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Doris Schiemann

Martin Moers

Andreas Büscher (Hrsg.)

Qualitätsentwicklung in der Pflege

Konzepte, Methoden und Instrumente

2., aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

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2., aktualisierte Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-032637-8

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-032638-5

epub:   ISBN 978-3-17-032639-2

mobi:   ISBN 978-3-17-032640-8

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Inhaltsverzeichnis

 

 

  1. 1 Qualitätsentwicklung in der Pflege – Versuch einer Standortbestimmung
  2. Martin Moers, Doris Schiemann & Andreas Büscher
  3. 2 Networking for Quality: Qualitätsnetzwerke der Pflege auf europäischer und nationaler Ebene
  4. Doris Schiemann
  5. 2.1 Europäisches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (EuroQUAN)
  6. 2.2 Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)
  7. I Expertenstandards in der Pflege
  8. 3 Qualitätsmethodik zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung evidenzbasierter Expertenstandards in der Pflege
  9. Doris Schiemann & Martin Moers
  10. 3.1 Begriff und Funktion von Expertenstandards
  11. 3.2 Sechsstufiges Konzept des DNQP zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung evidenzbasierter Expertenstandards
  12. 3.2.1 Stufe 1: Auswahl der Themen
  13. 3.2.2 Stufe 2: Bildung einer Expertenarbeitsgruppe und Berufung der wissenschaftlichen Leitung
  14. 3.2.3 Stufe 3: Erarbeitung des Expertenstandard-Entwurfs
  15. 3.2.4 Stufe 4: Konsentierung des Expertenstandard-Entwurfs
  16. 3.2.5 Stufe 5: Implementierung von Expertenstandards
  17. 3.2.6 Stufe 6: Aktualisierung von Expertenstandards
  18. 3.3 Auswirkungen der Expertenstandards auf Berufspraxis und Berufsfeld
  19. 4 Evidenz in den Expertenstandards für die Pflege des DNQP
  20. Andreas Büscher & Petra Blumenberg
  21. 4.1 Nutzung kollektiven Fachwissens für die Pflegepraxis
  22. 4.2 Evidenz in den Expertenstandards
  23. 4.3 Aktualisierung und Monitoring der Expertenstandards
  24. 4.4 Evidenz und komplexe Interventionen
  25. 4.5 Fazit
  26. 5 Partizipation und Patientenorientierung bei Expertenstandards in der Pflege
  27. Wolfgang Schuldzinski & Catharina Hansen
  28. 5.1 Partizipation als Chance
  29. 5.2 Information als Bedingung
  30. 5.3 Theorie und Praxis
  31. 5.4 Gefahren des Konzepts der Partizipation
  32. 5.5 Partizipation in der Pflege
  33. 5.6 Welchen Beitrag können Expertenstandards zu einer partizipativen Pflege leisten?
  34. 5.7 Fazit
  35. 6 Expertenstandards implementieren – Spezifika gelingender Einführungsprozesse
  36. Martin Moers, Doris Schiemann & Heiko Stehling
  37. 6.1 Zur Einführung von Innovationen in die Pflegepraxis
  38. 6.2 Ergebnisse der sieben modellhaften Implementierungsprojekte
  39. 6.2.1 Der Datenbestand
  40. 6.2.2 Die Implementierungseinrichtungen
  41. 6.2.3 Der pflegerische Entwicklungsstand in den Modellpflegeeinheiten
  42. 6.3 Bereitstellung zeitlicher und personeller Ressourcen durch das Management
  43. 6.4 Die Arbeitsgruppen in den Modellpflegeeinheiten
  44. 6.5 Wissenstransfer: Fortbildungen für die Teams der Modellpflegeeinheiten
  45. 6.6 Wissenstransfer: Konkretisierung der Standardaussagen
  46. 6.7 Wissenstransfer: Verbindliche Einführung des Standards
  47. 6.8 Erkenntnisse aus den Audits für Patienten, Bewohner und Pflegefachkräfte
  48. 6.8.1 Assessment
  49. 6.8.2 Koordination von Maßnahmen im Rahmen von Verfahrensregelungen
  50. 6.8.3 Planung von Maßnahmen
  51. 6.8.4 Durchführung von Maßnahmen
  52. 6.8.5 Edukation von Patienten, Bewohnern und Angehörigen
  53. 6.8.6 Evaluation
  54. 6.9 Schlussfolgerungen mit Blick auf die regelhafte Implementierung von Expertenstandards ohne externe Begleitung
  55. 7 Evaluation der Anwendung von Expertenstandards in der Charité – Universitätsmedizin Berlin: Was kommt bei den Patienten an?
  56. Armin Hauss & Gertrud Schmälzle
  57. 7.1 Einführung: Pflegerische Qualitätsentwicklung an der Charité
  58. 7.2 Beispiel Expertenstandard »Dekubitusprophylaxe in der Pflege«
  59. Armin Hauss & Thomas Skiba
  60. 7.2.1 Nachhaltige Einführung des Expertenstandards
  61. 7.2.2 Evaluation der Anwendung des Expertenstandards mit internem Auditinstrument
  62. 7.2.3 Vorstellung und Diskussion der Auditergebnisse: Erhebungszeitraum 2009–2015
  63. 7.3 Beispiel: Expertenstandard »Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen«
  64. Gertrud Schmälzle & Armin Hauss
  65. 7.3.1 Nachhaltige Einführung des Expertenstandards
  66. 7.3.2 Evaluation der Anwendung des Expertenstandards mit internem Auditinstrument
  67. 7.3.3 Vorstellung und Diskussion der Auditergebnisse des Fachbereichs Neurochirurgie: Erhebungszeitraum 2009, 2011, 2012, 2014 und 2015
  68. 8 Gesundheitsökonomische Evaluation von nationalen Expertenstandards in der Pflege
  69. Reinhold Wolke
  70. 8.1 Einführung: Zur Notwendigkeit und Einordnung der Evaluation von nationalen Expertenstandards
  71. 8.2 Stellenwert und Inhalte gesundheitsökonomischer Evaluationen in der Pflege
  72. 8.3 Zentrale Aspekte der ökonomischen Evaluationsstudien
  73. 8.3.1 Grundsätzliche Betrachtung und Fragen des Untersuchungsdesigns
  74. 8.3.2 Bewertung der Kosten
  75. 8.3.3 Bewertung des Nutzens
  76. 8.4 Beispiele zur ökonomischen Evaluation in der Pflege und von nationalen Expertenstandards
  77. 8.4.1 Krankheitskostenanalysen
  78. 8.4.2 Kostenvergleichs- oder Kostenminimierungsanalysen
  79. 8.4.3 Kosten-Wirksamkeits-Analysen
  80. 8.4.4 Kosten-Nutzwert-Analysen
  81. 8.4.5 Kosten-Nutzen-Analysen
  82. 8.5 Fazit
  83. 9 Rechtliche Verbindlichkeit von Expertenstandards
  84. Klaus Theuerkauf
  85. 9.1 Expertenstandards im Recht
  86. 9.2 Sozialversicherungsrechtliche Verbindlichkeit
  87. 9.2.1 Sozialversicherungsrechtliche Leistungspflicht im SGB XI
  88. 9.2.2 Sozialversicherungsrechtliche Verbindlichkeit von Expertenstandards
  89. 9.2.3 Standardidentität und Wirtschaftlichkeitsgebot
  90. 9.3 Zivilrechtliche Verbindlichkeit
  91. 9.3.1 Zivilrechtliche Leistungspflicht
  92. 9.3.2 Zivilrechtliche Verbindlichkeit von Expertenstandards
  93. 9.3.3 Leistungen unterhalb des allgemein anerkannten Stands der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse
  94. 9.4 Fazit
  95. 10 Methode der »Stationsgebundenen Qualitätsentwicklung« (SQE) zur Entwicklung und Einführung von Praxisstandards in der Pflege
  96. Doris Schiemann & Martin Moers
  97. 10.1 Stellenwert der SQE für eine kontinuierliche und systematische Qualitätsentwicklung
  98. 10.2 Zielsetzung, Aufbauorganisation und Anwendungsformen der SQE
  99. 10.2.1 Aufbauorganisation der SQE
  100. 10.2.2 Der Qualitätszyklus und seine Anwendung
  101. 10.3 Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur SQE in Großbritannien und Deutschland
  102. 10.3.1 Ergebnisse zur Methodenwirksamkeit
  103. 10.3.2 Ergebnisse zu den Anwendungsvoraussetzungen der SQE
  104. II Qualitätsindikatoren in der Pflege
  105. 11 Entwicklung von Qualitätsindikatoren auf der Basis von Expertenstandards
  106. Andreas Büscher & Ahmed Kabore
  107. 11.1 Einleitung
  108. 11.2 Was sind Qualitätsindikatoren?
  109. 11.3 Wozu dienen Indikatoren im Gesundheitswesen?
  110. 11.4 Anforderungen an Qualitätsindikatoren
  111. 11.5 Verfahren zur Entwicklung von Qualitätsindikatoren
  112. 11.6 Entwicklung von Qualitätsindikatoren auf der Grundlage von Expertenstandards
  113. 11.6.1 Auswahl und Relevanz des Themas
  114. 11.6.2 Formulierung eines vorläufigen Sets von Indikatoren
  115. 11.6.3 Bewertung und Auswahl geeigneter Qualitätsindikatoren
  116. 11.6.4 Praxistest der ausgewählten Qualitätsindikatoren
  117. 11.6.5 Einführung des Indikators
  118. 11.7 Der Nutzen von Indikatoren auf der Grundlage von Expertenstandards
  119. 12 Entwicklung von Qualitätsindikatoren in der Pflege auf der Basis von Praxisstandards
  120. Astrid Elsbernd
  121. 12.1 Einordnung und Begriffsbestimmung
  122. 12.2 Entwicklung von pflegesensiblen Qualitätsindikatoren in der Altenpflege im Rahmen eines Forschungsprojektes
  123. 12.2.1 Anlage des Forschungsprojektes
  124. 12.2.2 Methodisches Vorgehen zur Ableitung der pflegesensiblen Qualitätsindikatoren
  125. 12.2.3 Arbeitsschritte, die nicht mehr vollzogen werden konnten
  126. 12.3 Ausblick
  127. 13 Entwicklung, Erprobung und Anwendung von Qualitätsindikatoren der Pflege im Krankenhaus: das Beispiel NDNQI® aus den USA
  128. Michael Simon & Nancy Dunton
  129. 13.1 Einleitung
  130. 13.2 Kontext der Qualitätsmessung im Krankenhaus in den USA
  131. 13.3 Entwicklung, Struktur und Anwendung der NDNQI®
  132. 13.4 Entwicklung, Implementierung und Testung der Indikatoren
  133. 13.5 Bedeutung der NDNQI® für das Pflegemanagement und den nationalen Kontext
  134. Abkürzungsverzeichnis
  135. Sachwortregister
  136. Autorenverzeichnis
  137. III Anhang
  138. 1 Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege (1. Aktualisierung 2010)
  139. 2 Audit-Instrument zum aktualisierten Expertenstandard Dekubitusprophylaxe
  140. 3 Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen (1. Aktualisierung 2011)
  141. 4 Das Audit-Instrument zum aktualisierten Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen
  142. Martin Moers, Doris Schiemann & Heiko Stehling

 

1          Qualitätsentwicklung in der Pflege – Versuch einer Standortbestimmung

Martin Moers, Doris Schiemann & Andreas Büscher

 

Mit diesem Buch, das sich an Wissenschaft und Praxis gleichermaßen richtet, möchten wir einen grundlegenden Beitrag zur Fachdiskussion in einem sich differenzierenden Feld leisten. Qualitätsarbeit im Gesundheitswesen als diskrete Methode der Steuerung von Prozessen schreitet einerseits von seinen Ursprüngen der schlichten (aber keineswegs trivialen) Qualitätssicherung fort zur einrichtungsinternen Qualitätsentwicklung und -steuerung, was in der Folge Fragen nach geeigneten Verfahren und Strukturen für ein wirksames, berufsübergreifendes Qualitätsmanagement aufwirft. Auf der anderen Seite nehmen externe Qualitätssicherung und -prüfung in der Folge gesetzlicher Regelungen erheblich zu. Hier stellen sich Fragen nach einer sinnvollen Verknüpfung beider Bereiche.

Wir nähern uns der aktuellen Diskussion überwiegend aus der Perspektive wissenschaftlich fundierter Methoden und Instrumente zur systematischen und kontinuierlichen Qualitätsentwicklung in der Pflege. Der inhaltliche Schwerpunkt des Buches liegt dabei auf den Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) als einem Basisinstrument, von dem eine große Ausstrahlung in andere Bereiche der Qualitäts- und Pflegeentwicklung zu verzeichnen ist (Schiemann & Moers 2011, S. 624). Das Selbstverständnis unserer Standortbestimmung speist sich aus der inzwischen 25-jährigen Netzwerkarbeit, in deren Rahmen es gelungen ist, auf dem Gebiet der Standardentwicklung internationales Niveau zu erreichen.

Nach einem kurzen Blick auf die nationale und internationale Netzwerkarbeit in der Pflege werden im ersten Teil zu den Expertenstandards in der Pflege zunächst die Qualitätsmethodik zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung von Expertenstandards (image Kap. 3) dargestellt. Darauf folgen zwei Beiträge, die sich mit Fragen der Evidenzbasierung (image Kap. 4) und Patientinnen- und Bewohnerinnenbeteiligung1 (image Kap. 5) im Rahmen der Entwicklung von Expertenstandards auseinandersetzen. Beide Themen sind für das Qualitätsniveau der Expertenstandards sowie für ihre Akzeptanz in Fachöffentlichkeit und Gesundheitspolitik von maßgeblicher Bedeutung.

Die Einführung von Expertenstandards, einschließlich regelmäßiger Qualitätsmessungen, bildet in vielen Einrichtungen inzwischen die Grundlage für kontinuierliche Qualitätsverbesserungen. Die Beiträge zu dieser Thematik befassen sich insbesondere mit den Spezifika gelingender Einführungsprozesse (image Kap. 6) und der Wirksamkeit von Expertenstandards: Was kommt bei Patientinnen und Bewohnerinnen an? (image Kap. 7) Sie basieren zum einen auf Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung aller bisherigen bundesweiten Projekte zur modellhaften Implementierung von Expertenstandards und zum anderen auf mehrjährigen Auditergebnissen eines Berliner Universitätsklinikums zur Anwendung von zwei Expertenstandards. Abgerundet wird diese Fragestellung durch Erkenntnisse aus der gesundheitsökonomischen Evaluation von Expertenstandards (image Kap. 8), womit auch die Perspektive des Nutzerinnenkollektivs, also der Versicherten, angesprochen ist. Dazu gehört ebenfalls eine Einordnung der Expertenstandards (image Kap. 9) in das Sozialrecht, wobei deutlich wird, dass diese als Abbildung des aktuellen Standes von Wissenschaft und Praxis den Nutzerinnen von Pflege eine klare Orientierung über das zu erwartende Leistungsniveau geben können.

In den Einrichtungen harren jedoch viele Themen der Pflegeentwicklung, die bislang keine Berücksichtigung bei der sektorenübergreifenden Expertenstandardentwicklung finden konnten. Das heißt, dass auch weiterhin in der Praxis entwickelte Pflegestandards ein wichtiges Element interner Qualitätsentwicklungsprozesse spielen werden. Aus diesem Grund haben wir ein Kapitel in diesem Band der Methode der Stationsgebundenen Qualitätsentwicklung (SQE) (image Kap. 10) zur dezentralen Entwicklung und Anwendung wissenschaftlich fundierter Praxisstandards gewidmet. Die SQE gehört zu den international bekanntesten Methoden zur Qualitätsentwicklung in der Pflege, ihre Praxistauglichkeit und Qualitätswirksamkeit konnte in verschiedenen Entwicklungs- und Forschungsprojekten hinreichend belegt werden.

Im zweiten Teil des Buches wird mit dem Thema Qualitätsindikatoren in der Pflege (image Kap. 11, 12 und 13) ein zukunftsweisendes Thema aufgegriffen. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, im Rahmen des internen Qualitätsmanagements in regelmäßigen Abständen und mit überschaubarem Aufwand Daten zu erheben, die verlässliche Hinweise auf den Umsetzungsgrad angestrebter Qualitätsziele zu besonders sensiblen Problembereichen der pflegerischen Versorgung liefern (Schiemann & Moers 2011, S. 623 und 635). Hier liegen neben internationalen auch erste nationale Erfahrungen vor.

Zu allen angesprochenen Methoden und Instrumenten liegen zahlreiche Ergebnisse und Erkenntnisse vor, die wir in diesem Band zusammengetragen und für Synthesen aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet haben. Im Sinne einer Zwischenbilanz benennen die Autorinnen darüber hinaus weiteren Entwicklungsbedarf. Wir hoffen, damit die Debatte über zukünftige Schritte und Wege der Qualitätsentwicklung anzuregen.

Blicken wir an dieser Stelle kurz zurück auf die von allen Akteurinnen des DNQP und den zahlreichen Netzwerkerinnen in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen geleistete Arbeit der letzten 25 Jahre. Es handelt sich dabei zweifellos um eine Erfolgsgeschichte, die darauf beruht, dass die Arbeit mit Expertenstandards zum Motor der Pflegeentwicklung gemacht werden konnte. In die Wiege gelegt ist es der Qualitätsarbeit zunächst einmal nicht, entstand sie doch aus der betriebswirtschaftlichen Überlegung, wie man Mitarbeiterinnen zu erhöhter Leistungsdichte bringen kann, ohne die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen zu gefährden. Man wollte zunächst reine Qualitätssicherung, verstanden als Minimierung von Fehlern, betreiben. Erst später entwickelten sich weitergehende Ansätze eines integrierten Qualitätsmanagements (siehe dazu Dahlgaard & Schiemann 1996, S. 4–23). In der Medizin gesellte sich seit den 1990er Jahren die Bewegung zur Evidenzbasierung hinzu, die zunehmend in die Entwicklung zahlreicher Leitlinien einmündete. Diese mussten und müssen sich jedoch vielfach mit Widerständen aus den eigenen Reihen auseinandersetzen, da sich sowohl die niedergelassenen Ärztinnen als auch die leitenden Krankenhausärztinnen in ihrer professionellen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sahen (siehe dazu z. B. Ollenschläger et al. 2005).

In der bundesdeutschen Pflege gab und gibt es aufgrund eines gegenüber der Medizin niedrigen Professionalisierungsgrades häufig noch gar keine differenzierte Beschreibung der Leistungen und Prozesse, der dazu notwendigen Strukturen und der angestrebten Ergebnisse. Daher stieß die vom Oxforder Institut des Royal College of Nursing Anfang der 1990er Jahre ausgehende Initiative für ein europäisches Qualitätsnetzwerk (Euro-QUAN), mit forschungsgestützten Pflegestandards, Auditinstrumenten und durch die Anwendung der SQE einen Paradigmenwechsel auf dem Gebiet der Qualitätsentwicklung in der Pflege herbeizuführen, alsbald auf reges Interesse in den sich nach europäischem Vorbild bildenden nationalen Netzwerken, so auch des DNQP. Das Erfolgskonzept beruht also nicht nur darauf, pflegerische Risiken inhaltlich zu bearbeiten und das zusammengefasste Wissen in Qualitätsinstrumente wie Praxis- oder Expertenstandards zu übersetzen, sondern dieses Wissen auch an den Ort des Handlungsvollzugs zu bringen und handlungswirksam werden zu lassen, kurz: zu implementieren. Durch das in den Expertenstandards per Konsensuskonferenz durch die Berufsgruppe vereinbarte hohe Niveau pflegerischer Leistung löst deren gezielte Implementierung in der Regel einen hohen Fortbildungsbedarf aus und führt bei der Einführung zu innovativem, patientinnenorientiertem Handeln und messbarer Pflegeentwicklung. Darüber hinaus vermitteln sie der Berufsgruppe größere Handlungssicherheit und auch ein stärkeres Gefühl beruflicher Autonomie, da die Expertenstandards aus der Berufsgruppe selbst stammen und die Selbstbestimmung über die Inhalte pflegerischer Arbeit einen weiteren Schritt im langfristigen Professionalisierungsprozess ausmacht.

Bei der Implementierung von Expertenstandards haben die Netzwerkeinrichtungen und -akteurinnen hervorragendes geleistet. Sie haben die Chance gesehen, unter den zunehmend restriktiven Bedingungen eines wettbewerbsorientierten Gesundheitswesens damit weiterhin Pflegeentwicklung betreiben zu können, die sonst vielfach unterbleiben würde. Eine ungebundene, allein nach pflegewissenschaftlich und pflegerisch inhaltlichen Gesichtspunkten betriebene partizipative Pflegeentwicklung, findet bedauerlicherweise zur Zeit nur noch punktuell institutionelle Förderung, während die Qualitätsarbeit aufgrund gesundheitspolitischer, rechtlicher und wettbewerblicher Rahmenbedingungen größere Spielräume bietet. Durch die Bündelung des Wissens aus Forschung und Praxisexpertise in den Expertenstandards und dessen systematischen Transfer in die Praxis konnte für die Professionalisierung der Pflege Erhebliches geleistet werden: die eigenständige Wissensbasis der Pflege wird deutlich, und das systematische Arbeiten auf der Grundlage der Pflegeprozessmethode wird gestärkt, denn in den Expertenstandards werden alle Schritte der Pflegeprozessmethode themenspezifisch mit Inhalt gefüllt.

Wenden wir uns der aktuellen Situation zu, so finden wir auf der einen Seite neben aller Zustimmung auch kritische Stimmen sowohl zu den Expertenstandards als Instrumente als auch zu den Wirkungen und Folgen ihrer Implementierung. Aus pflegewissenschaftlicher Sicht begrüßen wir diese ausdrücklich, da Kritik den Kern des wissenschaftlichen Diskurses bildet, der zur Weiterentwicklung der Disziplin führt. Wir sehen zwei Hauptströmungen, mit denen wir uns exemplarisch auseinandersetzen wollen. Die eine Strömung moniert, dass Expertenstandards mit zu wenig wissenschaftlicher Genauigkeit erarbeitet seien – so Vertreterinnen einer evidenzbasierten Praxis. Die andere Strömung kritisiert, dass Expertenstandards zu viele technokratische Normierungen mit sich brächten – so Vertreterinnen der Kritischen Theorie.

Beginnen wir mit der Frage der zu geringen Wissenschaftlichkeit von Expertenstandards. Einig sind sich alle an der Diskussion Beteiligten, dass das beste verfügbare Wissen Grundlage des Wissenstransfers sein soll. Auch die Netzwerkerinnen des DNQP möchten das Wissen mit der größtmöglichen Evidenz in die Praxis bringen. Eine erste Differenz gibt es jedoch in der Frage, welches dieses Wissen sei. Im naturwissenschaftlich-positivistischen Denken werden bei der Bewertung des Wissens Forschungsergebnisse mit experimentellen oder statistischen Designs sowie deren Synthese in Übersichtsarbeiten, die dieser methodischen Vorgabe folgen, an die Spitze einer Evidenzhierarchie gestellt (dazu z. B. Balshem et al. 2011). Dies bringt u. E. eine Engführung mit sich, gegen die wir zu bedenken geben, dass gerade in der interaktionsreichen Pflegepraxis zahlreiche Forschungsfragen gerade auch zur Patientinnen- und Nutzerinnenperspektive nur mit Designs der subjektorientierten Rekonstruktion von Bedeutungen des Erlebens und des sozialen Handelns bearbeitet werden können. Ebenso fehlt es der rein an methodischer Bewertung von Interventionsforschung interessierten Bewegung der evidenzbasierten Praxis an Möglichkeiten der und Interesse an Theoriebildung. Diese stellt jedoch eine wesentliche Orientierungsgrundlage für Pflegeentwicklung dar (vgl. Moers et al. 2011). Hinzu kommt, dass aktuell in vielen pflegerischen Handlungsfeldern wenig klare Evidenz für Interventionen vorliegt. Mit Blick auf die Pflegepraxis erscheint es gleichwohl unumgänglich, zu den großen pflegerischen Risiken auch dann Expertenstandards zu entwickeln, wenn keine eindeutige Evidenz im Sinne der oben genannten Evidenzhierarchie vorliegt, da Pflegefachkräfte Handlungssicherheit für die tägliche Arbeit unter Handlungsdruck benötigen. Bei der Entwicklung der Expertenstandards wird deshalb kein Wissenstyp ausgeschlossen, wobei einzelne Kriterienebenen selbstverständlich im Lichte der vorliegenden Evidenz formuliert werden.

Dies soll am Beispiel des Expertenstandards »Sturzprophylaxe« verdeutlicht werden, der im Jahr 2013 aktualisiert wurde (DNQP 2013, S. 20 ff.). Die aktualisierte Literaturstudie hat dabei einen derartigen Umfang angenommen, dass neben der gedruckten Kurzfassung von immerhin 107 Seiten eine 253 Seiten, mit Anhängen 600 Seiten umfassende Langfassung vorliegt, die auf der Homepage des DNQP einsehbar ist. Die umfangreichen Studienergebnisse geben ein noch deutlicheres Bild, um welch komplexes und von zahlreichen Faktoren beeinflusstes Geschehen es sich bei Stürzen handelt, als es sich bei der der ersten Literaturstudie zur Entwicklung des Expertenstandards zeigte. Jedoch bestehen weiterhin große Forschungslücken im Bereich der Interventionsforschung (nicht nur) zu dieser Thematik. Das heißt, die Empfehlungen der Expertinnenarbeitsgruppe zur Formulierung der Standardkriterien zu den einzelnen Maßnahmen der Sturzprophylaxe, konnten nur bedingt aus Studienergebnissen abgeleitet werden und basieren daher auf dem gebündelten Fachwissen der Expertinnenarbeitsgruppe.

Für die Praxis verweist das Missverhältnis zwischen der Vielzahl an Studien und der nicht vorhandenen Klarheit hinsichtlich einzelfallbezogener Wirksamkeit von Maßnahmen, auf ein auch in anderen Zusammenhängen anzutreffendes Phänomen: die Bedeutung der fachlich begründeten Entscheidungsfindung im Einzelfall. Professionelles Handeln in der Pflege zeichnet sich, wie auch in anderen Gesundheitsberufen, dadurch aus, dass umfangreiches Regelwissen, das aus unterschiedlichen Quellen stammen kann, auf einen Einzelfall bezogen werden muss. Das Regelwissen zur Sturzprophylaxe ist in der Literaturstudie dieser Aktualisierung, in den Kriterien des Expertenstandards und erläuternd in den Kommentierungen, zusammengefasst und ausgeführt. Es trägt dazu bei, Pflegefachkräften in der Praxis einen Rahmen vorzugeben, in dem sie sich bei Entscheidungen in der Pflege einzelner Patientinnen oder Bewohnerinnen und der Begründung ihrer Vorschläge diesen gegenüber bewegen können. Ausgangspunkt der zu leistenden Interventionen ist jedoch immer der individuelle Fall. Daher ist stets eine begründete Einschätzung dieses Falls notwendig, aus der dann Maßnahmen abgeleitet, mit der Adressatin der Maßnahme vereinbart und dann durchgeführt werden.

Schauen wir uns demgegenüber nun die Kritik des Zuviel an technokratischer Normierung an, so stellen sich die Diskussionslinien völlig anders dar. Die Art der Expertise oder Frage nach geeigneten Forschungsdesigns spielt hier gar keine Rolle, und theoretisches Denken wird explizit begrüßt und einbezogen. Entscheidend sind für Vertreterinnen der Kritischen Theorie allein die gesellschaftlichen Folgen. Beispielhaft sei hier auszugsweise die Position des Kollegen Friesacher zitiert, die sich explizit auf andere Instrumente und Methoden bezieht, jedoch ohne Zweifel auch auf Instrumente der Qualitätsentwicklung gemünzt ist:

»Case Management und dem Pflegeprozess sollen auf allen Ebenen optimierte Abläufe und Strategien implementiert werden. Die Steuerungsinstrumente folgen dabei der Theorie der Kybernetik mit ihren Grundbegriffen der Steuerung, Kontrolle, Information und System. Diese aus einem mathematisch-technizistischen Zusammenhang stammende Großtheorie restrukturiert die sozialen Bereiche und lebt in den neoliberalen Gouvernementalitätspraktiken fort. Damit diese ›Kybernetisierung des Menschen‹ gelingen kann, muss das Humane transformiert werden in die Sprache der Technik.« (Friesacher 2011, S. 380)

 

»Der systemisch-kybernetische Ansatz des Pflegeprozesses und seine technokratische Passung in die bestehende Praxis lassen die Rede von selbstbestimmten, die Ziele der Pflege aushandelnden Nutzerinnen als absurd erscheinen […].« (a. a. O., S. 381)

Im Falle einer technokratischen Verwendung der angesprochenen Instrumente und Methoden ist die Kritik nachvollziehbar, und der Einfluss von Herrschaftstechnologien auf die Pflegeentwicklung sollte unbedingt kritisch hinterfragt werden. Eine kritische Sicht auf die Bedingungen und Ergebnisse des Wissenstransfers hat dabei bereits eine lange Tradition in der Soziologie (vgl. Beck & Bonß 1989) – eine Diskussion, die seit einiger Zeit auch für die Pflege nutzbar gemacht wird (vgl. Schaeffer 2006). Die Intentionen der Pflegeprozessmethode als Problemlösungs- und Beziehungsprozess sind im Kern jedoch andere, als Friesacher konstatiert. Für die Expertenstandards, die ein möglichst hohes und dabei immer auch patientinnenorientiertes Niveau der pflegerischen Versorgung anstreben, stellt der angemessene Einsatz der Pflegeprozessmethode eine Voraussetzung dar. Es geht bei beiden Instrumenten und Methoden um die maximale Einbeziehung und Förderung der Interessen der Nutzerinnen. Daher spielt bei den Empfehlungen der Expertenstandards die Nutzerinnenperspektive und die entsprechende subjektorientierte Forschung eine erhebliche Rolle, auch wenn bisweilen die durch Interventionsforschung gestützte Evidenz noch schwach ist.

Den Nutzerinnen von Pflegeleistungen einschließlich ihrer Angehörigen wird zunächst einmal in allen Expertenstandards ausführliche Information, Anleitung, Schulung und Beratung zu ihren Problemen angeboten. Das macht deren Einbeziehung in Aushandlungsprozesse erst möglich, da sonst Wissensgrundlagen fehlen und Alternativen oft nicht bekannt sind, z. B. welche Entlastungsmöglichkeiten pflegenden Angehörigen zur Verfügung stehen, um ein stabiles häusliches Pflegearrangement zu erreichen. Die Wünsche und Ziele der Nutzerinnen, die so auf der Basis von angemessener Aufklärung erkundet werden, stellen – wie oben bereits ausgeführt – eine wesentliche Grundlage für fallangemessene pflegerische Vorschläge dar. In diesem Beispiel wäre die Frage, welche Versorgungsform, ob zu Hause oder in einer stationären Pflegeinrichtung, angestrebt werden soll und welche Hilfen jeweils erforderlich wären. Ein weiterer Punkt verdient Beachtung in der Diskussion um Patientinnen- bzw. Bewohnerinnenorientierung: Alle Expertenstandards zielen darauf ab, die Ressourcen der meist funktionseingeschränkten Nutzerinnen zu stärken und eigenständiges Handeln zu fördern. Das gilt für die Bewegungsförderung zur Dekubitusprophylaxe, die sichere Mobilität zur Sturzprophylaxe, den begleiteten Toilettengang zur Kontinenzförderung, das individuell angepasste Angebot von Speisen und Getränken oder das angemessene Schmerzmanagement, um Eigenaktivität überhaupt erst zu ermöglichen. Das alles sind noch keine individuellen Ziele der Nutzerinnen, aber erst bei einer patientinnenorientierten Pflege auf diesem Niveau werden Nutzerinnen in die Lage versetzt, Ziele zu entwickeln und zu artikulieren.

Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass es im Rahmen der Ökonomisierung und Wettbewerbsorientierung des Gesundheitswesens – wie aller anderen wichtigen Lebensbereiche auch – durchaus zu einem Diktat der Kostenrationalität kommt, das Entwicklungsspielräume und auch Professionalisierungsbemühungen der Pflege untergräbt. Insofern ist Friesachers Befund, dass es aufgrund ökonomischer Rahmenbedingungen zu »Entfremdungen, Transformationen und Umkodierungen« (Friesacher 2011, S. 374) für alle Beteiligten kommt, durchaus zuzustimmen. Doch auch dann gilt, dass erst durch die in den Expertenstandards vorgenommene, fachlich von der Berufsgruppe selbst verantwortete Leistungsbeschreibung benennbar, messbar und nachvollziehbar wird, was denn unter Kosteneinsparungszwang und Personalabbau Notwendiges nicht mehr getan wird, aber getan werden müsste. Insofern stellen Instrumente der Qualitätsentwicklung wie die Expertenstandards auch eine Rückfallposition für eine nutzerinnenorientierte Qualitätssicherung dar, da das Niveau der in Frage stehenden Leistung aus fachlicher Sicht nicht unterschritten werden darf. Für die entsprechenden strukturellen Bedingungen zu sorgen, stellt eine nicht hintergehbare Aufgabe des Managements jeder Einrichtung dar.

Kommen wir zu einem letzten Punkt, den Wirkungen und Folgen der Implementierung von Qualitätsinstrumenten und -methoden. Jede Innovation hat erwünschte und unerwünschte, erwartete und unerwartete Wirkungen und Nebenwirkungen, die konkret in den Kapiteln 6–8 vorgestellt werden. Vorweg sollen lediglich einige weiterführende Überlegungen skizziert werden. Zunächst noch einmal zu den Rahmenbedingungen: Es ist natürlich kontraproduktiv, Personalstellen im Pflegedienst massiv abzubauen, wie es im letzten Jahrzehnt allerorten in Deutschland geschehen ist und auch weiter geschieht, und gleichzeitig, auch als externe Qualitätskontrolle, die Einhaltung der Expertenstandards zu verlangen. Deren Inhalte können dann nur noch formal und minimal abgearbeitet werden, wobei der Zusammenhang mit der Gesamtproblematik der Patientin oder Bewohnerin allzu leicht verloren zu gehen droht.

Hier rächt sich, dass mit der formalen Einführung der Pflegeprozessmethode Mitte der 1980er Jahre nicht die längst fällige Umstellung der Pflegeorganisation durchgeführt wurde. Zur inhaltlich angemessenen Einführung der Pflegeprozessmethode hätte von den bis dahin überwiegend verrichtungsorientierten (Funktionspflege) auf personenorientierte Organisationsformen mit klarer Patientinnen- oder Bewohnerinnenzuordnung zu einer primär verantwortlichen Pflegefachkraft, im Idealfall also das Primary Nursing, umgestellt werden müssen. Nur so kann mit der Pflegeprozessmethode das Potenzial zur Patientinnen- oder Bewohnerinnen- bzw. Fallorientierung realisiert werden. Diese Umstellung ist maximal halbherzig geschehen, etwa mit der Einführung der Bereichspflege, und wird unter Personaleinsparungsdruck zum Teil sogar wieder zurückgedreht. Erst mit der vollständigen Delegation der Verantwortung für die Pflege von Patientinnen oder Bewohnerinnen an dafür entsprechend qualifizierte Pflegefachkräfte, kann überhaupt festgestellt werden, welches Maß an Arbeit zu leisten möglich ist. Den direkten Zusammenhang von steigender Fallzahl und zunehmenden ernsten Zwischenfällen in der Pflege haben US-amerikanische Studien eindeutig herstellen können (Aiken et al. 2002; 2003). Für die bundesdeutsche Situation ist zusätzlich auf die notwendige Anhebung des Qualifikationsniveaus zu verweisen. Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass für die Übernahme der vollständigen pflegerischen Verantwortung für Patientinnen und Bewohnerinnen ein Bachelor-Abschluss die regelhafte Voraussetzung darstellt, womit deutlich wird, dass auch erfahrene Pflegefachkräfte fort- und weitergebildet werden müssen, um den mit dem Primary Nursing verbundenen Anforderungen gerecht zu werden. Die hierzulande nun zahlreicher werdenden dualen Pflegestudiengänge mit klinischer Ausrichtung lassen hoffen (vgl. Moers et al. 2012).

Eine andere Entwicklung, die mit der Einführung anspruchsvoller Qualitätsmethoden und -instrumente in der Pflege eng zusammenhängt, kann demgegenüber deutlicher als Erfolg bezeichnet werden. Gemeint ist der Einsatz von Pflegeexpertinnen als »change agents« oder »facilitators« in zahlreichen Gesundheits- und Pflegeinrichtungen. Sie verfügen meist über ein pflegewissenschaftlich ausgerichtetes Studium und haben sich als unverzichtbare Ebene des Wissenstransfers etablieren können. Auf dem langen Weg der Professionalisierung der Pflege als traditionsreichem, aber nicht wissenschaftlich gestützten Beruf, kommt gerade der Funktion der Sicherstellung des Wissenstransfers eine nicht zu überschätzende Bedeutung zu.

Ebenfalls mit der Pflegeprozessmethode zusammen hängt eine weitere, zum Teil unerwünschte Folge der Einführung von Expertenstandards, die hier exemplarisch für ähnliche Probleme benannt sei: Durch die themenbezogene Einführung der inzwischen sieben Expertenstandards in einzelnen Projekten, ist in manchen Einrichtungen eine Fülle zusätzlicher Formulare entstanden, die in Projektzusammenhängen hilfreich erscheinen, mit Blick auf den gesamten Pflegeprozess aber zu Doppelerhebungen und -dokumentationen führen können, da die Themen oft nach- und nebeneinander abgearbeitet werden und nicht in einem zusammenhängendem Assessment, anders gesagt: in die Pflegeanamnese integriert werden. Hier ein solches übergreifendes Assessmentinstrument zu schaffen kann als Forschungs- und vor allem: Entwicklungsbedarf klar benannt werden, der allerdings über die eigentliche Aufgabe des DNQP, die Entwicklung von Qualitätsinstrumenten, hinausgeht. Wir arbeiten daran, wie es so schön heißt, hoffen jedoch auch, dass andere Institute oder Arbeitsgruppen sich dieses Themas ebenfalls annehmen.

Weiterer Forschungsbedarf besteht über die in diesem Band vorgestellten Ergebnisse ganz sicher in der Wirkungsforschung der Expertenstandards: Welche konkreten Verbesserungen der klinischen Pflege sind feststellbar? Ebenso gibt es großen Unterstützungsbedarf in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zur Einführung von Expertenstandards. Hier hat das DNQP über die modellhaften Implementierungsprojekte hinaus einen weiteren Schritt getan und eine offene Liste von Referenzeinrichtungen auf seine Internetseite gestellt, die im Sinne des Netzwerkgedankens bereit sind, ihre Erfahrungen mit der Implementierung von Expertenstandards weiterzugeben.

So schwierig die Situation der Pflegeberufe zwischen neuen und erhöhten Anforderungen einerseits und verknappten Ressourcen andererseits auch ist: Unsere Standortbestimmung für die bisherige Netzwerkarbeit fällt insgesamt positiv aus. In den letzten zwei Jahrzehnten konnten wichtige Entwicklungen zur Stärkung der Handlungssicherheit in der Pflegepraxis in Gang gesetzt werden: Das berufliche Selbstverständnis der Pflegenden ist in vielen Bereichen nicht nur klarer geworden, es ist auch gelungen, den eigenständigen Beitrag der Pflege zur Gesundheit von Patientinnen und Bewohnerinnen deutlich zu machen. Dabei lassen sich bereits Ausstrahlungseffekte über die einzelnen Standardthemen hinaus beobachten. So kann in den Einrichtungen, die mit Expertenstandards arbeiten, eine Renaissance des Themas Mobilität verzeichnet werden – denn ob Dekubitus- oder Sturzprophylaxe, Kontinenzförderung oder Schmerzmanagement: Die im Expertenstandard postulierte patientinnenorientierte Pflege, führt zur Förderung sicherer Mobilität und dem Erhalt weiterer Fähigkeiten von Patientinnen und Bewohnerinnen.

Ebenso wurde die Berufsgruppe gestärkt, indem sie zeigen konnte, dass sie in der Lage ist, ihre Inhalte selbst zu definieren und das Niveau fachlich angemessener Leistung selbst zu bestimmen – all dies sind wesentliche Merkmale der Professionalisierung und der in diesem nur langfristig zu denkenden Prozess gemachten Fortschritte. Weitere, auch institutionelle Schritte werden folgen, wie an der Diskussion um die Einrichtung von Pflegekammern abzulesen ist, die allmählich Fahrt auf- und Form annimmt. Dafür danken wir den tausenden von Netzwerkerinnen in der Pflege, die diese Erfolge durch langjährige Arbeit möglich gemacht haben. Ihnen widmen wir dieses Buch, das für alle Leserinnen hoffentlich eine inhaltsreiche und spannende Lektüre mit vielen Anregungen für Praxis, Forschung und Entwicklung darstellt.

Literatur

Aiken, L.; Clarke, S.; Sloane, D.; Sochalski, J. & Silber, J. (2002). Hospital nurse staffing and patient mortality, nurse burnout, and job dissatisfaction. In: JAMA. 288. Jg., Heft 16, 1987–1993.

Aiken, L.; Clarke, S.; Silber, J. & Sloane, D. (2003). Hospital nurse staffing, education, and patient mortality. In: LDI Issue Brief. 9. Jg., Heft 2, 1–4.

Balshem, H.; Helfand, M.; Schünemann, H. J.; Oxman, A. D.; Kunz, R.; Brozek, J.; Vist, G. E.; Falck-Ytter, Y.; Meerpohl, J.; Norris, S. & Guyatt, G. H. (2011). GRADE guidelines: 3. Rating the quality of evidence. In: Journal of Clinical Epidemiology. 64. Jg., Heft 4, 401–406.

Beck, U. & Bonß, W. (Hrsg.) (1989). Weder Sozialtechnologie noch Aufklärung? Analysen zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens. Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Dahlgaard, K. & Schiemann, D. (1996). Voraussetzungen und Darstellung der Methode der Stationsgebundenen Qualitätssicherung. In: Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.). Qualitätsentwicklung in der Pflege (Abschlußbericht), Teil 1. Baden-Baden: Nomos.

DNQP (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege) (Hrsg.) (2013). Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege. 1. Aktualisierung 2013 einschließlich Kommentierung und Literatur. Osnabrück: DNQP.

Friesacher, H. (2011). »Vom Interesse an vernünftigen Zuständen « Bedeutung und konstitutive Elemente einer kritischen Theorie der Pflegewissenschaft. In: Pflege. 24. Jg., Heft 6, 373–388.

Moers, M.; Schaeffer, D. & Schnepp, W. (2011). Too busy to think? Essay über die spärliche Theoriebildung der deutschen Pflegewissenschaft. In: Pflege. 24. Jg., Heft 6, 349–360.

Moers, M.; Schöniger, U. & Böggemann, M. (2012). Duale Studiengänge – Chancen und Risiken für die Professionalisierung der Pflegeberufe und die Entwicklung der Pflegewissenschaft. In: Pflege & Gesellschaft. 17. Jg., Heft 3, 232–248.

Ollenschläger, G.; Thomeczek C.; Thalau, F.; Heymans, L.; Thole, H.; Trapp, H.; Sänger, S. & Lelgemann, M. (2005). Medizinische Leitlinien in Deutschland, 1994–2004. Von der Leitlinienmethodik zur Leitlinienimplementierung. In: Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. 99. Jg., Heft 1, 7–13.

Schaeffer, D. (Hrsg.) (2006). Wissenstransfer in der Pflege. Ergebnisse eines Expertenworkshops. Universität Bielefeld, Institut für Pflegewissenschaft (IPW) P06–133.

Schiemann, D. & Moers M. (2011). Qualitätsentwicklung und -standards in der Pflege. In: Schaeffer, D. & Wingenfeld, K. (Hrsg.). Handbuch Pflegewissenschaft. Heidelberg: Juventa, 617–642.

1     Zur sprachlichen Vereinfachung und damit zur Verbesserung der Lesbarkeit wird im Text lediglich eine Geschlechtsform verwendet. Das jeweils andere Geschlecht ist ausdrücklich mit gemeint.

 

2          Networking for Quality: Qualitätsnetzwerke der Pflege auf europäischer und nationaler Ebene

Doris Schiemann

2.1       Europäisches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (EuroQUAN)

Die Entstehung von Qualitätsnetzwerken in der Pflege auf europäischer und nationaler Ebene Anfang der 1990er Jahre steht in direktem Bezug zum Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) »Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000« von 1980. In ihrer 31. Zielsetzung forderte die WHO alle Mitgliedsstaaten auf, bis 1990 im Rahmen ihres jeweiligen Gesundheitssystems effektive Verfahren zur Qualitätssicherung in der Patientenversorgung zu entwickeln und anzuwenden. Damit waren die Gesundheitsberufe in den Mitgliedsstaaten aufgerufen, die fachlichen und methodischen Anforderungen »guter Qualität« in der Gesundheitsversorgung zu definieren und ihren spezifischen Beitrag zur Entwicklung geeigneter Verfahren zur Qualitätsförderung und -messung zu leisten.

Unmittelbar nach Erscheinen dieses Programms rief Marie Farrell, damalige Leiterin des Referats Pflegewesen im WHO-Regionalbüro Kopenhagen, eine englischsprachige Arbeitsgruppe für einen Zeitraum von fünf Jahren ins Leben, um eine Umsetzung dieser Zielsetzung für die Pflege auf europäischer Ebene in Gang zu setzen. Die Arbeitsgruppe befasste sich mit inhaltlichen und methodischen Fragestellungen der Entwicklung und Einführung von Pflegestandards und konnte dabei auf Praxiserfahrungen und Fachliteratur aus dem angloamerikanischen Sprachraum zurückgreifen. Mit der Übersetzung der wesentlichen Ergebnisse der WHO-Arbeitsgruppe ist es dann gelungen, den Fachdiskurs über die Weiterentwicklung der Pflegequalität Ende der 1980er Jahre auch in den deutschsprachigen Ländern anzustoßen (WHO 1982; 1984; 1987). Um aber auch den länderübergreifenden Dialog über wirksame Methoden und Instrumente pflegerischer Qualitätsentwicklung in Europa nach Beendigung des WHO-Förderprogramms fortsetzen zu können, entstand die Idee, ein Europäisches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (EuroQUAN; QUAN = Quality Assurance Network) zu gründen und anzuregen, dass die beteiligten Länder jeweils eigene nationale Netzwerke aufbauen.

Die Überlegenheit von Netzwerken gegenüber anderen Organisationsformen besteht darin, dass sie aufgrund der Kultivierung informeller Austauschprozesse dynamischere Entwicklungen durch Synergieeffekte ermöglichen. Ihre Funktion kann außerdem darin bestehen, Gegengewicht zu bürokratischen Praktiken zu sein, beispielsweise zu gesetzlich verordneten Qualitätssicherungssystemen, in deren Rahmen statt gezielter Unterstützungsprogramme zur Verbreiterung des Qualitätswissens, behördliche Überwachungen der Pflegequalität im Vordergrund stehen. Qualität lässt sich nicht allein durch externe Prüfverfahren sichern, sondern bedarf der systematischen Qualitätsentwicklung auf breiter Front. Dabei spielt die Vernetzung der zahlreichen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen eine wesentliche Rolle, denn nur so können lokal bewährte innovative Verfahren flächendeckend nutzbar gemacht werden. Zur Herstellung der Akzeptanz der Qualität durch Akzeptanz des allgemein anerkannten Standes der Kunst innerhalb der Profession, ist wiederum der Vernetzung von Pflegewissenschaft und -praxis ein hoher Stellenwert beizumessen. Ihrem Zustandekommen wurde deshalb von Anfang an besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Die Gründung von EuroQUAN erfolgte 1992 durch das Oxforder Institute for Nursing des Royal College of Nursing (RCN) unter Federführung von Alison Kitson. Während im WHO-Förderprogramm zunächst nur diejenigen Länder beteiligt waren, die bereits über ein breites Wissens- und Erfahrungsspektrum auf diesem Gebiet verfügten – hierzu zählten Dänemark, Großbritannien, Irland, die Niederlande und die skandinavischen Länder –, wurden nun auch die übrigen westeuropäischen Länder einbezogen. Ihnen bot sich damit die Chance, im Rahmen von EuroQUAN-Konferenzen, länderübergreifenden Projekten und Hospitationen den eigenen Entwicklungsrückstand aufzuholen. Eine Steuerungsgruppe – pro Land ein Mitglied – übernahm die Aufgabe, gemeinsame Qualitätsstrategien und -projekte zu entwickeln, Konferenzen vorzubereiten und sich an der Erstellung und Verbreitung eines englischsprachigen Newsletters zu beteiligen. Von den Mitgliedern in der Steuerungsgruppe wurde außerdem erwartet, dass sie in Kooperation mit den Berufsverbänden ihres Landes ein eigenes nationales Qualitätsnetzwerk aufbauen.

Auf ihrer ersten Sitzung konnten sich die Mitglieder der Steuerungsgruppe auf die folgenden fünf Ziele für das »Networking for Quality« einigen (Schiemann 1993, S. 27 f.):

•  Hervorragende Leistungen in der Pflege zu fördern,

•  traditionelle Verhaltensmuster zu reflektieren,

•  transkulturelle Ähnlichkeiten und Unterschiede zu nutzen,

•  effektive Praktiken in der Qualitätsentwicklung zu verbreiten,

•  Forschungsergebnisse in einer durchdachten und systematischen Weise zu nutzen.

In der Mehrzahl der beteiligten Länder war es auch tatsächlich möglich, Programme zur Umsetzung der gemeinsam formulierten Ziele in einem überschaubaren Zeitraum auf den Weg zu bringen: Ein wesentlicher Programmpunkt war in nahezu allen Ländern die Einführung der Methode der »Stationsgebundenen Qualitätsentwicklung« (SQE) – im internationalen Sprachgebrauch als »unit-« oder »ward-based-method« bekannt. Es handelt sich um ein in den USA Anfang der 1980er Jahre des letzten Jahrhunderts entwickeltes »dezentrales und dynamisches bottom-up-system«, in dessen Rahmen die Pflegenden in kleinen Organisationseinheiten, z. B. auf Stations- bzw. Abteilungsebene, ihre Pflegestandards selbst erarbeiten und evaluieren und während dieses Prozesses von eigens für diese Aufgabe qualifizierten Kollegen fachlich und methodisch unterstützt werden (Schroeder & Maibusch 1984).

Für eine Reihe von Mitgliedsländern (Dänemark, Großbritannien, Niederlande und Schweden) stand zu Beginn der 1990er Jahre parallel zur Einführung der SQE auch bereits die Entwicklung nationaler Pflegestandards durch Expertenarbeitsgruppen auf dem Programm. Das war ihnen im Vergleich mit den übrigen Ländern aufgrund deutlich besserer struktureller Voraussetzungen möglich. Dazu gehörten in allen Ländern u. a. ein höherer Entwicklungsstand der Pflege auf fachlicher und organisatorischer Ebene, ein früherer Beginn akademischer Ausbildungsprogramme in Kombination mit der staatlichen Förderung von Qualitätsprojekten, dem Vorhandensein eines berufsübergreifenden Qualitätsinstituts für die Gesundheitsberufe oder eines Forschungsinstituts für die Pflegeberufe.

Von diesen ersten gut dokumentierten Erfahrungen mit der Entwicklung von Expertenstandards profitierten in hohem Maße auch die Partnerländer. Als richtungsweisende Beispiele sollen hier insbesondere die 22 RCN-Standards für die pädiatrische Krankenpflege in Großbritannien und das standardisierte Auditinstrument zu diesen Standards genannt werden (RCN 1994). Aufgrund ihres innovativen Potenzials haben sie vielerorts einen Paradigmenwechsel in der Kinderkrankenpflege eingeleitet, der darin bestand, kind- und familienorientierte Konzepte konsequent umzusetzen und den Wissenstransfer zu beschleunigen.

Die Finanzierung des europäischen Netzwerks war über einen Zeitraum von drei Jahren durch die British Foundation of Nursing Studies in London gesichert. Diese Stiftung hatte sich zur Aufgabe gemacht, Anschubfinanzierungen für Projekte zu leisten, mit deren Hilfe der Wissenstransfer von der Forschung in die Pflegepraxis beschleunigt werden kann. Ihr Slogan hieß kurz und bündig: »Putting Research into Practice«. Leider sind alle Versuche gescheitert, nach diesem Förderzeitraum eine langfristige Etablierung von EuroQUAN auf Basis von Beiträgen aus den Mitgliedsländern oder Mitteln der Europäischen Union sicherzustellen. Aus diesem Grund ist erklärbar, weshalb trotz der sehr effektiven Netzwerkarbeit der Auflösungsprozess von EuroQUAN bereits wenige Jahre nach seiner Gründung einsetzte. Auch wenn dem »Networking for Quality« innerhalb von EuroQUAN nur eine kurze Zeitdauer beschieden war, sind zwischen verschiedenen europäischen Partnerorganisationen tragfähige Verbindungen entstanden, mit denen der Qualitätsdialog bzw. die Zusammenarbeit im Rahmen gemeinsamer länderübergreifender Projekte fortgesetzt werden konnte. Zur Erfolgsbilanz von EuroQUAN gehört auch, dass innerhalb weniger Jahre in allen Mitgliedsländern ein deutlicher Kompetenzzuwachs in der Qualitätsmethodik der Standardentwicklung und -einführung erreicht werden konnte. Darüber hinaus sind mit dem Aufbau nationaler Netzwerke Voraussetzungen für eine langfristige professionelle Qualitätsarbeit in der Pflege geschaffen worden. Der Aufbau eines nationalen Qualitätsnetzwerks stellte insbesondere für diejenigen Länder einen wichtigen Meilenstein dar, denen bis dahin (für einige Länder gilt das immer noch, z. B. für Deutschland) noch keine geeigneten Strukturen für die Institutionalisierung der Qualitätsarbeit in der Pflege zur Verfügung standen, die weder über entsprechende Qualitätsinstitute, ausreichende Forschungsressourcen noch über Pflegekammern verfügten.

2.2       Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)

In Deutschland hat die Hochschule Osnabrück 1992 mit dem Aufbau eines nationalen Qualitätsnetzwerks begonnen. Sie konnte dabei auf eigene grundlegende Erfahrungen und den Wissensvorsprung von Partnerländern aus dem europäischen Netzwerk zum methodischen Vorgehen bei der Entwicklung von Praxis- und Expertenstandards zurückgreifen (RCN 1990; Schiemann 1990; Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Osnabrück 1992; Verpleegkundig Weetenschappelijke Raad 1992).