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ISBN E-Book: 978-3-89287-532-1

Inhaltsverzeichnis

Gedanken zum 1. Buch Mose

Vorwort

Charles Henry Mackintosh, dessen Initialen „C.H.M.“ vielen Christen in aller Welt wohl bekannt sind, wurde im Oktober 1820 in der Kaserne von Glenmalure in der Grafschaft Wicklow in Irland geboren. Sein Vater war Hauptmann im „Highlanders' Regiment“ und hatte während des Aufstandes in Irland gedient. Seine Mutter war eine Tochter von Lady Weldon und entstammte einer alteingesessenen irischen Familie. Im Alter von achtzehn Jahren erlebte der junge Mann eine geistliche Erweckung durch Briefe, die seine Schwester ihm nach ihrer Bekehrung schrieb. Er empfing Frieden durch die Lektüre der Schrift von J. N. Darby: „Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes“, wobei ihm besonders die Worte halfen, dass das Werk Christi für uns, nicht sein Werk in uns Frieden gibt.

Als junger Christ nahm er eine Stelle in einem Geschäft in Limerick an. Er las viel in Gottes Wort und beschäftigte sich eifrig mit verschiedenen Studien. Im Jahr 1844 eröffnete er eine Schule in Westport und wandte sich mit großem Eifer der Erziehungsarbeit zu. Seine geistliche Haltung in dieser Zeit zeigt sich darin, dass es sein Ziel war, Christus den unangetasteten ersten Platz in seinem Leben einzuräumen und sein Werk als die Hauptsache zu betrachten. Als er 1853 jedoch befürchtete, dass die Schularbeit sein Hauptinteresse wurde, gab er diesen Dienst auf.

In der Zwischenzeit hatte er bereits begonnen, seine Gedanken zu den fünf Büchern Mose niederzuschreiben. In Abständen erschienen danach je eine Betrachtung über das erste bis vierte, und zwei über das fünfte Buch Mose. Diese Bücher, die von einem starken evangelistischen Geist geprägt sind, erlebten in der Folge verschiedene hohe Auflagen. Das Vorwort dazu schrieb Andrew Miller, der auch den Druck weitgehend finanzierte. Mit Recht sagt er von diesen Betrachtungen: „Die vollkommene Verdorbenheit des Menschen durch die Sünde und Gottes vollkommene Rettung in Christus werden ausführlich, deutlich und oftmals sehr treffend dargestellt“.

Als Ausleger besaß „C.H.M.“ einen leicht verständlichen Stil. Er verstand es, seine Ansichten kraftvoll darzustellen. Manche seiner Deutungen mochten vielen Gläubigen zunächst eigenartig erscheinen, aber in Bezug auf Treue zu Gottes Wort und Vertrauen auf Christus sind sie immer wieder eine große Hilfe.

Nachdem er seinen Schuldienst aufgegeben hatte, ging „C.H.M.“ nach Dublin, wo er öffentlich zu predigen begann. Viele Jahre verkündigte und verteidigte er nun das Evangelium und die christliche Wahrheit, und Gott bekannte sich deutlich zu seinem Dienst. Als in den Jahren 1859–60 die Erweckung Irland ergriff, war auch er aktiv dabei, und die ersten Bände der Zeitschrift „Things New and Old“ („Neues und Altes“) zeugen von seiner Tätigkeit. Er war ein großer Glaubensmann, der immer gerne bezeugte, dass Gott ihn zwar oft in Prüfungen brachte, aber ihn nie Mangel leiden ließ, während er im Evangeliumsdienst stand und ohne Einkünfte aus materieller Arbeit war.

Seine letzten vier Lebensjahre verbrachte er in Cheltenham, wo er seinen schriftlichen Dienst fortsetzte, als er wegen seines Alters die mündliche Verkündigungsarbeit aufgeben musste.

Es ist schwer, den Einfluss seiner Schriften zu schätzen. Aus aller Welt erreichten ihn Briefe, in denen Dank und Anerkennung für seine Erklärungen zu den fünf Büchern Mose zum Ausdruck kamen. Seine erste Schrift aus dem Jahr 1843 trug den Titel: „Der Friede Gottes“. Wenige Monate vor seinem Heimgang im Jahr 1896 übersandte er seinem Verleger ein Manuskript mit der Überschrift „Der Gott des Friedens“. Seine „Miscellaneous Writings“ (Gemischte Schriften) sind in sechs Bänden erschienen, ebenso seine Gedanken zu den fünf Büchern Mose. Er ging am 2. November 1896 in Frieden heim. Vier Tage später wurde er unter großer Anteilnahme neben seiner geliebten Frau beigesetzt. Bruder Dr. Wolston aus Edinburgh sprach über das Begräbnis Abrahams unter Zugrundelegung von 1. Mose 25,8–10 und Hebräer 8,10. Zum Abschluss sangen die Versammelten das schöne Lied von J. N. Darby:

O bright and blessed scenes,
Where sin can never come;
Whose sight our longing spirits weans
from earth where yet we roam.“

Die Schöpfung

Der Schöpfer

Überraschend ist die Art und Weise, wie der Heilige Geist dieses einzigartige Buch beginnt. Er führt uns sofort in die Gegenwart Gottes, und zwar in die wesentliche Fülle seines Seins und die Einsamkeit seines Wirkens. Jede Einleitung wird ausgelassen. Wir werden unmittelbar zu Gott geführt. Wir hören ihn gleichsam das Schweigen der Erde brechen und sehen, wie Er in ihre Finsternis mit Licht eindringt, um einen Bereich zu schaffen, in dem Er seine ewige Kraft und Göttlichkeit entfalten kann (Röm 1,20). Hier gibt es nichts, woran müßige Neugierde Nahrung finden könnte, nichts für die Spekulationen des menschlichen Geistes. Wir finden hier die Erhabenheit und Wirklichkeit der göttlichen Wahrheit, wie sie in ihrer sittlichen Kraft auf Herz und Verständnis wirkt. Mögen die Geologen das Innere der Erde erforschen und von dort Ergebnisse zu Tage fördern, welche die göttliche Urkunde zu vervollständigen oder ihr auch zu widersprechen scheinen; mögen sie ihre Forschungen über versteinerte Körper anstellen – der Jünger des Herrn beugt sich mit heiliger Freude über das göttlich eingegebene Wort. Er liest, glaubt und betet an. Mögen auch wir in diesem Geist unsere Betrachtung über das vor uns liegende inhaltsreiche Buch beginnen. Mögen wir verstehen, was es heißt, „zu forschen in seinem Tempel“ (Ps 27,4), und unsere Erforschungen des kostbaren Inhalts der Heiligen Schrift stets in einem Geist wahrer Anbetung fortsetzen.

„Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ (V. 1). Dieser erste Ausspruch der Heiligen Schrift versetzt uns in die Gegenwart dessen, der die unerschöpfliche Quelle aller wahren Segnung ist. Man findet hier keine ausführlichen Beweise für das Dasein Gottes. Wie könnte der Heilige Geist sich auf so etwas einlassen? Gott offenbart sich selbst.

Er macht sich bekannt durch seine Werke. „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk“ (Ps 19,2). „Alle deine Werke, HERR, werden dich loben, und deine Frommen dich preisen“ (Ps 145,10) – „Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott, Allmächtiger!“ (Off 15,3). Nur ein Ungläubiger oder ein Gottesleugner kann nach Beweisen für das Dasein dessen suchen, der Welten schuf durch das Wort seines Mundes, und der sich selbst als der Allwissende, der Allmächtige, der ewige Gott zu erkennen gegeben hat. Wer außer „Gott“ vermochte etwas zu „erschaffen?“ „Hebt zur Höhe eure Augen empor und seht: Wer hat diese da geschaffen? Er, der ihr Heer herausführt nach der Zahl, ruft sie alle mit Namen: Wegen der Größe seiner Macht und der Stärke seiner Kraft bleibt keines aus“ (Jes 40,26). „Denn alle Götter der Völker sind Nichtigkeiten; der HERR aber hat die Himmel gemacht“ (1. Chr 16,26). Im Buch Hiob (Kap. 38 bis 41) finden wir in erhabenen Worten, wie der Herr sich selbst auf das Werk der Schöpfung beruft, als einen unwiderleglichen Beweis für seine unumschränkte Oberhoheit, und während dies einerseits dem Verständnis die gewaltige und lebendige Darstellung der Allmacht Gottes zeigt, berührt sie andererseits unsere Herzen durch die Herablassung, die sich in ihr offenbart. Die Majestät und die Liebe, die Macht und die zärtliche Güte – alles ist göttlich.

Die Finsternis und das Licht

„Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe“ (V. 2). Das war in Wahrheit ein Ort, wo nur Gott wirken konnte. Da hatte der Mensch noch keinen Platz, bis auch er wie alles andere ein Gegenstand der schöpferischen Macht wurde. Gott war allein in der Schöpfung. Er schaute aus seiner ewigen Wohnstätte des Lichts herab auf die Wüstenei und erblickte hier die Stätte, wo seine wunderbaren Pläne und Ratschlüsse zur Ausführung kommen sollten, und wo der Ewige Sohn leben, wirken, zeugen, bluten und sterben sollte, um staunenden Welten die herrlichen Vollkommenheiten der Gottheit zu offenbaren. Überall herrschten Finsternis und Unordnung, aber Gott ist ein Gott des Lichts und der Ordnung (1. Joh 1,5). Finsternis und Unordnung, mögen wir sie von einem natürlichen, sittlichen, geistigen oder geistlichen Gesichtspunkt aus betrachten, können in seiner Gegenwart nicht bestehen.

„Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern“. Er schwebte gleichsam brütend über dem Ort seines zukünftigen Wirkens. Wahrlich, ein finsterer Ort – ein Ort, der dem Gott des Lichts und des Lebens einen unbegrenzten Raum zum Wirken bot. Nur Er konnte die Finsternis erleuchten, Leben hervorbringen, Ordnung an die Stelle des Chaos setzen und zwischen den Wassern eine Ausdehnung schaffen, in der das Leben sich ohne Todesfurcht ausbreiten konnte. Das waren in der Tat Unternehmungen, die Gottes würdig waren.

„Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht“ (V. 3). Wie einfach, und doch göttlich! „Denn er sprach, und es war; er gebot, und es stand da“ (Ps 33,9). Der Unglaube mag fragen: „Wie und wann?“ Die Antwort lautet: „Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist“ (Heb 11,3). Das befriedigt eine Seele, die sich belehren lassen will. Die Weltweisheit mag verächtlich darüber lächeln und es Unwissenheit oder Leichtgläubigkeit nennen, die zwar einem barbarischen Zeitalter angemessen, aber unwürdig für Menschen sind, die in einem aufgeklärten Jahrhundert der Weltgeschichte leben, wo uns die Wissenschaft scheinbar mit Tatsachen vertraut gemacht hat, von denen jene inspirierten Schreiber nichts wussten. Welche Weisheit! Welche Gelehrsamkeit! Nein, lieber welche Torheit! Welch ein Unsinn! Welche Unfähigkeit, den Zweck und die Absicht der Heiligen Schrift zu verstehen! Sicher ist es nicht die Absicht Gottes, uns zu Wissenschaftlern auszubilden. Seine Absicht ist es, uns in seine Gegenwart zu führen, und zwar als Anbeter, deren Herz und Verständnis durch sein heiliges Wort belehrt und richtig geleitet werden. Doch das genügt dem so genannten Philosophen nicht. Nein, er verachtet die nach seiner Meinung gewöhnlichen und engherzigen Vorurteile des frommen Jüngers des Wortes und greift vertrauensvoll zum Fernrohr und entdeckt damit ferne Welten. Oder er steigt hinab in die Tiefen der Erde, um ihre Schichten, Bildungen, Versteinerungen usw. zu erforschen, die, wie er meint, im Widerspruch zur Bibel stehen.

Mit solchen „Widersprüchen der fälschlich so genannten Kenntnis“ (1. Tim 6,20) haben wir nichts zu schaffen. Wir glauben, dass alle wahren Entdeckungen, sei es im All oder auf der Erde, mit den Mitteilungen des Wortes Gottes stets in Einklang stehen werden. Tun sie es nicht, so sind sie nach dem Urteil eines jeden Freundes der Schrift zurückzuweisen. Das gibt dem Herzen große Ruhe in einer Zeit, die so reich ist an gelehrten Spekulationen und hochtrabenden Theorien, die leider nur zu oft Rationalismus und ausgeprägten Unglauben verraten. Es ist sehr nötig, dass das Herz bezüglich der Autorität, der Vollkommenheit und der göttlichen Eingebung des heiligen Buches fest gegründet ist, denn darin beruht die einzige wirksame Schutzwehr gegen Rationalismus einerseits und Aberglauben andererseits. Genaue Bekanntschaft mit dem Wort und völlige Unterwerfung unter das Wort sind gegenwärtig die wichtigsten Erfordernisse. Möge der Herr in seiner großen Gnade das eine wie das andere in unserer Mitte reichlich vermehren.

„Und Gott sah das Licht, dass es gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht“ (V. 4.5). Hier haben wir die beiden großen Sinnbilder, die im ganzen Wort so häufig Anwendung finden. Die Gegenwart des Lichts macht den Tag aus, seine Abwesenheit die Nacht. In der Geschichte der Seelen finden wir dasselbe. Es gibt „Söhne des Lichts“ und „Söhne der Finsternis“. Das ist eine scharf bezeichnete, ernste Unterscheidung. Alle, auf die das Licht des Lebens geschienen hat, alle, die wirklich besucht worden sind von „dem Aufgang aus der Höhe“ (Lk 1,78), alle, die den „Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi“ (2. Kor 4,6) geschaut haben – alle diese, wer und wo sie auch sein mögen, gehören der ersten Klasse an: Sie sind „Söhne des Lichts“ und „Söhne des Tages“ (1. Thes 5,5). Alle aber, die sich noch von Natur in Finsternis, Blindheit und Unglauben befinden, alle, die in ihren Herzen noch nicht die Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit aufgenommen haben – diese alle sind noch in die Schatten geistlicher Nacht gehüllt. Sie sind „Söhne der Finsternis“ und „Söhne der Nacht“.

Lieber Leser! Denke einen Augenblick nach und frage dich in der Gegenwart dessen, der die Herzen erforscht, welcher von diesen beiden Klassen du angehörst. Dass du entweder auf der einen oder auf der anderen Seite deinen Platz hast, bedarf keiner Frage. Du magst arm, verachtet und ungelehrt sein, aber wenn die Gnade ein Band gewirkt hat, das dich mit dem Sohn Gottes, dem „Licht der Welt“, verbindet, dann bist du in Wahrheit ein Sohn des Tages und wirst bald für immer wie ein Stern in der himmlischen Herrlichkeit glänzen, in dem Bereich, deren Zentralsonne das „geschlachtete Lamm“ in Ewigkeit sein wird. Das ist nicht dein eigenes Werk. Es ist das Ergebnis des Ratschlusses und der Wirksamkeit Gottes selbst, der in Jesu und in seinem vollkommenen Opfer dir Licht und Leben, Freude und Frieden geschenkt hat. Aber wenn du die heilige Wirkung und den Einfluss des göttlichen Lichts noch nicht kennst und deine Augen noch nicht geöffnet worden sind, irgendwelche Schönheit in dem Sohn Gottes zu erblicken, dann bist du – auch wenn du große Intelligenz und alle Schätze der Philosophie besitzt, und alle Ströme menschlicher Weisheit getrunken hast und dein Name alle Gelehrtentitel trägt, die Schulen und Universitäten verleihen können – so bist du dennoch ein „Sohn der Nacht“, ein „Sohn der Finsternis“. Und überrascht dich der Tod in deinem gegenwärtigen Zustand, so fällst du in Finsternis und Schrecken einer ewigen Nacht. Darum lies keine Seite weiter, bevor du völlig klar bist in Bezug auf die Frage, ob du dem „Tag“ oder der „Nacht“ angehörst.

Die Himmelskörper

Der nächste Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die Erschaffung der Lichter. „Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Ausdehnung des Himmels, um den Tag von der Nacht zu scheiden, und sie seien zu Zeichen und zur Bestimmung von Zeiten und Tagen und Jahren; und sie seien zu Lichtern an der Ausdehnung des Himmels, um auf die Erde zu leuchten! Und es wurde so. Und Gott machte die zwei großen Lichter: das große Licht zur Beherrschung des Tages, und das kleine Licht zur Beherrschung der Nacht – und die Sterne“ (V. 14–16).

Die Sonne ist der große Mittelpunkt des Lichts und der Mittelpunkt unseres Systems. Rings um sie her kreisen die kleineren Himmelskörper, und von ihr empfangen sie Licht. Daher kann sie mit Recht als ein passendes Sinnbild dessen betrachtet werden, der als die „Sonne der Gerechtigkeit mit Heilung in ihren Flügeln“ (Mal 3,20) aufgehen wird, um die Herzen derer zu erfreuen, die den Herrn fürchten. Das Passende und Schöne dieses Sinnbildes wird aber erst dem vollkommen klar, der nach durchwachter Nacht die aufgehende Sonne mit ihren glänzenden Strahlen den östlichen Himmel vergolden sieht. Die Nebel und Schatten der Nacht verschwinden, und die ganze Schöpfung scheint das wiederkehrende Licht zu begrüßen. So wird es sein, wenn einst die Sonne der Gerechtigkeit aufgeht. Die Schatten der Nacht werden entfliehen, und die ganze Schöpfung wird erfreut sein über das Dämmern eines „Morgens ohne Wolken“, über das Anbrechen eines glänzenden und nie endenden Tages der Herrlichkeit.

Der Mond, dunkel in sich selbst, lässt das Licht der Sonne zurückstrahlen.[1]Wenn die Sonne hinter dem Horizont versunken ist, so ist der Mond da, um die von ihr aufgefangenen Strahlen auf eine dunkle Welt zurückzuwerfen. Sollte er aber während des Tages sichtbar sein, so zeigt er stets ein bleiches Licht – die notwendige Folge seines Erscheinens in Gegenwart eines höheren Glanzes. Allerdings treten auch manchmal die Erde und ihre Einflüsse störend dazwischen und verbergen durch Wolken und Nebel vor unseren Blicken sein silbernes Licht.

Wie nun die Sonne ein schönes und passendes Sinnbild von Christus ist, so erinnert uns der Mond in auffallender Weise an die Versammlung [2]. Christus, die Quelle ihres Lichtes, ist dem natürlichen Auge verborgen. Die Welt sieht ihn nicht, sie aber sieht ihn und ist verantwortlich, seine Strahlen auf eine umnachtete Welt zurückzuwerfen. Die Versammlung Gottes bietet der Welt einen Weg, um etwas von Christus zu lernen. Der Apostel sagt: „Ihr seid unser Brief … gekannt und gelesen von allen Menschen; von euch ist offenbar, dass ihr ein Brief Christi seid“ (2. Kor 3,2.3).

Welch eine verantwortliche Stellung! Wie ernst sollte die Versammlung in allen ihren Wegen gegen alles wachen, was den Widerschein des himmlischen Lichtes Christi verhindern könnte! Wie aber soll sie dieses Licht zurückstrahlen lassen? Dadurch, dass sie es in seinem ungetrübten Glanz auf sich scheinen lässt. Würde die Versammlung nur im Licht Christi wandeln, so würde sie auch ohne Zweifel sein Licht reflektieren, und dies würde sie stets in der ihr geziemenden Stellung erhalten. Der Mond hat kein eigenes Licht. Ebenso verhält es sich mit der Versammlung. Sie ist nicht berufen, sich selbst in den Blickpunkt der Welt zu stellen. Sie ist nur schuldig, das Licht zu reflektieren, das sie selbst empfängt. Sie hat die Verpflichtung, mit heiligem Fleiß den Weg, den Er ging, zu erforschen und durch die Energie des in ihr wohnenden Heiligen Geistes ihm auf diesem Weg zu folgen. Doch die Welt mit ihren Nebeln und Wolken tritt oft störend dazwischen und verbirgt das Licht und befleckt den Brief. Man kann oft nur wenig von den Zügen des Charakters Christi bei denen entdecken, die sich nach seinem Namen nennen; ja, bei manchen Gelegenheiten zeigen sie eher einen demütigenden Gegensatz als eine Ähnlichkeit. Möchten wir Christus mehr unter Gebet betrachten, damit wir ein treueres Bild von ihm darstellen können!

Die Sterne sind ferne Lichter. Sie leuchten in anderen Welten und stehen nicht in unmittelbarer Verbindung mit unserem Sonnensystem, außer dass ihr Leuchten gesehen werden kann. „Es unterscheidet sich Stern von Stern an Herrlichkeit“. So wird es in dem kommenden Reich des Sohnes sein. Er wird in lebendigem und ewigem Glanz strahlen, sein Leib, die Versammlung, wird seine Strahlen auf ihre Umgebung zurückfallen lassen, und die einzelnen Gläubigen werden in der Sphäre scheinen, die der gerechte Richter ihnen zum Lohn für treuen Dienst in der Nacht seiner Abwesenheit zuweist. Dieser Gedanke sollte uns ermuntern, unserem abwesenden Herrn ähnlicher zu werden (Lk 19,12–19).

Nun treten die niedrigen Ordnungen der Schöpfung in Erscheinung. Das Meer und die Erde sollen von lebendigen Wesen wimmeln. Einige glauben, in den Verrichtungen jedes Schöpfungstages ein Vorbild der verschiedenen Haushalte und ihrer großen charakteristischen Grundsätze erblicken zu müssen. Ich möchte dazu nur bemerken, dass es notwendig ist, wenn man die Schrift in dieser Weise behandeln will, über die Einbildungskraft zu wachen, sowie streng die Aufmerksamkeit auf die allgemeine Übereinstimmung der Schrift zu richten, denn sonst liegt die Gefahr nahe, in traurige Irrtümer zu verfallen. Ich jedenfalls möchte mich nicht auf diese Art der Auslegung einlassen und werde mich daher nur auf das beschränken, was ich als den klaren Sinn des Textes zu erkennen glaube.

Mann und Frau – Christus und die Versammlung

Wir kommen jetzt zu dem Platz des Menschen, als gesetzt über die Werke der Hand Gottes. Nachdem alles geordnet war, brauchte die Schöpfung ein Haupt. „Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserem Bild, nach unserem Gleichnis; und sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das sich auf der Erde regt! Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn; Mann und Frau schuf er sie. Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan; und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen“ (V. 26–28). Auffallend ist die Abwechslung in den Ausdrücken: „Er schuf ihn“ und „Er schuf sie“. Zwar wird uns erst im nächsten Kapitel die Erschaffung der Frau mitgeteilt, jedoch finden wir hier, dass Gott „sie“ segnet und ihnen gemeinschaftlich den Platz der Regierung über die Erde einräumt. Alle niedrigeren Ordnungen der Schöpfung werden unter ihre vereinte Herrschaft gestellt. Eva empfing alle ihre Segnungen in Adam. In ihm erlangt sie auch ihre Würde. Obwohl sie noch nicht tatsächlich ins Dasein gerufen war, wurde sie doch in dem Ratschluss Gottes als ein Teil des Mannes betrachtet. „Meinen Keim sahen deine Augen, und in dein Buch waren sie alle eingeschrieben, die Tage, die entworfen wurden, als nicht einer von ihnen war“ (Ps 139,16).

Ebenso ist es mit der Versammlung, der Braut des zweiten Menschen. Sie wurde von Ewigkeit her in Christo, ihrem Haupt und Herrn, gesehen, wie wir in Epheser 1,4 lesen: „Wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe“. Bevor noch ein einziges Glied der Versammlung lebte, waren alle schon nach Gottes ewigem Willen „zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein“ (Röm 8,29). Nach den Ratschlüssen Gottes ist die Versammlung notwendig zur Vollendung des geheimnisvollen Menschen. Darum ist sie berufen, „die Fülle dessen zu sein, der alles in allem erfüllt“ (Eph 1,23). Das ist ein wunderbarer Titel. Er enthält die Würde, die Wichtigkeit und die Herrlichkeit der Versammlung.

Man hat sich vielfach daran gewöhnt, die Segnung und Sicherheit einzelner Seelen als das einzige Ziel der Erlösung zu betrachten, aber wie gering und unvollständig ist eine solche Meinung von der Erlösung! Dass wir auch individuell vollkommen sichergestellt sind, unterliegt keinem Zweifel. Dennoch ist das der kleinste Teil der Erlösung. Die Herrlichkeit Christi ist in die Existenz der Versammlung eingeschlossen und damit verbunden, und das ist eine Tatsache von weit höherer Würde und Kraft. Wenn ich nach den Worten der Heiligen Schrift berechtigt bin, mich als einen Bestandteil von dem zu betrachten, was Christus unumgänglich bedarf, so kann ich an der völligen Vorsorge bezüglich meiner persönlichen Bedürfnisse nicht länger zweifeln. Und ist die Versammlung für Christus nicht unumgänglich nötig? Ohne Zweifel. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht“ (Kap. 2,18). Und wiederum: „Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann; denn der Mann wurde auch nicht um der Frau willen geschaffen, sondern die Frau um des Mannes willen … Dennoch ist weder die Frau ohne den Mann, noch der Mann ohne die Frau im Herrn. Denn so wie die Frau vom Mann ist, so ist auch der Mann durch die Frau; alles aber von Gott“ (1. Kor 11,8–12). Wie ohne Eva eine Lücke in der Schöpfung gewesen wäre, so wäre ohne die Braut, die Versammlung, eine Lücke in der neuen Schöpfung.

Lasst uns jetzt untersuchen, in welcher Weise Eva ins Dasein gerufen wurde. Wir müssen dabei auf den Inhalt des nächsten Kapitels vorgreifen. In der ganzen Schöpfung wurde keine Hilfe für Adam gefunden. Ein „tiefer Schlaf“ musste auf ihn fallen und eine Gefährtin aus ihm selbst gebildet werden, um seine Herrschaft und Segnung zu teilen. „Und Gott der HERR ließ einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, und er entschlief. Und er nahm eine von seinen Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch; und Gott der HERR baute[3] aus der Rippe, die er von dem Menschen genommen hatte, eine Frau, und er brachte sie zu dem Menschen. Und der Mensch sprach: Diese ist nun Gebein von meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleisch; diese soll Männin heißen, denn vom Mann ist diese genommen“ (Kap. 2,21–23).

Wenn wir nun Adam und Eva als ein Vorbild von Christus und der Versammlung betrachten, wozu uns die Schrift völlig berechtigt, so sehen wir, dass der Tod Christi eine vollendete Tatsache sein musste, bevor die Versammlung gebildet werden konnte, obwohl sie nach dem Vorsatz Gottes vor Grundlegung der Welt in Christus gesehen und auserwählt wurde. Zwischen dem verborgenen Ratschluss Gottes und seiner Offenbarung und Ausführung besteht ein großer Unterschied. Bevor der Ratschluss Gottes in Bezug auf die Versammlung verwirklicht werden konnte, musste der Sohn verworfen und gekreuzigt werden. Er musste seinen Platz im Himmel einnehmen und, um die Gläubigen zu einem Leib zu taufen, den Heiligen Geist niedersenden. Das heißt natürlich nicht, dass einzelne Seelen nicht schon vor dem Tod Christi lebendig gemacht und errettet worden waren. Ohne Zweifel war das der Fall. Adam und viele tausend andere im Lauf der Zeiten wurden durch das Opfer Christi errettet, obwohl dieses Opfer noch nicht vollbracht war. Aber die Errettung einzelner Seelen und die Bildung der Versammlung durch den Heiligen Geist sind zwei verschiedene Dinge. Leider wird dieser Unterschied nicht genug beachtet, und selbst da, wo er der Lehre nach verteidigt wird, findet man nur selten die praktischen Ergebnisse, die aus einer so hohen Wahrheit hervorgehen sollten. Der einzigartige Platz der Versammlung, ihr besonderes Verhältnis zu dem „zweiten Menschen“, dem Herrn „vom Himmel“ (1. Kor 15,47), ihre besonderen Vorrechte und Würden – alles das würde, wenn es durch die Kraft des Heiligen Geistes aufgenommen und erfasst würde, reiche und liebliche Früchte hervorbringen (s. Eph 5,23–32).

Wenn wir nun das vorliegende Bild betrachten, können wir uns eine gewisse Vorstellung von den Ergebnissen machen, die aus dem Verständnis über die Stellung der Versammlung hervorgehen sollten. Wie viel Liebe schuldete Eva dem Adam! Welche Nähe genoss sie! Wie eng war die Gemeinschaft! Wie nahm sie teil an allen seinen Gedanken! In all seiner Würde, in all seiner Herrlichkeit war sie vollständig eins mit ihm. Er herrschte nicht über sie, sondern mit ihr. Er war Herr der ganzen Schöpfung, und sie war eins mit ihm, ja, sie wurde, wie bereits bemerkt, in ihm gesehen und gesegnet. Um des „Mannes“ willen wurde sie ins Dasein gerufen. Zuerst wurde der Mann geschaffen, dann die Frau in ihm gesehen und aus ihm gebildet.

In Psalm 8 finden wir eine schöne Darstellung des Menschen, den Gott über das Werk seiner Hände gesetzt hat: „Wenn ich anschaue deine Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Sohn, dass du auf ihn Acht hast? Denn ein wenig hast du ihn unter die Engel erniedrigt; und mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner Hände; alles hast du unter seine Füße gestellt: Schafe und Rinder allesamt und auch die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres, was die Pfade der Meere durchzieht“ (Ps 8,4–9). Hier wird uns der Mensch ohne Erwähnung der Frau vorgestellt. Das ist durchaus richtig, denn die Frau wird im Mann gesehen.

In keinem Teil des Alten Testaments finden wir eine direkte Offenbarung des Geheimnisses der Versammlung. Der Apostel sagt ausdrücklich: „Das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt offenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten (des Neuen Testaments) im Geist“ (Eph 3,5). Aus diesem Grund wird in Psalm 8 nur der „Mann“ vor unsere Augen gestellt, aber wir wissen, dass Mann und Frau gleichsam unter einer Überschrift betrachtet werden. Dies alles wird in den zukünftigen Zeitaltern sein vollkommenes Gegenbild finden. Dann wird der wahre Mensch, der Herr vom Himmel, seinen Platz auf dem Thron einnehmen und in Gemeinschaft mit seiner Braut, der Versammlung, über eine wiederhergestellte Schöpfung herrschen. Die Versammlung, die lebendig aus dem Grab Christi hervorging, ist ein Teil von „seinem Leib, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“. Der Herr Jesus als das Haupt und die Versammlung als der Leib machen einen Menschen aus, wie wir in Kapitel 4 des Epheserbriefes lesen: „Bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Mann, zu dem Maß des vollen Wuchses der Fülle des Christus“ (V. 13). Da die Versammlung einen Teil von Christus bildet, wird sie in der Herrlichkeit einen besonderen, nur für sie allein bestimmten Platz einnehmen. Kein anderes Geschöpf stand Adam so nahe wie Eva, denn keins war ein Teil von ihm. Ebenso wird die Versammlung in der zukünftigen Herrlichkeit den allernächsten Platz bei Christus einnehmen.

Doch nicht nur, was die Versammlung sein wird, sondern auch was sie ist, ruft unsere Bewunderung hervor. Sie ist jetzt der Leib Christi. Sie ist jetzt der Tempel, in dem Gott selbst Wohnung gemacht hat. Wenn aber das die gegenwärtige und die zukünftige Würde der Versammlung ist, von der wir durch Gottes Gnade einen Teil bilden, dann geziemt uns ein heiliger, unterwürfiger und abgesonderter Lebensweg.

Möge der Heilige Geist diese Dinge unseren Herzen deutlicher offenbaren, damit sich unser Verantwortungsgefühl immer mehr vertieft, unserer hohen Berufung durch würdiges Verhalten zu entsprechen. „Damit ihr, erleuchtet an den Augen eures Herzens, wisst, welches die Hoffnung seiner Berufung ist, welches der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen und welches die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, in der er gewirkt hat in dem Christus, indem er ihn aus den Toten auferweckte; (und er setzte ihn zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern, über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt;)“ (Eph 1,18–23).


Fußnoten

[1] Es ist interessant, dass der Mond durch ein gutes Fernrohr den Anblick eines ruinierten Naturzustandes bietet.

[2] In dieser Auslegung zu den Büchern Mose wurde das Wort „Versammlung“ (statt der bekannteren Begriffe „Gemeinde“ o. „Kirche“) zur Bezeichnung aller Christen in ihrer Gesamtheit verwendet. Es scheint die direkte und einfachste Übersetzung des griechischen Wortes ekklesia zu sein. Siehe dazu auch das Vorwort der verwendeten Bibelausgabe.

[3] Das hebräische Wort, das hier mit „baute“ übersetzt ist, wird in der Septuaginta mit okodomesen wiedergegeben. In Epheser 2,20.22 sind die Worte „aufgebaut“ und „mitaufgebaut“ Ableitungen desselben griechischen Wortes..

Der siebte Tag der Schöpfung

Der Sabbat

Das 2. Kapitel lenkt unsere Aufmerksamkeit auf zwei wichtige Dinge, nämlich auf den „siebten Tag“ und auf den „Strom“. Der siebte Tag verdient besondere Beachtung.

Es gibt wohl wenige Punkte, über die so viel Missverständnis und Widerspruch herrscht, wie über die Lehre vom „Sabbat“. Dabei ist nicht der geringste Grund dazu vorhanden, denn der ganze Gegenstand ist im Wort klar und einfach entwickelt. Das bestimmte Gebot, den „Sabbattag zu heiligen“, wird uns, wenn der Herr es erlaubt, in unserer Betrachtung des zweiten Buches Mose beschäftigen. Im vorliegenden Kapitel wird dem Menschen kein Gebot gegeben, sondern nur die Mitteilung gemacht, dass Gott am siebten Tag ruhte. Wir lesen: „So wurden vollendet der Himmel und die Erde und all ihr Heer. Und Gott hatte am siebten Tag sein Werk vollendet, das er gemacht hatte; und er ruhte am siebten Tag von all seinem Werk, das er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte er von all seinem Werk, das Gott geschaffen hatte, indem er es machte“ (V. 1–3). Hier finden wir also kein Gebot. Es wird uns lediglich erzählt, dass Gott seine Ruhe genoss, weil alles, was die Schöpfung betraf, vollendet war. Es gab nichts mehr zu tun, und deshalb beendete Er sein Werk und ruhte, nachdem Er sechs Tage gearbeitet hatte. Alles war vollendet, sehr gut, und so, wie Er es gemacht hatte, und Er ruhte darin. „Als die Morgensterne miteinander jubelten, und alle Söhne Gottes jauchzten“ (Hiob 38,7). Das Werk der Schöpfung war vollendet, und Gott feierte einen Sabbat.

Das ist auch der wahre Charakter des Sabbats. Es war der einzige Sabbat, der, soweit uns das Wort darüber belehrt, von Gott je gefeiert worden ist. Später lesen wir, dass Gott dem Menschen die Heiligung des Sabbats gebot, und dass der Mensch dieses Gebot ganz außer Acht ließ, aber nirgends lesen wir wieder die Worte: „Gott ruhte“. Es heißt im Gegenteil: „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke“ (Joh 5,17). Der Sabbat konnte im genauen Sinn des Wortes nur dann gefeiert werden, wenn es nichts mehr zu tun gab. Er konnte nur in einer makellosen Schöpfung gefeiert werden, wo es keinen Flecken von Sünde gab. Gott kann nicht da ruhen, wo Sünde ist, und ein Blick um uns her wird uns überzeugen, dass es Gott unmöglich ist, in der jetzigen Schöpfung Ruhe zu genießen. Dornen und Disteln und tausend andere traurige und demütigende Früchte einer seufzenden Schöpfung zeigen uns, dass Gott jetzt wirken muss und nicht ruhen kann. Sollte Er ruhen können inmitten von Dornen und verkrüppelten Sträuchern? Sollte Er ruhen können trotz der Seufzer und Tränen, der Mühen und Sorgen, trotz Krankheit und Tod und der Schuld einer verdorbenen Welt? Sollte Er sich da niederlassen und inmitten solcher Umstände einen Sabbat feiern können?

Wie man auch diese Fragen beantworten mag, die Heilige Schrift belehrt uns, dass Gott bis jetzt keinen Sabbat gefeiert hat, außer dem, der in 1. Mose 2 erwähnt wird. Der „siebte Tag“ und kein anderer war der Sabbat. Er bezeugte die Vollendung des Schöpfungswerkes, aber das Schöpfungswerk ist verdorben und die Sabbatruhe unterbrochen worden, und darum hat Gott vom Sündenfall an gewirkt.

Auch Christus hatte keinen Sabbat, als Er auf der Erde war. Er vollendete sein Werk, aber wo brachte Er den Sabbat zu? Im Grab! Der Herr Jesus, Gott, offenbart im Fleisch, der Herr des Sabbats, der Schöpfer und Erhalter des Himmels und der Erde, brachte den siebten Tag im Grab zu. Will uns das nichts sagen? Hätte der Sohn Gottes am siebten Tag im Grab liegen können, wenn dieser Tag in Ruhe und Frieden und in dem vollen Bewusstsein verbracht werden sollte, dass jedes Wirken beendet war? Unmöglich! Wir brauchen keinen weiteren Beweis für die Unmöglichkeit einer Sabbatfeier als den, der uns in dem Grab Jesu dargeboten wird. Der Mensch ist ein gefallenes, verdorbenes, schuldbeladenes Geschöpf. Auf dem Gipfel seiner bösen Laufbahn hat er den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt und nach vollbrachter Tat einen großen Stein vor die Öffnung des Grabes gewälzt, um ihn, wenn möglich, zu hindern, das Grab zu verlassen. Und was tat er, während der Sohn Gottes im Grab lag? Er feierte den Sabbat! Welch ein Gedanke! Christus liegt im Grab, um den gebrochenen Sabbat wiederherzustellen, und der Mensch versucht, den Sabbat zu halten, als wäre er nie gebrochen worden. Ganz sicher war das ein menschlicher Sabbat. Es war ein Sabbat ohne Christus, und darum eine leere, kraft- und wertlose Form.

Der erste Tag der Woche

Man wird einwenden: „Der Tag ist verändert worden, während die ihm eigenen Grundsätze dieselben geblieben sind“. Aber die Schrift liefert zu einem solchen Gedanken keinen Grund. Oder gibt es ein göttliches Zeugnis für diese Behauptung? Nein. Im Gegenteil, die Unterscheidung wird im Neuen Testament klar beibehalten. Zum Beweis führe ich die bemerkenswerte Stelle an: „Aber nach dem Sabbat, in der Dämmerung des ersten Tages der Woche“ (Mt 28,1). Hier ist keine Rede davon, dass der siebte Tag in den ersten Tag umgewandelt, oder dass der Sabbat auf einen anderen Tag verlegt worden sei. Der erste Tag der Woche ist nicht ein veränderter Sabbat, sondern ein neuer Tag. Er ist der erste Tag eines neuen Zeitabschnitts, und nicht der letzte Tag eines alten. Der siebte Tag steht mit der Erde und der irdischen Ruhe in Verbindung, während der erste Tag der Woche uns in den Himmel und in die himmlische Ruhe führt.

Dieser Unterschied ist von großer Bedeutung. Feiere ich den siebten Tag, so kennzeichnet mich das als einen irdischen Menschen, da dieser Tag die Ruhe der Erde, die Schöpfungsruhe, ausdrückt. Verstehe ich aber durch die Belehrung des Wortes und des Geistes Gottes die Bedeutung des ersten Tages der Woche, so werde ich seine unmittelbare Verbindung mit der neuen und himmlischen Ordnung begreifen, deren ewige Grundlage der Tod und die Auferstehung Christi bilden. Der siebte Tag gehörte Israel und der Erde, der erste Tag der Woche gehört der Versammlung und dem Himmel an. Israel wurde geboten, den siebten Tag zu feiern, während die Versammlung das Vorrecht besitzt, sich des ersten Tages der Woche zu erfreuen. Der siebte Tag war der Prüfstein des sittlichen Zustandes Israels. Der erste Tag ist ein Beweis für die ewige Annahme der Versammlung. Jener machte offenbar, was Israel für Gott tun konnte. Dieser stellt ans Licht, was Gott für uns getan hat.

Der Tag des Herrn

Es ist unmöglich, den Wert und die Wichtigkeit des „Tages des Herrn“[1], wie der erste Tag der Woche in Offenbarung 1 genannt wird, hoch genug zu schätzen. Da es der Tag ist, an dem Christus aus den Toten auferstand, so stellt er uns nicht die Vollendung der Schöpfung, sondern den vollkommenen und herrlichen Triumph der Erlösung vor Augen. Wir sollten die Feier des ersten Tages der Woche nicht als eine knechtische Verpflichtung, als ein auf den Christen gelegtes Joch betrachten. Nein, es ist die Freude des Christen, diesen wunderbaren Tag zu feiern. Daher finden wir, dass die ersten Christen vorzugsweise am ersten Tag der Woche zusammenkamen, um das Brot zu brechen, und im ersten Abschnitt der Geschichte der Versammlung wurde der Unterschied zwischen dem Sabbat und dem ersten Tag der Woche völlig aufrechterhalten. Die Juden feierten den Sabbat dadurch, dass sie sich in ihren Synagogen versammelten, um das „Gesetz und die Propheten“ zu lesen. Die Christen feierten den ersten Wochentag dadurch, dass sie zusammenkamen, um das Brot zu brechen. Es gibt keine einzige Stelle in der Schrift, in der der erste Tag der Woche der Sabbat genannt wird, während es Beweise genug für die Verschiedenheit der beiden Tage gibt.

Eine zukünftige Ruhezeit

Verlieren wir jedoch nicht die wichtige Wahrheit aus dem Auge, dass der Sabbat in dem Land Israel und in der ganzen Schöpfung einmal ganz sicher gefeiert werden wird. „Also bleibt eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig“ (Heb 4,9). Wenn der Sohn Abrahams, der Sohn Davids, der Sohn des Menschen seine regierende Stellung über die ganze Erde einnehmen wird, dann wird ein herrlicher Sabbat anbrechen, eine Ruhe, die nicht mehr durch die Sünde gestört werden wird. Doch jetzt ist Er verworfen, und alle, die ihn kennen und lieben, sind berufen, mit ihm den Platz seiner Verwerfung zu teilen. Sie sind berufen, hinauszugehen „außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend“ (Heb 13,13). Könnte die Erde einen Sabbat feiern, so wäre keine Schmach mehr vorhanden.

Betrachten wir jetzt die Verbindung zwischen dem Sabbat und dem aus Eden fließenden Strom. Es liegt viel Schönes darin. Zum ersten Mal hören wir von dem „Strom Gottes“, der hier in Verbindung mit der Ruhe Gottes erwähnt wird. Als Gott in seinen Werken ruhte, da fühlte die ganze Schöpfung die Segnung und Erquickung dieser Ruhe. Es war für Gott unmöglich, einen Sabbat zu feiern, ohne dass die Erde davon einen heiligen Einfluss fühlte. Leider wurden die Ströme, die aus Eden, dem Ort der irdischen Ruhe, flossen, bald unterbrochen, weil die Ruhe der Schöpfung durch die Sünde gestört wurde.

Der Strom Gottes

Doch Gott sei gepriesen! Die Sünde beendete nicht das Wirken Gottes, sondern bot seiner Tätigkeit nur einen neuen Bereich, und wo irgend man Gott wirken sieht, da spürt man auch das Fließen des „Stromes“. Wenn Er mit starker Hand und ausgestrecktem Arm seine erlösten Scharen durch die Wüste führt, sehen wir auch den Strom fließen, nicht aus Eden, sondern aus dem geschlagenen Felsen – eine passende und schöne Darstellung der Grundlage, auf der die freie Gnade dem Bedürfnis des Sünders entspricht. Hier ist es Erlösung und nicht bloß Schöpfung. „Der Fels aber war der Christus“ (1. Kor 10,4), Christus, geschlagen, um dem Bedürfnis seines Volkes zu begegnen. Der geschlagene Felsen stand in Verbindung mit dem Platz des HERRN in der Stiftshütte, und in dieser Verbindung liegt eine große Schönheit. Gott wohnt „unter Teppichen“ und Israel trinkt aus dem geschlagenen Felsen – welch eine Sprache für jedes offene Ohr, und welch eine Unterweisung für jedes „beschnittene Herz“! (2. Mo 17,6).

Wenn wir die Geschichte der Wege Gottes weiter verfolgen, so finden wir den Strom, wie er in einem anderen Bett fließt. „An dem letzten, dem großen Tag des Festes aber stand Jesus da und rief und sprach: Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Joh 7,37.38). Hier sehen wir also den Strom aus einer anderen Quelle hervorkommen und sich durch ein anderes Bett ergießen. Obwohl in einem Sinn die Quelle des Stromes stets dieselbe blieb, nämlich Gott selbst, wurde Gott doch jetzt in einer neuen Beziehung und auf einem neuen Grundsatz erkannt. Der Herr Jesus nahm daher in der eben angeführten Stelle im Geist seinen Platz außerhalb der bestehenden Ordnung ein und stellte sich als die Quelle des Stromes des lebendigen Wassers, und den Gläubigen als den Kanal dieses Stromes dar. Einst war Eden als Schuldner der ganzen Erde bestimmt, die befruchtenden Ströme von sich ausgehen zu lassen. In der Wüste wurde der Felsen, nachdem er geschlagen war, ein Schuldner der dürstenden Israeliten. So ist jetzt jeder, der an Jesus glaubt, ein Schuldner seiner Umgebung, um auf sie „Ströme lebendigen Wassers“ von sich ausfließen zu lassen.

Der Christ sollte sich stets als Kanal betrachten, durch den sich die vielfältige Gnade Christi zum Besten einer hilfsbedürftigen Welt ergießen will, und je reichlicher er austeilt, umso reichlicher wird er empfangen. „Da ist einer, der ausstreut, und er bekommt noch mehr; und einer, der mehr spart, als recht ist, und es ist nur zum Mangel“ (Spr 11,24). Dies ist für den Gläubigen ein herrliches Vorrecht, zugleich aber auch eine ernste Verantwortung. Er ist berufen, der beständige Zeuge und Darsteller der Gnade dessen zu sein, an den er glaubt.

Je mehr er in das Vorrecht eindringt, umso mehr wird er der Verantwortlichkeit entsprechen. Wenn er gewohnt ist, sich von Christus zu nähren, so kann er gar nicht anders als ihn darstellen. Je mehr der Heilige Geist das Auge des Christen auf Jesus gerichtet hält, umso mehr wird dessen Herz mit der anbetungswürdigen Person des Herrn beschäftigt sein, und umso mehr werden sein Leben und sein Charakter ein eindeutiges Zeugnis von seiner Gnade ablegen. Der Glaube ist die Kraft des Dienstes und zugleich die Kraft des Zeugnisses und die Kraft der Anbetung. Wenn wir nicht leben „durch den Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20), so werden wir weder wirksame Diener noch treue Zeugen noch wahre Anbeter sein. Wir mögen dann viel wirken, aber es ist kein Dienst für Christus. Wir mögen viel reden, aber es ist kein Zeugnis für Christus. Wir mögen viel Gottseligkeit und Hingabe zur Schau tragen, aber das ist keine geistliche und wahre Anbetung.

Schließlich sehen wir den Strom Gottes im letzten Kapitel der Offenbarung[2]