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Rudolf Kemmerich

ADHS von A bis Z

Kompaktes Praxiswissen für Betroffene und Therapeuten

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-033447-2

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-033448-9

epub:   ISBN 978-3-17-033449-6

mobi:   ISBN 978-3-17-033450-2

 

Vorwort

 

 

Zahlreiche Abhandlungen zum Thema Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne oder mit Hyperaktivität (ADHS) sind in den letzten Jahren auf dem Buchmarkt erschienen. Das beweist einerseits, dass das Syndrom als eigenständiges Krankheitsbild in Medizin, Psychologie, Pädagogik, Soziologie und bei der Elternschaft angekommen ist. Andererseits zeigt die große Zahl von Titeln den Bedarf an Information. Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne oder mit Hyperaktivität (ADHS) hat seinen Platz unter den anerkannten medizinischen Diagnosen gefunden. Was bisher fehlt, das ist eine Darstellung in Lexikonform. Der interessierte Leser hat meist weder Zeit noch Lust, ein ganzes Buch, Kapitel für Kapitel, durchzuarbeiten. Eine Zusammenstellung des Stoffes nach Stichworten, alphabetisch geordnet, kommt ihm daher entgegen. In einem solchen Werk kann er rasch die Antworten finden, die er gerade braucht.

Die Arbeitsblätter sind die Früchte aus 40 Jahren ärztlicher Betreuung von Kindern, Jugendlichen und den oft ebenfalls betroffenen Eltern mit Aufmerksamkeitsstörung. Hinzu kamen die Erfahrungen, die der Verfasser in acht Jahren Gruppentraining mit Eltern, Jugendlichen, Erwachsenen, Lehrern und Erziehern gewonnen hat. Aus den Gruppen kamen sehr viele Rückmeldungen, positive und negative. Sie bewirkten, dass die Texte immer wieder verbessert werden konnten. Der Inhalt jedes einzelnen Arbeitsblattes entspricht dem letzten Stand der Wissenschaft. Das Buch wendet sich an Eltern, Großeltern, Jugendliche, Ärzte, Psychologen, Lehrer und Jugendleiter.

Viele Anregungen gehen auf die genialen Kurse, Vorträge und Gespräche von und mit Frau Dipl.-Psych. Cordula Neuhaus, Esslingen, zurück. 40 Jahre haben wir zusammengearbeitet. Ihr gilt mein ganz besonderer Dank. Frau Neuhaus war eine der ersten Psychologinnen, die es gewagt hat, ADHS als eine besondere Verhaltensweise und Lebensform herauszustellen. Sie gehört heute zu den führenden Wissenschaftlern auf diesem Gebiet.

Wenn ich in diesem Buch das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne oder mit Hyperaktivität (ADHS) vorstelle, so spreche ich

•  nicht über irgendeine Normvariante menschlichen Verhaltens,

•  nicht über einen Erziehungsfehler,

•  nicht über eine posttraumatische Belastungsstörung

•  und nicht über eine Modeerscheinung aus dem »gelobten Land«, den USA.

Ich spreche über ein psychiatrisches Störungsbild des Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalters,

•  das hirnorganisch verursacht ist,

•  durch sorgfältige Untersuchung sicher nachweisbar ist

•  und dessen Träger ebenso viele Schwächen wie Stärken aufweist.

ADHS ist ein Störungsbild, das in der Fachwelt seit Jahren

•  dem Diskussionsstadium entwachsen ist

•  und einen gesicherten Platz in der medizinischen Klassifikation eingenommen hat.

Weinstadt, 30. März 2017

Rudolf Kemmerich

 

Inhalt

 

 

  1. Vorwort
  2. A
  3. Abendstunde und Zubettgehen
  4. Achtung für Menschen mit ADHS
  5. ADHS, Kurzfassung
  6. ADHS – Eine Stoffwechselstörung des Gehirns
  7. ADS: Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität (»Hans-guck-in-die-Luft«)
  8. Aggressives Verhalten
  9. Alphabetisieren hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge!
  10. Ältere Menschen mit ADHS
  11. Atomoxetin, ATX (Strattera®)
  12. Aufmerksamkeitsdauer ohne ADHS
  13. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, hypoaktive Form (»Träumerchen«)
  14. Aufmerksamkeitsstörung: Vorbeugung und Behandlung allgemein
  15. Aufräumen
  16. Autismus-Spektrum-Störung (ASS)
  17. B
  18. Behandlung ohne Stimulantien
  19. Beruhigungszeit
  20. Beruhigungszeit: Ziel und Durchführung
  21. Beurteilungsbogen für Eltern
  22. Beurteilungsbogen für Lehrer
  23. Bücher zu ADHS
  24. C
  25. Conners-Test – Hyperkinetisches Syndrom
  26. D
  27. Diagnosestellung ADHS
  28. Digitales Lernen
  29. DL-Amphetamin
  30. Dopamin und sein Ersatz
  31. E
  32. Entspannung
  33. Erblichkeit von ADHS
  34. Erfolgreicher Jäger vor 40 000 Jahren und heute
  35. Erfolgsgeheimnis: Wege zum Erfolg
  36. Erfreuliche Eigenschaften der ADHS-Persönlichkeit
  37. Ernährung bei Aufmerksamkeitsstörung
  38. Erwachsene mit ADHS
  39. Erziehungsfallen
  40. Erziehungsgrundsätze für Eltern und Lehrer
  41. Erziehungsmisserfolge: Energiefresser
  42. Essverhalten des ADHS-Kindes
  43. Essverhalten: Das mag ich nicht!
  44. F
  45. Fahrplan der Arbeitsschritte
  46. Familienatmosphäre
  47. Fettsäuren zur ADHS-Behandlung
  48. Folgen und Risiken von ADHS
  49. Folsäure
  50. Fragebogen Schulalter
  51. Fragebogen für Kinder (10–14 Jahre)
  52. Fragebogen für Jugendliche (14–25 Jahre)
  53. Frauen mit ADHS
  54. Freundschaft und Gruppe
  55. Frühstück
  56. Frühstückstee
  57. Frühzeichen ADHS
  58. G
  59. Geschwister von ADHS-Kindern
  60. Gesetzliche Rahmenbedingungen
  61. Gesprächsregeln
  62. Gesunde Mischkost
  63. Guanfacin (Intuniv®)
  64. H
  65. Hausaufgaben: Rahmenbedingungen und Hilfen
  66. Hochbegabung und ADHS
  67. Hochbegabung: Fragebogen
  68. Unterricht und Hausaufgaben: Hilfen
  69. Hochsensible Menschen (Highly Sensitive Persons, HSP)
  70. Homöopathie bei ADHS
  71. Homöopathische Mittel bei ADHS
  72. Hyperkinetisches Syndrom (Zappelphilipp-Syndrom)
  73. Hyperkinetisches Syndrom mit Störung des Sozialverhaltens (ADHS, »Max-und-Moritz-Syndrom«)
  74. Hypothyreose, präklinische Form (Latente Schilddrüsenunterfunktion)
  75. I
  76. Interdisziplinäre Betreuung
  77. Iss Dich glücklich!
  78. J
  79. Jagen und Potenz
  80. K
  81. Kaugummi und Aufmerksamkeit
  82. Kindergarten: Hilfen für das unruhige Kind
  83. Kinesiologie
  84. Klartext reden – was kann ich tun, damit das Kind meine Anweisungen befolgt?
  85. Kleinkind mit ADHS
  86. Kleinkind: Hilfen für das unruhige Kleinkind
  87. Konsequenz
  88. Kontrollverlust
  89. Konzentrationstraining
  90. Kreislaufstörung
  91. Kurkliniken mit der Indikation ADHS, Auswahl
  92. Kurzzeitspeicher
  93. L
  94. Lebenslauf
  95. Lebensmittelzusatzstoffe
  96. Lernen mit ADHS
  97. Lernhilfen für ADHS-Kinder
  98. Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS)
  99. Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) bei ADHS
  100. Lernhilfe Abfotografieren
  101. Lernunterstützung durch die Eltern
  102. M
  103. Magnesium
  104. Märchen
  105. Mediennutzung
  106. Medikamente mit paradoxer Wirkung bei ADHS
  107. Medikamentöse Behandlung
  108. Methylphenidat-Trägersubstanzen
  109. Methylphenidat-Verordnung
  110. Morgenstunde
  111. Motorische Störungen bei ADHS
  112. Multimodale Behandlung, Bausteine
  113. Musik bei ADHS
  114. N
  115. Neurobiologische Grundlagen des ADHS
  116. O
  117. Osteopathie
  118. P
  119. Paarbeziehungen bei ADHS
  120. Phosphat
  121. Phosphatüberempfindlichkeit
  122. Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
  123. Pseudo-ADHS oder Syndrom des »Bösen Friederich«
  124. Pubertät und ADHS
  125. Punkteplan: ein Belohnungssystem zur Motivation
  126. R
  127. Rechenstörung – Dyskalkulie
  128. Regeln einführen
  129. Regulationsstörungen
  130. Rehabilitation, Kur
  131. Reiten – Hippotherapie
  132. Reizfilterschwäche
  133. Rückkoppelung (Neurofeedback)
  134. S
  135. Schuld der Eltern?
  136. Schule und Pädagogik bei ADHS
  137. Schule: Laufbahn des ADHS-Kindes
  138. Schule: Unterricht mit ADHS-Kindern
  139. Schulen für Kinder und Jugendliche mit ADHS
  140. Schwierige Eigenschaften der ADHS-Persönlichkeit
  141. Seelische Folgen = Sekundärsymptome bei ADHS
  142. Selbstbewusstsein oder Selbstbeherrschung?
  143. Selbstbildnis
  144. Selbstkontrolle
  145. Selbstständigkeitsentwicklung des ADHS-Kindes
  146. Sensorische Integration (SI)
  147. Serotonin
  148. Sinneskanäle des Menschen
  149. Spiele bei ADHS
  150. Sport bei ADHS
  151. Stimulantien
  152. Stimulantien als Saft
  153. Stimulantien und Parkinson
  154. Süßigkeiten: Ratschläge zum Verzehr
  155. Süßigkeiten-Gier
  156. T
  157. Teilleistungsstörungen
  158. T.O.V.A® (Test of Variables of Attention)
  159. U
  160. Übergang ins Erwachsenenalter (Transition)
  161. Unfolgsamkeit
  162. V
  163. Veränderungen
  164. Verhaltenstherapie
  165. Verstärkungsfaktoren für ADHS-Symptome
  166. Videospiele
  167. Vitamin D
  168. Vitamine und ADHS
  169. W
  170. Wachstum unter Stimulantien
  171. Wender-Utah-Kriterien für Erwachsene (Selbsteinschätzung)
  172. Wutanfall
  173. Z
  174. Zappelliese und Zappelphilipp
  175. Zeitmanagement bei Erwachsenen
  176. Zeitwahrnehmung bei ADHS
  177. Zerebrale Risikofaktoren
  178. Zink – ein wichtiges Spurenelement
  179. Zuwendung und Zeit
  180. Zwangsstörung – Allgemein
  181. Zwangsstörung – Behandlung
  182. Zwangsstörung – Kriterien nach ICD 10
  183. Literatur

 

 

 

 

A

 

Abendstunde und Zubettgehen

Irrtümer

1.  »Kinder brauchen viel Schlaf!«
Stimmt nur teilweise. Es gibt riesengroße Unterschiede: Der eine Säugling schläft 18 Stunden am Tag, der andere nur 12. Beides ist normal. Das gilt auch für spätere Altersstufen. Je älter und selbstständiger ein Kind ist, umso weniger Schlaf braucht es.

2.  »ADHS-Kinder brauchen genauso viel Schlaf wie andere Kinder!«
Diese Aussage ist falsch, ADHS-Kinder brauchen von klein auf weniger Schlaf als andere Kinder!

3.  »Das Kind erholt sich nicht genügend, wenn es nach dem Zubettgehen noch längere Zeit wach bleibt!«
Richtig ist: Das Kind, das ohne Schlaf im Bett liegt, erreicht 75 % des Erholungswertes, den es im Schlaf hätte.

4.  »Das Kind soll zu einer Zeit ins Bett gehen, die in der jeweiligen Altersstufe üblich ist!«
Dieser Ansatz ist falsch. Führen Sie besser ein Schlaftagebuch. Tragen Sie vier Wochen lang die Schlaf- und Wachzeiten Ihres Kindes ein. Nur so können Sie feststellen, ob Sie Ihrem Kind zu viel oder zu wenig Schlaf verordnen.

5.  »Nach einer Fernsehsendung findet das Kind besser in den Schlaf!«
Das mag für Erwachsene gelten, gilt aber nicht für Kinder, ausgenommen vielleicht die Sendung mit dem Sandmännchen. Alle Arten von Fernsehsendungen erregen die kindliche Fantasie und bremsen den Schlaf aus.

6.  »Das Kind ist lästig oder boshaft, wenn es am Abend Angst vor dem Einschlafen äußert!«
Das ist falsch, denn wenn der Verstand zunimmt, wachsen auch Gefahrenbewusstsein und Unsicherheit. Die Urangst vor der Dunkelheit und dem Alleinsein kommt hoch. Das Kind braucht jetzt Nähe, Halt und Sicherheit.

7.  »Das Kind muss ein bestimmtes Einschlafritual einhalten!«
Besser ist es, wenn Sie verschiedene Rituale anbieten und das Kind selbst entscheiden lassen, welches Ritual es haben möchte. Besonders hilfreich ist ein Ritual, welches das Kind selbst entwickelt.

8.  »Es ist gleichgültig, wenn die Einschlafzeiten wechseln!«
Diese Behauptung ist falsch, denn für Kinder sind gleichbleibende Schlafenszeiten wichtig. Sie geben Sicherheit!

9.  »Kinder sollen allein mit ihren Problemen fertig werden!«
Schon Kleinkinder, erst recht Schulkinder, brauchen im Abendritual die Möglichkeit, von ihren Tageserlebnissen zu erzählen, deshalb ist diese Aussage falsch. Kinder brauchen vor dem Einschlafen eine seelische Entrümpelung durch das Gespräch mit den Eltern.

10. »Auch in der Pubertät brauchen die Kinder viel Schlaf!«
Die Neurobiologie der Pubertät spricht gegen diese Behauptung: Das Hormon Melatonin, das den Schlaf anstößt, wird in der Pubertät mit einer Verspätung von rund zwei Stunden freigesetzt! Daher ist das Kind in der Pubertät um 22 Uhr noch munter!

Hilfreich

1.  Regelmäßiger Tageslauf

2.  Vor dem Einschlafen kein Fernsehen, PC/Laptop, Tablet, Smartphone etc.

3.  Schlaftagebuch

4.  Einschlafritual (Vorlesen, erzählen, erzählen lassen, singen, beten, kuscheln)

5.  Kuscheltier

6.  Schlafsack

7.  Individuelle Einschlaf- und Schlafzeiten

8.  Ruhe im Haus

9.  Kein Licht

10.  Nicht dauernd nachschauen

11.  Nasse Socken (image Kasten Praxistipp)

12.  Punkteplan

13.  Morgenmuffeluhr (JAKO-O, ca. 39,95 Euro)

Praxistipp: Nasse Socken als Einschlafhilfe

So wird es gemacht:

•  Ein Paar dünne Socken in kaltes Leitungswasser tauchen,

•  Socken gut auswringen,

•  dem Kind über die Füße ziehen.

•  Darüber kommen ein Paar dicke Baumwollsocken

•  und ein Paar Wollsocken.

•  Dann ab ins Bett!

•  Alle Sockenschichten bleiben bis zum nächsten Morgen an den Füßen!

•  Die dünnen Baumwollsocken innen sollten jetzt trocken sein.

Wirkung:

Dem erregten Körper wird durch die Feuchtigkeit Wärme und Erregung entzogen. Das dämpft den Kreislauf, entspannt das vegetative Nervensystem und fördert den Schlaf.

Achtung für Menschen mit ADHS

Immer wieder tauchen in den Medien Berichte auf, die den Eindruck vermitteln, dass das ADHS (= Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne oder mit Hyperaktivität) eine sehr schlimme Störung sei. Und noch schlimmer sei es offenbar, diese Störung, die seit Jahren in der Fachwelt ein anerkanntes Krankheitsbild ist, mit den Möglichkeiten der modernen Heilkunde multimodal zu behandeln. Beide Eindrücke sind falsch!

Wer mit ADHS-Persönlichkeiten näher in Berührung kommt, lernt sehr bald deren besondere und wertvolle Eigenschaften schätzen. Sie sind hellwach, fantasievoll und neugierig. Sie schauen mit Vorliebe hinter die Dinge. Sie sind Querdenker. Sie sind nicht immer einfach, aber sie sind immer für eine überraschende Lösung gut. Sie sind redegewandt, mutig und hilfsbereit bis zur Selbstaufgabe. Sie beobachten scharf und entscheiden schnell. Sie sind die geborenen Tüftler, Forscher und Entdecker. Die Menschheit verdankt ihnen wahrscheinlich die meisten Entdeckungen und Erfindungen dieser Welt. Sie machen den Weg frei!

Voraussetzung für ein erfülltes Leben der Menschen mit ADHS ohne Abgleiten in die Depression, Aggression oder Dissozialität ist allerdings, dass ihnen in Kindheit und Jugend genügend Bewegungsfreiheit gewährt wird, und dass sie eine gleichzeitig liebevolle und konsequente Führung erfahren. Sie dürfen nicht allein gelassen werden mit Forderungen, die ihrer seelischen Reife nicht angemessen sind (Stichworte: Hausaufgaben-Wochenplan – für den ADHS-Schüler eine Überforderung! Oder: »Das musst du doch alleine können!«). Sie müssen vor einem Medienmissbrauch geschützt werden. Eine Fehlverdrahtung ihres unfertigen Gehirns könnte andernfalls die Folge sein. Und natürlich haben sie, wenn dies nötig ist, im Rahmen einer multimodalen Therapie Anrecht auf Ersatz des nicht ausreichend vorhandenen Botenstoffes Dopamin durch Methylphenidat (z. B. Medikinet®). Dem Menschen mit Sehschwäche wird auch nicht die Brille vorenthalten!

Es gibt herausragende Beispiele dafür, dass unter diesen Voraussetzungen ein erfülltes Leben, reich an Liebe, Leistung, Kultur und Kunst, möglich ist. Albert Schweitzer, der Urwaldarzt, Theologe, Musiker und Nobelpreisträger, und Wolfgang Amadeus Mozart, das musikalische Genie, waren ADHS-Persönlichkeiten. Schweitzer wurde im Gymnasium erst durch einen einfühlsamen Lehrer auf einen sicheren Weg geführt, nachdem zuvor der Schuldirektor seinem Vater geraten hatte, den Sohn wegen Unaufmerksamkeit und Träumereien von der Schule zu nehmen (Steffahn 2000). Mozart erlebte unter der strengen Hand seines Vaters eine zwar schwere, aber störungsarme Jugend.

Es gilt, den wertvollen Charakter und die hohe Leistungsfähigkeit der ADHS-Persönlichkeit zu erkennen, zu achten und zu fördern!

ADHS, Kurzfassung

Die vier Formen

1.  Hyperkinetisches Syndrom (HKS), »Zappelphilipp«

–  überstarker Bewegungsdrang

–  überschießende, ungesteuerte Impulsivität

–  verkürzte Aufmerksamkeit und Ausdauer

2.  Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität, »Hans-guck-in-die-Luft«

–  lebhaft, aber keine überstarke Unruhe

–  überschießende, ungesteuerte Impulsivität

–  verkürzte Aufmerksamkeit und Ausdauer

–  gute soziale Eingliederung

3.  Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, hypoaktive Form, »Traumsuse«

–  langsam, verträumt, ängstlich – keine überstarke Unruhe

–  statt Ausrasten eher beleidigt, starke Stimmungsschwankungen

–  verkürzte Aufmerksamkeit und Ausdauer

–  schlechte soziale Eingliederung

4.  Hyperkinetisches Syndrom mit dissozialen Störungen, »Max und Moritz«

–  nahezu unerschöpflicher Bewegungsdrang

–  überschießende, ungesteuerte Impulsivität, oft aggressiv

–  verkürzte Aufmerksamkeit und Ausdauer

–  frühzeitig dissoziales Verhalten

–  schlechte soziale Eingliederung

Neurophysiologie

Gestörte Filterleistung für Aufmerksamkeit, Impulssteuerung und Planung. Zugrunde liegt eine Stoffwechselbesonderheit mit einem Mangel an dem Botenstoff Dopamin.

Ursache

ADHS ist zu 80 % erblich.

Multimodale Behandlung (Behandlung mit Therapiebausteinen)

1.  Struktur

2.  Bewegung, Sport

3.  Verhaltenstherapie

4.  Gruppentraining für Eltern oder betroffene Erwachsene

5.  Medikamentöse Behandlung, Ersatz des Botenstoffs Dopamin (Neurotransmitterersatz)

ADHS – Eine Stoffwechselstörung des Gehirns

Immer wieder tauchen in den Medien Berichte auf, in denen ADHS als eine umweltbedingte Störung dargestellt wird. Daraus ziehen Journalisten den Schluss, dass die Störung durch Veränderung der Umweltbedingungen, wie mangelhafte Zuwendung, Medienmissbrauch oder schulische Überforderung, beseitigt werden könne. Gerne wird dann das Totschlagargument eingesetzt, dass Ärzte die Kinder und Jugendlichen mit synthetischen Drogen vollpumpen, statt ihre Lebensverhältnisse zu verbessern.

Die wissenschaftlichen Forschungen der letzten Jahre haben zu anderen Ergebnissen geführt. Der Dopamin-Mangel im Gehirn, der bei Personen mit ADHS nachweisbar ist, gilt heute als Ursache für die Aufmerksamkeits- und Impulssteuerungsschwäche bei ADHS. Botenstoffe oder Neurotransmitter sind zuständig für die Übermittlung von Nachrichten von einer Nervenzelle zur anderen. Der Botenstoff Dopamin ist wesentlicher Bestandteil der Regelungsvorgänge im Stirnhirn bei Aufmerksamkeit, Handlungsplanung und Impulssteuerung. Es liegt demnach eine Stoffwechselstörung des Gehirns vor, ähnlich dem Insulinmangel bei Diabetes oder dem Mangel an Schilddrüsenhormon bei einer Hypothyreose.

Die Behandlung ist multimodal. Das bedeutet, dass individuell unterschiedliche Behandlungsbausteine hinter- oder nebeneinander eingesetzt werden. Diese Bausteine sind: Eltern- und Lehrerberatung, Gespräche mit Kinder und Jugendlichen, Sport, Verhaltenstherapie, Elterntraining und Substitutionsbehandlung. Von großem Nutzen sind die fortlaufende Elternberatung und das Elterntraining. Diese Form der Behandlung ist sicher frei von Nebenwirkungen und steht in der Erfolgsrate gleich hinter dem Medikament.

Wichtig ist, dass die Verhaltenstherapie allen ADHS-Familien zugutekommt, unabhängig von ihrer Krankenkassenzugehörigkeit.

Ein Wort zum Medikament: Die Hirnforschung hat ADHS als eine Stoffwechselstörung des Gehirns mit einem Botenstoff-Mangel erkannt. Es leuchtet ein, dass ein Mangel ausgeglichen werden muss. Auch andere Stoffwechselstörungen werden zum Ausgleich des zugrundeliegenden Mangels medikamentös behandelt, z. B. durch die Gabe von Insulin bei Diabetes oder eines Antikonvulsivums bei Epilepsie.

In der Medizin dürfen nicht ideologische, sondern es müssen naturwissenschaftliche Vorstellungen die Richtung bestimmen.

ADS: Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität (»Hans-guck-in-die-Luft«)

Symptome

Bei durchschnittlicher oder überdurchschnittlicher Intelligenz hat das Kind oder der Jugendliche eine Aufmerksamkeitsspanne, die unter dem Altersdurchschnitt liegt. Besonders deutlich wird die schlechte Aufmerksamkeit bei Arbeiten, die längere Zeit andauern und als »Pflichtaufgaben« angesehen werden. Neigungsarbeiten hingegen werden schnell und konzentriert erledigt. Das Kind oder der Jugendliche ist ideenreich, fantasiebegabt und redegewandt. In der Schule gelingen mündliche Leistungen meistens besser als schriftliche. Weitere Zeichen sind erhöhte Ablenkbarkeit, unterentwickeltes Ordnungsgefühl und gelegentlich Ausrasten. Die sozialen Beziehungen sind zumeist gut bis sehr gut. Nicht selten werden diese jungen Menschen zu Klassensprechern gewählt. Hyperaktivität ist nur schwach ausgeprägt. Charakteristisch ist die seelische Reifungsverzögerung: Weitsicht, Umsicht, Einsicht, Rücksicht, Pflichtgefühl und Planung sind zwei bis fünf Jahre hinter dem chronologischen Alter zurück. In der Pubertät muss mit einer Verstärkung der Symptome gerechnet werden, etwa ab dem 20. Geburtstag mit einer Abschwächung. Bei mehr als 60 % der Betroffenen sind auch im Erwachsenenalter noch Symptome vorhanden.

Neurophysiologie

Im Stirnhirn liegt das Zentrum für Aufmerksamkeits- und Impulssteuerung. Das Zentrum arbeitet nach dem Grundsatz der Reizschwellenanpassung. Die Reizschwelle wird herabgesetzt bei Reizen, die für eine Leistung wichtig sind. Diese Reize werden verstärkt und beschleunigt weitergeleitet. Andere Reize, die für die augenblickliche Leistung keine Bedeutung haben, werden durch Anhebung der Reizschwelle herausgefiltert. Die Anpassung der Reizschwelle vollbringt das Gehirn mithilfe von Botenstoffen bzw. Neurotransmittern. Beim ADHS/ADS stehen nicht genügend Botenstoffe zur Verfügung.

Dadurch ist die Filterleistung gestört. Die Reizschwelle bleibt für alle Umwelteindrücke und Assoziationen niedrig. Die Folge: Alles schwappt über die Schwelle. Damit ist dem Gehirn die Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig nicht mehr möglich. Es muss auf alle Reize gleichwertig antworten, kann nicht mehr ordnen und nicht mehr ausdauernd bei einer Sache bleiben. Der Mensch ist extrem reizoffen und ablenkbar. Er lebt nur im Hier und Jetzt.

Ursachen

Das ADHS/ADS geht zu 75 % auf erbliche Grundlagen zurück. Es gibt jedoch nicht ein ADHS-Gen als Ursache, sondern mehrere. Das erklärt, warum so viele unterschiedliche ADHS-Formen vorkommen.

Der Erbträger ist zumeist ein männliches Mitglied der Familie. Zusätzliche Umstände, wie Rauchen in der Schwangerschaft, Früh- oder Spätgeburt, Erziehungs- und Ernährungsfehler, Bewegungsmangel, Medienmissbrauch sowie familiäre Konflikte können erschwerend hinzukommen.

Behandlung

1.  strukturierte Erziehung

2.  Sport

3.  zucker- und phosphatarme Mischkost

4.  Mediengebrauch in altersentsprechendem Maß

5.  Heilpädagogische Entwicklungsförderung nach verhaltenstherapeutischen Gesichtspunkten

6.  Gruppentraining für Eltern

7.  Ersatz des fehlenden Botenstoffs Dopamin durch einen pharmazeutischen Nachbau (Neurotransmitterersatz)

Aggressives Verhalten

Neurophysiologische Grundlagen

Ist die Hirnreifung eines Menschen verzögert, aus welchem Grund auch immer, so ist in erster Linie das Stirnhirn betroffen. Im Stirnhirn werden Aufmerksamkeit, Planung und Gefühle (Emotionen) gesteuert. Ist dieser Hirnanteil nicht altersentsprechend entwickelt, sind Schwächen bei seinen Leistungen zu erwarten. Die Störung der Gefühlsregulation entsteht dadurch, dass die Bremse zwischen dem Ort der Gefühlsentstehung (Limbisches System) und dem Stirnhirn nicht ordentlich arbeitet. Menschen ohne diese Bremse fühlen und handeln stürmischer als andere Menschen. Sie nehmen bei Erregung die Realität entweder gar nicht wahr oder nur durch einen Nebel. Die wissenschaftliche Bezeichnung für dieses Phänomen lautet Impulssteuerungsschwäche.

Zur Impulssteuerungsschwäche gehören eine schlechte Kontrolle des inneren Antriebs, Distanzlosigkeit und die mangelhafte Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen. Erlebniswelt und Verhalten spielen sich auf einer Entwicklungsstufe ab, die bei Kindern und Jugendlichen drei bis fünf Jahre unter dem chronologischen Alter liegt. Ferner kann der reifungsverzögerte Mensch sich selbst und seine Wirkung auf andere nicht richtig einschätzen. Es fehlt ihm der Rückspiegel, mit dem üblicherweise soziales Verhalten gesteuert wird. Die innere Zensur fällt damit fort, Ärger und Wut brechen aus den tiefen Schichten bis ins Großhirn durch, der Mensch rastet aus und wird aggressiv.

Maßnahmen der Stufe 1:

Wortreiche Beschwichtigungen bremsen die Erregung keineswegs, sondern verstärken sie! Erklärungen und Diskussionen sollen daher gar nicht erst versucht werden. Zu Bremssignalen werden hingegen eine erhobene und gespreizte Hand, eine tiefe Stimme, ein entschlossener Gesichtsausdruck und einige wenige Worte, die am besten mit »Halt!« beginnen. Sie können das Signalwort »Halt« auch auf eine große Tafel malen und diese Tafel bei Bedarf hochhalten.

Maßnahmen der Stufe 2:

Bei älteren Kindern und Jugendlichen hilft oft der Notfallbeutel: Er enthält zwei kleine Kieselsteine oder eine kleine, harte Bürste oder eine Chilischote. Bei überschießender Erregung drückt der Betroffene die Kieselsteine oder die Bürste mit der Hand fest zusammen oder beißt in die Chilischote. Die Schärfe der Chillischote löst im Gehirn über eine Schmerzreaktion die Ausschüttung von Endorphinen aus. Endorphine führen zur Entspannung. Ähnlich wirkt z. B. die Beißkette »ChewEase Kau/Beißset« (22,90 Euro, Bestell-Nr. 87604, www.k2-verlag.de).

Maßnahmen der Stufe 3:

Kräftiger Griff an den Schultern, Ihre Augenhöhe soll über der des Kindes liegen. Hierzu setzen Sie die zornige Person auf einen Stuhl oder Sie stellen sich selbst auf einen Stuhl. Nur der Blick von oben hat Bremswirkung! Schauen Sie der erregten Person nicht unmittelbar in die Augen. Das könnte die Aggressivität verstärken! Schauen Sie stattdessen auf ihr Ohr. Die Anweisungen, die Sie jetzt aussprechen, müssen langsam, ruhig, deutlich und bestimmt herüberkommen.

Maßnahmen der Stufe 4:

Sind die bisherigen Maßnahmen erfolglos, schicken Sie das Kind in sein Zimmer zur Beruhigungszeit oder verlassen Sie selbst das Zimmer. Erst Stunden später oder am nächsten Tag darf das Ausrasten angesprochen werden. In der »Konferenz mit dem Kind« werden ein Signalwort (»Du weißt …«), die Beruhigungszeit und ein Belohnungssystem (Punkteplan) für Wohlverhalten vereinbart. Die Vereinbarung muss mindestens fünf Mal wiederholt oder, noch besser, schriftlich festgehalten werden!

Stand-Boxball

Schon in Stufe 1 des Antiaggressionstrainings kann der Stand-Boxball eingesetzt werden. Das Gerät besteht aus einem Ball mit dicker PVC-Hülle und einer weichen Füllung. Der Ball sitzt auf einem Federstab mit Saugfuß. Durch kräftige Schläge auf den Ball kann das Kind oder der Jugendliche seinem Ärger und seiner Wut Luft verschaffen.

Alphabetisieren hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge!

Anleitung

Sicher haben Sie das schon einmal erlebt: Sie wollen ein bestimmtes Wort aus Ihrem Gedächtnis abrufen. Aber es fällt Ihnen einfach nicht ein.

In einer solchen Lage versuchen Sie das Alphabetisieren.

Sie gehen in Gedanken langsam das Alphabet durch, einen Buchstaben nach dem anderen. Sie prüfen, mit welchem Buchstaben das gesuchte Wort beginnen könnte.

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Ältere Menschen mit ADHS

Es gibt bisher keine Studien zum Erscheinungsbild von ADHS bei Personen über 40 Jahren. Vermutlich werden die Pharmahersteller auch keine solchen Studien durchführen. Der Patentschutz für Methylphenidat (MPH) ist abgelaufen. Eine Vielzahl von Generikaprodukten zu erheblich niedrigeren Preisen als das Original ist auf dem Markt erschienen. Damit fehlt der finanzielle Spielraum und Anreiz für die pharmazeutischen Unternehmen.

ADHS bei älteren Menschen kann treffend übersetzt werden mit:

Anders denken, handeln, sprechen

Bei älteren Menschen wird am häufigsten der Mischtyp (innere Unruhe, starke Gefühle, kurze Aufmerksamkeit, Impulsivität) beobachtet.

 

Schwierigkeiten von älteren Menschen mit ADHS:

•  Probleme am Arbeitsplatz

•  Mobbing

•  häufiger Stellenwechsel

•  Arbeitslosigkeit

•  Beziehungskrisen

•  Scheidung

•  Probleme mit den Kindern

•  Kinder ebenfalls betroffen

Vor der Diagnose ADHS haben die meisten Patienten oft schon mehrmals eine Psychotherapie durchlaufen, viele Antidepressiva geschluckt und etliche Klinikaufenthalte erlebt.

 

Schwierigkeiten im Alter allgemein, verstärkt bei ADHS:

•  Gedächtnisstörungen

•  eingeschränkte Beweglichkeit

•  finanzielle Einschränkungen

•  Leere und Langeweile

•  Verlust der Attraktivität

•  Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit und Sportlichkeit

•  Autonomieverlust

•  Umgang mit den verschiedenen Krankheiten

•  Partnerverlust

•  Verlust der Tagesstruktur

•  Einschränkungen des Bekanntenkreises

•  Bewältigung der eigenen Endlichkeit

•  Annahme der eigenen Begrenzung

Symptome von ADHS bei Erwachsenen:

•  Hyperaktivität (Verunsicherung)

•  Unaufmerksamkeit (Selbstzweifel)

•  Träumen (ohne Struktur wird der innere Schweinehund größer)

•  Achterbahn der Gefühle

•  Nachlassen der Impulsivität (Fragen zum Sinn des Lebens, Lebensbilanz)

•  Man wird einsam, wenn man gegen alles ist

•  Aufschieberitis

•  Gesundheit wird vernachlässigt

•  Medizinische Behandlung wird unregelmäßig durchgeführt

•  Risikoverhalten

•  Finanzielle Probleme

•  Essstörungen

•  ADHS-Menschen sind anstrengend, für sich selbst und für andere

•  Zahlreiche Komorbiditäten

•  Autonomie geht im Altersheim verloren

MPH ist auch bei Hypertonie und Demenz wirksam! Die Dosis kann sehr niedrig gehalten werden, z. B. 2 × 5 mg.

Erfahrene Therapeuten berichten, daß bei älteren Menschen rasch freisetzendes Methylphenidat wirksamer ist als ein Retard-Präparat. Studien hierzu sind nicht bekannt.

Atomoxetin, ATX (Strattera®)

Allgemeine Angaben

ATX ist in den USA seit 2002, in Deutschland seit 2005 mit der Indikation »Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne und mit Hyperaktivität (ADHS)« zugelassen. ATX wirkt gleichmäßig über 24 Stunden. ATX wird daher nur einmal täglich eingenommen, unabhängig von der Nahrungsaufnahme. In der Regel wird ATX morgens mit reichlich Flüssigkeit verabreicht. Bei unbefriedigender Wirkung kann die Tagesdosis auch abends genommen oder auf zwei Portionen verteilt werden. Das Mittel wird in zwei Schritten aufdosiert. Die volle Wirkung ist erst nach vier bis sechs Wochen zu erwarten. Das Medikament ist ungewöhnlich teuer!

Wirkungen

ATX gehört nicht zur Gruppe der Stimulantien und wird daher nicht auf einem Betäubungsmittelrezept verschrieben. ATX ist ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer für das hintere Aufmerksamkeitszentrum, der indirekt auch die Dopaminkonzentration im Stirnhirn erhöht. ATX wirkt sich günstig auf die Kernsymptome des ADHS aus (Unruhe, überschießende Impulsivität, verminderte Aufmerksamkeit). Darüber hinaus hebt ATX die Stimmung an, löst Ängste und Zwänge, bremst oppositionell-aggressives Verhalten und fördert die soziale Eingliederung. ATX ist daher besonders geeignet, wenn außer den Kernsymptomen des ADHS noch weitere psychische Zeichen vorliegen. ATX wirkt etwas weniger gut auf die Aufmerksamkeit als Methylphenidat (MPH).

Was erleben die Eltern?

Ganz allmählich wird das Kind mutiger, fröhlicher, kontaktfreudiger. Stimmungslage und Aufmerksamkeit werden besser.

Nebenwirkungen

ATX ist gut verträglich. Vereinzelt werden zu Beginn der Behandlung Müdigkeit oder Übelkeit beobachtet. Diese Erscheinungen verschwinden im weiteren Verlauf der Behandlung meistens von selbst. Lässt die Müdigkeit nicht nach, wird ATX statt am Morgen am Abend gegeben. Auch bei langdauernder Anwendung entwickeln sich Größe und Gewicht normal. In seltenen Fällen kann es unter ATX zum Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck kommen. Daher soll vor Beginn der Behandlung eine Herzerkrankung ausgeschlossen werden. Eine Abhängigkeit von ATX gibt es nicht. Das Medikament kann ohne Folgen von heute auf morgen abgesetzt werden.

Kontrollen

Vor Beginn der Behandlung sollen Größe, Gewicht, Blutdruck, Leber- und Nierenwerte bestimmt werden. Ferner sollen ein EKG geschrieben und ein Aufmerksamkeitstest durchgeführt werden. Sechs Wochen nach Beginn der Behandlung wird diese Untersuchung nochmals vorgenommen, dieses Mal aber ohne EKG. Im weiteren Verlauf der Behandlung wird alle sechs Monate nachuntersucht.

Aufmerksamkeitsdauer ohne ADHS

 

Images

AlterAufmerksamkeitsdauer

Anmerkungen:

1.  Die Zahlen geben Durchschnittswerte an. Geringe Abweichungen nach oben oder unten sind möglich.

2.  Häufig wird die Zeit, die sich ein Kind durchgehend auf eine Sache konzentrieren kann, überschätzt. Das gilt auch für das Kind, das keine Aufmerksamkeitsschwäche hat!

3.  Für ADHS-Kinder gelten kürzere Zeitspannen.

4.  Die Aufmerksamkeit kann nach der jeweiligen Zeitspanne durch eine Kurzpause (5 Minuten) wiederhergestellt werden.

5.  Im Tagesverlauf gibt es Rhythmen. Etwa alle vier Stunden verlangt unser Körper nach einer Ruhepause.

6.  Mit einer guten Aufmerksamkeit ist zwischen 8 und 12 Uhr sowie zwischen 15 und 18 Uhr zu rechnen.

7.  Schläft der Mensch nachts zu wenig, entsteht leicht Tagesschläfrigkeit. Reflexe und Aufmerksamkeit sind dann so langsam wie bei einem Blutalkoholwert von 0,5 Promille!

Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, hypoaktive Form (»Träumerchen«)

Symptome

Bei normaler oder überdurchschnittlicher Intelligenz hat das Kind oder der Jugendliche eine Aufmerksamkeitsspanne, die unter dem Altersdurchschnitt liegt. Besonders deutlich wird die schlechte Aufmerksamkeit bei Arbeiten, die längere Zeit beanspruchen und als Pflichtaufgaben angesehen werden. Neigungsarbeiten hingegen werden schnell und konzentriert erledigt. Das Kind oder der Jugendliche sind ideenreich, fantasiebegabt und redegewandt. Auffällig sind die erhöhte Ablenkbarkeit, der unterentwickelte Ordnungssinn und das gelegentliche Ausrasten. Vergesslichkeit, Leichtsinnsfehler, Langsamkeit und Tagträume begleiten den Alltag. Das Kind ist zurückhaltend, empfindlich, rasch beleidigt und öfters den Tränen nahe. Es ist unselbstständig, ängstlich und gelegentlich bockig. Es gibt schnell auf und fühlt sich in der Gruppe nicht immer gut aufgehoben. Teilleistungsstörungen wie visuelle oder auditive Wahrnehmungsstörung, Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche können hinzukommen.

Neurophysiologie

Im Stirnhirn liegt das Zentrum für die Steuerung von Aufmerksamkeit und Impulsen. Es arbeitet wie alle Teile des Gehirns mit dem Hilfsmittel der Reizschwellenanpassung: Bei Reizen, die für eine Leistung wichtig sind, wird die Reizschwelle herabgesetzt. Solche Reize werden verstärkt und beschleunigt weitergeleitet. Andere Reize, die für die gegenwärtige Leistung keine Bedeutung haben, werden durch Anhebung der Reizschwelle herausgefiltert. Die Reizschwellenanpassung vollbringt das Gehirn mithilfe von Botenstoffen, auch Neurotransmitter genannt. Der Mensch mit ADHS/ADS hat nicht genügend Botenstoffe zur Verfügung. Die Filterleistung ist gestört. Die Reizschwelle bleibt für alle Umwelteindrücke und Assoziationen niedrig. Die Folge: Alles schwappt über die Schwelle. Damit kann das Gehirn nicht mehr zwischen wichtig und unwichtig unterscheiden. Es muss auf alle Reize gleichwertig antworten, kann nicht ordnen und nicht ausdauernd bei der Sache bleiben. Der Mensch ist extrem reizoffen und ablenkbar. Er lebt nur im Hier und Jetzt.

Ursachen

Alle Untersuchungen der letzten Jahre belegen, dass das ADHS/ADS auf erblicher Grundlage entsteht. Der Erbträger ist zumeist ein männliches Mitglied der Familie. Zusätzliche Umstände, wie Rauchen in der Schwangerschaft, Früh- oder Spätgeburt, Erziehungs- und Ernährungsfehler, Bewegungsmangel, Medienmissbrauch sowie familiäre Konflikte können erschwerend dazukommen.

Behandlung

1.  strukturierte Erziehung

2.  Sport

3.  Ernährungsumstellung

4.  Mediennutzung in altersentsprechendem Maß

5.  Heilpädagogische Entwicklungsförderung nach verhaltenstherapeutischen Gesichtspunkten

6.  Elterntraining

7.  Neurotransmitterersatz, medikamentös

Aufmerksamkeitsstörung: Vorbeugung und Behandlung allgemein