3.000 Dollar in diesen Wert investiert, wären daraus mehr als 300.000 Dollar geworden.

Aber um auf dem Teppich zu bleiben, wenn Frau Neunmalklug neben den 275 Dollar, die sie für die Garderobe ausgab, nochmals 275 Dollar in die Aktie gesteckt hätte, dann wäre bereits diese winzige Investition ausreichend gewesen, um die gesamte Familie auf Jahre hinaus mit Kleidung zu versorgen.

Unser begnadeter Anleger jedoch, dem selbst nach seinem Ausstieg bei Winchester genügend Zeit blieb, um The Limited zu kaufen, ignorierte weiterhin den tollen Tipp der Gattin. Zu diesem Zeitpunkt gab es 400 The-Limited-Läden im ganzen Land, die meisten davon überfüllt mit Kunden. Aber Neunmalklug, der gerade verfolgte, was Boone Pickens mit Mesa Petroleum anstellte, war zu beschäftigt, um das zu registrieren.

Irgendwann gegen Ende des Jahres 1987, aber wahrscheinlich noch vor dem großen 508-Punkte-Kurssturz, entdeckt Neunmalklug dann The Limited auf der Empfehlungsliste seines Brokers. Darüber hinaus sind in drei verschiedenen Magazinen positive Artikel erschienen. Die Aktie ist zum Liebling der großen Institutionen avanciert, von 30 Analysten verfolgt. Es kommt dem begnadeten Anleger so vor, dass es sich hierbei um einen soliden, achtbaren Wert handelt.

„Das ist lustig“, murmelt er eines Tages zu seiner Frau. „Erinnerst du dich noch an den Laden, den du so magst, The Limited? Er ist börsennotiert. Das heißt, dass wir die Aktie kaufen können. Nach dem Firmenporträt, das gerade im Fernsehen gezeigt wurde, ist es dazu noch eine ziemlich gute Anlage. Wie ich gehört habe, war sogar eine Titelstory darüber im Forbes Magazine. Außerdem können die Großen gar nicht genug davon bekommen. Es sollte uns in jedem Fall ein paar Tausender aus unserem Pensionsfonds wert sein.“

„Sind uns denn in dem Pensionsfonds überhaupt noch ein paar Tausender geblieben?“, fragt Henrietta skeptisch.

„Aber natürlich“, prahlt der begnadete Anleger. „Und dank deines Lieblingsladens werden es bald noch mehr sein.“

„Aber ich kaufe gar nicht mehr bei The Limited“, antwortet Henrietta. „Die Ware ist überteuert und auch nicht mehr so einmalig. Andere Läden verkaufen inzwischen die gleichen Sachen preiswerter.“

„Was hat das denn damit zu tun“, braust daraufhin unser begnadeter Anleger auf. „Ich rede hier schließlich nicht vom Einkaufen, sondern vom Investieren.“

Neunmalklug kauft die Aktie also bei 50 Dollar, nahe des 1987 erreichten Höchststandes. Als bald darauf die Talfahrt auf 16 Dollar beginnt, verkauft er auf halbem Wege und ist wieder einmal froh, seinen Verlust so gut begrenzt zu haben.

Ist das Unternehmen an der Börse notiert?

Ich bin allerdings der Letzte, der sich über Neunmalklug lustig machen sollte, weil er The Limited verpasste. Obwohl meine Frau dieselben einkaufshungrigen Menschenmassen in den The-Limited-Läden sah wie seine Frau, habe auch ich die Aktie während der Aufschwungphase nicht gekauft. Auch ich investierte erst, als die Geschichte populär wurde und sich die Voraussetzungen bereits wieder verschlechterten, und ich sitze immer noch auf den Aktien und Verlusten.

Ich könnte in der Tat noch mehrere Seiten lang fortfahren, über die Tenbagger zu schreiben, die ich verpasst habe, wobei an verschiedenen Stellen dieses Buches noch traurigere Beispiele auftauchen werden. Wenn es darum geht, vielversprechende Gelegenheiten zu verpassen, bin ich genauso anfällig oder geschickt wie jeder andere. Einmal stand ich auf der größten Immobilienspekulation des Jahrhunderts, dem Pebble-Beach-Golfplatz in Kalifornien, und ich dachte nicht daran zu fragen, ob der Betreiber eventuell ein börsennotiertes Unternehmen sei. Ich war zu beschäftigt, mich nach den Entfernungen zwischen den Abschlägen und den Grüns zu erkundigen.

Glücklicherweise gibt es genügend Tenbagger, sodass wir es uns leisten können, die meisten zu übersehen, um trotzdem noch mit einigen Profit zu machen. In einem großen Portfolio wie meinem muss man schon auf mehrere stoßen, damit ein Gewinn herauskommt. In einem kleinen Depot wie dem Ihrigen genügt ein einziger.

Das Schöne an einer Anlage in allgemein bekannte Unternehmen wie L’eggs oder Dunkin’ Donuts ist, dass Sie, wenn Sie die Strümpfe anprobieren oder an dem Kaffee nippen, schon dabei sind, eine Art Fundamentalanalyse zu betreiben, für die ein Aktienanalyst bezahlt wird. Das Besuchen von Läden ist ebenso wie das Ausprobieren von Produkten eine der wesentlichen Aufgaben eines Analysten.

Als Käufer von Autos oder Kameras haben Sie während Ihres Lebens schon ein Gespür dafür entwickelt, was gut oder schlecht ist, was sich gut verkauft oder was nicht an den Mann zu bringen ist. Wenn Sie nichts über Autos wissen, dann eben etwas andere Dinge; aber was am wichtigsten ist: Sie wissen es meistens, bevor es die Börse weiß.

Warum sollten Sie darauf warten, dass der Merrill-Lynch-Restaurantexperte Dunkin’ Donuts empfiehlt, wenn Sie doch schon mitbekommen haben, dass in Ihrer Gegend sechs neue aufgemacht haben? Solange sich die Aktie nicht von zwei auf zehn Dollar verfünffacht hat, wird der Merrill-Lynch-Experte überhaupt keine Notiz von Dunkin’ Donuts nehmen (die Gründe hierfür werde ich Ihnen bald erklären). Sie hingegen haben die Aktie schon bemerkt, als sie noch bei zwei Dollar stand.

Hauptsache schön kompliziert

Unter Amateuranlegern gilt es seltsamerweise nicht als besonders schlau, zum Beispiel mit dem Essen eines Donuts die üblichen Nachforschungen über eine Aktie zu beginnen. Die Leute fühlen sich anscheinend wohler dabei, in etwas zu investieren, von dem sie absolut nichts verstehen. An der Börse scheint es ein ungeschriebenes Gesetz zu geben: Wenn du keine Ahnung von etwas hast, dann lege deine Ersparnisse darin an; meide das Unternehmen um die Ecke, das du im Auge behalten kannst, und suche ein Unternehmen, das ein dir unverständliches Produkt herstellt.

Kürzlich erst hörte ich von genau einer solchen Gelegenheit. Aus einem Bericht, den jemand auf meinem Schreibtisch liegen gelassen hatte, ging hervor, dass die fantastische Chance bestand, in ein Unternehmen zu investieren, das einen Computer mit den folgenden Spezifikationen herstellt: ein Megabyte S-Ram, C-mos (Zusatzmetalloxidhalbleiter), bipolar risc (Computer mit reduziertem Befehlsumfang), Fließkomma, Arithmetik-I/0-Prozessor, Optimierungs-Compiler, 16-Byte Dual Port Speicher, Unix-Betriebssystem, Turbogroßbildschirm aus Polysilicon, hohe Bandbreite, sechs Gigahertz, doppeltes Kommunikationsprotokoll, asynchrone Zweiwegkompatibilität, periphere Busarchitektur, Vierfach-Interleaved-Speicher mit einer Zugriffszeit von 15 Nanosekunden.

Zum Teufel mit dem ganzen Computerlatein; wenn Sie nicht wissen, ob es sich bei etwas um ein Rennpferd oder eine Speicherplatte handelt, dann sollten Sie die Finger davon lassen, selbst wenn Ihr Anlageberater anruft, um es als Investment des Jahrzehnts zu empfehlen, mit dem Sie zahllose Nanomoneten machen könnten.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Ich bin keinesfalls der Meinung, dass Sie von jeder neuen Imbisskette, jedem Hersteller eines Spitzenprodukts oder jedem börsennotierten Unternehmen, das gerade in Ihrer Nähe einen Laden neu eröffnet hat, Aktien kaufen sollten.

Denn wenn es so einfach wäre, hätte ich nicht so viel Geld mit Bildner’s verloren, dem Yuppie-Imbiss direkt gegenüber von meinem Büro. Wäre ich nur bei den Sandwiches geblieben, anstatt mich mit den Aktien zu befassen, von denen mir heute 50 Stück kaum mehr die Butter auf dem Brot einbringen. Aber darüber später mehr.

Und wie war das mit Coleco? Zwar war Colecos Superpuppe in diesem Jahrhundert das meistverkaufte Spielzeug, doch allein die Puppe konnte kein mittelmäßiges Unternehmen mit einer schlechten Bilanz retten. Obwohl die Aktie etwa ein Jahr lang dramatisch anstieg, zunächst angetrieben vom Boom bei Heimvideospielen und dann vom reißenden Absatz der Superpuppe, fiel sie schließlich von ihrem 1983 erreichten 65-Dollar-Höchstkurs bis auf letztlich 1 ⅓ Dollar, als sich die Firma 1988 unter den Schutz von Chapter 11 stellte und schließlich Konkurs anmeldete.

Ein vielversprechendes Unternehmen ausfindig zu machen ist nur die eine Seite, die entsprechenden Nachforschungen anzustellen die andere. Nur eine sorgfältige Analyse ermöglicht es Ihnen, Toys „R“ Us von Cole-co, Apple Computer von Televideo oder Piedmont Airlines von People Express zu unterscheiden.

Jetzt, da ich es erwähne, wünschte ich, mir die Vorgänge um People Express genauer betrachtet zu haben. Wahrscheinlich hätte ich die Aktien dieses Unternehmens dann nicht gekauft.

Trotz aller meiner Fehler haben sich die Anteilswerte des Fidelity Magellan Fund während der zwölf Jahre, die ich ihn nun leite, mehr als verzwanzigfacht – nicht zuletzt dank einiger der wenig bekannten und übergangenen Aktienwerte, die ich entdeckte und auf meine Art analysierte. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Anleger von der gleichen Taktik profitieren kann. Es ist gar nicht so schwer, das sogenannte „schlaue Kapital“ zu überflügeln, das, wie ich schon sagte, nicht immer so schlau ist, wie es scheint.

Dieses Buch ist in drei Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt, Die Vorbereitung (Kapitel 1 bis 5), beschäftigt sich damit, wie man sich als Aktionär einzuschätzen hat, was von der „Konkurrenz“ zu halten ist (Fondsmanager, institutionelle Anleger und andere Börsenexperten), wie man beurteilt, ob Aktien riskanter sind als Anleihen, wie man seinen Finanzbedarf bestimmt und schließlich, wie man eine erfolgreiche Aktienauswahl zur Routine entwickelt.