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Dorit Stövhase-Klaunig

Die Kriegerin

Die Frau, die mit dem
Feuer tanzt

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Bücher haben feste Preise.

Dorit Stövhase-Klaunig

© Neue Erde GmbH 2017

Titelseite:

Satz und Gestaltung:

eISBN 978-3-89060-204-2

Neue Erde GmbH

Inhalt

Einleitung

Die Energiequalität der Kriegerin

Die innere Körperlandschaft

Der gegenläufige Energiefluss

Das Tor zum Urvertrauen

Der Weg zur unteren Quelle · Urvertrauen und Urängste

Das Tor zur Berufung

Der Weg zur oberen Quelle · Gerufen werden

Zwischen Urvertrauen und Berufung

Gesehen werden

Das Vorspiel zum großen Liebesakt

Der Zauber der Schöpfung

Die Transformationsreise

Das Rad der Transformationen

Das Rad des Jahreskreises

Die Reise zur Transzendenz

Der Weg der Erkenntnis

Der Prozess des Erwachens

Die Zweifel am Weitergehen

Die Schwelle zur Transzendenz

Die zwölfstufige Pagode der Himmelsleiter

Das Erwachen

Wirken durch Präsenz

Die Transformations- und Transzendenzreise einer Göttin

Die verschiedenen Wege zur Transzendenz

Der Weg der Heilung und des Dienens

Der Weg der Liebe und des Glücklichseins

Der Weg der Träume und der Mystik

Der Weg der Kriegerin und der Freiheit

Die Prinzipien einer Kriegerin

Der freie Wille

Der Tanz mit dem Tod

Beobachten und Jagen

Selbstpflege

Alleingängerin

Grenzgängerin

Die Liebe ist die einzige Antriebskraft

Sich zeigen

Führen und bewirken

Die Werkzeuge der Kriegerin

Die Schamanentrommel

Das Schwert

Die Techniken der Kriegerin

Die kraftvollen Atemtechniken

Das ekstatische Tanzen

Die stehende Haltung

Die Handstellungen

Die Kraftquelle Natur

Von der Natur geführt

Die Begegnung in der Stille

Die Führung des Jaguars

Das Leben im Alltag

Der inspirierende Einfluss auf die Menschheit

Die Schattenaspekte einer unerfüllten Kriegerin

Praxisteil
»Der Flusslauf des Lebenswassers«

Das Tor zum Urvertrauen

Übung: Das verwurzelte Stehen · Übung: Die verbindenden Kreise · Übung: Der Energiekreislauf · Übung: Der Flusslauf von der Quelle zum Meer

Das Tor zur Berufung

Übung: Das Schwingen der Flügel · Übung: Die Unendlichkeit · Zwischen Urvertrauen und Berufung · Übung: Der Tanz zwischen den Welten

Zwischen Urvertrauen und Berufung

Übung: Der Tanz zwischen den Welten

Der Zauber der Schöpfung

Übung: Der Tanz um das innere Feuer · Übung: In Dankbarkeit

Mentale Disziplinierung

Glaubenssätze »Urvertrauen« · Glaubenssätze »Berufung« · Glaubenssätze »Zwischen Urvertrauen und Berufung« · Glaubenssätze »Der Zauber der Schöpfung«

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Danke

Über die Autorin

Einleitung

Welche Assoziationen verbinden wir mit dem Wort »Kriegerin«? Geht da sehr schnell die gedankliche Verbindung zum Wort »Krieg«? Mit »Krieg« assoziieren wir häufig die brutale Gewalt, die fremde Besatzung, die bösen Feinde, die armen Opfer oder die zu vernichtenden Gegner. Aufgrund vieler nicht verarbeiteter persönlicher und kollektiver Erfahrungen der vergangenen und gegenwärtigen Geschehnisse auf der Welt, betrachten wir dabei vorrangig die Opfer, das Verlorene, das Besetzte, das Leidvolle – jenes Leid, das oft in den eigenen Körpern noch unverarbeitet und präsent ist, in ähnlichen Situationen wieder erinnert und dann erneut schmerzlich erfahren wird. Wie oft wird dann das leiblich nicht Befreite auf ein äußeres Spiegelbild projiziert, zum Feindbild erklärt und auf verschiedenen Ebenen bekämpft.

Gegen etwas »Äußeres« zu kämpfen, verbraucht nicht nur die eigene und kollektive Energie der Menschen und Naturwesen, sondern auch die Energie der Erde. Diese Art der äußeren kriegerischen Bewältigung ist deshalb nicht im Sinne einer wahren Kriegerin. Eine wahre Kriegerin ist jene Frau, die ihr eigenes inneres Körperland in einer schmerzvollen Auseinandersetzung mit sich selbst reflektierend durchwandert und die leidvollen, geopferten, verlorenen und besetzten Regionen wiedergewonnen und befreit hat. Sie kämpft für eine friedvolle Verbindung mit allen Räumen und Wesen ihres Körperlandes, so dass ein natürliches Schutz- und Abwehrsystem entstehen kann. Dieser Frieden im eigenen Körperland schafft friedvolle Verbindungen auch in systemischen Strukturen, in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis – bis hin zu friedvollen Verbindungen mit der Natur und ihren Wesen, um ausstrahlend größere Wirkkreise zu ziehen und inspirierend auf andere zu wirken.

Was für eine nachhaltige Wirkung steckt in dieser leiblichen Selbstmeisterung einer wahren Kriegerin? Warum verlangt gerade diese neue Zeit nach einer wahren Kriegerin? Und was für Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigt ein Mensch, um in einem sinnvollen Leben das Potential einer Kriegerin zu entfalten, um eine neue Qualität des Führens und Bewirkens zu ermöglichen? Inwiefern kann eine Kriegerin Katalysator und Vorreiter sein und dabei im Vorangehen anderen inspirierende Impulse geben, damit wir zukünftig ein Spiegelbild nicht mehr zum Feindbild erklären und es bekämpfen?

Die Energie der Kriegerin ist mobilisierte Energie, die bereit ist, zielgerichtet eingesetzt zu werden, um etwas Nachhaltiges und Umfassendes zu bewirken. Ihr ganzes Tun auf allen Ebenen ist auf das Ziel ausgerichtet. Dazu hat sie über einen längeren Zeitraum Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben, damit sie gut vorbereitet und aufgestellt auf das »Schlachtfeld« zieht. Sie kämpft weder mit der Waffe noch mit anderen Werkzeugen. Sie kämpft aus innerer Überzeugung und Entschlossenheit. Mit der nötigen Disziplin und ihrer Willenskraft stellt sie sich den Herausforderungen des Alltags und behält ihr Ziel vor Augen.

Diese Energiequalitäten sind im eigentlichen Sinne neutral, weder positiv noch negativ, sie sind wesentlicher Bestandteil unseres Daseins, denn sie setzen zielstrebig das persönliche Anliegen durch, ausgerichtet auf den Höhepunkt des eigenen Daseins. Die Folgen sind ein Aussortieren, ein Trennen und ein Loslassen von »alten« Energiequalitäten, um in Prozessen des Loslassens und Sterbens Transformation und Läuterung zu erfahren und auf eine neue Stufe der Bewusstheit gehoben zu werden. Wie lange schwingt das Selbst-Geopferte und Verlorene in uns noch nach?

Je mehr das Geopferte und Verlorene leiblich und authentisch wieder erfahren, bewusst durchdrungen und verwandelt wird, desto deutlicher wird spürbar, was für ein Potential an Energie eine wahre Kriegerin in sich selbst freisetzen kann. Dazu brauchen wir das Loslassen von einengenden Glaubenssätzen und Ansichten, das Loslassen von destruktiven Emotionen sowie das Loslassen von alten Gewohnheiten, um in einem Prozess des Sterbens etwas »Altes« in »Neues« zu verwandeln. Um diese Wandlung zu vollziehen, ist die Zielstrebigkeit und Disziplinierung der Kriegerin in uns eine wesentliche Qualität, die wir brauchen, um das Ziel zu erreichen. Derzeit erfahren wir die Energie der Kriegerin auf sehr vielfältige Art und Weise auf allen Ebenen sowohl in der eigenen Körpernatur als auch in der Natur der Erde. Vielleicht ist das die erforderliche Dynamik eines ganzheitlichen Wandlungsprozesses? Vielleicht aber auch das enorme spürbare und alles durchdringende Energiepotential einer großen wahren Kriegerin, die zielstrebig und diszipliniert ihren göttlichen Auftrag lebt?

Die Energiequalität der Kriegerin

Was steckt hinter dieser Energiequalität einer Kriegerin? Und welche Fähigkeiten benötigen Menschen, die das Potential einer wahren Kriegerin in ihrem Leben entfalten und leben wollen?

Kriegerinnen sind jene Frauen, die den wahren Weg der Freiheit anstreben; jene, die bereit sind, dafür zu kämpfen. Ihr Schlachtfeld ist das eigene Körperland auf allen Ebenen. Es ist der Kampf, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen und der göttlichen Quelle in sich selbst näherzukommen. Kein Therapeut und keine Lehrer nehmen sie dabei an die Hand und zeigen ihr den Weg. Sie vermitteln Methoden und Techniken, sind Begleitung auf diesem Weg. Ihn gehen muss die Kriegerin jedoch selbst und allein. Für jeden Schritt muss sie selbst die notwendige Energie aufbringen, für jede gegangene Stufe übernimmt sie die Konsequenzen und die Verantwortung.

Jede Stufe ist mit Heilungs- und Reinigungsarbeit auf den körperlichen, emotionalen und mentalen Ebenen verbunden. Das allein erfordert schon eine enorme Energie. Der Energieeinsatz entscheidet auch, ob Wahrhaftigkeit sichtbar und konsequent gelebt wird. Dann erst stimmen Gedanken und Gefühle mit sichtbaren Handlungen überein. Ihr Körper steht im Dienst des Lebensflusses. Sie fließt mit der Lebensenergie und vertraut ihrer wahrnehmenden Fähigkeit, sie ist energievoll und mit sich im reinen. Da ist nichts Übertriebenes, nichts Anmaßendes, nichts Unter- und nichts Überschätzendes: nur einfaches, vollkommenes und natürliches Fließen.

Die Kriegerin öffnet sich, empfängt immer wieder neu und nutzt das Empfangene, um das eigene zielstrebige Tun zu nähren. In Dankbarkeit für jede Erkenntnis und für diese oder jene »Be-Gabung« geht sie mit jeder gewonnenen Erkenntnis zielstrebig und konsequent den Weg der Bewusstheit. Sie strahlt Klarheit aus, sucht die Wahrheit, die energetische Ordnung und die Gerechtigkeit. Ihr Ziel ist die Freiheit, die Loyalität und die Aufrichtigkeit.

In menschlicher Gesellschaft erkennt sie oft das Unwahre, die Finten, den Schein, das Unechte, das Ausgeschmückte, Geprahlte und Verpackte. Sie erkennt das, was falsch und was wahr ist im Falschen. Es langweilt sie in menschlicher Gesellschaft sogar. Das führt oft dazu, dass sie menschliche Gesellschaft sogar meidet und sich in der Begegnung mit der Natur und ihren Wesen vertrauter fühlt. Mit der Natur ist sie eins, sie spürt Lebensenergie und sprüht vor Lebendigkeit und Natürlichkeit im fließenden Miteinander. Sie vollzieht diszipliniert und in Stille ihre Rituale und Übungen, um sich immer wieder in ihrer Mittelachse auszurichten, in Verbindung zu bleiben und im Fluss der Energien zu empfangen und loszulassen. Stetig nährt sie ihre Bewusstheit, geht die Stufenleiter des Bewusstwerdens schrittweise empor und baut dabei ihre Energie immer mehr auf.

Je mehr Bewusstheit vorhanden ist, desto klarer fließt die göttliche Energie durch sie und desto deutlicher hört sie die innere Stimme und vernimmt sie ihre Berufung, ihren Lebensauftrag. Sie horcht, sie lauscht und sie sieht die unmittelbare Wirklichkeit. Die Kriegerin folgt dieser inneren Stimme. Sie hat so viel Energie, wie sie braucht, um die Botschaft der inneren Stimme in Taten umzusetzen und in Sichtbares zu verwandeln.

Was hier jedoch so einfach geschrieben steht, ist in Wirklichkeit ein langwieriger und schmerzhafter Prozess. Denn nur durch stete Disziplin, durch geduldiges Arbeiten an sich selbst und durch unaufhörliches Pirschen und Jagen nach der Bewusstheit im Drinnen und Draußen wird es möglich, diese reine göttliche Schwingung als innere Stimme in sich selbst zu erfahren und ins Leben zu bringen.

Die innere Körperlandschaft

Die Jagd nach der Bewusstheit beginnt in der eigenen Körperlandschaft. Die Chinesen haben in ihrer alten Tradition den menschlichen Körper als einen Mikrokosmos angesehen, der dem Makrokosmos bis ins Detail nachempfunden ist. Seine Anatomie ist eine Landschaft, die Berge, Flüsse, Seen, Wälder und Tempel hat, seine Physiologie stellt die lebendige Interaktion zwischen Himmel und Erde dar. Die Karte des inneren Gewebes Nei Jing Tu ist ein Abbild für die Prozesse der inneren Alchemie. Die vorliegende Grafik stammt aus dem Kloster der weißen Wolken Bai Yun Guan aus Peking und ist im Original eine Steinabreibung aus dem Jahre 1886. Die Grafik zeigt einen menschlichen Leib mit Kopf und Rumpf als Landschaft dargestellt.

Es ist die innere Arbeit im kleinen himmlischen Kreislauf, die Richard Wilhelm in der Meditation als »das Kreisen des Lichts« bezeichnet hat. Dabei werden Energien durch die permanente Aktivierung der gespeicherten Essenzen mobilisiert und durch bewusstes Essen sowie durch bewusstes Atmen hinzugefügt. In bestimmten Körperräumen finden Veredlungsprozesse von Energien statt, die den neuen Menschen, den »echten« hervorbringen sollen. Diese innere Alchemie zielt über die Veredelung der Persönlichkeit auf die kosmische Verschmelzung. Es ist eine innere Entwicklung, die sich durch Sublimation, Reinigung und Umwandlung der körpereigenen Substanzen in einem langsamen Prozess bis zum Eintauchen in die große Leere des Universums vollzieht, um damit die Unsterblichkeit des Geistes zu erreichen.

Die nachfolgenden Aussagen lehnen sich an das Buch von Udo Lorenzen über die »Mikrokosmischen Landschaften« (Müller & Steinicke, München, 2006, Band 1) an.

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Die Abbildung des Nei Jing Tu lässt sich, entsprechend den drei Orten unterschiedlicher Aktivitäten im alchimistischen Prozess, in drei Teile zerlegen. Im unteren Teil des Körperbildes symbolisiert ein Kessel das Zentrum im Unterleib. Die vier darum herum kreisförmig angeordneten Yin-Yang-Symbole und die lodernden Flammen zeigen eine mächtige Wärmeentfaltung in alle vier Richtungen. Sie symbolisieren die gesammelte Energie als warme Glut im Unterleib, wenn Wasser und Feuer in einem ersten Einschmelzungsprozess miteinander verschmelzen. Noch tiefer am Boden der Abbildung bzw. am Boden des Beckens, dem mikrokosmischen Meeresgrund, sehen wir zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, die auf großen Rädern sitzend Wasser treten. Sie pumpen das Wasser durch die untere Schranke Wei-Lu, das Tor des Beckenbodens (Renmai 1 ist der erste Akupunkturpunkt auf dem Konzeptionsgefäß) nach oben, um »das Rad des geheimnisvollen Weiblichen von Yin und Yang« anzutreiben. Es ist das Zusammenspiel von Yin und Yang in der Tiefe des menschlichen Leibes, in der Tiefe des Meeresgrundes. Dieses Wasser fließt gegenläufig die lange Treppe zum Himmel hinauf. Gemeint ist die lange Wirbelsäule, die bis in den Schädel, den Himmel des Mikrokosmos, hinaufragt.

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Auf der Höhe der beiden Nieren (Akupunkturpunkt Blase 23), die in ihrer Polarität auch als Wasser-Niere und Feuer-Niere bezeichnet werden können, liegt mittig das Lebensfeuer Ming Men (Akupunkturpunkt Dumai 4). Auf einem Vorsprung, direkt neben der mächtig ausstrahlenden Glut des Lebensfeuers, des Ming-Men-Feuers, sitzt (in der Gebärmutter) ein Mädchen an einem Spinnrad; sie entspricht der Wasser-Niere. An dieser Stelle vereinen und vervollkommnen sich Wasser und Feuer, das wahre Yin und das wahre Yang. Das Ineinander-Verschlungen-Sein von Schildkröte und Schlange ist eine Form der Darstellung dieses Verschmelzungsprinzips.

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Das Mädchen spinnt einen Faden, der oben an der Wirbelsäule auf Höhe des ersten Brustwirbels (Akupunkturpunkt Dumai 13) in den aufwärts fließenden Strom der Lebenskraft direkt zum Gehirn einfließt. Sie bringt den Kreislauf in Bewegung und leitet immer wieder einen Impuls an die Essenzen. Erwin Rousselle vergleicht die Spinnerin mit der Körperseele Po, deren Aktivität, aber auch deren Bändigung unabdingbare Voraussetzung für den Weg zum Elixier und schließlich zur Steigerung und Ausbildung eines höheren Selbst ist.

In der Nähe der Spinnerin sehen wir einen Ochsen vor einen Pflug gespannt. Dahinter steht ein Bauer mit einer Peitsche. Seine emsige Arbeit beschreibt den beharrlichen und beständigen Prozess, das Feld bzw. das untere Zentrum unermüdlich zu bearbeiten. Das pflügende Rind ist das entsprechende Haustier der Erde. »Das eiserne Rind pflügt das Feld, um goldenes Geld zu säen.« Aus solch einem fruchtbaren Boden erwächst wahrer Segen, um die nächste Stufe zum höheren Selbst zu empfangen.

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Aber erst mit dem Überwinden der mittleren Schranke Jia Ji